Immer wieder hört man von Leuten, die der Kirche nicht gerade wohlgesonnen sind, sie habe früher das Lesen der Bibel verboten. Details werden dazu nicht genannt.
Wieweit ist das richtig und warum?
Vor der Zeit der Buchdruckerkunst waren Bibeln ohnehin wenig verbreitet, da sie ja handschriftlich abgeschrieben werden mussten und selbst danach waren die meisten Menschen bis ins 18. Jahrhundert noch Analphabeten. Auf der andern Seite hat die Kirche seit der Reformation ja erfahren müssen, dass die Bibel dazu gebraucht wurde, eigene, individuelle Auslegungen bis hin zu Häresien herauszulesen, sodass ein Verbot des Lesens nachvollziehbar war.
Meine Frage ist: wie war das in Wirklichkeit?
Bibel lesen früher verboten
- Robert Ketelhohn
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Man verabsolutiert da Verbote der Verbreitung volkssprachlicher Übersetzungen der Heiligen Schrift in konkreten historischen Situationen, als es nämlich um die Eindämmung gewisser häretischer Sekten ging – wie z. B. der Waldenser –, die solche Übersetzungen im Dienste der Verbreitung ihrer Lehre unter die Leute brachten.
Davon abgesehen, wurde die Heilige Schrift von Anfang an in alle nur denkbaren Volkssprachen übersetzt, eben um die dem Volk zugänglich zu machen: vom Aramäischen und Syrischen über Griechisch und Latein, Armenisch und Georgisch, Koptisch und Äthiopisch, über das Bulgarische und Kirchenslawische, das Gotische und Irische bis hin zum Hoch- und Niederdeutschen seit den ältesten Sprachzuständen. Neben den eigentlichen Übersetzungen spielen auch Harmonien und Nachdichtungen ihre Rolle, wieder ahd. Tatian und Otfrieds Evangelienharmonie und der as. Heliand.
Zu den eigentlichen Übersetzungen ein Zitat aus eigener Feder, vor Zeiten mal an andern Ort geschrieben:
Davon abgesehen, wurde die Heilige Schrift von Anfang an in alle nur denkbaren Volkssprachen übersetzt, eben um die dem Volk zugänglich zu machen: vom Aramäischen und Syrischen über Griechisch und Latein, Armenisch und Georgisch, Koptisch und Äthiopisch, über das Bulgarische und Kirchenslawische, das Gotische und Irische bis hin zum Hoch- und Niederdeutschen seit den ältesten Sprachzuständen. Neben den eigentlichen Übersetzungen spielen auch Harmonien und Nachdichtungen ihre Rolle, wieder ahd. Tatian und Otfrieds Evangelienharmonie und der as. Heliand.
Zu den eigentlichen Übersetzungen ein Zitat aus eigener Feder, vor Zeiten mal an andern Ort geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:»Übrigens war Luther ja nicht der erste Bibelübersetzer. Sehen wir von den älteren Übersetzungen einmal ab, als da wären: aramäisch, griechisch, lateinisch, syrisch, gotisch, armenisch, georgisch, kirchslawisch etc. Ich beschränke mich auf hoch- und niederdeutsche Übersetzungen vor Luther.[/color]
Am zahlreichsten sind die deutschen Psalter. Vollständig überliefert sind etwa 175 hoch- und 75 niederdt. Fassungen. Dazu kommen ca. ebenso viele Fragmente und Übersetzungen einzelner oder mehrerer ausgewählter Psalmen. Deutsche Evangeliare sind 24 in hochdt., 9 in nddt. Mundart erhalten; dazu kommen noch zahlreichere volkssprachliche Evangelienharmonien und Perikopenbücher.
Unter den ins Deutsche übersetzten Einzelbüchern ragen im übrigen das Hohelied und die Apocalypse heraus; auch von weiteren neu- und alttestamentlichen Büchern – wie der Genesis – gab es gesonderte Überstezungen, doch eher vereinzelt.
Umfassende – aber nicht immer ganz vollständige – Bibelübersetzungen sind hdt. 35, ndt. 9 überliefert, wie etwa die Augsburger Bibel von 1350, die Wenzelbibel vom Ende des 14. Jht.s oder die Hagenauer Bibel des Diepold Lauber. Ende des 15. Jht.s verbreiten sich gedruckte Bibel in deutscher Sprache, so die 1466 bei Johann Mentelin in Straßburg erschienene, deren Text übrigens auf einer damals gute hundert Jahre alten bairischen Handschrift beruhte. Die weiteste Verbreitung fand die Edition von Anton Koberger, Nürnberg 1483.
Luther, der einsame Held, der als Ritter Rudi auf der Wartburg dem deutschen Volk endlich die Bibel zugänglich gemacht habe, ist also ein Märchen reinsten Wassers.«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
Ja, Robert das wusste ich schon, dass vor Luther mindestens 14 Bibelübersetzungen ins Deutsche vorlagen, die er zum Teil auch für seine Übersetzung benutzt hat. Du hast ja mit deinen Angaben hier aber noch weit höhere Zahlen genannt.Robert Ketelhohn hat geschrieben:Man verabsolutiert da Verbote der Verbreitung volkssprachlicher Übersetzungen der Heiligen Schrift in konkreten historischen Situationen, als es nämlich um die Eindämmung gewisser häretischer Sekten ging – wie z. B. der Waldenser –, die solche Übersetzungen im Dienste der Verbreitung ihrer Lehre unter die Leute brachten.
Davon abgesehen, wurde die Heilige Schrift von Anfang an in alle nur denkbaren Volkssprachen übersetzt, eben um die dem Volk zugänglich zu machen: vom Aramäischen und Syrischen über Griechisch und Latein, Armenisch und Georgisch, Koptisch und Äthiopisch, über das Bulgarische und Kirchenslawische, das Gotische und Irische bis hin zum Hoch- und Niederdeutschen seit den ältesten Sprachzuständen. Neben den eigentlichen Übersetzungen spielen auch Harmonien und Nachdichtungen ihre Rolle, wieder ahd. Tatian und Otfrieds Evangelienharmonie und der as. Heliand.
Zu den eigentlichen Übersetzungen ein Zitat aus eigener Feder, vor Zeiten mal an andern Ort geschrieben:Robert Ketelhohn hat geschrieben:»Übrigens war Luther ja nicht der erste Bibelübersetzer. Sehen wir von den älteren Übersetzungen einmal ab, als da wären: aramäisch, griechisch, lateinisch, syrisch, gotisch, armenisch, georgisch, kirchslawisch etc. Ich beschränke mich auf hoch- und niederdeutsche Übersetzungen vor Luther.[/color]
Am zahlreichsten sind die deutschen Psalter. Vollständig überliefert sind etwa 175 hoch- und 75 niederdt. Fassungen. Dazu kommen ca. ebenso viele Fragmente und Übersetzungen einzelner oder mehrerer ausgewählter Psalmen. Deutsche Evangeliare sind 24 in hochdt., 9 in nddt. Mundart erhalten; dazu kommen noch zahlreichere volkssprachliche Evangelienharmonien und Perikopenbücher.
Unter den ins Deutsche übersetzten Einzelbüchern ragen im übrigen das Hohelied und die Apocalypse heraus; auch von weiteren neu- und alttestamentlichen Büchern – wie der Genesis – gab es gesonderte Überstezungen, doch eher vereinzelt.
Umfassende – aber nicht immer ganz vollständige – Bibelübersetzungen sind hdt. 35, ndt. 9 überliefert, wie etwa die Augsburger Bibel von 1350, die Wenzelbibel vom Ende des 14. Jht.s oder die Hagenauer Bibel des Diepold Lauber. Ende des 15. Jht.s verbreiten sich gedruckte Bibel in deutscher Sprache, so die 1466 bei Johann Mentelin in Straßburg erschienene, deren Text übrigens auf einer damals gute hundert Jahre alten bairischen Handschrift beruhte. Die weiteste Verbreitung fand die Edition von Anton Koberger, Nürnberg 1483.
Luther, der einsame Held, der als Ritter Rudi auf der Wartburg dem deutschen Volk endlich die Bibel zugänglich gemacht habe, ist also ein Märchen reinsten Wassers.«
Es wird aber auch behauptet, dass die Kirche noch bis etwa Mitte des letzten Jahrhunderts das Bibellesen verboten habe, aber das ist sicher wirres Zeug.
Stimmt ja auch
1199 verbietet Innozenez III die Bibel für private Zwecke
Toulouse und Tarragona verbieten den privaten Besitz von Bibeln
.........
Natürlich waren Bibeln auch in Volkssprache erhältlich, aber nur soweit die Kirche sie erlaubte und Besitz für die Laien sowieso verboten.
Erst unter Pius X. wurde die Bibel in rechter Übersetzung auch wieder den Laien zugänglich gemacht. Und erst das Vat II. regelte wie zu verfahren sei endgültig. Der Grund waren "Ketzerübersetzungen" die Maßnahmen allerdings waren rigoros. Auch für die Kirche gilt "gut gemeint" ist das gegenteil von "gut gemacht".
LG
Fiore
1199 verbietet Innozenez III die Bibel für private Zwecke
Toulouse und Tarragona verbieten den privaten Besitz von Bibeln
.........
Natürlich waren Bibeln auch in Volkssprache erhältlich, aber nur soweit die Kirche sie erlaubte und Besitz für die Laien sowieso verboten.
Erst unter Pius X. wurde die Bibel in rechter Übersetzung auch wieder den Laien zugänglich gemacht. Und erst das Vat II. regelte wie zu verfahren sei endgültig. Der Grund waren "Ketzerübersetzungen" die Maßnahmen allerdings waren rigoros. Auch für die Kirche gilt "gut gemeint" ist das gegenteil von "gut gemacht".
LG
Fiore
Meine Großmutter (*1907) erzählte, daß sie nur das NT häten lesen dürfen...Heike hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob das nur an unserem Dorf(pfarrer) lag, aber meine Eltern haben mir erzählt, dass sie nicht die komplette Bibel lesen durften, sondern nur eine von der Kath. Kirche herausgebrachte Auswahl.
Guckt man sich an, was so in der Zeit an Bibelausgaben Anfang des 20. Jh auf dem Markt war, so war es auch vor allem das NT, welches sich vielen Übersetzungen fand.
Aber vielleicht waren es finanzielle Gründe, die dazu führen, daß das recht kleine NT weiter verbreitet war, als die Gesamtbibel.
Ich denke Du meinst den Brief "Cum ex iniuncto" an die Bewohner von Metz vom 12. Juli 1199.FioreGraz hat geschrieben:Stimmt ja auch
1199 verbietet Innozenez III die Bibel für private Zwecke..
Darin geht es darum, daß einige Leute sich Teile der Bibel in die franz. Sprache haben übersetzen lassen und in geheimen Zusammenkünften die Bibel auslegten und predigten.
Und dann schreibt Innozenz
Die Verurteilung sich in "geheimen Zusammenkünften" zu treffen begründet Innozenz mit Mt 10,27...Wenn aber auch das Verlangen, die göttlichen Schriften zu verstehen, und das Bemühen, ihnen gemäß zu ermahnen, nicht zu tadeln, sondern vielmehr zu empfehlen ist, so sind diese dennoch offenbar darin zurecht zu tadeln, daß sie ihre verborgenen Zusammenkünfte abhalten, sich das Amt der Verkündigung anmaßen die Einfachheit der Priester verspotten und den Umgang mit ihnen verschmähen, die sich mit solchem nicht befassen...
Vor allen Dingen wird in diesem Schreiben betont, daß die Verkündigung Sache der Priester ist und nicht der Laien.
Ein wirkliches Verbot des Lesens der Schrift kann ich aus dem Text nicht entnehmen. Allerdings muß ich zugeben, daß ich nicht den ganzen Text vorliegen habe, sondern nur das was im Denzinger steht (DH 770f.).
Gruß Jürgen
Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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- Robert Ketelhohn
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Fiore hat geschrieben:Erst unter Pius X. wurde die Bibel in rechter Übersetzung auch wieder den Laien zugänglich gemacht
Joseph Franz Alliolis Neuübersetzung der gesamten Heiligen Schrift erschien bereits ein halbes Jahrhundert eher, nämlich erstmals 1851, also in den ersten Jahren von Pius IX., begonnen also gewiß schon unter Gregor XVI. Die lateinisch-deutsche Cartier-Bibel, populär übersetzt von den Benediktinern von Ettenheimmünster unter Leitung des P. German Cartier, erschien posthum zwei Jahre nach Cartiers Tod 1751.
Richtig ist, daß beide Ausgaben, besonders die reich ausgestattete Cartier-Bibel, der auch zahlreiche Kommentare und Kirchenvätertexte beigegeben waren, aber auch Allioli sowie weitere vergleichbare Übersetzungen, für „das Volk“ kaum erschwinglich waren. Von Allioli etwa war darum die immer noch nicht ganz billige Ausgabe allein des Neuen Testaments weitaus verbreiteter als die Vollbibel.
Richtig ist auch, daß protestantischerseits längst deutsche Vollbibeln (allerdings ohne die von Luther aus dem Kanon gestrichenen Stellen) als wohlfeile Volksausgaben auf den Markt gebracht wurden. Solche protestantisch verkürzten Bibeln zu verwenden untersagte die Kirche ihren Gläubigen. Also kein generelles Verbot, wohl aber faktische Hindernisse, die nicht leicht zu überwinden waren.
Den hl. Pius X. hast du also dennoch nicht zu Unrecht genannt. Denn er war es ja wirklich, der sich in jeder Hinsicht um die Laien und ihre Religion mühte: um die Liturgiereform, Kirchenmusik, Kommunion der kleinen Kinder, er schuf einen neuen Katechismus – und sorgte sich eben auch um die Verbreitung des Bibelstudiums. Er beauftragte 1907 die Benediktiner von St. Hieronymus in Rom mit einer Revision der Vulgata, er gründete 1909 das päpstliche Bibelinstitut.
Richtig ist, daß beide Ausgaben, besonders die reich ausgestattete Cartier-Bibel, der auch zahlreiche Kommentare und Kirchenvätertexte beigegeben waren, aber auch Allioli sowie weitere vergleichbare Übersetzungen, für „das Volk“ kaum erschwinglich waren. Von Allioli etwa war darum die immer noch nicht ganz billige Ausgabe allein des Neuen Testaments weitaus verbreiteter als die Vollbibel.
Richtig ist auch, daß protestantischerseits längst deutsche Vollbibeln (allerdings ohne die von Luther aus dem Kanon gestrichenen Stellen) als wohlfeile Volksausgaben auf den Markt gebracht wurden. Solche protestantisch verkürzten Bibeln zu verwenden untersagte die Kirche ihren Gläubigen. Also kein generelles Verbot, wohl aber faktische Hindernisse, die nicht leicht zu überwinden waren.
Den hl. Pius X. hast du also dennoch nicht zu Unrecht genannt. Denn er war es ja wirklich, der sich in jeder Hinsicht um die Laien und ihre Religion mühte: um die Liturgiereform, Kirchenmusik, Kommunion der kleinen Kinder, er schuf einen neuen Katechismus – und sorgte sich eben auch um die Verbreitung des Bibelstudiums. Er beauftragte 1907 die Benediktiner von St. Hieronymus in Rom mit einer Revision der Vulgata, er gründete 1909 das päpstliche Bibelinstitut.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.