Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Coturnix
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Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

Ich kämpfe im Moment mit den moralischen und theologischen Problemen, vor die einen bspw. Verse wie 1Sam 15,3 stellen (im Zusammenhang der Landnahmeerzählung finden sich ja noch zahlreiche ähnliche Verse)
 So spricht der HERR der Heerscharen: [...] Darum zieh jetzt in den Kampf und schlag Amalek! Ihr werdet an allem, was ihm gehört, den Bann vollziehen! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel!
Ich habe mich auch schon nach Deutungen dazu umgeschaut. Im Kern begegnen einem drei Typen von Erklärungen:

1. Klassische Interpretation: Gott verfügt über Leben und Tod und kann jedem Menschen eine Lebensspanne festsetzen. Er hat daher das Recht, auch Säuglingen das Leben zu nehmen und kann sich dabei auch anderer Menschen bedienen, die das dann für ihn ausführen
2. Allegorische Interpretation: Der Text ist ausschließlich geistig zu verstehen und es geht hier um die Ausrottung aller bösen Gedanken und Laster etc.
3. Historisch-kritische Interpretation: Gott hat das nicht gesagt, sondern der spätere menschliche Autor hat es so geschrieben um damit zum Ausdruck zu bringen, dass die Israeliten nichts mit den Heiden zu tun haben sollten, die Landnahme hat in dieser Form auch sowieso gar nicht stattgefunden.

Grundsätzlich bin ich immer geneigt, klassischen Positionen den Vorrang zu geben, tue mich hier aber sehr schwer:
Natürlich hat Gott das Recht, leben zu geben und zu nehmen, wie er es will - soweit gehe ich vollkommen mit. Gott könnte sich dabei auch insofern eines Menschen bedienen, als er es zulässt, dass dieser einen Mord begeht (der Mord selber wäre aber immer noch etwas schlechtes.) Auch da würde ich noch mitgehen. Was ich aber nicht nachvollziehen kann wäre, dass Gott diesen Mord aktiv befiehlt. Das scheint dem Wesen Gottes zu widersprechen. Das Ermorden eines unschuldigen Kindes ist eine intrinsisch schlechte Tat. Der christliche Glaube verbietet es aber nach meinem Verständnis anzunehmen, dass Gott intrinsisch schlechte Taten befiehlt.
Nun scheinen manche zu argumentieren, dass die Tat dadurch gut wäre, weil sie von Gott angeordnet ist.
Daraus ergeben sich für mich zwei Probleme:
1. Nach meinem Verständnis ist etwas nicht deshalb gut, weil Gott es sagt, sondern Gott sagt es, weil es gut ist, d.h. seinem göttlichen Wesen entspricht, welches unwandelbar ist. Gott kann daher nicht an einem Tag sagen, dass Säuglinge töten gut ist und am anderen, dass es schlecht ist, es sei denn, man würde eben annehmen, dass sich das Wesen Gottes ändert
2. Woher wissen wir, dass eine Offenbarung von Gott ist? Was sind die Maßstäbe, anhand derer wir eine vermeintliche Offenbarung beurteilen? Wenn heute ein Mann im Supermarkt plötzlich meint eine göttliche Eingebung zu haben, die ihm befiehlt, ein Kind zu ermorden, stecken wir so eine Person (zurecht) in die Psychatrie und würden diese "Rechtfertigung" keine Sekunde gelten lassen. Wenn ich mir vorstelle, dass ein Mann zu mir sagt: "Gott hat zu mir gesprochen: Tötet alle Säuglinge!" würde ich ihm keinen Gehorsam leisten wollen, auch wenn es Samuel ist, da ich nicht sehe, wie dieser Befehl mit dem übereinstimmen soll, was wir sonst von Gott wissen.

Teilweise wird noch argumentiert, der Mord an Säuglingen wäre für die Säuglinge gut, weil sie schlechte Eltern hatten und es ihnen in der Ewigkeit mit Gott besser gehen würde als wenn sie von ihren Eltern im Heidentum erzogen werden würden. Dieses Argument halte ich für sehr schwach, es mag zwar objektiv seine Richtigkeit haben, dass es ggf. besser ist ohne persönliche Sünde zu sterben als später in einer sündigen Umgebung aufzuwachsen (und dann vermutlich ebenfalls zu sündigen), aber damit lässt sich nie die Tötung eines Menschen legitimieren (ansonsten wäre Abtreibung ja auch eine Wohltat für das Kind).

Wie ich es auch betrachte, ich sehe hier keine Möglichkeit, die klassische Interpretation zu retten, ohne dass das katastrophale Auswirkungen auf das Gottesverständnis hat.
Eine allegorische Deutung kommt vllt. als zusätzliche Deutungsebene in Betracht, aber sicher nicht als alleinige. Ich sehe mich hier (man könnte sagen: schweren Herzens) das erste mal in der Situation, der historisch-kritischen Perspektive den Vorzug geben zu müssen.
Wie sehr ihr das?

kukHofnarr
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von kukHofnarr »

Nicht, dass darauf eine ad hoc Antwort erwartbar wäre, aber ich möchte zuerst Grundlegendes zu Deiner Frage geklärt wissen:

Deinen obigen Textblock fasse ich zusammen wie folgt:

Wie ist der Befehl Gottes im AT im 1. Buch Samuel Kapitel 15 Vers 3, einen "Bann' zu vollstrecken, zu verstehen

1. aus der Perspektive des zuvor von Gott an das Volk Israel gegebenen Dekalogs, insbes. die Aufforderungen
"Du sollst nicht töten!" (Ex 20, 13)
"Du sollst nicht stehlen!" (Ex 20, 15), und

2. aus der Perspektive der Bergpredigt Jesu im Neuen Testament (NT), insbes. die Aufforderungen
"Liebet eure Feinde!" (MT 5, 44)
"Selig sind die Friedfertigen!" (MT 5, 9)

Ist Deine Frage so korrekt zusammengefasst?
Zu Protokoll: Mein Schweigen ist weder als Zustimmung, noch als Ablehnung, noch als Gewähr dafür zu werten, den Sender verstanden zu haben.

"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Coturnix
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

Also ganz falsch ist diese Zusammenfassung zwar nicht, aber sie trifft vllt. nicht ganz den Kern. Dass Gott sich innerhalb der Geschichte sukzessive offenbart hat und dass er bestimmte Missstände im AT toleriert hat (wie bspw. die Polygamie oder die Ehescheidung) ist mir klar. Aber es ist doch ein großer Unterschied ob Gott ein Übel toleriert (hierzu mag es bestimmte „pädagogische“ Gründe geben) oder ob er es aktiv anordnet.
Besteht denn Einigkeit darin, dass ein Mensch, der ein unschuldiges Kind absichtlich tötet, grundsätzlich und immer objektiv eine schwere Sünde begeht?
Streicht man das „grundsätzlich und immer“ aus diesem Satz und ersetzt es durch „heutzutage“ würde man dadurch jegliche Objektivität von Moral preisgeben.

Was würden wir dann z.B. heute einem Menschen entgegenhalten, der sagt, dass (um mal ein anderes Beispiel zu nehmen) Gott ihm gesagt hat, dass homosexueller Verkehr keine Sünde mehr ist?

Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Die von Dir geschilderte "historische" Fragestellung kann man aktuell im Mohammedanismus, näherhin im Islamismus, ebenfalls sehen. :hmm:
Auch dort werden Menschen "im Namen Gottes" getötet, gemeuchelt und hingeschlachtet.

Aus christlicher Sicht sind Judentum und Mohammedanismus jedoch defizitär!

Naheliegend ist daher, daß die im AT genannten "Befehle Gottes" zur Ausrottung hybride Anmaßungen der damaligen Protagonisten waren. Durch Christi Leben und Vorbild ist im Christentum derlei Vorgehen also zumindest als Lehre völlig ausgeschlossen. Das Faktische kann nur Normativität entfalten, wenn es in Übereinstimmung mit dem Naturrecht geschieht bzw. gebracht werden kann.
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Coturnix
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

@Peduli: Vielen Dank für deine Antwort. Das würde dann in die Richtung von der dritten Interpretation gehen, der auch ich aktuell zuneige. Was mich davor etwas zurückschrecken lässt ist die Frage, was so ein Ansatz dann für das Inspirationsverdtändnis des Textes bedeutet. Was ist deine Meinung dazu, was bedeutet dann in Hinblick auf solche Passagen göttliche Inspiration? Sind diese Passagen nicht göttlich inspiriert? Oder sind sie es und Gott hat es lediglich zugelassen, dass die Autoren das schreiben, damit sie dann später z.b. allegorisch gedeutet werden können? (So eine Argumentation hatte ich einmal in Hinblick auf Ps 137,9 gehört: Das war vom menschlichen Autor wörtlich gemeint aus niederen Racheglüsten, aber Gott hat es zugelassen, dass er es schreibt, damit es dann später auf den Umgang mit aufkeimenden Lastern im geistigen Kampf gedeutet werden kann (was dann die gottgewollte, christliche Interpretation wäre)


@kukhofnarr: Peduli konnte aus meinem Beitrag mein Anliegen anscheinend herauslesen, es scheint also möglich zu sein. Mein Problem hatte ich bereits in meinem Beitrag von 20:40 nochmal extra auf deine Nachfrage hin in eine Frage gepackt. Darauf bist du wieder nicht eingegangen, sodass mich der Eindruck befällt, dass du prinzipiell nichts dazu sagen möchtest.
Nein, ich habe keine Botschaft, sondern ein theologisches Problem. Die Unterstellung, ich hätte eine Botschaft kam ursprünglich von deiner Seite. Ich meinte lediglich: Selbst wenn du mir nicht glaubst, dass es sich um ehrliche Fragen handelt, die mich bewegen, sondern annimmst, dass ich eine Botschaft hätte, dann widerlege diese vermeintliche Botschaft, die du offenbar aus meinen Fragen herausliest doch bitte wenigstens, vielleicht käme da dann ja etwas gehaltvolleres bei raus.
Zuletzt geändert von Coturnix am Dienstag 29. Oktober 2024, 21:39, insgesamt 1-mal geändert.

kukHofnarr
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von kukHofnarr »

Gut. Nehmen wir an, jemand würde behaupten, dass das Faktische nur dann Normativität entfalten könne, wenn es in Übereinstimmung mit dem Naturrecht geschieht bzw. gebracht werden könne. Würdest Du dem grundsätzlich zustimmen?
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Coturnix
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

kukHofnarr hat geschrieben:
Dienstag 29. Oktober 2024, 21:35
Gut. Nehmen wir an, jemand würde behaupten, dass das Faktische nur dann Normativität entfalten könne, wenn es in Übereinstimmung mit dem Naturrecht geschieht bzw. gebracht werden könne. Würdest Du dem grundsätzlich zustimmen?
Ja. Aber was bedeutet das für dich in Hinblick auf diese Textstelle und den Umgang mit ihr konkret?

Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Coturnix hat geschrieben:
Dienstag 29. Oktober 2024, 21:22
@Peduli: Vielen Dank für deine Antwort. Das würde dann in die Richtung von der dritten Interpretation gehen, der auch ich aktuell zuneige. Was mich davor etwas zurückschrecken lässt ist die Frage, was so ein Ansatz dann für das Inspirationsverdtändnis des Textes bedeutet. Was ist deine Meinung dazu, was bedeutet dann in Hinblick auf solche Passagen göttliche Inspiration? Sind diese Passagen nicht göttlich inspiriert? Oder sind sie es und Gott hat es lediglich zugelassen, dass die Autoren das schreiben, damit sie dann später z.b. allegorisch gedeutet werden können? (So eine Argumentation hatte ich einmal in Hinblick auf Ps 137,9 gehört: Das war vom menschlichen Autor wörtlich gemeint aus niederen Racheglüsten, aber Gott hat es zugelassen, dass er es schreibt, damit es dann später auf den Umgang mit aufkeimenden Lastern im geistigen Kampf gedeutet werden kann (was dann die gottgewollte, christliche Interpretation wäre)
Zunächst einmal kann diese Bibelpassage als ein Bericht gelesen werden:
Der Autor schreibt einfach nieder, was (tatsächlich) geschehen ist!
Problematisch wird diese Lesart dann, wenn über die Motive berichtet wird. Denn diese sind nicht so einfach "wahr", in dem Sinne das sie zu 100% korrekt sind. Es kann sich da auch um Einbildungen, Schutzbehauptungen oder Beschönigungen (und noch anderes :hmm: :hmm: :hmm: ) handeln. Dies herauszufinden, ist jedoch Aufgabe der Textinterpretation.

Momentan habe ich keine Kenntnis über die Textinterpretation, die von der Kirche als verbindlich erachtet wird. Ich gehe davon aus, daß sich etliche Theologen jedoch bereits zu dieser speziellen Passage geäußert haben.

Dein Problem scheint mir zu sein, daß Du diese Passage als eine moralische Anweisung liest und eben nicht als eine Sachverhaltsschilderung.
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Coturnix
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

Vielen Dank für deine Antwort, Peduli.
Dein Problem scheint mir zu sein, daß Du diese Passage als eine moralische Anweisung liest und eben nicht als eine Sachverhaltsschilderung.
Es stimmt, dass das Alte Testament an manchen Stellen grausame Taten von Menschen berichtet, ohne diese irgendwie zu kommentieren oder einzuordnen (nehmen wir bspw. Jeftah, der seine eigene Tochter als Menschenopfer darbringt - hier wird einfach nur berichtet, dass er es getan hat, ohne es irgendwie zu werten oder zu sagen, dass Gott dieses Opfer guthieß, sodass der Leser die Tat dann vor dem Hintergrund der restlichen Offenbarung selber bewerten kann).
Bei der von mir zitierten Stelle (und anderen ähnlichen Stellen) ist die Sachlage in meinen Augen aber etwas anders, weil hier Gott selber als Sprecher auftritt und der Befehl dadurch vom Autor zwangsläufig eine Bewertung bekommt. Wenn Gott direkt einen Befehl gibt, so ist dies in meinen Augen in dem Moment eine moralische Anweisung, da der Mensch als Geschöpf verpflichtet ist, ihm in dieser Situation zu gehorchen.

Es handelt sich hier natürlich um einen situationsgebunden Befehl (dieser bezieht sich hier auf die Ausrottung eines bestimmten Volkes zu einem bestimmten Zeitpunkt) und von daher ist es klar, dass sich hier keine allgemeingültige moralische Anweisung daraus ableiten lässt, die für Christen heute eine Bedeutung für ihre Glaubenspraxis hätte.
Die theologische Frage, die sich aber in meinen Augen trotzdem stellt ist, wie solche "partikularen" Befehle Gottes in der Heiligen Schrift zu einer raum- und zeitübergreifenden Moral passen, an die wir als Christen ja auch glauben.
Es kann sich da auch um Einbildungen, Schutzbehauptungen oder Beschönigungen (und noch anderes :hmm: :hmm: :hmm: ) handeln.
Meinst du in dem Sinne, dass die Israeliten sich lediglich eingebildet haben, eine solche Offenbarung von Gott bekommen zu haben und dann danach gehandelt haben?
Über so eine Möglichkeit habe ich auch schon nachgedacht. Gewissermaßen gibt das AT da auch Spielraum für solche Auslegungen:
In 2. Samuel 24,1 heißt es bspw. dass Gott den David dazu "reizte" eine Volkszählung durchzuführen, die dann aber als Sünde bewertet wird. In 1. Chronik 21 - dem späteren Parallelbericht dazu - heißt es dann auch konsequent, dass es nicht Gott, sondern Satan war, der David dazu angestachelt hat.
Ein und dieselbe Tat wird also einmal Gott, in einem späteren Text Satan zugeschrieben. Das wird in der Regel so verstanden, dass es Satan war, der ihn zur Sünde gereizt hat, Gott es aber zugelassen hat, sodass beide Aussagen gewissermaßen korrekt sind (ähnliches sehen wir übrigens auch bei der Verstockung des Pharaos). Die Theologie der älteren Schichten des Alten Testaments war aber noch nicht so weit entwickelt, diese Unterscheidung so zu treffen und hat - vielleicht auch um den Monotheismus zu unterstreichen - Gott immer als "Alleinursache" für alles dargestellt.

Ob man sich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen würde, wenn man ähnliches auch für die Ausrottungsbefehle im Rahmen der Landnahme annimmt? Also: Satan hat dazu angestachelt, auch die Säuglinge zu töten und Gott hat es lediglich zugelassen? Vielleicht ist das ein Lösung.
Die Gefahr wäre dann aber, in ein, nennen wir es mal "markionitisches" Bibelverständnis abzudriften.
Momentan habe ich keine Kenntnis über die Textinterpretation, die von der Kirche als verbindlich erachtet wird. Ich gehe davon aus, daß sich etliche Theologen jedoch bereits zu dieser speziellen Passage geäußert haben.
Es gibt meines Wissens keine verbindliche Auslegung dieser Stellen, aber du nimmst richtig an, dass sich da schon viele Gedanken gemacht haben. Ich hatte in meinem ersten Post ja die drei am häufigsten wiederkehrenden Erklärungsversuche kurz skizziert und erläutert warum ich mich mit dem klassischen Versuch (wie er bei Thomas von Aquin begegnet) schwer tue. Ein neueres Dokument der päpstlichen Bibelkommission von 2014 mit dem Namen "Inspiration und Wahrheit der Heiligen Schrift" geht in 3.1.2 auf diese Verse ein und tendiert ganz klar eher in Richtung einer historisch-kritischen Einordnung, die klassische Interpretation wird explizit abgelehnt.
Wirklich weiter bringt es mich in meinem Ringen aber auch nicht, daher bin ich derzeit noch auf der Suche nach alternativen Deutungen und Ideen, wie man als Christ damit umgehen kann.
(Dass man sich dazu eine Meinung bilden sollte, die logisch nachvollziehbar ist und gleichzeitig auf dem Boden der kirchlichen Lehre über die Heilige Schrift steht, halte ich für wichtig, da eben diese Verse auch von Atheisten und muslimischen Missionaren benutzt werden, um das Christentum anzugreifen.)

Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Meines Erachtens verfängst Du Dich in Deinen selbst gebauten Gedankenkonstrukten. :hmm: :hmm: :hmm:

1. Die klassische Interpretation kann nachwievor nicht von der Hand gewiesen werden.
2. Die Weisung an Saul würde nach der Inkarnation Jesu Christi nicht mehr gegeben werden, sie war seinerzeit historisch bedingt.
3. Auf das eigentliche Problem dieser Textpassage gehst Du nicht ein, obwohl der Angestellte der kuk-Monarchie Dich mit der Nase hat draufstoßen wollen: Saul ist ungehorsam gegenüber der Weisung, die Gott gab!
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
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Coturnix
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

Peduli hat geschrieben:
Freitag 1. November 2024, 08:47
Meines Erachtens verfängst Du Dich in Deinen selbst gebauten Gedankenkonstrukten. :hmm: :hmm: :hmm:

1. Die klassische Interpretation kann nachwievor nicht von der Hand gewiesen werden.
2. Die Weisung an Saul würde nach der Inkarnation Jesu Christi nicht mehr gegeben werden, sie war seinerzeit historisch bedingt.
3. Auf das eigentliche Problem dieser Textpassage gehst Du nicht ein, obwohl der Angestellte der kuk-Monarchie Dich mit der Nase hat draufstoßen wollen: Saul ist ungehorsam gegenüber der Weisung, die Gott gab!
Zu 1+2:
Aber glauben wir denn als Katholiken, dass Gut und Böse historisch bedingt sind?
Ich stelle drei Thesen auf, eine davon müsste falsch sein, bitte sage mir welche es deiner Meinung nach ist und warum diese falsch ist:


1. Gott hatte sich im AT noch nicht vollständig offenbart, aber der Gott des Alten Testaments und der dreifaltige Gott der sich in Christus offenbart hat sind trotzdem der selbe Gott. Auch wenn wir durch Christus Gott vollständiger erkennen, kann es keinen echten Widerspruch geben zum Gott wie er sich im AT offenbart hat und Gott wie er sich im NT offenbart hat
2. Das Töten von Säuglingen entspricht nicht dem Naturrecht
3. Gott kann nicht etwas befehlen, was gegen das Naturrecht verstößt, da dies in sich widersprüchlich wäre


Zu 3:
Saul hat den König der Amalekiter verschont (darin bestand der Ungehorsam), den Rest (also auch die Kinder, Frauen und Säuglinge) aber nicht. Daher sehe ich nicht, was das mit der Frage zu tun hat?

Coturnix
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

Ich kann meinen Beitrag leider nicht mehr bearbeiten, daher nochmal eine Ergänzung zu der ersten These:

Ich denke da ähnlich wie von den Dogmen: Wir können ein definiertes Dogma im Laufe der Zeit noch besser verstehen, es kann sich entfalten, aber alles was sich daraus entfaltet muss schon im Dogma selbst enthalten sein und spätere Erklärungen können dem Dogma nicht widersprechen.

Was mir außerdem aufgefallen ist:
Vielleicht verstehe ich dich ja auch falsch, aber hast du deine Meinung seit deinem ersten Post nochmal revidiert? Du schriebst ja ursprünglich - so hatte ich dich verstanden - dass es sich hierbei nicht um echte Offenbarungen Gottes handeln könne, sondern um Einbildungen. In deinem letzten Post scheinst du dich aber der klassischen Interpretation anzuschließen?

Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Coturnix hat geschrieben:
Freitag 1. November 2024, 10:05
Zu 1+2:
Aber glauben wir denn als Katholiken, dass Gut und Böse historisch bedingt sind?
Ich stelle drei Thesen auf, eine davon müsste falsch sein, bitte sage mir welche es deiner Meinung nach ist und warum diese falsch ist:


1. Gott hatte sich im AT noch nicht vollständig offenbart, aber der Gott des Alten Testaments und der dreifaltige Gott der sich in Christus offenbart hat sind trotzdem der selbe Gott. Auch wenn wir durch Christus Gott vollständiger erkennen, kann es keinen echten Widerspruch geben zum Gott wie er sich im AT offenbart hat und Gott wie er sich im NT offenbart hat
2. Das Töten von Säuglingen entspricht nicht dem Naturrecht
3. Gott kann nicht etwas befehlen, was gegen das Naturrecht verstößt, da dies in sich widersprüchlich wäre
Ad 1)
Gott hat sich auch heute nicht vollständig offenbart!
Was wir von Gott wissen, wissen wir aus der Offenbarung, deren Hüter die Kirche ist. Sie legt selbige verbindlich aus und lehrt die Gläbigen auf diesem Wege, ein gottesfürchtiges Leben zu führen.

Ad 2)
Daher liegt die Vermutung (präzisere Textinterpretation erforderlich! :huhu: :huhu: :huhu: ) nahe, daß - wie oben schon ausgeführt - die "Befehle Gottes" das Töten von Säuglingen nicht umfaßte. Dieses Tun entsprang einer hybriden Anmaßung der damaligen Protagonisten.

Ad 3)
Richtig! :daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf:
Coturnix hat geschrieben:
Freitag 1. November 2024, 10:05
Zu 3:
Saul hat den König der Amalekiter verschont (darin bestand der Ungehorsam), den Rest (also auch die Kinder, Frauen und Säuglinge) aber nicht. Daher sehe ich nicht, was das mit der Frage zu tun hat?
Der Ungehorsam bestand des Weiteren daraus, daß er Beute gemacht hat, die er nicht machen sollte.

Saul entpuppt sich also als ein falscher König, der dem einzigen und wahren König gegenüber Ungehorsam ist!
Ähnliches geschieht auch heute noch .......................
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Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Hier ein paar grundlegende Informationen zum Thema:
Warum erlaubt Gott Leid und Schmerz?

Es ist schon klar, daß es einen Unterschied zwischen dem Zulassen von Leid und Schmerz einerseits und der direkten Anweisung, Leid und Schmerz zuzufügen, andererseits gibt.
Allerdings hat Gott durch seinen Sohn Jesus Christus der gesamten Menschheit deutlich gemacht, daß auch ER sich an die Regeln der Schöpfungsordnung hält, die ER selbiger einbeschaffen hat!

Daher können wir Christen zu Recht von einem Neuen Bund sprechen! :ja: :ja: :ja:
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Coturnix hat geschrieben:
Freitag 1. November 2024, 12:15
Ich kann meinen Beitrag leider nicht mehr bearbeiten, daher nochmal eine Ergänzung zu der ersten These:

Ich denke da ähnlich wie von den Dogmen: Wir können ein definiertes Dogma im Laufe der Zeit noch besser verstehen, es kann sich entfalten, aber alles was sich daraus entfaltet muss schon im Dogma selbst enthalten sein und spätere Erklärungen können dem Dogma nicht widersprechen.

Was mir außerdem aufgefallen ist:
Vielleicht verstehe ich dich ja auch falsch, aber hast du deine Meinung seit deinem ersten Post nochmal revidiert? Du schriebst ja ursprünglich - so hatte ich dich verstanden - dass es sich hierbei nicht um echte Offenbarungen Gottes handeln könne, sondern um Einbildungen. In deinem letzten Post scheinst du dich aber der klassischen Interpretation anzuschließen?
@ Coturnix
Zwei Nachfragen hätte ich dann doch noch an dich:
Wieso ist Dir diese Frage so wichtig? :hmm: :hmm: :hmm:
Hängt sie evtl. mit dem aktuellen Zeitgeschehen zusammen? :detektiv: :detektiv: :detektiv:
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Coturnix »

Peduli hat geschrieben:
Freitag 6. Dezember 2024, 09:17
@ Coturnix
Zwei Nachfragen hätte ich dann doch noch an dich:
Wieso ist Dir diese Frage so wichtig? :hmm: :hmm: :hmm:
Hängt sie evtl. mit dem aktuellen Zeitgeschehen zusammen? :detektiv: :detektiv: :detektiv:
Es tut mir leid, dass ich dir jetzt erst antworte, hatte nicht mitbekommen, dass du dich nochmal gemeldet hast.
Nein, mit dem aktuellen Zeitgeschehen hat das nichts zu tun. Aber für mich ist das eine Frage, die in der Tat sehr große Bedeutung hat, weil da für mich alles dranzuhängen scheint:

Entweder ich nehme an, dass Gott heute dies und morgen das befehlen kann und dass es keine intrinsisch schlechten Dinge gibt - dann komme ich bei einem voluntaristischen Gottesbild heraus, wie man es aus dem Islam kennt. Mit katholischer Theologie (zumindest thomistischer Prägung) scheint mir das nicht vereinbar. Auch einige Protestanten wie William Lane Craig vertreten diese Theorie, sie scheint mir aber intellektuell unbefriedigend und läuft jedweder moralischen Intuition entgegen.

Oder ich nehme an, dass die Bibel in diesem Fall Irrtümer enthält - wenn ich das aber in einem Fall zulasse, stellt sich die Frage, ob es nicht auch an anderer Stelle der Fall sein kann. Damit würde man an einem wichtigen Fundament bohren und auch alle anderen Glaubenswahrheiten, die aus der Bibel abgeleitet werden, könnten in Frage gestellt werden.

Und dann stellt sich auch noch die Frage, was es überhaupt bedeutet, dass Gott zu einer Person spricht. Wenn wir die Bibel lesen, nehmen wir das wie eine Selbstverständlichkeit hin. Ist das eine Stimme, die man im Inneren wahrnimmt? Wenn ich mich jetzt aber in die Haut eines biblischen Protagonisten versetze und mir vorstelle, ich würde eine Stimme in meinem Inneren vernehmen, die mir etwas befiehlt, was jeder moralischen Intuition zuwiderläuft, woher weiß ich dann, dass das die Stimme Gottes ist (und nicht eine Versuchung des Teufels?). Kann ich dann aber überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ich der Stimme nicht gehorchen würde?

Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Ganz allgemein lesen wir Christen - also nicht nur die Katholiken - die Hl. Schrift im Zusammenhang von AT und NT.

Insbesondere wird also das im AT geschilderte Geschehen im Lichte - und das ist sensu strictu gemeint - des im NT geschilderten Geschehens verstanden. Das Problem des Judentums war es, daß es sich zu einer Gesetzesreligion entwickelt hatte. Die Absurditäten, die sich daraus ergeben, werden insbesondere im jüdischen Humor sehr plastisch dargelegt. :blinker:

Jesus Christus jedoch hat "DAS GESETZ" wieder vom Kopf auf die Füße gestellt.
Insbesondere diesen Umstand gilt es in ein paar Tagen zu feiern! :) :) :)
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(F.J.S.)

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Peduli
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Re: Befehl zum Säuglingsmord und Gottes unwandelbares Wesen

Beitrag von Peduli »

Peduli hat geschrieben:
Freitag 6. Dezember 2024, 09:17
@ Coturnix
Zwei Nachfragen hätte ich dann doch noch an dich:
Wieso ist Dir diese Frage so wichtig? :hmm: :hmm: :hmm:
Hängt sie evtl. mit dem aktuellen Zeitgeschehen zusammen? :detektiv: :detektiv: :detektiv:
Hierzu noch eine Erläuterung:
Das derzeitige Vorgehen des Staates Israel im Krieg mit der Hamas wird in diversen Internetz-Diskussionen mit eben diesen Passagen der Tora gerechtfertigt, die das Vorgehen der Juden gegenüber den Amalekitern schildert. Man sollte dabei im Auge behalten, daß die Regierungskoalition unter der Führung von Benjamin Netanjahu's Likud-Partei auch ultraorthodoxe Parteien enthält. Diese Parteien sehen sich in der Tradition der damaligen Gesetzesreligion, zu dem das Judentum zur Zeit von Jesus Christus geworden war.

Heilige Schriften können ihre Wirkung auf die eine oder aber auch auf eine andere Weise entfalten ..............
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(F.J.S.)

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