Protestantismus und Willkürgott

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Edi
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Protestantismus und Willkürgott

Beitrag von Edi »

Bezug: Die Papstrede in Regensburg

"Damit hat Benedikt XVI. gleich drei Grenzen gezogen - zwei theologische und eine politische. Der Gott der Christen, sagt der Papst zum einen, ist ein Gott, der sich in Vernunftkategorien offenbart: "Auch wenn die Unähnlichkeiten unendlich größer sind als die Ähnlichkeiten, so gibt es doch zwischen dem ewigen Schöpfergeist und unserer geschaffenen Vernunft eine wirkliche Analogie." Den Gott des Islam hingegen beschreibt Benedikt XVI. - etwas einseitig - als einen weltentrückten Willkürgott: "Für die muslimische Lehre ist Gott absolut transzendent; sein Wille ist an keine unserer Kategorien gebunden, und sei es an die Vernünftigkeit." Als Gotteserforschung sind in dieser Sicht die christliche Theologie und die islamische Theologie zwei grundverschiedene Dinge. Das schreibt der Papst allen ins Stammbuch, die einen Dialog zwischen den beiden Religionen führen wollen."

"Eine für Europa selbst bedeutendere theologische Grenze steckt Benedikt XVI. gegenüber dem Protestantismus und seinen kulturellen Folgen ab. Die Forderung der Reformation, aus der christlich-hellenistischen Symbiose auszusteigen, deren theologisches Gebäude zu verlassen und "allein auf die Heilige Schrift" zu rekurrieren, ist für Benedikt ungeschichtlich, fatal und - in der Konsequenz seines Denkens - unchristlich."


Der Papst wendet sich in erster Linie gegen ein voluntaristisches Gottesbild, nach dem Gott jenseits oder über der Vernunft steht. Ein solches Gottesbild sieht er im Protestantismus wie im Islam wirksam und hält es für falsch.
Meine Frage: Warum kann man im Protestantismus dieses Gottesbild sehen? Auf welche prot. Auffassungen nimmt der Papst hier Bezug?

Aus diesem Link zitiert
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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incarnata
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Beitrag von incarnata »

Bin keine Theologin aber vermutlich bezieht er sich auf Luther,der
offenbar ein solches Willkürgottesbild hatte,da er ja so verzweifelt
um die Frage rang:Wie finde ich einen gnädigen Gott ? Und da in
den evangelischen Kirchen ja die Vorstellung vom Opfercharakter des Todes
Jesu Christi oft(ich weiß nicht,ob überall) abgelehnt wird,bleibt dann
letztlich nur ein Hoffen auf die Gnade des Vaters.
(s.auch mein gestriger Kommentar zur Erklärung von Pierre über die Lehre
der Juden und Deine Erwiderung)
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Baerchen
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Re: Protestantismus und Willkürgott

Beitrag von Baerchen »

Edi hat geschrieben: "Eine für Europa selbst bedeutendere theologische Grenze steckt Benedikt XVI. gegenüber dem Protestantismus und seinen kulturellen Folgen ab. Die Forderung der Reformation, aus der christlich-hellenistischen Symbiose auszusteigen, deren theologisches Gebäude zu verlassen und "allein auf die Heilige Schrift" zu rekurrieren, ist für Benedikt ungeschichtlich, fatal und - in der Konsequenz seines Denkens - unchristlich."
Aus der Sicht des Papstes muss dieses einfach unchristlich sein. Er kann und darf ja nicht anders ....

Baerchen
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Beitrag von Baerchen »

incarnata hat geschrieben:Bin keine Theologin aber vermutlich bezieht er sich auf Luther,der
offenbar ein solches Willkürgottesbild hatte,da er ja so verzweifelt
um die Frage rang:Wie finde ich einen gnädigen Gott ? Und da in
den evangelischen Kirchen ja die Vorstellung vom Opfercharakter des Todes
Jesu Christi oft(ich weiß nicht,ob überall) abgelehnt wird,bleibt dann
letztlich nur ein Hoffen auf die Gnade des Vaters.
(s.auch mein gestriger Kommentar zur Erklärung von Pierre über die Lehre
der Juden und Deine Erwiderung)
Nein, das Opfer Jesus Christi wird nicht abgelehnt. Kann nicht abgelehnt werden. Weil biblisch. Lediglich die sogenannte unblutige Wiederholung des Kreuzesopfers Jesu in der Messe wird abgelehnt da nicht biblisch.
Sowas wird dann immer leicht verwechselt.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Baerchen hat geschrieben:
incarnata hat geschrieben:Bin keine Theologin aber vermutlich bezieht er sich auf Luther,der
offenbar ein solches Willkürgottesbild hatte,da er ja so verzweifelt
um die Frage rang:Wie finde ich einen gnädigen Gott ? Und da in
den evangelischen Kirchen ja die Vorstellung vom Opfercharakter des Todes
Jesu Christi oft(ich weiß nicht,ob überall) abgelehnt wird,bleibt dann
letztlich nur ein Hoffen auf die Gnade des Vaters.
(s.auch mein gestriger Kommentar zur Erklärung von Pierre über die Lehre
der Juden und Deine Erwiderung)
Nein, das Opfer Jesus Christi wird nicht abgelehnt. Kann nicht abgelehnt werden. Weil biblisch. Lediglich die sogenannte unblutige Wiederholung des Kreuzesopfers Jesu in der Messe wird abgelehnt da nicht biblisch.
Sowas wird dann immer leicht verwechselt.
Tja und als Katholik muß man einwerfen eine "Wiederholung" des Opfers existiert nicht, das ist häretisch. Das Opfer geschah einmal für immer und es bedarf keiner weiteren wiederholungen. Die Eucharistie ist die "Vergegenwärtigung" des Opfers, eine "Verbindungsaufbau" der Kirche wo sie sich immer wieder durch die Eucharistie bei diesem einen Opfer trifft.

LG
Firoe
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
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Raphael

Re: Protestantismus und Willkürgott

Beitrag von Raphael »

Baerchen hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:"Eine für Europa selbst bedeutendere theologische Grenze steckt Benedikt XVI. gegenüber dem Protestantismus und seinen kulturellen Folgen ab. Die Forderung der Reformation, aus der christlich-hellenistischen Symbiose auszusteigen, deren theologisches Gebäude zu verlassen und "allein auf die Heilige Schrift" zu rekurrieren, ist für Benedikt ungeschichtlich, fatal und - in der Konsequenz seines Denkens - unchristlich."
Aus der Sicht des Papstes muss dieses einfach unchristlich sein.
Kannst Du bitte etwas ausführlicher erläutern, was Du damit meinst?
Baerchen hat geschrieben:Er kann und darf ja nicht anders ....
Wieso kann er nicht anders?
Wer schreibt ihm vor, daß er nicht anders darf?

Vielleicht will er auch gar nicht anders?

Baerchen
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Beitrag von Baerchen »

FioreGraz hat geschrieben:
Baerchen hat geschrieben:
incarnata hat geschrieben:Bin keine Theologin aber vermutlich bezieht er sich auf Luther,der
offenbar ein solches Willkürgottesbild hatte,da er ja so verzweifelt
um die Frage rang:Wie finde ich einen gnädigen Gott ? Und da in
den evangelischen Kirchen ja die Vorstellung vom Opfercharakter des Todes
Jesu Christi oft(ich weiß nicht,ob überall) abgelehnt wird,bleibt dann
letztlich nur ein Hoffen auf die Gnade des Vaters.
(s.auch mein gestriger Kommentar zur Erklärung von Pierre über die Lehre
der Juden und Deine Erwiderung)
Nein, das Opfer Jesus Christi wird nicht abgelehnt. Kann nicht abgelehnt werden. Weil biblisch. Lediglich die sogenannte unblutige Wiederholung des Kreuzesopfers Jesu in der Messe wird abgelehnt da nicht biblisch.
Sowas wird dann immer leicht verwechselt.
Tja und als Katholik muß man einwerfen eine "Wiederholung" des Opfers existiert nicht, das ist häretisch. Das Opfer geschah einmal für immer und es bedarf keiner weiteren wiederholungen. Die Eucharistie ist die "Vergegenwärtigung" des Opfers, eine "Verbindungsaufbau" der Kirche wo sie sich immer wieder durch die Eucharistie bei diesem einen Opfer trifft.

LG
Firoe
Siehste: Genau das auch ist unbiblisch und wurde zu Recht von allen Reformatoren bekämpft. Opfer? Ein einziges Opfer ein für allemal hat der Herr dargebracht: Sich selbst am Kreuz.
Warum Vergegenwärtigung und nicht Gedächtnis, wie es der Herr auch besonders betont hat? "Tut dies zu meinem Gedächtnis". Als er dies sagte, war er ja noch nicht am Kreuz geopfert worden. Also kann dieses Wort nicht auf irgendeine Vergegenwärtigung - was immer das auch sein mag - übertragen werden.

Baerchen
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Re: Protestantismus und Willkürgott

Beitrag von Baerchen »

Raphael hat geschrieben:
Baerchen hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:"Eine für Europa selbst bedeutendere theologische Grenze steckt Benedikt XVI. gegenüber dem Protestantismus und seinen kulturellen Folgen ab. Die Forderung der Reformation, aus der christlich-hellenistischen Symbiose auszusteigen, deren theologisches Gebäude zu verlassen und "allein auf die Heilige Schrift" zu rekurrieren, ist für Benedikt ungeschichtlich, fatal und - in der Konsequenz seines Denkens - unchristlich."
Aus der Sicht des Papstes muss dieses einfach unchristlich sein.
Kannst Du bitte etwas ausführlicher erläutern, was Du damit meinst?
Baerchen hat geschrieben:Er kann und darf ja nicht anders ....
Wieso kann er nicht anders?
Wer schreibt ihm vor, daß er nicht anders darf?

Vielleicht will er auch gar nicht anders?
1. Er kann nicht anders, weil es vor ihm schon alle (?) Päpste und Konzilien dies bestätigt habe. Er ist halt eben auch ein Linientreuer. Der Papst.
2. Er darf nicht anders - "Tradition" - und siehe unter 1.
3. Er will vermutlich nicht anders, - siehe 1. und 2. -

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Als die (später kanonischen) Schriften des Neuen Bundes niedergeschrie-
ben wurden (zwischen Mitte der vierziger und Ende der neunziger Jahre
des ersten Jahrhunderts), wurde die Eucharistie längst gefeiert, Bärli.

Diejenigen Hirten der Kirche, die bis ins dritte, ja teils vierte Jahrhundert
hinein festlegten, welche Schriften kanonisch seien (also das „Neue Testa-
ment“ der „Bibel“ bildeten), feierten allesamt ja längst das Sakrament der
Eucharistie und lehrten darüber, was „Katholiken“ und „Orthodoxe“ bis
heute festhalten.

Damit ist jedem Biblizismus von vornherein die Grundlage entzogen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

S. Basilius Magnus (de Spiritu Sancto XXVII,66) hat geschrieben:»Unter den in der Kirche bewahrten Glaubenslehren und Verkündigungen besitzen wir die einen aus der schriftlich festgelegten Unterweisung, die anderen haben wir von der Tradition der Apostel auf dem Weg der Mysterien überliefert empfangen. Beide haben für den Glauben die gleiche Bedeutung. Dieser Feststellung wird niemand widersprechen, der auch nur die geringste Erfahrung mit den geheiligten Satzungen der Kirche hat. Denn wenn wir es betrieben, den ungeschriebenen Brauch als minder gültig abzulehnen, dann würden wir unvermerkt auch das Evangelium an Stellen treffen, die ihrerseits von grundlegender Bedeutung sind.

Mehr noch, wir beschränkten die Verkündigung auf bloße Namen. Welche Anweisung aus der Schrift gibt es, um zunächst das Gebräuchlichste zu nennen, daß die auf den Namen unseres Herrn Jesus Christus Hoffenden sich mit dem Kreuzeszeichen bezeichnen? Welcher Buchstabe hat uns gelehrt, uns beim Gebet nach Osten zu wenden? Die Worte der Epiklese bei der Konsekration des Brotes der Eucharistie und des Kelches der Segnung - wer von den Heiligen hat sie uns schriftlich hinterlassen? Wir begnügen uns ja nicht mit dem, was der Apostel oder das Evangelium anführen, sondern sprechen vorher und nachher noch andere Worte, die wir aus der nichtschriftlichen Lehre empfangen haben und die eine große Bedeutung für das Geheimnis haben.

Wir segnen auch das Taufwasser und das Öl der Salbung und außerdem den Täufling selbst. Aufgrund welcher Schrifttexte tun wir das? Nicht aufgrund der verborgenen und geheimnisvollen Überlieferung? Mehr noch, welches geschriebene Wort lehrte uns die Salbung mit Öl ihrerseits? Das dreifache Untertauchen des Täuflings, woher kommt es? Und all die anderen Dinge bei der Taufe, das dem Teufel und seinen Engeln Entsagen, aus welcher Schrift stammt das? Etwa nicht aus dieser nichtöffentlichen, verborgenen Lehre, die unsere Väter in unbekümmertem und schlichtem Schweigen bewahrt haben, wohl darüber belehrt, daß die Ehrwürdigkeit der Geheimnisse durch Schweigen bewahrt bleibt? Was die Nichteingeweihten noch nicht einmal sehen durften, wie sollte es vernünftig sein, das als Lehre schriftlich auszuposaunen?

[…]

Deshalb schauen wir alle zwar beim Gebet nach Osten, aber nur wenige von uns wissen, daß wir dabei die alte Heimat suchen, das Paradies, das Gott in Eden gegen Osten pflanzte (vgl. Gen 2,8). Aufrecht verrichten wir die Gebete am ersten Tag der Woche, aber nicht alle kennen den Grund. Denn nicht nur, weil wir mit Christus auferstehen und das, was droben ist, suchen sollen (vgl. Kol 3,1), erinnern wir uns am Auferstehungstag der uns geschenkten Gnade durch das Stehen beim Gebet, sondern weil dieser Tag gewissermaßen ein Bild des zukünftigen Äons zu sein scheint.

Deswegen nannte Moses den Anfang der Tage auch nicht "ersten" Tag, sondern "ein" Tag; er sagte nämlich: "Es ward Abend, und es ward Morgen, ein Tag" (Gen 1,5), als ob dieser Tag im Kreislauf wieder herbeigeführt werden sollte. Und fürwahr, er ist "ein" Tag und auch achter, weil er den "einen" und wahrhaft achten durch sich selbst offenbar macht, von dem der Psalmist in einigen Psalmüberschriften spricht (Ps 6; Ps 11 LXX), das heißt der Zustand nach dieser Weltzeit, der Tag, der nicht mehr aufhört, der Tag ohne Abend, der Tag, der keinen Nachfolger hat, der Äon, der kein Ende mehr hat und ewig jung bleibt. Notwendig hält die Kirche ihre Kinder dazu an, an diesem Tag ihre Gebete stehend zu verrichten, damit wir durch die ständige Erinnerung an das Leben, das kein Ende hat, die Reisezehrung für diese Veränderung unseres Wohnsitzes nicht vernachlässigen.

Jeder fünfzigste Tag seinerseits ist eine Erinnerung an die im zukünftigen Äon erwartete Auferstehung. Denn dieser eine und erste Tag vollendet, siebenmal versiebenfacht, die sieben Wochen der heiligen fünfzig Tage. Diese Zeit beginnt nämlich mit dem ersten und endigt mit demselben, in der Zwischenzeit sich fünfzigmal in ähnlichen Tagen entfaltend. Durch die Ähnlichkeit ahmt sie die Ewigkeit nach, fängt sie doch in einer Kreisbewegung bei den gleichen Zeichen an, wo sie aufhört. Die Gesetze der Kirche haben uns gelehrt, an diesem Tag die aufrechte Haltung beim Gebet vorzuziehen, sie wollen mit dieser deutlichen Erinnerung unseren Geist gewissermaßen aus der Gegenwart in die Zukunft versetzen. Bei jedem Beugen der Knie und bei jedem Aufstehen zeigen wir durch unser Tun an, daß wir durch die Sünde zur Erde fielen und durch die Menschenfreundlichkeit unseres Schöpfers zum Himmel zurückgerufen wurden.«
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Raphael

Re: Protestantismus und Willkürgott

Beitrag von Raphael »

Baerchen hat geschrieben:1. Er kann nicht anders, weil es vor ihm schon alle (?) Päpste und Konzilien dies bestätigt habe.
Was stört Dich daran?
Baerchen hat geschrieben:Er ist halt eben auch ein Linientreuer. Der Papst.
Wenn linientreu bedeutet, daß man in der Tradition von Jesus Christus steht, kann ich nichts finden, was daran auszusetzen wäre.
Baerchen hat geschrieben:2. Er darf nicht anders - "Tradition" - und siehe unter 1.
Ist Tradition etwas schlechtes?
Baerchen hat geschrieben:3. Er will vermutlich nicht anders, - siehe 1. und 2. -
Willst Du dem Papst vorschreiben, welchen Willen er zu haben hat?

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Robert Ketelhohn
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Ratzinger, Gott und die Vernunft

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Doch zurück zum Thema. Wir hatten das übrigens voriges Jahr schon
einmal. In einer ersten Stellungnahme hatte ich versucht, zunächst
die Vorlesung, alsdann die Aufregung darüber einzuordnen.

Zum Thema der „Vernunft Gottes“ antwortete ich dann auf eine ent-
sprechende Frage von Petra:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die höchste Vernunft ist der Logos, das Wort Gottes, der einge-
borene Sohn.

Gottes Handeln kann man darum nicht (in einem akzidentiellen
Sinn, also als Eigenschaft verstanden) als vernünftig bezeichnen.
Er ist die Vernunft selbst. Menschliche Vernuft dagegen ist nur
abbildhaft oder per analogiam auf die göttliche Vernunft zu be-
ziehen.

Bei Johannes Duns Scotus verwischt sich diese Unterscheidung
übrigens, infolge seiner Lehre von der Univozität (Einbegrifflich-
keit), welche Begriffe wie Sein, Weisheit Vernunft als grundsätz-
lich dieselben auffaßt, einerlei, ob auf Geschaffenes oder Unge-
schaffenes (also Gott) bezogen. Dies „akzidentialisiert“ in gewis-
ser Weise die „Eigenschaften“ Gottes, woraus dann auch ein ge-
wisser „Voluntarismus Gottes“ folgt, wie Benedikt m. E. zu Recht
festgestellt hat (wiewohl die Scotisten das bestreiten).

Diese Dinge sind aber, wie ich zugebe, philosophisch sehr kom-
plex und darum auch nicht leicht zu verstehen, vielleicht noch
schwerer darzustellen.

Eine andere Bemerkung noch: Man wird einräumen müssen,
daß es die von Benedikt XVI. angesprochene antiintellektualisti-
sche Richtung im Islam sehr wohl gibt, aber auch eine andere,
sehr „vernunftgemäße“. Als Beispiel schaue man sich einmal
folgendes an: http://www.harunyahya.de/index.php
Zu Ratzingers Vernunft-Thema führte ich dort dann noch folgendes
aus:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Kommen wir doch noch einmal zu Joseph Ratzingers, des Theologen,
philosophischer Vorlesung zurück. Im Rahmen seines Themas: „Glau-
be (oder Religion) und Vernunft“ hatte er zunächst das Verhältnis von
griechischer Philosophie und biblischer Offenbarung als den Glauben
der Kirche recht eigentlich begründende Symbiose skizziert, um dann
aufzuzeigen, wie drei aufeinander folgende „Enthellenisierungswellen“
Schritt um Schritt je als partielle Abkehr von der Vernunft zu begrei-
fen sind.

Ich darf daraus noch einmal zwei Abschnitte zitieren:
So geht der biblische Glaube in der hellenistischen Epoche bei
aller Schärfe des Gegensatzes zu den hellenistischen Herrschern,
die die Angleichung an die griechische Lebensweise und ihren
Götterkult erzwingen wollten, dem Besten des griechischen
Denkens von innen her entgegen zu einer gegenseitigen
Berührung, wie sie sich dann besonders in der späten Weisheits-
Literatur vollzogen hat. Heute wissen wir, daß die in Alexandrien
entstandene griechische Übersetzung des Alten Testaments – die
Septuaginta – mehr als eine bloße (vielleicht sogar wenig positiv
zu beurteilende) Übersetzung des hebräischen Textes, nämlich
ein selbständiger Textzeuge und ein eigener wichtiger Schritt der
Offenbarungsgeschichte ist, in dem sich diese Begegnung auf
eine Weise realisiert hat, die für die Entstehung des Christentums
und seine Verbreitung entscheidende Bedeutung gewann. Zutiefst
geht es dabei um die Begegnung zwischen Glaube und Vernunft,
zwischen rechter Aufklärung und Religion.
Der These, daß das kritisch gereinigte griechische Erbe wesentlich
zum christlichen Glauben gehört, steht die Forderung nach der
Enthellenisierung des Christentums entgegen, die seit dem Beginn
der Neuzeit wachsend das theologische Ringen beherrscht. Wenn
man näher zusieht, kann man drei Wellen des Enthellenisierungs-
programms beobachten, die zwar miteinander verbunden, aber in
ihren Begründungen und Zielen doch deutlich voneinander
verschieden sind.

Die Enthellenisierung erscheint zuerst mit den Anliegen der
Reformation des 16. Jahrhunderts verknüpft. Die Reformatoren
sahen sich angesichts der theologischen Schultradition einer ganz
von der Philosophie her bestimmten Systematisierung des
Glaubens gegenüber, sozusagen einer Fremdbestimmung des
Glaubens durch ein nicht aus ihm kommendes Denken. Der
Glaube erschien dabei nicht mehr als lebendiges geschichtliches
Wort, sondern eingehaust in ein philosophisches System. Das
sola scriptura sucht demgegenüber die reine Urgestalt des
Glaubens, wie er im biblischen Wort ursprünglich da ist.
Der Abschnitt über die LXX ist ja für sich schon sehr bemerkenswert.
Benedikt XVI. gibt da, wenn man die Konsequenz der Aussage wohl
bedenkt, Augustin und der Ostkirche gegen Hieronymus, Damasus,
Alkuin, Luther und Trient recht.

Aber nicht auf den Vorrang der Septuaginta will ich jetzt hinaus, son-
dern auf die erste „Enthellenisierung“, die Ratzinger übersehen hat
und die die erste große Spaltung hervorgerufen hat: die Spaltung der
Synagoge.

Denn während der eine Teil der Synagoge, der kleinere, den Aposteln
folgte und sich den Heiden zuwandte, die bliblisch-hellenische Sym-
biose bewahrend, kehrte die Mehrheit sich schroff vom Hellenentum
ab, verwarf die Septuaginta und baute das pharisäische System zu je-
nem Legalismus und philologischen Buchstabenglauben aus, der sich
schließlich in Talmud und Masoretenbibel manifestierte.

Das war die erste große „Enthellenisierung“ und Vernunftsabschal-
tung. Und wenn denn scheinbar platonisierendes Griechentum wieder
Eingang fand, dann waren es bei der von der Kirche getrennten Syn-
agoge wie später bei Luther und andern Reformatoren die späten Aus-
wüchse eines synkretistischen Neuplatonismus, hermetische und gno-
stische Traditionsstränge.

Dies meine erste These. Und die zweite: Ein weiteres hat der Papst
übersehen. Seinem Bild von der biblisch-hellenischen Verbindung
fehlt nämlich ein drittes konstitutives Element: Rom. Die pax Romana
war – behaupte ich – eine Voraussetzung der Inkarnation und der Ge-
burt der Kirche. (Daher auch die umgekehrte Wirkung, welche vom
Untergang des Römischen Reichs und seiner griechischen, fränkisch-
deutschen und russischen Nachfolger ausgeht.)
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Sebastijonas
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Re: Ratzinger, Gott und die Vernunft

Beitrag von Sebastijonas »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ein weiteres hat der Papst übersehen. Seinem Bild von der biblisch-hellenischen Verbindung fehlt nämlich ein drittes konstitutives Element: Rom. Die pax Romana war – behaupte ich – eine Voraussetzung der Inkarnation und der Geburt der Kirche. (Daher auch die umgekehrte Wirkung, welche vom Untergang des Römischen Reichs und seiner griechischen, fränkisch-deutschen und russischen Nachfolger ausgeht.)
Für mich als in antiker Geschichte ungebildeten: Meinst du, dass, hätte es das Völker umspannende Römische Reich nicht gegeben, sondern nur die instabilen Reiche der jeweiligen Großstämme, es statt der lateinischen nur verschiedene mehr oder weniger unabhängige Nationalkirchen gegeben hätte?

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Lutheraner
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Re: Protestantismus und Willkürgott

Beitrag von Lutheraner »

Edi hat geschrieben: Der Papst wendet sich in erster Linie gegen ein voluntaristisches Gottesbild, nach dem Gott jenseits oder über der Vernunft steht. Ein solches Gottesbild sieht er im Protestantismus wie im Islam wirksam und hält es für falsch.
Meine Frage: Warum kann man im Protestantismus dieses Gottesbild sehen? Auf welche prot. Auffassungen nimmt der Papst hier Bezug?

Aus diesem Link zitiert
Er kann sich hier nur auf das lutherische Gottesbild beziehen. dieses allgemein als "protestantisch" zu bezeichnen ist falsch.

Luther hat wie viele andere Kirchenväter, z.B. Tertullian, Gott über die Vernunft gestellt (ähnlich sah es übrigens auch Ignatius von Loyola bezogen auf die Lehre der Röm.-Kath. Kirche).

Zwingli hatte ein ähnliches Gottesbild, wie es Ratzinger hier zu vertreten scheint. Zwingli war der Auffassung, dass Gott nichts von uns fordern kann, was der Vernunft wiederspricht. Aus diesem Grund kam es auch zu Verwerfungen zwischen Luther und Zwingli, der von Luther als "Schwärmer" beschimpft wurde. Zwingli lehnte beispielsweise die Realpräsenz im Hl. Abendmahl ab, weil das für ihn mit der Vernunft nicht erfaßbar war.
Wie Ratzinger zu seinem vernunftgeprägten Gottesbild kommt, ist für mich auch in Bezug auf die Kirchengeschichte nicht nachvollziehbar.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Ich habe nach allem, was ich hier las, immer noch nicht verstanden oder explizit erkennen können, was denn genau am Protestantimus als voluntaritisches Gottesbild anzusehen ist, also wo beim Protestantimus die Vernunft zu kurz kommt. Dass der Protestantimus ausserhalb der kirchlichen Tradition liegt, ist bekannt, aber bedeutet das auch gleichzeitig einen willkürlichen Gott zu haben?

Ein solcher Gott, wäre, wenn ich es richtig sehe, letztlich doch ein unberechenbarer, willkürlich handelnder und geradezu verantwortungsloser Gott, der rein theoretisch heute dies und morgen das Gegenteil fordern könnte.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Baerchen hat geschrieben:
FioreGraz hat geschrieben:
Baerchen hat geschrieben:
incarnata hat geschrieben:Bin keine Theologin aber vermutlich bezieht er sich auf Luther,der
offenbar ein solches Willkürgottesbild hatte,da er ja so verzweifelt
um die Frage rang:Wie finde ich einen gnädigen Gott ? Und da in
den evangelischen Kirchen ja die Vorstellung vom Opfercharakter des Todes
Jesu Christi oft(ich weiß nicht,ob überall) abgelehnt wird,bleibt dann
letztlich nur ein Hoffen auf die Gnade des Vaters.
(s.auch mein gestriger Kommentar zur Erklärung von Pierre über die Lehre
der Juden und Deine Erwiderung)
Nein, das Opfer Jesus Christi wird nicht abgelehnt. Kann nicht abgelehnt werden. Weil biblisch. Lediglich die sogenannte unblutige Wiederholung des Kreuzesopfers Jesu in der Messe wird abgelehnt da nicht biblisch.
Sowas wird dann immer leicht verwechselt.
Tja und als Katholik muß man einwerfen eine "Wiederholung" des Opfers existiert nicht, das ist häretisch. Das Opfer geschah einmal für immer und es bedarf keiner weiteren wiederholungen. Die Eucharistie ist die "Vergegenwärtigung" des Opfers, eine "Verbindungsaufbau" der Kirche wo sie sich immer wieder durch die Eucharistie bei diesem einen Opfer trifft.

LG
Firoe
Siehste: Genau das auch ist unbiblisch und wurde zu Recht von allen Reformatoren bekämpft. Opfer? Ein einziges Opfer ein für allemal hat der Herr dargebracht: Sich selbst am Kreuz.
Warum Vergegenwärtigung und nicht Gedächtnis, wie es der Herr auch besonders betont hat? "Tut dies zu meinem Gedächtnis". Als er dies sagte, war er ja noch nicht am Kreuz geopfert worden. Also kann dieses Wort nicht auf irgendeine Vergegenwärtigung - was immer das auch sein mag - übertragen werden.
Hallo Bärchen,

einen Opfercharakter hat man in der Abendmahlsfeier schon früh gesehen.

In der Didache (ca. 100-180 n.Chr. entstanden) heißt es:

"14,1. An jedem Herrentage, wenn ihr zusammenkommt, brecht das Brot und sagt Dank, nachdem ihr zuvor eure Verfehlungen bekannt hat, damit euer Opfer rein sei.

2. Keiner aber, der Streit mit seinem Nächsten hat, soll mit euch zusammenkommen, bis sie sich versöhnt haben, damit euer Opfer nicht entweiht werde.

3. Denn dies ist das vom Herrn gesprochene Wort: "An jeder Stelle und zu jeder Zeit mir ein reines Opfer darzubringen; denn ich bin ein großer König, spricht der Herr, und mein Name ist wunderbar unter den Völkern". [Mal. 1, 11 + 14]"

Ich halte es allerdings für falsch der Abendmahlsfeier einen Opfercharakter in der Form zuzuschreiben, wie dies die Römische Kirche tut. Wohin dies geführt hat, wissen wir aus der "papistischen Opfermeß", die jahrhundertelang im Mittelalter verbreitet war.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Baerchen hat geschrieben:Warum Vergegenwärtigung und nicht Gedächtnis, wie es der Herr auch besonders betont hat? "Tut dies zu meinem Gedächtnis". Als er dies sagte, war er ja noch nicht am Kreuz geopfert worden. Also kann dieses Wort nicht auf irgendeine Vergegenwärtigung - was immer das auch sein mag - übertragen werden.
Nun wie wird das denn beim ersten Abendmahl gewesen sein? Da war das Opfer Jesu am Kreuz noch nicht vollbracht und doch sagt der Herr: das ist mein Fleisch und Blut, setzt also sein erst später vollbrachtes Opfer in die Gegenwart. Oder glaubt jemand das Abendmahl mit den Aposteln sei nur eine blosse wertlose Vorführung gewesen, um allein Anschaungsunterricht für die spätere Feier des Gottesdienstes zu erteilen?
Also zeigt das schon, das es sich nicht nur um ein Erinnerungsmahl gehandelt haben kann.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
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Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Beitrag von Lutheraner »

Edi hat geschrieben:Ich habe nach allem, was ich hier las, immer noch nicht verstanden oder explizit erkennen können, was denn genau am Protestantimus als voluntaritisches Gottesbild anzusehen ist, also wo beim Protestantimus die Vernunft zu kurz kommt. Dass der Protestantimus ausserhalb der kirchlichen Tradition liegt, ist bekannt, aber bedeutet das auch gleichzeitig einen willkürlichen Gott zu haben?

Ein solcher Gott, wäre, wenn ich es richtig sehe, letztlich doch ein unberechenbarer, willkürlich handelnder und geradezu verantwortungsloser Gott, der rein theoretisch heute dies und morgen das Gegenteil fordern könnte.
Hallo Edi,

Gott widerspricht sich selbst nicht, insofern braucht man vor Willkür keine Angst zu haben. Was er uns durch Jesus Christus zugesagt hat, gilt. Aber aus christlicher Sicht widerspricht doch vieles in unserer Welt unserer Vernunft. Wir können das Problem der Theodizee nicht lösen, wir können nicht erklären weshalb das Christentum auch nach 2000 Jahren nur eine Religion unter mehreren ist, weshalb Gott sich nicht jedem Menschen eindeutig offenbart, weshalb wir überhaupt existieren, weshalb es 250 Millionen Jahre lang Dinosaurier gab, u.s.w.
Wenn man in unserer Zeit, mit unserem heutigen Wissen (davon ausgehend dass unsere wissenschaftliche Erkenntnisse wahr sind) der Vernunft folgen, dann landet man doch eigentlich beim Nihilismus. Das wäre vernünftig. Aber da bin ich lieber unvernünftig und glaube was ich nicht verstehen kann.

Eigentlich ist es in den kath. Kirchen doch genauso. Mit der Vernunft nicht erfaßbare Dinge werden durch entsprechende Bibelauslegung oder mit der Tradition begründet. Daher ist mir nicht ganz klar, auf was Ratzinger hinauswollte.

In der Aufklärung war der Gott der Vernunft der Gott der Deisten Kant und Voltaire. Mich hat Ratzingers Enzyklika stellenweise auch stark an deren Gottesbild erinnert. Das ist aber nicht mehr das Gottesbild das man heute durch die Vernunft erfassen würde.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lutheraner hat geschrieben:Er kann sich hier nur auf das lutherische Gottesbild beziehen. Dieses allgemein als "protestantisch" zu bezeichnen ist falsch.
Das mag schon sein, strenggenommen. Aber Calvin sehe ich in diesem Punkt auf der grundsätzlich selben Bahn, und damit ist es wohl schon berechtigt, im Protestantismus das Bild eines willkürhaften, über die Vernunft erhabenen Gottes zu verorten. Daß alle Protestanten dies Gottesbild teilen, hat ja keiner behauptet.
Lutheraner hat geschrieben:Luther hat wie viele andere Kirchenväter, z.B. Tertullian, Gott über die Vernunft gestellt (ähnlich sah es übrigens auch Ignatius von Loyola bezogen auf die Lehre der Röm.-Kath. Kirche).
Luther kennst du wohl; bezüglich seiner hast du recht. Sonst scheinst du weniger Ahnung zu haben. Tertullian war erstens kein Kirchenvater, und zweitens ist es Unsinn, er habe »Gott über die Vernunft gestellt«. Das kann man nicht einmal vom späten, montanistischen Tertullian behaupten (den selber man immerhin für unvernünftig halten mag). Von andern Kirchenvätern, die du schwerlich kennst, schon gar nicht.
Lutheraner hat geschrieben:Zwingli hatte ein ähnliches Gottesbild, wie es Ratzinger hier zu vertreten scheint. Zwingli war der Auffassung, dass Gott nichts von uns fordern kann, was der Vernunft wiederspricht. Aus diesem Grund kam es auch zu Verwerfungen zwischen Luther und Zwingli, der von Luther als "Schwärmer" beschimpft wurde. Zwingli lehnte beispielsweise die Realpräsenz im Hl. Abendmahl ab, weil das für ihn mit der Vernunft nicht erfaßbar war.
Zwingli mit Ratzinger zu vergleichen ist nun wirklich lachhaft. Zwingli hat möglicherweise sein begrenztes Fassungsvermögen mit Vernunft verwechselt. Ein Irrtum, scheint mir, dem du auch unterliegst (siehe unten).
Lutheraner hat geschrieben:Wie Ratzinger zu seinem vernunftgeprägten Gottesbild kommt, ist für mich auch in Bezug auf die Kirchengeschichte nicht nachvollziehbar.
Klar, ohne Kenntnis der Kirchengeschichte ist das nicht leicht. Lies doch einmal Ratzingers 1999er Sorbonne-Vorlesung: »Der Sieg der Einsicht über die Welt der Religionen«.

Edi hat geschrieben:Ich habe nach allem, was ich hier las, immer noch nicht verstanden oder explizit erkennen können, was denn genau am Protestantimus als voluntaritisches Gottesbild anzusehen ist, also wo beim Protestantimus die Vernunft zu kurz kommt. Dass der Protestantimus außerhalb der kirchlichen Tradition liegt, ist bekannt, aber bedeutet das auch gleichzeitig einen willkürlichen Gott zu haben?
Lutheraner hat geschrieben:Wenn man in unserer Zeit mit unserem heutigen Wissen (davon ausgehend, daß unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse wahr sind) der Vernunft folgt, dann landet man doch eigentlich beim Nihilismus. Das wäre vernünftig. Aber da bin ich lieber unvernünftig und glaube, was ich nicht verstehen kann.
Da hast du die Antwort, Edi. – „Lutheraner“ meint, was ihm zu hoch ist – er zählt diverse, gar nicht so schwer zu beantwortende Punkte auf –, sei unvernünftig. Welch ein Fehlschluß. Und dann erblickt er auch noch „Vernunft“ bei Kant und Voltaire. Idealismus oder Ideologie als „Vernunft“. Arme, vergewaltigte Vernunft. So geht es, wenn einem die Zeitrechnung im sechzehnten Jahrhundert beginnt.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sebastijonas hat geschrieben:Für mich als in antiker Geschichte ungebildeten: Meinst du, daß, hätte es das Völker umspannende Römische Reich nicht gegeben, sondern nur die instabilen Reiche der jeweiligen Großstämme, es statt der lateinischen nur verschiedene mehr oder weniger unabhängige Nationalkirchen gegeben hätte?
Es gab ja nie und gibt auch jetzt nicht nur die lateinische Kirche. – Nein, die Kirche hätte sich überhaupt nicht ausbreiten können. Die Verkündigung wäre nicht bis an die vier Enden der Erde gelangt. Ein paar versprengte Reste hier oder da, das kann schon sein. Lokale Kulte, sich auseinanderentwickelnd und ohne gegenseitige Kenntnis. Aber keine Kirche.
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Lutheraner hat geschrieben: Wir können das Problem der Theodizee nicht lösen, ........
Nur ganz kurz zum Problem der Theodizee ..............

Das Christentum kennt in der Person Jesus Christus den mitleidenden Gott!

Ja, es kennt sogar den Gott, der einen ausgesprochen schändlichen Tod erleidet, wobei der Tod letztlich als das Größte aller Übel in dieser Welt angesehen wird.
Ist das keine Antwort auf die Theodizeefrage?

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Luther kennst du wohl; bezüglich seiner hast du recht. Sonst scheinst du weniger Ahnung zu haben. Tertullian war erstens kein Kirchenvater
Aber selbstverständlich. Er war sogar der erste der auf Latein schrieb.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Raphael hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Wir können das Problem der Theodizee nicht lösen, ........
Nur ganz kurz zum Problem der Theodizee ..............

Das Christentum kennt in der Person Jesus Christus den mitleidenden Gott!

Ja, es kennt sogar den Gott, der einen ausgesprochen schändlichen Tod erleidet, wobei der Tod letztlich als das Größte aller Übel in dieser Welt angesehen wird.
Ist das keine Antwort auf die Theodizeefrage?
Nein, leider nicht.

Kurz gesagt, die Theodizeefrage ist weshalb ein allmächtiger allgütiger und allwissender Gott das Böse zuläßt. Diese Frage ist für uns Menschen nicht beantwortbar.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Lutheraner hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben: Wir können das Problem der Theodizee nicht lösen, ........
Nur ganz kurz zum Problem der Theodizee ..............

Das Christentum kennt in der Person Jesus Christus den mitleidenden Gott!

Ja, es kennt sogar den Gott, der einen ausgesprochen schändlichen Tod erleidet, wobei der Tod letztlich als das Größte aller Übel in dieser Welt angesehen wird.
Ist das keine Antwort auf die Theodizeefrage?
Nein, leider nicht.
Daß Dir an dieser Stelle eine christliche Antwort nicht ausreicht, betrübt.
Lutheraner hat geschrieben:Kurz gesagt, die Theodizeefrage ist weshalb ein allmächtiger allgütiger und allwissender Gott das Böse zuläßt.
Um was es bei der Theodizeefrage geht, ist mir wohlbekannt.
Lutheraner hat geschrieben:Diese Frage ist für uns Menschen nicht beantwortbar.
Wieso ist diese nicht beantwortbar?

Bisher kenne ich diese Behauptung nur aus atheistischen Kreisen. Wie kommst Du als Lutheraner auf die selbe Aussage?

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Die Theodizeefrage ist nicht beantwortbar und muß von einem Christen als arogante Hirnwixerei zurückgewiesen werden. Bzw. kann nur mit dem Gottvertrauen berantwortet werden.
Christen die sich die Theodizeefrage stellen empfehle ich als "unbefriedigende" Antwort das Buch Hiob.
Da antwortete der Herr dem Ijob aus dem Wettersturm und sprach:
Die Weltschöpfung
"Wer ist es, der planvolles Walten mit Reden voll Unverstand verdunkelt?
Auf! Gürte wie ein Held deine Lenden! Fragen will ich dich, du sollst mich lehren! ......

Da entgegnete Ijob dem Herrn:
"Nun erkenne ich: Du vermagst alles! Kein Ratschluß ist dir verwehrt! Wer ist es, der durch Unverstand planvolles Walten verdunkelt? - Ohne Verständnis habe ich so geredet; zu wunderbar war es, als daß ich es begriff! -: Höre doch zu! Ich will reden: Dich will ich fragen! Belehre mich du! Vom Hörensagen hatte von dir ich vernommen, nun aber hat dich mein Auge erschaut. Darum leiste ich Widerruf und bereue in Staub und Asche!"
Wir können mit dem Herrn rechten, wir werden Teilweise Antworten erhalten, dennoch die Grundsätzliche FRage können wir nur mit einem "Der Chef wird schon wissen was er tut" beantworten.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Raphael

Beitrag von Raphael »

Lutheraner hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Luther kennst du wohl; bezüglich seiner hast du recht. Sonst scheinst du weniger Ahnung zu haben. Tertullian war erstens kein Kirchenvater
Aber selbstverständlich. Er war sogar der erste der auf Latein schrieb.
Auf die Schnelle folgt 'ne Quelle: Kirchenväter

Darin heißt es "Gelegentlich werden auch noch hinzugezählt: Tertullian et al."

Aus meiner Sicht wäre es sehr verwunderlich, wenn jemand, der sich im späteren Leben unstreitig dem Montanismus zugewandt hat, von der Kirche als Kirchenvater anerkannt werden würde. Dabei bleiben seine Verdienste um die frühe Kirche ungeschmälert erhalten.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Raphael hat geschrieben: Daß Dir an dieser Stelle eine christliche Antwort nicht ausreicht, betrübt.
Das ist vielleicht eine christliche Antwort auf die Theodizee, aber keine im Sinne der Vernunft.

Stellen wir uns vor du bist ein guter und kräftiger Mensch, der sieht wie ein dir eindeutig körperlich unterlegener und unbewaffneter Mensch ein Mädchen vergewaltigt. Was machst du?

Raphael

Beitrag von Raphael »

Lutheraner hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Daß Dir an dieser Stelle eine christliche Antwort nicht ausreicht, betrübt.
Das ist vielleicht eine christliche Antwort auf die Theodizee, aber keine im Sinne der Vernunft.
Schon da liegt "der Hase im Pfeffer"! :roll:
Du konstruierst Dir zunächst einen Gegensatz ([Punkt]) von Vernunft und Glauben und landest prompt im Dilemma des Erklärungsnotstandes.

Im christlichen Glauben widersprechen sich Glauben und Vernunft nun aber nicht. Dies auch öffentlich in vielen Details darzulegen (um nicht das Wort "predigen" zu benutzen), wird bspw. der Papst bei jeder sich bietenden Gelegenheit nicht müde.
Lutheraner hat geschrieben:Stellen wir uns vor du bist ein guter und kräftiger Mensch, der sieht wie ein dir eindeutig körperlich unterlegener und unbewaffneter Mensch ein Mädchen vergewaltigt. Was machst du?
Nothilfe leisten, was denn sonst?

anselm
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Beitrag von anselm »

Raphael hat geschrieben:....
Du konstruierst Dir zunächst einen Gegensatz ([Punkt]) von Vernunft und Glauben und landest prompt im Dilemma des Erklärungsnotstandes....
Das Theodizee-Problem ist aber ein ECHTES Problem und kein konstruiertes. Du hast vermutlich nur einen Lebenskompromiss für dich gefunden, um dieses Problem zu unterdrücken.

Viele Grüße
Anselm

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Raphael hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Daß Dir an dieser Stelle eine christliche Antwort nicht ausreicht, betrübt.
Das ist vielleicht eine christliche Antwort auf die Theodizee, aber keine im Sinne der Vernunft.
Schon da liegt "der Hase im Pfeffer"! :roll:
Du konstruierst Dir zunächst einen Gegensatz ([Punkt]) von Vernunft und Glauben und landest prompt im Dilemma des Erklärungsnotstandes.
Nein. Du definierst Vernunft einfach so um, dass es für dich zum christlichen Glauben paßt. Wenn Herr Ratzinger das genauso macht, dann braucht man darüber natürlich nicht weiter zu diskutieren.
Dann könnte natürlich auch ein Moslem seine Religion mit der Vernunft begründen.
Raphael hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Stellen wir uns vor du bist ein guter und kräftiger Mensch, der sieht wie ein dir eindeutig körperlich unterlegener und unbewaffneter Mensch ein Mädchen vergewaltigt. Was machst du?
Nothilfe leisten, was denn sonst?
Verstehst du den Zusammenhang zur Theodizee?

Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, weshalb greift er nicht ein, wenn nach unserem Verständnis etwas schlimmes geschieht?
Dies Frage kann unsere Vernunft nicht beantworten. Wir können nur zu Weisheiten wie "Gottes Wege sind unergründlich" greifen - und akzeptieren damit, dass wir mit unserer Vernunft hierauf keine Antwort geben können.

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Linus
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Beitrag von Linus »

anselm hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:....
Du konstruierst Dir zunächst einen Gegensatz ([Punkt]) von Vernunft und Glauben und landest prompt im Dilemma des Erklärungsnotstandes....
Das Theodizee-Problem ist aber ein ECHTES Problem und kein konstruiertes. Du hast vermutlich nur einen Lebenskompromiss für dich gefunden, um dieses Problem zu unterdrücken.

Viele Grüße
Anselm
Das bestreitet ja auch niemand. Bloß den Gegensatz von Glaube und Vernunft.... (ist fast so als wollte man zwischen "Mohr" und "Neger" einen Gegensatz feststellen)
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Raphael

Beitrag von Raphael »

Lutheraner hat geschrieben:Verstehst du den Zusammenhang zur Theodizee?
Verstehst Du nicht, wa ich Dir die ganze Zeit schreibe?
Lutheraner hat geschrieben:Wenn Gott allmächtig, allwissend und allgütig ist, weshalb greift er nicht ein, wenn nach unserem Verständnis etwas schlimmes geschieht?
ER hat längst eingegriffen, in dem ER als Mensch Jesus Christus Fleisch angenommen hat .......

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