Valtortas Gottmensch

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Dr. Dirk
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Valtortas Gottmensch

Beitrag von Dr. Dirk »

Ich stelle meine Fragen zum "Gottmensch" hier nochmal, obwohl ich sie schon in einem anderen Forum gestellt habe. Hier tummelt sich aber ein anderes Publikum und deshalb fände ich auch Stellungnahmen aus dem Kreuzgang interessant.

Die Geschichte des Streits um den Gottmenschen von Maria Valtorta kann man hier nachlesen

Bei mir bleiben ein paar Fragen offen.
Zunächst vielleicht meine eigene Einstellung zu diesem Werk. Ich habe kurz nach meiner Bekehrung 6 der 12 Bände gelesen und war begeistert. Der Gottmensch half mir, einen Zugang zu den Texten der Bibel zu finden und Zusammenhänge zu entdecken. Später aber habe ich auch negative Früchte bemerkt. Diese negativen Früchte machten sich vor allem bemerkbar in Gesprächen über die Bibel. Ich hatte den Eindruck, dass die Kenntnis des Gottmenschen die Gefahr in sich birgt, dem Hl. Geist im Wort Gottes Schranken zu setzen. Im Gottmensch ist alles so detailliert beschrieben, dass man beim Lesen der Bibeltexte schon vorgeprägt ist. Ich habe Bibelgespräche erlebt, wo eine Diskussion dadurch abgebrochen wurde, dass jemand sagte: "Im Gottmenschen steht das aber so und so!", womit kein weiteres Gespräch möglich war, obwohl die entsprechende Bibelstelle weitaus mehr Freiheit lies.

Nun ist mir bewusst, dass dies auch von einem grundsätzlichen Unverständnis der Stellung von Privatoffenbarungen in der Kirche herrührt, sodass Aussagen von Privatoffenbarungen sogar mehr wert sein können, als die Lehre der Kirche. Außerdem hat man das gleiche Problem der möglichen Einschränkung des Heiligen Geistes durch die detailtreue Beschreibung auch bei anderen Werken, z.B. denen von Anna Katharina Emmerick. Die negativen Früchte, die ich erlebt habe, müssen also nicht darauf hinweisen, dass es sich beim Gottmenschen um eine falsche Offenbarung handelt.

Heute lese ich den Gottmenschen nicht mehr. Ich habe das Gefühl, dass ich mich beim Lesen der Hl. Schrift mehr für den Hl. Geist öffnen kann, wenn ich nicht vorgeprägt bin durch Details, die nicht in der Bibel stehen bzw. nicht verbindliche Lehre der Kirche sind.

Wie steht denn jetzt wirklich die Kirche zum Gottmenschen? Hier habe ich ein paar konkrete Fragen:

- Was waren die Gründe für die Verurteilung des Werkes und wie sind diese zu bewerten?
- aus der oben zitierten Auflistung des Streites um den Gottmenschen geht hervor, dass es vor allem historische und geographische Fehler im Werk gibt. Es gehört aber zum Wesen von Privatoffenbarungen, dass sie solche Fehler haben, weil der Faktor Mensch immer mitspielt und weil es um Glaubeninhalte geht und nicht um geographische Details. Diese Fehler aber führten laut Artikel im Ossi 1960 (neben Ungenauigkeiten(!) in Glaubensfragen - also keine Fehler - und den Ausschweifungen) zur Verurteilung des Werkes. Wie passt das zusammen?
- sind die Aussagen von Kardinal Ratzinger aus den 80er und 90er Jahren seine Privatmeinung oder offizielle Stellungnahme der Glaubenskongregation?

Ich warte gespannt auf Antworten.

Gottes Segen,
Dirk

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Wer sich lieber in deutscher Sprache informieren möchte um was es sich handelt:Maria Valtorta
Unten auf der Seite finden sich Hinweise zu einer Leseprobe und zum Index!
Gibt auch noch andere dtsprachige Infos,doch das Layout gefiel mir nicht so sehr.

Gruß,
Elisabeth

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Lesen sich recht leicht und locker die Texte der Maria Vatorta.Fast so wie ein historischer Roman.
Damit können Eisberge zum schnellen Schmelzen gebracht werden.
Was mich nun interessiert, sind diese Texte von der Seherin persönlich verfasst,oder fand eine Retuschierung eine Veränderung bei der Textaufzeichung statt, wie das bei der Katherina von Emmerlich seitens v.Brentano geschehen sein soll?

Gruß,
Elisabeth

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Die Lektüre einiger Passagen gibt mir sehr schnell die Gewißheit, daß die Schriften der Maria Valtorta keinesfalls auf Privatoffenbarungen beruhen; vielmehr handelt es sich um litterarische Erzeugnisse auf der Grundlage spezifisch neuzeitlicher, an den modernen kulturellen Kontext gebundener religiöser Reflexion. Ob das als Erbauungslitteratur taugt, mag ein jeder selbst entscheiden.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Kannst Du ein paar Beispiele nennen, Robert?

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Robert Ketelhohn
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Una vita di Gesù malamente romanzata

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Mein Urteil, Dirk, stützte sich ausschließlich auf einige Textauszüge, die ich im Internet lesen konnte, und da vor allem auf die Dialoge und die Reden Jesu. Es würde jetzt zu weit führen, das anhand einer detaillierten Textanalyse nachzuweisen, ist meines Erachtens aber auch gar nicht nötig.

Aus jenen angeblich übernatürlich geschauten und gehörten Reden und Gesprächen springt einen derart überdeutlich moderne Kultur, modernes Denken, moderne Thematik und Psychoproblematik entgegen, das man schlechterdings gar nicht auf den anachronistischen Gedanken kommen kann, es handele sich um echte Worte Jesu und seiner Zeitgenossen.

Als ich vorhin schrieb, »ob das als Erbauungslitteratur« tauge, möge »ein jeder selbst entscheiden«, hatte ich sogar erst zwei Stücke gelesen. Inzwischen noch ein paar mehr, namentlich längere Reden Jesu. Das hat mein Urteil weiter ins Negative gewendet. Mit Verlaub, was ich da an Räuberpistolen und anachronistischer Geschwätzigkeit finde, läßt mich einigermaßen perplex dastehen. Wie kann man die Echtheit auch nur in Erwägung ziehen?

Ich habe nun etwas weiter gesucht und stelle fest, daß Johannes XXIII. die Schriften der Maria Valtorta Ende 1959 verurteilt und auf den Index gesetzt hat:



Joseph Ratzinger hat das 1985 in einem Schreiben an Bischof Joseph Siri von Genua klargestellt:
Joseph Card. Ratzinger hat geschrieben:Sacra congregazione per la Dottrina della Fede
00193 Roma. 31 gennaio 1985
Piazza del Sant’Uffizio, 11


Eminenza Reverendissima,

con lettera del 18 Maggio p. p., il Reverendo Padre Umberto Losacco, Cappuccino (via Montani, 1 - 16148 Genova) chiedeva a questa S. Congregazione una chiarificazione circa gli scritti di Maria Valtorta, raccolti sotto il titolo «Il Poema dell’Uomo-Dio» e se esisteva una valutazione del Magistero della Chiesa sulla pubblicazione in questione con il corrispettivo riferimento bibliografico.

In merito mi pregio significare all’Eminenza Vostra – la quale valuterà l’opportunità di informare il Reverendo Padre Losacco – che effettivamente l’Opera in parola fu posta all’Indice il 16 Dicembre 1959 e definita da «L’Osservatore Romano» del 6 gennaio 1960, «Vita di Gesù malamente romanzata». Le disposizioni del Decreto vennero ripubblicate con nota esplicativa ancora su L’Osservatore Romano del 1° Dicembre 1961, come rilevabile dalla documentazione qui allegata.

Avendo poi alcuni ritenuto lecita la stampa e diffusione dell’Opera in oggetto, dopo l’avvenuta abrogazione dell’Indice, sempre su L’Osservatore Romano (15 giugno 1966) si fece presente quanto pubblicato su A.A.S. (1966) che, benché abolito, l’“Index” conserva «tutto il suo valore morale» per cui non si ritiene opportuna la diffusione e raccomandazione di un’Opera la cui condanna non fu presa alla leggera ma dopo ponderate motivazioni al fine di neutralizzare i danni che tale pubblicazione può arrecare ai fedeli più sprovveduti.

Grato di ogni Sua cortese disposizione in proposito, profitto dell’occasione per confermarmi con sensi di profonda stima dell’Eminenza Vostra Reverendissima

Dev.mo
Joseph Card. Ratzinger


  • (con allegato)
    A Sua Em.za Rev.ma
    il Signor Card. Giuseppe Siri
    Arcivescovo di Genova
Weitere Informationen und kirchliche Beurteilungen findest du im Internet, so den offiziellen Kommentar des Osservatore Romano zur o. a. Indizierung und eine Einschätzung des Fernsehsenders EWTN.
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Dr. Dirk
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Re: Una vita di Gesù malamente romanzata

Beitrag von Dr. Dirk »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Aus jenen angeblich übernatürlich geschauten und gehörten Reden und Gesprächen springt einen derart überdeutlich moderne Kultur, modernes Denken, moderne Thematik und Psychoproblematik entgegen, das man schlechterdings gar nicht auf den anachronistischen Gedanken kommen kann, es handele sich um echte Worte Jesu und seiner Zeitgenossen.
Wäre das dann für eine echte Privatoffenbarung notwendig? Was würde es nützen, wenn eine Mystikerin das Denken der Menschen zur Zeit Jesu geschaut hätte, mit dem ein moderner Mensch nur wenig hätte anfangen können? Kann Gott nicht das Leben Jesu in einer Art zeigen, dass heutige Menschen einen Zugang finden? In wieweit ist geschichtliche Exaktheit (in Privatoffenbarungen wohlgemerkt) überhaupt wichtig für eine geistliche Schauung? Hilft sie bei der Heiligung der Seelen?

Das ginge doch weit über das hinaus, was Privatoffenbarungen "leisten" können.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

kann jemand den Brief vom Kardinal Ratzinger von 1985 für mich übersetzen. Mein Italiensich reicht leider nicht dafür...

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Joseph Card. Ratzinger hat geschrieben:Hochwürdigste Eminenz,

mit Schreiben vom 18. Mai erbat der HH. P. Umberto Losacco OFMCap (via Montani 1, 16148 Genua) von dieser Hl. Kongregation eine Klärung hinsichtlich der unter dem Titel »Der Gottmensch« gesammelten Schriften der Maria Valtorta und fragte unter Bitte um entsprechende bibliographische Hinweise, ob es zur fraglichen Publikation eine Bewertung des kirchlichen Lehramts gebe.

Diesbezüglich beehre ich mich, Eurer Eminenz – welche die Gelegenheit schätzen wird, den HH. P. Losacco zu unterrichten – anzuzeigen, daß das in Rede stehende Werk tatsächlich am 16. Dezember 1959 auf den Index gesetzt und vom »Osservatore Romano« am 6. Januar 1960 zu einem »in einen schlechten Roman verwandelten „Leben Jesu“« erklärt wurde. Die Verfügungen des Dekrets wurden mit einer erklärenden Note erneut publiziert im »Osservatore Romano« vom 1. Dezember 1961, wie aus vorliegendem Schreiben beigefügter Dokumentation ersichtlich.

Als dann einige Druck und Verbreitung des genannten Werks für erlaubt hielten, nachdem der Index abgeschafft worden war, wurde wiederum im »Osservatore Romano« (15. Juni 1966) darauf aufmerksam gemacht – wie auch publiziert im Amtsblatt des Apostolischen Stuhls (1966) –, daß der Index, wiewohl aufgehoben, »all seine moralische Geltung« bewahre; deshalb sei es nicht opportun, ein Werk zu verbreiten und zu empfehlen, dessen Verurteilung nicht leichtfertig, sondern aus gewichtigen Gründen zu dem Zweck erfolgt sei, die weniger gewappneten Gläubigen vor den Schäden zu schützen, welche die Veröffentlichung eines solchen Werks anzurichten vermag.

Dankbar für jegliche freundlicherweise zu treffende Verfügung Ihrerseits in dieser Sache, ergreife ich die Gelegenheit, meiner vorzüglichsten Hochachtung Eurer Hochwürdigsten Eminenz Ausdruck zu verleihen

Ergebenst
Joseph Card. Ratzinger

[Anlagen]
Bitte die gedrechselte, teils auch holpernde Sprache zu entschuldigen. Formales Italienisch ist noch wesentlich „höfischer“ als das Deutsche, und zu weiterer sprachlicher Glättung habe ich jetzt keine Zeit mehr.
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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Danke für die Übersetzung.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Joseph Card. Ratzinger hat geschrieben:Hochwürdigste Eminenz,

daß der Index, wiewohl aufgehoben, »all seine moralische Geltung« bewahre; deshalb sei es nicht opportun, ein Werk zu verbreiten und zu empfehlen, dessen Verurteilung nicht leichtfertig, sondern aus gewichtigen Gründen zu dem Zweck erfolgt sei, die weniger gewappneten Gläubigen vor den Schäden zu schützen, welche die Veröffentlichung eines solchen Werks anzurichten vermag.
[Anlagen]
das klingt ja viel eindeutiger, als die Teilübersetzung/Interpretation auf der Valtorta-kritischen Seite, die ich ganz oben zitiert habe:
the Index retains its moral force despite its dissolution. A decision against distributing and recommending a work, which has not beeen condemned lightly, may be reversed, but only after profound changes that neutralize the harm which such a publication could bring forth among the ordinary faithful
Was könnten das denn für Schäden sein, die das Werk anrichten kann? Woran hat Ratzinger da gedacht? Theologisch gibt es doch höchstens Ungenauigkeiten, aber keine richtigen Fehler - zumindest keine, die einen "wenig gewappneten Gläubigen" irgendwie berühren würde.

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Meine Bemerkung in Richtung historischer Roman,war also gar net so verkehrt,wie aus Roberts Übersetzung hervorgeht.
Das diese Texte auf dem immer noch moralisch existenten Index notiert sind, las ich heute Nachmittag andernorten.
Der Menge an Ergebnissen die google ausspuckt nach,kann man nur vermuten,das der Valtorta-Text relativ weit verbreitet ist.
Auch die Bemerkung süsslich ,las ich heute Nachmittag.Doch wem es gefällt, solches zu lesen,der soll es auch weiterhin tun.
Die Wege zu Gott sind halt oftmals sehr verschlungen.


Gruß,
Elisabeth
Zuletzt geändert von Fichtel-Wichtel am Montag 8. November 2004, 16:12, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Woher diese englische Übersetzung das »may be reversed« und die »changes« hat, Dirk, das ist mir schleierhaft. Klingt, als hätte da einer schon gemeint zu wissen, was drinsteht, bevor er gelesen hat, dann sprangen ihm drei Vokabeln ins Auge, und aus seiner Erwartung und diesen drei Vokabeln hat er seine „Übersetzung“ gebaut, ohne jemals zu lesen, in welchem Kontext die drei Vokabeln im Original standen.

Bezüglich deiner Frage nach den möglichen Schäden möchte ich erneut auf jenen Kommentar des Osservatore Romano hinweisen, den ich gestern bereits angeführt hatte. Leider ist das wiederum italienisch, und zur Übersetzung habe ich heute keine Zeit. Vielleicht erbarmt sich mal ein anderer. Danke.
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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Das Italienisch im Ossi scheint nicht so schwierig zu sein. Werde mich mal durcharbeiten.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Bezüglich deiner Frage nach den möglichen Schäden möchte ich erneut auf jenen Kommentar des Osservatore Romano hinweisen, den ich gestern bereits angeführt hatte. Leider ist das wiederum italienisch, und zur Übersetzung habe ich heute keine Zeit. Vielleicht erbarmt sich mal ein anderer. Danke.
Der Ossi-Artikel äußert sich dazu (nach erstem Überfliegen) nicht mehr als der EWTN-Artikel. Was sind das also für Gefahren, die den Gläubigen bedrohen. Das Maria "zweitgeboren e des Vaters" genannt wird? 99% der Gläubigen verstehen doch nicht mal, warum Jesus Erstgeborener gennant wird. Oder dass Jesus einen Schraubenzieher benutzt?

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass man hier nur spekulieren kann. Das finde ich etwas schade, wenn es tatsächlich gravierende Fehler gibt, die ein Druckverbot rechtfertigen.
Zuletzt geändert von Dr. Dirk am Montag 8. November 2004, 15:24, insgesamt 1-mal geändert.

Anastasis

Beitrag von Anastasis »

Ohne Gewähr:
Osservatore Romano hat geschrieben:Aus dem Osservatore Romano von Mittwoch, dem 6. Januar 1960

Ein "Leben Jesu" als schlechter Roman

In einem anderen Teil unserer Zeitung wird das Dekret des Hl. Offiziums mitgeteilt, mit dem ein vierbändiges Werk auf den Index gesetzt wird, von einem anonymen Autor (zumindest in diesem Druck) veröffentlicht in Isola del Liri. Obwohl sie sich ausschließlich mit religiösen Themen beschäftigen, haben die erwähnten Bände keinerlei "Imprimatur", wie das Can. 1385, 1 n. 2 CIC verlangt. Der Herausgeber schreibt in einem kurzen Vorwort, der Autor "hat uns, ähnlich wie Dante, ein Werk geschenkt, in dem, umrahmt von großartigen Beschreibungen von Zeiten und Orten, sich unzählbare Personen präsentiern, die aneinander und an uns ihr sanftes oder starkes oder mahnendes Wort richten. Es ist daraus ein demütiges und imposantes Werk entstanden: eine literarische Huldigung eines leidenden Kranken an den großen Tröster Jesus." Einem aufmerksamen Leser erscheinen dagegen diese Bände nichts anderes zu sein als ein langer, weitschweifiger Leben-Jesu-Roman. Abgesehen von der Eitelkeit, diesen an die Seite Dantes zu stellen und obwohl berühmte Persönlichkeiten (deren unbezweifelte Gutgläubigkeit überrumpelt worden ist) die Veröffentlichung unterstützt haben, hat es das Hl. Offizium für notwendig gehalten, ihn auf den Index der verbotenen Bücher zu setzen. Die Gründe sind leicht einzusehen von dem, der die kartäusische Geduld hat, die fast 4000 dicht bedruckten Seiten zu lesen.
Vor allem wird der Leser erschlagen von der Länge der Reden, die Jesus und der Heiligsten Jungfrau zugeschrieben werden, von den endlosen Dialogen zwischen den vielen Personen, die die Seiten bevölkern. Die vier Evangelien präsentieren uns Jesus demütig und zurückhaltend; seine Reden sind mager und einschneidend, aber von maximaler Eindringlichkeit. In dieser Sorte Romangeschichte dagegen ist Jesus äußerst gesprächig, fast reklamehaft, immer bereit, sich als Messias und Sohn Gottes zu proklamieren und Theologievorlesungen zu halten mit den gleichen Fachausdrücken, die ein Professor unserer Tage verwenden würde. Im Bericht der Evangelien bewundern wir die Demut und Stille der Mutter Jesu; dagegen hat die Heiligste Jungfrau für den Autor (oder die Autorin) dieses Werkes die Redegabe eines modernen Propagandisten, ist immer überall anwesend, ist immer bereit, Vorlesungen über marianische Theologie (Mariologie?) zu halten, vollständig auf dem Laufenden bis zu den neuesten Studien der aktuellen Spezialisten des Faches.
Die Erzählung entwickelt sich langsam, fast schwatzhaft; wir finden neue Taten, neue Gleichnisse, neue Personen und viele, viele Frauen im Gefolge Jesu. Einige Seiten sind eher heikel und erinnern an gewisse Bechreibungen und Szenen aus modernen Romanen, wie, um nur ein Beispiel zu bringen, das Bekenntnis (die Beichte?) vor Maria, das eine gewisse Aglae ablegt, eine Frau mit bösen Gewohnheiten (Bd. I, S. 790 ff), der wenig erbauliche Bericht auf S. 887 ff. des ersten Bandes, ein sicher nicht züchtiges Ballett, das vor Pilatus im Prätorium aufgeführt wirt (Bd. IV, S. 75), usw.
An diesem Punkt kommt spontan ein bestimmter Gedanke: das Werk könnte aufgrund seiner Natur und übereinstimmend mit den Absichten des Autors und des Herausgebers leicht in die Hände von Ordensschwestern und der Schülerinnen ihrer Institute kommen. In diesem Fall könnte die Lektüre von Stellen der Art wie der zitierten nur schwer als ungefährlich oder geistlich unschädlich gesehen werden.
Die Spezialisten der biblischen Studien werden sicherlich viele historische, geographische und sonstige Schnitzer finden. Wenn es sich um einen Roman handelt, erhöhen diese Erfindungen offensichtlich das Pittoreske und Phantastische des Buches. Aber inmitten von soviel zur Schau getragener theologischer Kultur kann man einige Perlen finden, die nicht gerade vor katholischer Rechtgläubigkeit glänzen. Hier und da drückt sich - etwa über die Sünde von Adam und Eva - eine eher fremdartige und unklare Meinung aus. Im Band I auf S. 63 kann man folgenden Titel lesen: "Maria kann die Zweitgeborene des Vaters genannt werden": eine Behauptung, die wiederholt wird im Text der folgenden Seite. Die Erklärung schränkt ihre Bedeutung ein und vermeidet damit eine echte Häresie; aber sie nimmt nicht den Eindruck, daß man eine neue Mariologie konstruieren will, die einfach die Grenzen des Passenden übersteigt. In Band II, S. 772 liest man: "Das Paradies ist Licht, Duft und Harmonie. Aber wenn man darin nicht den Vater beglückte in der Betrachtung der "Ganz Schönen", die aus der Erde ein Paradies macht, wenn das Paradies zukünftig nicht in sich hätte die lebendige Lilie, in deren Brust die drei feurigen Blütenstempel der göttlichen Dreifaltigkeit sind - Licht, Duft, Harmonie, Freude des Paradieses wären um die Hälfte verringert."
Hier drückt sich ein dunkles (hermetisches) und, glücklicherweise, im höchsten Grade konfuses Verständnis aus; denn müßte man das wörtlich nehmen, könnte man einen ernsten Verweis nicht vermeiden. Schließlich ein Hinweis auf eine andere seltsame und ungenaue Behauptung, in der man von der Madonna sagt: "Du wirst in der Zeit, in der du auf der Erde bleibst, zweite nach Petrus in der kirchlichen Hierarchie sein" (Hervorhebung vom Oss.Rom.).

Das Werk hätte also ein Verdammungsurteil verdient, auch wenn es sich nur um einen Roman handelte, schon allein aus Gründen der Unehrerbietigkeit. Aber in Wirklichkeit beansprucht die Absicht des Autors mehr. Beim Durchgehen durch die Bände liest man hier und da die Worte: "Jesus sagt...", "Maria sagt...", oder: "Ich sehe..." und Ähnliches. Gegen Ende des IV. Bandes (S. 839) offenbart sich sogar der Autor als Autorin und schreibt, sie sei Zeugin der ganzen messianischen Zeit und heiße Maria (Valtorta).
Diese Worte rufen in Erinnerung daß, etwa vor zehn Jahren, einige umfangreiche maschinengeschriebene Manuskripte im Umlauf waren, die angebliche Visionen und Offenbarungen enthielten. Es steht fest, daß damals die zuständige kirchliche Autorität den Druck dieser Manuskripte verboten habt und anordnete, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Jetzt sehen wir sie fast vollständig in diesem Werk reproduziert.
Daher ist diese öffentliche Verurteilung durch die Hl. Kongregation umso passender wegen des schwerwiegenden Ungehorsams.
(Nachträglich einige Verbesserungsvorschläge von Robert eingearbeitet. Danke für die Hinweise!)
Zuletzt geändert von Anastasis am Dienstag 9. November 2004, 00:42, insgesamt 2-mal geändert.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Danke, Anastasis. Sehr interessant.

Edith
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Beitrag von Edith »

Dirk hat geschrieben: Was könnten das denn für Schäden sein, die das Werk anrichten kann?
nun erst mal... dass Du das Evangelium eingrenzt, auf die Brille... die Dir eine "andere Offenbarung" verpasst hat. Und zwar ohne, dass Du es merkst...
(Das ist übrigens mein grundsätzlicher Einwand bei all diesen und ähnlichen Schriften.)

Ich kenne einige ganz fromme Leser dieser Werke (insbesondere einige ältere Ordensfrauen).... und ich kann Dir sagen... es ist ein Drama... was sich da an "Ansichten" in den frommen Köpfen festsetzt.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Edith hat geschrieben:
Dirk hat geschrieben: Was könnten das denn für Schäden sein, die das Werk anrichten kann?
nun erst mal... dass Du das Evangelium eingrenzt, auf die Brille... die Dir eine "andere Offenbarung" verpasst hat. Und zwar ohne, dass Du es merkst...
(Das ist übrigens mein grundsätzlicher Einwand bei all diesen und ähnlichen Schriften.)

Ich kenne einige ganz fromme Leser dieser Werke (insbesondere einige ältere Ordensfrauen).... und ich kann Dir sagen... es ist ein Drama... was sich da an "Ansichten" in den frommen Köpfen festsetzt.
Ich weiß nicht. Ich weiß, dass wir beiden oftmals unterschiedlicher Meinung sind. Ob ich mit den älteren Ordensfrauen auch unterschiedlicher Meinung wäre, kann ich nicht beurteilen. Ich lese den Gottmenschen nicht, aber ich kenne viele, die die Bücher verehren. Nennenswerte Konflikte um Inhalte von Glaubensfragen hat es mit ihnen noch nie gegeben (außer den Anspruch, die Lücken im Evangelium anhand des Gottmenschn korrekt gefüllt zu haben), obwohl ich nicht die Brille dieser "anderen Offenbarung" trage.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Osservatore Romano hat geschrieben:[...]die kartäusische Geduld[...]
Man lernt nie aus... :D

(Ist OT, ich weiß)

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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Ralf hat geschrieben:
Osservatore Romano hat geschrieben:[...]die kartäusische Geduld[...]
Man lernt nie aus... :D

(Ist OT, ich weiß)
Scheint jedoch ein vaticanspezifisches Wort zu sein. Las dieses Wort gerade vor kurzem in einem Buch, das von einem Vaticanbewohner verfasst wurde.
Der Begriff bezieht sich wohl auf das tgl.achtstündige Gebet das die Kartäuser in ihrem "Ordensprogramm" haben!

Gibt es diese Disziplin der kartäusischen Geduld auch schon bei den Kreuzgängster-Mods und den Admin? :kratz:

Gibts dazu eine spez.Def?

Gruß,
Elisabeth

Edith
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Beitrag von Edith »

Fichtel-Wichtel hat geschrieben: Gibt es diese Disziplin der kartäusischen Geduld auch schon bei den Kreuzgängster-Mods und den Admin? :kratz:
das solltest Du eigentlich wissen... ;D
*geduldigwart*

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Warum ist eigentlich der Titel "Zweitgeborene des Vaters" häretisch? Als theologischer Laie finde ich ihn nur merkwürdig, ein Versuch, eine Verbindung zwischen Maria und Jesus herzustellen, ohne die Rangordnung zu verletzen. Aber wie kann man das Häretische in dieser Bezeichnung erklären?

Peter
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Beitrag von Peter »

Weil der Titel einen direkten Vergleich zwischen der Zeugung des Logos und dem Werden eines geschaffenen Menschen herstellt. Der Sohn ist jedoch von Ewigkeit her «gezeugt, nicht geschaffen». Der Titel «Zweitgeborene» stellt den Menschen Maria (vielleicht mißverständlich) auf eine qualitativ vergleichbare Ebene der Zeugung des Logos. Christus ist vor aller Zeit geboren, Gott von Ewigkeit, Maria, ein sterblicher Mensch, ist in der Zeit von menschlichen Eltern empfangen und geboren.

Selbst wenn man einwendet, daß alle getauften Söhne und Töchter Gottes und durch die Taufe «neu geboren» wurden, wäre der Titel nicht sinnvoll. Denn auch Maria, wenn auch die «Gebenedeite unter den Frauen, ist doch ein erschaffener Mensch und wie alle Menschen erst durch die Verdienste Christi erst geheiligt.

Wenn man bedenkt, daß alle mariologischen Aussagen der Kirche auf das Christusdogma hingeordnet sind, kann ich in einem solchen Titel erst recht nichts entdecken, daß zu einer Erhellung des Christusgeheimnisses führt. Eher im Gegenteil. Es führt, wie der Miterlöserinnentitel, zu einem semantischen Spagat.

Zudem gibt es, soweit ich weiß, keine Begründung für den Titel aus der wohlverstandenen Tradition. Auch wenn ich mit dem hl. Bernhard sage «De Maria numquam satis», meine ich doch, hier schösse die marienfrömmigkeit weit über das Ziel hinaus.

Dr. Dirk
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Re: Una vita di Gesù malamente romanzata

Beitrag von Dr. Dirk »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Joseph Ratzinger hat das 1985 in einem Schreiben an Bischof Joseph Siri von Genua klargestellt:
Joseph Card. Ratzinger hat geschrieben:Sacra congregazione per la Dottrina della Fede
00193 Roma. 31 gennaio 1985
Piazza del Sant’Uffizio, 11


Eminenza Reverendissima,

con lettera del 18 Maggio p. p., il Reverendo Padre Umberto Losacco, Cappuccino (via Montani, 1 - 16148 Genova) chiedeva a questa S. Congregazione una chiarificazione circa gli scritti di Maria Valtorta, raccolti sotto il titolo «Il Poema dell’Uomo-Dio» e se esisteva una valutazione del Magistero della Chiesa sulla pubblicazione in questione con il corrispettivo riferimento bibliografico.

In merito mi pregio significare all’Eminenza Vostra – la quale valuterà l’opportunità di informare il Reverendo Padre Losacco – che effettivamente l’Opera in parola fu posta all’Indice il 16 Dicembre 1959 e definita da «L’Osservatore Romano» del 6 gennaio 1960, «Vita di Gesù malamente romanzata». Le disposizioni del Decreto vennero ripubblicate con nota esplicativa ancora su L’Osservatore Romano del 1° Dicembre 1961, come rilevabile dalla documentazione qui allegata.

Avendo poi alcuni ritenuto lecita la stampa e diffusione dell’Opera in oggetto, dopo l’avvenuta abrogazione dell’Indice, sempre su L’Osservatore Romano (15 giugno 1966) si fece presente quanto pubblicato su A.A.S. (1966) che, benché abolito, l’“Index” conserva «tutto il suo valore morale» per cui non si ritiene opportuna la diffusione e raccomandazione di un’Opera la cui condanna non fu presa alla leggera ma dopo ponderate motivazioni al fine di neutralizzare i danni che tale pubblicazione può arrecare ai fedeli più sprovveduti.

Grato di ogni Sua cortese disposizione in proposito, profitto dell’occasione per confermarmi con sensi di profonda stima dell’Eminenza Vostra Reverendissima

Dev.mo
Joseph Card. Ratzinger


  • (con allegato)
    A Sua Em.za Rev.ma
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    Arcivescovo di Genova

Hallo Robert, gibt es eine Quelle im Internet, oder hast Du den Brief irgendwo abgetippt? Wo?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

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