Wie versteht ihr Mt 11,12?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Wie versteht ihr Mt 11,12?

Beitrag von Nietenolaf »

[Dieses Thema wurde aus dem Strang "Was muss man tun, um in den Himmel zu kommen?" abgeteilt. W.]


Wie versteht ihr eigentlich Matth. 11:12? Das soll keine rhetorische Frage sein, ich habe nur keine brauchbare deutsche Übersetzung dieser Stelle finden können; deshalb zitiere ich den Vers hier auch nicht. Man interpretiert diese Stelle sogar folgendermaßen:
P. Dr. Konstantin Rösch O. M. CAP., Kommentar zu Matth. 11:12 hat geschrieben:Der Sinn ist wohl: Das Reich Gottes wird bekämpft. Gewalttätige Menschen wie die Pharisäer und Schriftgelehrten suchen den Eintritt in das Reich zu verhindern.
(Quelle: "Das Neue Testament, übersetzt und erläutert von P. Dr. Konstantin Rösch O. M. CAP.")

Ist das so?

Ich versuche mal, die slawische und russische Variante mit meinen Worten wiederzugeben:

"Von den Tagen Johannes des Täufers an bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengungen erlangt, und jene, welche sich mühen, erreichen es."

Das wäre dann auch eine Antwort auf
Angelikas Einwand.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Nochmal zu meinem Einwurf oben (ging in der Polemik unter): die Frage nach dem rechten Verständnis von Matth. 11:12.
P. Dr. Konstantin Rösch O. M. CAP., Kommentar zu Matth. 11:12 hat geschrieben:Der Sinn ist wohl: Das Reich Gottes wird bekämpft. Gewalttätige Menschen wie die Pharisäer und Schriftgelehrten suchen den Eintritt in das Reich zu verhindern.
Ich stelle den diversen deutschen Übersetzungen (die ich als mehr oder weniger unsinnig empfinde) und dem o.a. Kommentar (welchen ich für an den Haaren herbeigezogen halte) einmal folgendes entgegen:
Hl. Theophylaktos, Erzbischof von Ohrid (in Matth. comm. [11:12]) hat geschrieben:"Es scheint, als steht dies nicht im Zusammenhang mit dem vorher Gesagten, aber in Wahrheit ist das nicht so. Beachte: nachdem Er seinen Schülern von Sich gesagt hatte, daß Er größer sei als Johannes, erweckt Christus in ihnen den Glauben an Ihn, in dem Er zeigt, daß viele des Himmelsreiches, das heißt des Glaubens an Ihn, teilhaftig werden. Diese Sache braucht große Anstrengung: denn welche große Mühen sind dazu notwendig, seinen Vater und seine Mutter zu verlassen und sein Leben gering zu achten!"
Er bezieht sich mit den letzten Worten natürlich auf Matth. 16:24 etc. Ich will noch einmal den Sinn der slaw./russ. Übersetzung (und wohl auch des griechischen Textes; ich bin leider nicht Grieche genug, um die Nuancen von "βιάζεται" = "(ihm) wird Gewalt angetan " vs. "(es) wird mit Anstrengung erlangt"; bzw. "βιασται" = "die Gewalttätigen" vs. "die sich Mühenden" zu schmecken) von Matth. 11:12 bringen:

"Von den Tagen Johannes des Täufers an bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengungen erlangt, und jene, welche sich mühen, erreichen es."

Angelique, bist Du einverstanden? :)

Eldar
Beiträge: 1199
Registriert: Donnerstag 22. Dezember 2005, 12:35

Re: Was muss man tun, um in den Himmel zu kommen ?

Beitrag von Eldar »

Angelika hat geschrieben:Hallo,

im Thread Jesus und die Traditionalisten vertritt Raphael die Ansicht, der Mensch müsse zur Barmherzigkeit Gottes einen eigenen Beitrag leisten. Ohne menschliches Bemühen gäbe es keine göttliche Barmherzigkeit, folglich kein ewiges Heil.
Ich kann Raphael verstehen. Denn, hat man nun einmal schon die Gnade, zu wissen, was man zu tun hat um nach der Nähe unseres Herrn zu trachten, sprich in den Himmel zu kommen, dann sollte man auch seinen Willen dannach richten. Freilich gewährt dir Gott allein seine Gnaden, doch kann jeder Mensch diese durch seinen eigenen Willen auch missbrauchen, verunstalten oder aber auch ganz verdrängen, aufgrund seiner Sünden. Der heilige Mensch weiß mit seinen Gnaden umzugehen. Der Sünder und Frevler verdrängt die Gnade durch die Sünde. Die aufgeladene Schuld lässt uns in bestimmten Situationen nicht so handeln wie wir es im Nachhinein gerne hätten, nämlich wider dem Willen Gottes.

Dennoch bin ich der Ansicht das jeder Christ welcher sich um seine Liebe zu Jesus Christus bemüht Heilsgewissheit haben kann und Heilsgewissheit haben muss. Dazu gehört sicherlich auch ein wenig Vertrauen in unseren Heiland und Erlöser.

mfg Eldar

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Zu Mt 11,12:
Matthæus hat geschrieben:ἀπὸ δὲ τῶν ἡμερῶν ᾽Ιωάννου τοῦ βαπτιστοῦ ἕως ἄρτι ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν βιάζεται, καὶ βιασταὶ ἁρπάζουσιν αὐτήν
Matthæus (juxta Vulgatam) hat geschrieben:a diebus autem Johannis Baptistæ usque nunc regnum cælorum vim patitur et violenti rapiunt illud
Die slawischen Varianten verniedlichen den Begriff der „Gewalt“, sicher um Mißverständnisse auszuschließen. Dennoch steht im Original nichts von „Mühen“ oder „Anstrengungen“, sondern da steht ganz brutal „Gewalt“.

Ich biete erst einmal folgende Arbeitsübersetzung: »Von den Tagen Johannis des Täufers an bis jetzt wird das Reich der Himmel „vergewaltigt“ ¹, und Gewalttäter „rauben“² es.«

¹ „Vergewaltigt“ bildet morphologisch am ehesten das griechische βιάζεται nach, scheidet aber aus semantischen Gründen als Endübersetzung aus, wegen des stark pejorativen Sinns und (in heutiger Sprache) der sexuellen Konnotation. Ähnlich wäre es mit „überwältigt“, welches semantisch das Moment der Gewalt nicht hinreichend ausdrückt. Man muß darum zwischen Umschreibungen wählen: „wird [es] mit Gewalt genommen“, „erfährt [es] Gewalt“, oder (syntaktisch umgestellt): „wird [ihm] Gewalt getan“.

² „Rauben“ darf man hier auch nicht mit dem Horizont des Kriminologen begreifen, sondern im (prinzipiell neutralen) Sinne von „[an sich] raffen“. Der Raub ist ja auch heute noch bei manchen Beduinen etwas durchaus Ehrenhaftes.

Nun stellt sich die Frage nach der rechten Interpretation. Sie ist mit Blick auf die Väter schnell beantwortet, da wir hier einen ausgesprochenen consensus patrum vorfinden. Ich habe als Zeugen auf die Schnelle Irenæus von Lyon, Clemens von Alexandrien, Hieronymus, Paulin von Nola, Johannes Chrysostomus, Cyrill von Alexandrien und Gregor den Großen gefunden.

Die Interpretation knüpft daran an, daß Christus den Beginn der „Vergewaltigung“ mit der Bußpredigt Johannis des Täufers ansetzt. Dieser bereitet der Barmherzigkeit des Herrn den Weg, die Voraussetzung aber ist die Umkehr, die Buße. Das aber ist die „Gewalt“, von welcher der Herr redet, die also der Büßer aufwenden muß.

Die Begriffe „Mühe“ oder „Anstrengung“ interpretieren also durchaus richtig, aber sie interpretieren eben und übersetzen nicht. – Bei Gregor dem Großen kommt übrigens noch eine zweite Verständnisebene hinzu: die Gewalttäter auch als arge Sünder – wie der rechte Schächer neben Jesu am Kreuz –, die nun das Himmelreich erlangen können.

Nach all dem nun ein neuer Übersetzungsversuch:
Matthæus hat geschrieben: Von den Tagen Johannis des Täufers an bis jetzt wird das Reich der Himmel mit Gewalt genommen, und Gewalttäter erraffen es.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Begriffe „Mühe“ oder „Anstrengung“ interpretieren also durchaus richtig, aber sie interpretieren eben und übersetzen nicht.
Danke, Robert! Also doch keine "Pharisäer und Schriftgelehrten", die es irgendwie an sich reißen oder kaputtmachen. Der von mir zitierte deutsche Übersetzer & Kommentator versteht diese Begriffe aber eben im pejorativen Sinn; er hat ja auch selbst übersetzt. Man müßte folglich diese Stelle im Deutschen entweder auch interpretierend übersetzen oder einen kleinen Absatz Kommentar daranhängen.

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Beitrag von Uwe Schmidt »

Nietenolaf hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Begriffe „Mühe“ oder „Anstrengung“ interpretieren also durchaus richtig, aber sie interpretieren eben und übersetzen nicht.
Danke, Robert! Also doch keine "Pharisäer und Schriftgelehrten", die es irgendwie an sich reißen oder kaputtmachen. Der von mir zitierte deutsche Übersetzer & Kommentator versteht diese Begriffe aber eben im pejorativen Sinn; er hat ja auch selbst übersetzt. Man müßte folglich diese Stelle im Deutschen entweder auch interpretierend übersetzen oder einen kleinen Absatz Kommentar daranhängen.


Und so geht es nicht:? "Schon bei Johannes dem Täufer haben sie gegen das Himmelreich angekämpft - und es werden Kämpfer sein, die es sich nehmen!"

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Beitrag von Uwe Schmidt »

Nietenolaf hat geschrieben:Wie versteht ihr eigentlich Matth. 11:12? Das soll keine rhetorische Frage sein, ich habe nur keine brauchbare deutsche Übersetzung dieser Stelle finden können; deshalb zitiere ich den Vers hier auch nicht. Man interpretiert diese Stelle sogar folgendermaßen:
P. Dr. Konstantin Rösch O. M. CAP., Kommentar zu Matth. 11:12 hat geschrieben:Der Sinn ist wohl: Das Reich Gottes wird bekämpft. Gewalttätige Menschen wie die Pharisäer und Schriftgelehrten suchen den Eintritt in das Reich zu verhindern.
(Quelle: "Das Neue Testament, übersetzt und erläutert von P. Dr. Konstantin Rösch O. M. CAP.")

Ist das so?

Ich versuche mal, die slawische und russische Variante mit meinen Worten wiederzugeben:

"Von den Tagen Johannes des Täufers an bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengungen erlangt, und jene, welche sich mühen, erreichen es."




Das wäre dann auch eine Antwort auf Angelikas Einwand.


Ah, da ist ja das, wie es ich meine: ich verstehe den ersten Satz tatsächlich wie dieser Dr. Rösch und nicht wie die Kirchenväter oder Ketelhohn: schon bei Johannes dem Täufer haben sie gegen das Reich Gottes (also nicht das ewige Leben!) gekämpft (ist ja klar, was damit gemeint ist: sie haben Johannes eingesperrt und geköpft, genau wie sie Jesus gekreuzigt haben).
Dem zweiten Satz in der Röschschen Interpretation kann ich nicht folgen. Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass den Feinden Gottes aus dem ersten Satz die Freunde Gottes im zweiten (Halb-)Satz gegenübergestellt werden - denn diese, die Kämpfernaturen und Eiferer für das Reich, die werden auch das ewige Leben ("das Reich der Himmel") an sich reißen.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Uwe hat geschrieben:Und so geht es nicht:? "Schon bei Johannes dem Täufer
haben sie gegen das Himmelreich angekämpft - und es
werden Kämpfer sein, die es sich nehmen!"
Die Kämpfer sind keine schlechte Idee. Dann müßtest du jedoch
übersetzen:

»Seit Johannes dem Täufer hat man das Himmelreich erkämpft -
und es sind Kämpfer, die es sich nehmen.«
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Eldar
Beiträge: 1199
Registriert: Donnerstag 22. Dezember 2005, 12:35

Beitrag von Eldar »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Uwe hat geschrieben:Und so geht es nicht:? "Schon bei Johannes dem Täufer
haben sie gegen das Himmelreich angekämpft - und es
werden Kämpfer sein, die es sich nehmen!"
Die Kämpfer sind keine schlechte Idee. Dann müßtest du jedoch
übersetzen:

»Seit Johannes dem Täufer hat man das Himmelreich erkämpft -
und es sind Kämpfer, die es sich nehmen.«
...denn sie haben das Schwert welches ihnen der Herr gab zu Nutzen gewusst.

mfg Eldar

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Eldar
Eldar hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Uwe hat geschrieben:Und so geht es nicht:? "Schon bei Johannes dem Täufer
haben sie gegen das Himmelreich angekämpft - und es
werden Kämpfer sein, die es sich nehmen!"
Die Kämpfer sind keine schlechte Idee. Dann müßtest du jedoch
übersetzen:

»Seit Johannes dem Täufer hat man das Himmelreich erkämpft -
und es sind Kämpfer, die es sich nehmen.«
...denn sie haben das Schwert welches ihnen der Herr gab zu Nutzen gewusst.

mfg Eldar
Diese Übersetzungsvariante gefällt mir ebenfalls! :)

Das hat auch seinen Grund darin, daß damit ein Bogen zu Paulus geschlagen wird, der bspw. im Epheserbrief fordert für den Glauben zu kämpfen: :ikb_starwars:
Aufruf zum Kampf

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Beitrag von Uwe Schmidt »

Eldar hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Uwe hat geschrieben:Und so geht es nicht:? "Schon bei Johannes dem Täufer
haben sie gegen das Himmelreich angekämpft - und es
werden Kämpfer sein, die es sich nehmen!"
Die Kämpfer sind keine schlechte Idee. Dann müßtest du jedoch
übersetzen:

»Seit Johannes dem Täufer hat man das Himmelreich erkämpft -
und es sind Kämpfer, die es sich nehmen.«
...denn sie haben das Schwert welches ihnen der Herr gab zu Nutzen gewusst.

mfg Eldar



Ne, das ist eher der "große" Dschihad: der geistige Kampf gegen die eingefleischten Triebe.
Aber ich sehe gerade im BAUER/ALAND:"Wörterbuch zum NT" unter biázô, dass Matthäus 11,12 auch medial "drängt sich durch" verstanden werden kann. Dann bekommen einen ganz entgegengesetzten Sinn "Seit Johannes dem Täufer bricht sich das Himmelreich Bahn - und die Pioniere/Kämpfer/Pfadfinder werden es erlangen."

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Uwe hat geschrieben:Aber ich sehe gerade im BAUER/ALAND:"Wörterbuch zum NT" unter biázô, dass Matthäus 11,12 auch medial "drängt sich durch" verstanden werden kann. Dann bekommen einen ganz entgegengesetzten Sinn "Seit Johannes dem Täufer bricht sich das Himmelreich Bahn - und die Pioniere/Kämpfer/Pfadfinder werden es erlangen."
In Steyers Lehrbuch des neutestamentlichen Griechisch finde ich
auch „eindringen“. Es gibt noch eine weitere Stelle im Neuen Testa-
ment, wo das Wort vorkommt: Lc 16,16 (pas eis auten biazetai – omnis
in illud vim facit
). Das heißt: »jeder erobert es [das Reich] für sich mit
Gewalt«.

Oder, wenn ich ein neues Wort schöpfen darf: »Ein jeder ergewaltigt
es [das Reich] sich«.

An dieser Stelle ist biazo also tatsächlich medial gebraucht, doch Sub-
jekt ist nicht das Reich, sondern der „Ergewaltiger“.

Für eine mediale Verwendung im (intransitiven) Sinne von „vor-
wärtsdrängen“ finde ich keine Belege. Mt 11,12 müßte dieser Fall
bei medialer Bedeutung ja vorliegen, denn das Reich selber ist Sub-
jekt. Nun verstehen aber die Kirchenväter biazo an dieser Stelle
durchweg passivisch. Ich meine, daß Zeugnis der Muttersprachler
gibt an dieser Stelle den Ausschlag.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
»Seit Johannes dem Täufer hat man das Himmelreich erkämpft -
und es sind Kämpfer, die es sich nehmen.«
Ich lese gerade voller Begeisterung die "Asketischen Homilien" des Hl. Basilius Magnus. (Voller Begeisterung, weil sie trotz ihrer enormen Tiefe "leicht zu lesen" und damit eingängig und begreifbar sind.) Da kam ich (vorhin in der Bahn) an folgende Stelle:
Hl. Basilius der Große hat geschrieben:Denke nicht, daß alle errettet werden, die in ihren [Mönchs]Zellen leben, die Guten und die Schlechten. In Wirklichkeit ist es nicht so. Viele gehen ein lobenswertes Leben an, aber nicht viele nehmen dessen Joch auf sich. Denn das Himmelreich gehört denen, die Gewalt [Anstrengung] gebrauchen und jene, welche sich mühen, erlangen es (Matth. 11:12). Das ist das Wort des Evangeliums. Es nennt "Gewalt" die Abzehrung des Leibes, welches die Jünger Christi freiwillig erdulden, indem sie den eigenen Wünschen und der Leibesruhe entsagen und alle Gebote Christi halten. Deswegen, willst du das Reich Gottes erlangen, gebrauche Gewalt, neige deinen Nacken unter das Joch des Dienens Christi, ziehe das Joch auf deinem Nacken fest; möge es deinen Nacken knechten, laß ihn durch Werke der Tugend abgezehrt werden, durch Fasten, Wachen, Gehorsam, Schweigen, durch Psalmengesang, in Gebeten, Tränen, Handarbeit, durch das Ertragen eines jeglichen Leids, das dir von Dämonen und Menschen widerfährt.

"Asketische Homilie und Ermahnung, die Welt zu fliehen und [Belehrung] über die geistliche Vollkommenheit" (dort ziemlich gegen Ende)
Da sehen wir, wie die großen Kappadokier und Kirchenväter diese Stelle verstanden. Der hl. Basilios setzt die "Gewalt" in Matth. 11:12 eindeutig in einen asketischen Kontext; das hat nichts mit den "äußeren" Feinden Gottes zu tun. Hier geht also die aus den wesentlichen deutschen Übersetzungen (Luther, Einheitsübersetzung, Elberfelder) so einfach herauszuinterpretierende Gewalttätigkeit gegen das Reich Gottes doch irgendwie vollkommen neben das, was der Herr da wirklich sagt. Wie sollte es auch möglich sein, das Reich Gottes kaputtzumachen? Ganz besonders leidet natürlich die Glaubwürdigkeit solch gewagter Interpretationen wie der "Volxbibel" (hier) oder auch der "Hoffnung für alle" (hier). Man sollte eben bei schwierigen Stellen immer einmal nachschauen, wie die Väter, welche dem Evangelium nicht nur zeitlich, sondern auch geistlich um einiges näher standen als wir, dieses oder jenes verstanden haben. 8)
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Benutzeravatar
Edi
Beiträge: 11294
Registriert: Montag 12. Januar 2004, 18:16

Beitrag von Edi »

Ich lese meist nur den Luthertext oder mal auch die Interlinearübersetzung des NT aus dem Griechischen und habe diese Stelle ohne irgendwo nachzusehen, immer so verstanden, dass es sich um die Gewalt handelt mit der jeder das Himmelreich selber an sich reißen soll, also durch Gebet und ähnliches. Auf eine andere Auslegung wie sie hier erwähnt wurde, wäre ich nie gekommen.

Ich habe andern diesen Text schon einige Male in diesem Sinne erläutert, zumal es auch noch andere Bibelstellen gibt, die diese Auslegung etwa verstärken wie die, wo es heisst: ihr habt noch nicht bis auf's Blut widerstanden.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Na, dann gratuliere ich Dir, wenngleich die Interlinearübersetzung Matth. 11:12 so wiedergibt: "Aber seit den Tagen Johannes des Täufers bis jetzt das Reich der Himmel wird gewalttätig behandelt, und Gewalttätige reißen an sich es".
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

Joachim Gnilka (zu Mt. 11,12) sieht das differenzierter (ich hab was gegen das Weichspülen durch Interpretation):
Gnilka hat geschrieben: ... Aber was wird über die Basileia im "Stürmerspruch" ausgesagt? Sind die Stürmer solche die die Basileia "rauben", den Menschen zu entreißen trachten, die an ihr Teil gewinnen sollen? Oder sind starke, mutige Menschen gemeint, die alles tun, um die Basileia zu gewinnen, an sich zu reißen? Von der Wortbedeutung her sind beide Varianten möglich. Ähnliche Unsicherheit herrscht in der Bestimmung von βιαζεται. Wird die Basileia bekämpft, gehemmt (pass), oder bricht sie sich selbst mit Gewalt Bahn (intrans. med.)? Ist also der Stürmerspruch negativ oder positiv im Hinblick auf die Basileia zu interpretieren? par Luk 7, 16b als erster Interpret verstand ihn positiv. Dennoch ist eine Sinnänderung möglich.Für Mt empfielt der Kontext eine Deutung in malam partem. Vom Täufer, seit dessen Tagen η βασιλεια βιαζεται, wurde gesagt, dass er im Gefängnis einsitzt. Das folgende Gleichnis von den zankenden Kindern wird auf den Ungehorsam dieser Generation gegenüber der Botschaft des Täufers und Jesu hin ausgelegt. Der Bezug der Basileia auf die Gegenwart - sie kann geraubt werden! - ist für Mt durchaus möglich. Die βιασται, die gegen die Basioleia ankämpfen, sind dann diese Generation (Israel), besonders die Schriftgelehrten und Pharisäer.. Sieht man die Basileia bedrängt, dann erhält die zweite Zeitbestimmung, die Mt einsetzte - bis jetzt -, ihren vollen Sinn. Denn damit ist die Gegenwart tangiert und darüber hinaus eine Grenze angezeigt. Die Zeit wird kommen, in der die Basileia nicht mehr wird niedergehalten werden können, bei der Parousie des Menschensohnes.

Benutzeravatar
Udalricus
Beiträge: 87
Registriert: Montag 27. November 2006, 17:48

"gewaltloser" Übersetzungsversuch

Beitrag von Udalricus »

Also, jetzt muss ich mein Weltbild ändern: Ich glaubte immer, Jesus würde hier immer vor denen warnen, die "dem Reich Gottes Gewalt antun", es also an der Ausbreitung hindern.

Aber eure Argumente für eine andere Interpretation sind durchaus überzeugend, mir gefällt dann nur nicht, dass durch "Gewalt" und "Kampf" etwas Gutes, nämlich das Reich Gottes erwirkt werden kann, weil diese beiden Begriffe eher negativ besetzt sind.

Entweder man wird etwas freier wie Nietenolaf:
"Von den Tagen Johannes des Täufers an bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengungen erlangt, und jene, welche sich mühen, erreichen es."
Oder man bleibt an der Originalbedeutung, verwendet Gewalt allerdings so, dass es positive Assoziationen weckt:
"Seit den Tagen Johannes des Täufers wird für das Reich Gottes Gewaltiges geleistet und gewaltige Menschen erringen es."

Auf jeden Fall sind wir eingeladen, uns "gewaltig" anzustrengen, um zum Aufbau des Reiches Gottes beizutragen. Packen wir´s an!

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Ich bin gar nicht so "frei" in meiner Übersetzungsvariante. In Wahrheit spiele ich ja die ganze Zeit darauf an, daß bei den meisten deutschen Übersetzungen in die falsche Richtung gedeutet werden kann bzw. man dies auch direkt durch den Text tut ("Hoffnung für alle" etc.). Im ersten Beitrag dieses Strangs gebe ich eine Verdeutschung des slawischen und russischen Texts in Matth. 11:12 wieder. Dort ist es eindeutiger; in diesem Sinne versteht offenbar auch der hl. Basilius, s.o., diese Stelle; ich kann mir kaum eine Stimme vorstellen, die da gewichtiger wäre. Chrysostomos (4. Jh., wie auch Basilios) ist in seiner Auslegung nicht so sehr auf diesen Umstand erpicht. Er schreibt (in Matth. hom. XXXVII, 3):
Hl. Johannes Chrysostomos hat geschrieben:Daß Ich der Kommende bin [spricht der Herr], das sieht man sowohl daran, daß keine Propheten mehr erscheinen, als auch daran, daß mit jedem Tag der Glaube an Mich wächst; er ist so klar und offensichtlich, daß viele ihn erlangen. Und wer, fragst du, erlangt ihn? All jene, die mit Fleiß zu Mir streben.
Also geht's hier auch um das eifrige Streben, mit welchem der Goldmund offenbar die "Gewalt" erklärt.

Der in Sachen Auslegung meist auf Chrysostomos beruhende sel. Theophylakt von Bulgarien (12. Jh.) schreibt in seinem bekannten Matthäuskommentar:

Theophylakt von Bulgarien, [i]in Matth. comm.[/i], hat geschrieben:Achte einmal darauf: nachdem Er Seinen Zuhörern sagte, daß Er größer als Johannes ist, erweckt Er in ihnen den Glauben an Sich, indem Er zeigt, daß viele das Himmelreich, das bedeutet: den Glauben an Ihn, erlangen. Diese Sache braucht großes Bemühen: welche Anstrengung ist nötig, damit jemand seinen Vater und seine Mutter verläßt und sein Leben gering achtet!
Hier also auch. Niemand redet von Pharisäern o.ä., welche die "Ausbreitung des Reiches Gottes" verhindern wollen. Es ist dies unbedingt asketisch zu verstehen, denn "wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen" (Eph. 6:12).

Ich versuche hier mit dieser ganzen Diskussion also nicht etwa ein Experiment mit der Übersetzung von Matth. 11:12, sondern wollte ursprünglich auf die Doppeldeutigkeit der deutschen Varianten und gar auf den Fehler in manch jüngeren hinweisen. Mir scheint auch Gnilka geistige Bocksprünge zu vollführen, wenn er meint, das Reich Gottes würde dann irgendwann mal zur Parousie quasi unangreifbar werden. Ursprünglich, nämlich in dem Strang, aus dem diese Diskussion hier stammt, ging es ja darum, was man tun müsse, um das Himmelreich zu erlangen. Matth. 11:12 ist eine der Antworten, die das Evangelium gibt - wenn man eine richtige Übersetzung hat. 8)
Zuletzt geändert von Nietenolaf am Sonntag 31. Dezember 2006, 18:48, insgesamt 1-mal geändert.
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Inabikari
Beiträge: 400
Registriert: Montag 31. Juli 2006, 11:15
Wohnort: Mittelfranken

Beitrag von Inabikari »

Als Nichtchrist möchte ich mich eigentlich nicht in eine exegetische Diskussion einmischen, aber mir fällt auf, dass in der Herder-Bibel (= Jerusalemer Bibel) eine Übersetzung von Mt 11,12 angeboten wird, die bisher hier offenbar noch nicht erwähnt wurde:

"Aber seit den Tagen Johannes' des Täufers bis heute bricht sich das Himmelreich Bahn mit Gewalt, und Gewalttätige reißen an sich."

Was halten die Kundigen davon?

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Inabikari hat geschrieben:Was halten die Kundigen davon?
Nun, es ist uneindeutig. Wie verstehst Du denn die "Gewalttätigen"? Wer ist das? In welchem Zusammenhang stehen die zum sich "mit Gewalt bahnbrechenden" Himmelreich? Vielleicht gibt's in der Herder-Bibel auch einen Kommentar dazu? Ansonsten würden mich ein paar für die Westkirche traditionelle (also antike bis mittelalterliche) Auslegungen dieser Stelle interessieren.
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Re: "gewaltloser" Übersetzungsversuch

Beitrag von Uwe Schmidt »

Es ist dann dasselbe wie "die enge Tür", durch die man sich durchzwängen muss, um in das Himmelreich zu gelangen.

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Beitrag von Uwe Schmidt »

Nietenolaf hat geschrieben:Na, dann gratuliere ich Dir, wenngleich die Interlinearübersetzung Matth. 11:12 so wiedergibt: "Aber seit den Tagen Johannes des Täufers bis jetzt das Reich der Himmel wird gewalttätig behandelt, und Gewalttätige reißen an sich es".


Aber ist denn nicht gegen Johannes den Täufer gewaltsam vorgegangen worden? Hat man denn nicht versucht, ihn zum Schweigen zu bringen?
Ich sehe hier also doch eher äußere Feinde wie Herodes, die gegen Gott und sein Reich / seine Herrschaft kämpfen!

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Nietenolaf hat geschrieben:Ansonsten würden mich ein paar für die Westkirche traditionelle (also antike bis mittelalterliche) Auslegungen dieser Stelle interessieren.

Nun, also, zu guter Letzt noch dieses:

Hieronymus Stridoniensis, [i]in Matth. comm.[/i], t. 2, hat geschrieben:"Von den Tagen Johannis des Täufers bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengung erlangt [vim patitur = es leidet Gewalt], und jene, welche sich mühen, erlangen es. - Wenn - wie wir oben gesagt haben - der erste Johannes den Völkern die Notwendigkeit der Buße verkündet hatte, indem er sagte: tut Buße, denn das Himmelreich ist ist nahe herbeigekommen [Matth. 3:2], so leidet das Himmelreich folglich seitdem Gewalt (vim patitur), das bedeutet, es wird durch Kraftanstrengung erlangt, und jene, welche Anstrengungen unternehmen, reißen es an sich. Tatsächlich, man stellt große Mühen darin fest, daß wir auf Erden geboren sind und nach einem Platz im Himmel streben und das, was wir nicht von Natur aus geschenkt bekamen, durch Übungen der Tugend erreichen." (Quelle)
Ich denke, die Kirchenväter sind sich einig, was diese Stelle betrifft, Uwe. Du müßtest mir bei Deiner Auslegung einmal erklären, wie es sein kann, daß Gewalttätige (also Feinde des Reiches Gottes) ebenjenes "an sich" reißen!

Gesundes Neues Jahr an alle!
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Benutzeravatar
Pelikan
Beiträge: 1149
Registriert: Mittwoch 7. Juli 2004, 17:09

Beitrag von Pelikan »

Nietenolaf hat geschrieben:Ansonsten würden mich ein paar für die Westkirche traditionelle (also antike bis mittelalterliche) Auslegungen dieser Stelle interessieren.
In der Catena Aurea zitiert der hl. Thomas neben Hieronymus, den du schon gebracht hast, noch Papst Gregor und Hilarius mit ein paar zusätzlichen Gedanken:
Gregorius hat geschrieben:Per regnum caelorum supernum solium signatur, quo cum peccatores quolibet facinore polluti ad poenitentiam redeunt, et semetipsos corrigunt, quasi praedatores in locum alienum intrant et violenter regnum caelorum rapiunt.
-
Greg., Hom in Ev., xx. 14: By the kingdom of heaven is meant the heavenly throne, wither when sinners defiled with any evil deed return in penitence, and amend themselves, they enter as sinners into the place of another, and take by violence the kingdom of heaven.
Hilarius hat geschrieben:Vel aliter. Dominus apostolos ire ad oves perditas Israel iusserat; sed omnis haec praedicatio profectum publicanis et peccatoribus afferebat. Itaque vim regnum patitur, et violenti diripiunt: quia gloria Israel patribus debita. Prophetis nuntiata, a Christo oblata, fide gentium occupatur et rapitur.
-
Hilary: Otherwise; The Lord bade His Apostles go “to the lost sheep of Israel,” but all their preaching conveyed profit to the publicans and sinners. Therefore “the kingdom suffers violence, and the violent take it by force,” for the glory of Israel, due to the Fathers, foretold by the Prophets, offered by Christ, is entered and held by force by the might of the Gentiles.
Thomas selbst kommentiert die Stelle in der Summa so:
Thomas (IIª-IIae, q. 140 a. 1 ad 1) hat geschrieben:Ad primum ergo dicendum quod vetus testamentum habebat temporalia promissa, novum autem spiritualia et aeterna, ut Augustinus dicit, contra Faust. Et ideo necessarium fuit ut in veteri lege populus instrueretur qualiter pugnare deberet etiam corporaliter, pro terrena possessione acquirenda. In novo autem instruendi fuerunt homines qualiter, spiritualiter certando, ad possessionem vitae aeternae pervenirent, secundum illud Matth. XI, regnum caelorum vim patitur, et violenti diripiunt illud. Unde et Petrus praecipit, I Pet. ult., adversarius vester Diabolus tanquam leo rugiens circuit, quaerens quem devoret, cui resistite fortes in fide; et Iac. IV, resistite Diabolo, et fugiet a vobis. Quia tamen homines ad spiritualia bona tendentes ab eis retrahi possent per corporalia pericula, fuerunt etiam in lege divina danda fortitudinis praecepta ad sustinenda fortiter temporalia mala, secundum illud Matth. X, nolite timere eos qui occidunt corpus.
-
The Old Testament contained temporal promises, while the promises of the New Testament are spiritual and eternal, according to Augustine (Contra Faust. iv). Hence in the Old Law there was need for the people to be taught how to fight, even in a bodily contest, in order to obtain an earthly possession. But in the New Testament men were to be taught how to come to the possession of eternal life by fighting spiritually, according to Mt. 11:12, "The kingdom of heaven suffereth violence, and the violent bear it away." Hence Peter commands (1 Peter 5:8-9): "Your adversary the devil, as a roaring lion, goeth about, seeking whom he may devour: whom resist ye, strong in faith," as also James 4:7: "Resist the devil, and he will fly from you." Since, however, men while tending to spiritual goods may be withdrawn from them by corporal dangers, precepts of fortitude had to be given even in the New Law, that they might bravely endure temporal evils, according to Mt. 10:28, "Fear ye not them that kill the body."

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pelikan hat geschrieben:
Gregorius hat geschrieben:…, quasi praedatores in locum alienum intrant et violenter
regnum caelorum rapiunt.
-
Greg., Hom in Ev., xx. 14: …, they enter as sinners into the
place of another, and take by violence the kingdom of heaven.
Die Übersetzung ist verkehrt (Fehler oben kursiv hervorgehoben); richtig wäre:
»… gewissermaßen als Räuber [Beutemacher] einen fremden Platz [Ort] entern
[einnehmen] und gewaltsam das Reich der Himmel an sich reißen.«

Der Übersetzer hat offenbar die Metapher nicht verstanden und interpretiert
sie weg.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Pelikan
Beiträge: 1149
Registriert: Mittwoch 7. Juli 2004, 17:09

Beitrag von Pelikan »

Tja, und "fide gentium" übersetzt er mit "by the might of the gentiles" auch sehr, äh, frei... :hmm:

Benutzeravatar
Walter
Moderator
Beiträge: 1505
Registriert: Mittwoch 25. Januar 2006, 13:56

Beitrag von Walter »

Nietenolaf hat geschrieben:
Hieronymus Stridoniensis, [i]in Matth. comm.[/i], t. 2, hat geschrieben:"Von den Tagen Johannis des Täufers bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengung erlangt [vim patitur = es leidet Gewalt], und jene, welche sich mühen, erlangen es. - Wenn - wie wir oben gesagt haben - der erste Johannes den Völkern die Notwendigkeit der Buße verkündet hatte, indem er sagte: tut Buße, denn das Himmelreich ist ist nahe herbeigekommen [Matth. 3:2], so leidet das Himmelreich folglich seitdem Gewalt (vim patitur), das bedeutet, es wird durch Kraftanstrengung erlangt, und jene, welche Anstrengungen unternehmen, reißen es an sich. Tatsächlich, man stellt große Mühen darin fest, daß wir auf Erden geboren sind und nach einem Platz im Himmel streben und das, was wir nicht von Natur aus geschenkt bekamen, durch Übungen der Tugend erreichen." (Quelle)
Ich denke, die Kirchenväter sind sich einig, was diese Stelle betrifft, Uwe. Du müßtest mir bei Deiner Auslegung einmal erklären, wie es sein kann, daß Gewalttätige (also Feinde des Reiches Gottes) ebenjenes "an sich" reißen!

Gesundes Neues Jahr an alle!
Zunächst auch Dir ein frohes Neues Jahr!

Zu Hieronymus: Gibt's da auch irgendwo den vollständigen lateinischen Text? Mich interessiert vor allem das "jene, welche sich mühen/Anstrengungen unternehmen".
Die vulgata hat geschrieben:a diebus autem Iohannis Baptistae usque nunc regnum caelorum vim patitur et violenti rapiunt illud
Die angeblich textgenauste deutsche Übersetzung, die von Fridolin Stier, gibt die Stelle folgendermaßen wieder:
Seit den Tagen Johannes des Täufers bis heute drängt mit Gewalt das Königtum der Himmel heran, und Gewalttäter errauben es.
γενηθήτω το θέλημά σου·

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Beitrag von Uwe Schmidt »

Nietenolaf hat geschrieben:
Nietenolaf hat geschrieben:Ansonsten würden mich ein paar für die Westkirche traditionelle (also antike bis mittelalterliche) Auslegungen dieser Stelle interessieren.

Nun, also, zu guter Letzt noch dieses:

Hieronymus Stridoniensis, [i]in Matth. comm.[/i], t. 2, hat geschrieben:"Von den Tagen Johannis des Täufers bis heute wird das Himmelreich mit Anstrengung erlangt [vim patitur = es leidet Gewalt], und jene, welche sich mühen, erlangen es. - Wenn - wie wir oben gesagt haben - der erste Johannes den Völkern die Notwendigkeit der Buße verkündet hatte, indem er sagte: tut Buße, denn das Himmelreich ist ist nahe herbeigekommen [Matth. 3:2], so leidet das Himmelreich folglich seitdem Gewalt (vim patitur), das bedeutet, es wird durch Kraftanstrengung erlangt, und jene, welche Anstrengungen unternehmen, reißen es an sich. Tatsächlich, man stellt große Mühen darin fest, daß wir auf Erden geboren sind und nach einem Platz im Himmel streben und das, was wir nicht von Natur aus geschenkt bekamen, durch Übungen der Tugend erreichen." (Quelle)
Ich denke, die Kirchenväter sind sich einig, was diese Stelle betrifft, Uwe. Du müßtest mir bei Deiner Auslegung einmal erklären, wie es sein kann, daß Gewalttätige (also Feinde des Reiches Gottes) ebenjenes "an sich" reißen!

Gesundes Neues Jahr an alle!


Nein, die Gewalttätigen sind natürlich die tiefentschlossenen Christen, die die Himmelreichs-Pforte sprengen wollen. Aber warum spricht denn Jesus deiner Meinung nach hier von Johannes dem Täufer? Kann doch kein Zufall sein!

Uwe Schmidt
Beiträge: 1153
Registriert: Donnerstag 18. März 2004, 04:56

Beitrag von Uwe Schmidt »

"Seit den Tagen Johannes des Täufers bis heute drängt mit Gewalt das Königtum der Himmel heran, und Gewalttäter errauben es."
Diese Übersetzung von FRIEDOLIN STIER würde das mit Johannes dem Täufer erklären, und auch inhaltlich passt es gut zur Reich-Gottes-Botschaft, finde ich.

Lord Jim
Beiträge: 3
Registriert: Donnerstag 3. März 2022, 20:18
Wohnort: Neuenstadt

Re: Wie versteht ihr Mt 11,12?

Beitrag von Lord Jim »

Nach meiner Sicht gehen die hier besprochenen Lösungsansätze meist am Kern der Sache vorbei. Das hat hauptsächlich 3 Gründe. 1. Argumentieren von der Tradition her, 2. Missachten oder Nichtverstehen des Kontextes und 3. Unkenntnis der hebräischen Sprache. Matthäus war ein Jude und hat seine jüdischen Gedanken ins Griechische übertragen. Jüdische Leser, die der griechischen Sprache mächtig sind, haben oft darauf hingewiesen. Man hat sie meist nicht gehört, wohl auch aus der arroganten Haltung heraus, dass doch schließlich nun die Kirche das neue Israel sei und im alleinigen Besitz der Deutungshoheit sei. Im vorliegenden Fall geht es darum, dass Johannes an Jesus gezweifelt hat, weil er, ebenso wie die Jünger Jesu von der Tradition geprägt waren, und Jesus so gar nicht ihren Vorstellungen vom Messias entsprach. Jesus antwortet darauf in seiner so typischen, kritischen Art, im Sinne von „alle wollen ins messianische Reich – ein grundsätzlich positives Ziel, aber an der Umsetzung hapert es – „alle drängen sich drum“. Hier sagt Matthäus auf griechisch „mit Gewalt“ will jeder den gewalttätigen Verhältnissen als ausgebeutetes Volk im ersten Jahrhundert fliehen, sehnt sich nach anderen Verhältnissen, also, wenn doch nur der Messias käme, aber nicht der gewaltlose Jesus, sondern der „echte“ Messias, der die Römer rauswirft und nicht nur die Priesterkaste in den Senkel stellt. Jesus beklagt auch an anderer Stelle, das Unverständnis und den Mangel der Bereitschaft, Seinen Umkehraufrufen Folge zu leisten, nach Gottes Art, nicht nach den traditionellen Vorstellungen. Er legt sich damit praktisch mit allen an. Erst mit Seiner Auferstehung beginnt man, Ihn zu verstehen, im engeren Kreis. Jesus sieht also die untauglichen Versuche des Volkes, sich das „Ticket“ fürs messianische Reich selber auszustellen, sehr kritisch. Das ist hier gemeint und stimmt auch mit Seinen sonstigen Aussagen über Establishment und Volkspraxis im NT überein.

kukHofnarr
Beiträge: 832
Registriert: Dienstag 10. August 2021, 14:02
Kontaktdaten:

Re: Wie versteht ihr Mt 11,12?

Beitrag von kukHofnarr »

In Gewalttat gegen die eigenen Leidenschaften vermittels der Sakramente der Kirche bricht sich das Reich, welches nicht von dieser Welt ist, Bahn: "...wie im Himmel also auch auf Erden...".
"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Bruder Donald

Re: Wie versteht ihr Mt 11,12?

Beitrag von Bruder Donald »

1. Hallo erstmal im Forum! :huhu:

Lord Jim hat geschrieben:
Freitag 4. März 2022, 07:40
Man hat sie meist nicht gehört, wohl auch aus der arroganten Haltung heraus, dass doch schließlich nun die Kirche das neue Israel sei und im alleinigen Besitz der Deutungshoheit sei.
2. Ich find's immer sehr interessant, wie man einerseits die "arrogante Inanspruchnahme der Deutungshoheit" anprangert, aber dann andererseits mit der einen einzigwahren und richtigen Interpretation göttlichen Willens und Sagens um die Ecke kommt. :roll: Die Kirche irrt, du weißt es besser?
Du musst ja nicht der "traditionellen" Deutung zustimmen, du musst der kath. Kirche ja in gar nichts folgen, aber dann bist du vielleicht grundsätzlich in dieser falsch und auch in diesem Forum?

Lord Jim hat geschrieben:
Freitag 4. März 2022, 07:40
Hier sagt Matthäus auf griechisch „mit Gewalt“ will jeder den gewalttätigen Verhältnissen als ausgebeutetes Volk im ersten Jahrhundert fliehen, sehnt sich nach anderen Verhältnissen, also, wenn doch nur der Messias käme, aber nicht der gewaltlose Jesus, sondern der „echte“ Messias, der die Römer rauswirft und nicht nur die Priesterkaste in den Senkel stellt.
3. Zum Thema: An sich interessanter Punkt, aber was ist denn diese ominöse "Tradition", an welcher die Jünger etc. festgehalten haben und nicht so richtig Jesus nachfolgen wollten. Warum sind sie ihm bei so einer Diskrepanz trotzdem gefolgt und erst nach dem Osterereignis ist ihnen das Lichtlein aufgegangen? Da scheint es mir, zeichnest du ein etwas zu simples Bild. :hmm:

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema