Glaube und Vernunft

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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overkott
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Glaube und Vernunft

Beitrag von overkott »

Zu Beginn dieser Fastenzeit hat der Papst sein Rundschreiben über Gott als die Liebe bekräftigt. Mit diesem Rundschreiben sucht er den Dialog zwischen Glauben und Vernunft. Greifen wir diese grundsätzliche Frage auf und fragen:

Ist es vernünftig zu glauben, dass das Leben seinen Ursprung in der väterlichen und mütterlichen Liebe hat?

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Liebe die schöpferische Kraft dieser Welt ist?

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Liebe eine personale Kraft ist?

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Welt eine Seele hat?

Ist es vernünftig zu glauben, dass der Mensch einen Vater hat?

Ist es vernünftig zu glauben, dass der Mensch Gottes Kind ist?

Ist es vernünftig zu glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist?

Ist es vernünftig zu glauben, dass Gottes Sohn Mensch geworden ist?

Ist es vernünftig zu glauben, dass Krippe und Kreuz Zeichen menschlichen Elends sind?

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Liebe menschliches Elend überwinden kann?

Ist es vernünftig, dass (sich) der Mensch zwischen echter Liebe und verdrehter Liebe unterscheiden und entscheiden muss?

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overkott
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Beitrag von overkott »

Nach jesuitischem Glauben, wie wir soeben wieder auf Besinnungstagen gelernt haben, feiert der Mensch in der Eucharistie seine Menschenwürde.

Für einen Durchschnittschristen ist das ein reichlich hohes Abstraktionsniveau.

Tatsächlich leitet sich die Menschenwürde von der Gottebenbildlichkeit ab, die dem Gedanken der Gotteskindschaft entspricht. In der Eucharistiefeier vergegenwärtigen wir uns, dass Jesus Christus als exemplarischer Mensch den Tod zu einem neuen Leben hin durchschritten hat. Die Eucharistiefeier ist damit eine Feier des Lebens, der Wiedergeburt und einer neuen Schöpfung. Sie wird damit symbolisch folgerichtig am ersten Tag einer neuen Woche gefeiert. Sie setzt damit auf einer kulturellen Erfahrung auf, dass der Tag mit dem Sonnenaufgang beginnt und mit dem Abend endet. Sie feiert die Auferstehung des exemplarischen Menschen Jesus Christus als das erste Licht einer neuen Zeit.

Sebastijonas
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Beitrag von Sebastijonas »

overkott hat geschrieben:In der Eucharistiefeier vergegenwärtigen wir uns, dass Jesus Christus als exemplarischer Mensch den Tod zu einem neuen Leben hin durchschritten hat. [...] Sie feiert die Auferstehung des exemplarischen Menschen Jesus Christus als das erste Licht einer neuen Zeit.
Ich lese immer nur "exemplarischer Mensch". Was heißt denn in diesem Zusammenhang "exemplarisch"? Und was ist mit Jesus Christus, "meinem Herrn und meinem Gott" passiert?
Verða kann at mærin minniz
mín, þá er ligg ek kvaldr í pínu,
berr mik þar til ván, á vǫrrum
víst ef léki á Dóminús técum.

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Nach jesuitischem Glauben, wie wir soeben wieder auf Besinnungstagen gelernt haben, feiert der Mensch in der Eucharistie seine Menschenwürde.
Das scheint mir ein Mißverständnis aufgrund einer jesuitischen Auslegung der Eucharistiefeier zu sein! :hmm:

In der Eucharistiefeier wird das Kreuzesopfer Jesu ([Punkt]) unblutig vergegenwärtigt. Dabei bringe ich als Gläubiger Gott meinen Dank dar und dieser gilt insbesondere der zweiten Person Gottes, nämlich Jesus Christus.

Meine Menschenwürde bleibt davon zunächst einmal unberührt, weil sie sich nicht direkt aus dem Kreuzesopfer Jesu ableitet, sondern aus der Geschöpflichkeit des Menschen allgemein. Diese Geschöpflichkeit ist beim Menschen als ein Ebenbild Gottes ausgeprägt und deshalb kommt dem Menschen Menschenwürde zu.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Sebastijonas hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:In der Eucharistiefeier vergegenwärtigen wir uns, dass Jesus Christus als exemplarischer Mensch den Tod zu einem neuen Leben hin durchschritten hat. [...] Sie feiert die Auferstehung des exemplarischen Menschen Jesus Christus als das erste Licht einer neuen Zeit.
Ich lese immer nur "exemplarischer Mensch". Was heißt denn in diesem Zusammenhang "exemplarisch"? Und was ist mit Jesus Christus, "meinem Herrn und meinem Gott" passiert?
"Exemplarischer Mensch" ist ein Neologismus für "Erstgeborener der Schöpfung".

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Nach jesuitischem Glauben, wie wir soeben wieder auf Besinnungstagen gelernt haben, feiert der Mensch in der Eucharistie seine Menschenwürde.
Das scheint mir ein Mißverständnis aufgrund einer jesuitischen Auslegung der Eucharistiefeier zu sein! :hmm:

In der Eucharistiefeier wird das Kreuzesopfer Jesu ([Punkt]) unblutig vergegenwärtigt. Dabei bringe ich als Gläubiger Gott meinen Dank dar und dieser gilt insbesondere der zweiten Person Gottes, nämlich Jesus Christus.

Meine Menschenwürde bleibt davon zunächst einmal unberührt, weil sie sich nicht direkt aus dem Kreuzesopfer Jesu ableitet, sondern aus der Geschöpflichkeit des Menschen allgemein. Diese Geschöpflichkeit ist beim Menschen als ein Ebenbild Gottes ausgeprägt und deshalb kommt dem Menschen Menschenwürde zu.
In der Eucharistie feiern wir das anthropozentrische Weltbild des Christentums: Gott in seiner menschlichen Person. Gleichzeitig feiern wir die Apotheose des Menschen durch die Teilhabe an Tod und Auferstehung des exemplarischen Menschen. Die Auferstehung erfolgt nach christlicher Hoffnung in einem neuen Leib und einer neuen Schöpfung.

anselm
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Re: Glaube und Vernunft

Beitrag von anselm »

Das sind ja interessante Fragen. Hier sind meine persönlichen Antworten (bzw. Gegenfragen):

Ist es vernünftig zu glauben, dass das Leben seinen Ursprung in der väterlichen und mütterlichen Liebe hat?

-- Definitiv ja, sofern das menschliche Leben gemeint ist und Liebe relativ allgemein aufgefasst wird


Ist es vernünftig zu glauben, dass die Liebe die schöpferische Kraft dieser Welt ist?

-- "die" schöpferische Kraft? Auf jeden Fall "eine" schöpferische Kraft

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Liebe eine personale Kraft ist?

-- Ja, aber das ist schon fast trivial

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Welt eine Seele hat?

-- In dieser Allgemeinheit formuliert ist das ziemlicher Blödsinn


Ist es vernünftig zu glauben, dass der Mensch einen Vater hat?

-- Komische Frage


Ist es vernünftig zu glauben, dass der Mensch Gottes Kind ist?

-- Vielleicht

Ist es vernünftig zu glauben, dass Jesus Gottes Sohn ist?

-- Nein, eher nicht, es sei denn, so wie jeder Mensch vielleicht Gottes Sohn ist

Ist es vernünftig zu glauben, dass Gottes Sohn Mensch geworden ist?

-- Siehe Antwort zur vorherigen Frage

Ist es vernünftig zu glauben, dass Krippe und Kreuz Zeichen menschlichen Elends sind?

-- Das lässt sich sicherlich so auslegen

Ist es vernünftig zu glauben, dass die Liebe menschliches Elend überwinden kann?

-- Das kann man vernünftigerweise annehmen

Ist es vernünftig, dass (sich) der Mensch zwischen echter Liebe und verdrehter Liebe unterscheiden und entscheiden muss?

-- Verstehe die Frage nicht


Viele Grüße
Anselm

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:In der Eucharistie feiern wir das anthropozentrische Weltbild des Christentums: Gott in seiner menschlichen Person.
Dann ist die Eucharistiefeier jedoch christozentrisch ausgerichtet und nicht auf ein - noch näherhin zu definierendes - "anthropozentrisches Weltbild des Christentums".
Deine Aussage blendet mMn die göttliche Natur des Erlösers im Übermaße aus, um nicht direkt von Vernachlässigung zu sprechen.
overkott hat geschrieben:Gleichzeitig feiern wir die Apotheose des Menschen durch die Teilhabe an Tod und Auferstehung des exemplarischen Menschen. Die Auferstehung erfolgt nach christlicher Hoffnung in einem neuen Leib und einer neuen Schöpfung.
Was ist hier im letzten Satz mit Auferstehung gemeint?
Die Auferstehung, die innerhalb der Taufe symbolisch realisiert wird, oder die Auferstehung nach dem Tode zum ewigen Leben im verklärten Leib?

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:In der Eucharistie feiern wir das anthropozentrische Weltbild des Christentums: Gott in seiner menschlichen Person.
Dann ist die Eucharistiefeier jedoch christozentrisch ausgerichtet und nicht auf ein - noch näherhin zu definierendes - "anthropozentrisches Weltbild des Christentums".
Deine Aussage blendet mMn die göttliche Natur des Erlösers im Übermaße aus, um nicht direkt von Vernachlässigung zu sprechen.
Da muss man natürlich genau hinschauen.
Raphael hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Gleichzeitig feiern wir die Apotheose des Menschen durch die Teilhabe an Tod und Auferstehung des exemplarischen Menschen. Die Auferstehung erfolgt nach christlicher Hoffnung in einem neuen Leib und einer neuen Schöpfung.
Was ist hier im letzten Satz mit Auferstehung gemeint?
Die Auferstehung, die innerhalb der Taufe symbolisch realisiert wird, oder die Auferstehung nach dem Tode zum ewigen Leben im verklärten Leib?
Als katholischer Christ verstehe ich die Auferstehung in der Taufe natürlich realsymbolisch und bin gleichzeitig zuwenig Materialist, um beides voneinander scharf zu trennen.

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Als katholischer Christ verstehe ich die Auferstehung in der Taufe natürlich realsymbolisch und bin gleichzeitig zuwenig Materialist, um beides voneinander scharf zu trennen.
In der Tat beginnt für den Gläubigen das ewige Leben schon im Hier und Jetzt, was - um wieder den Bogen zur Eucharistiefeier zu spannen - zumindest jeden Sonntag ein Grund ist, diesen Beginn dankbar zu feiern.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Als katholischer Christ verstehe ich die Auferstehung in der Taufe natürlich realsymbolisch und bin gleichzeitig zuwenig Materialist, um beides voneinander scharf zu trennen.
In der Tat beginnt für den Gläubigen das ewige Leben schon im Hier und Jetzt, was - um wieder den Bogen zur Eucharistiefeier zu spannen - zumindest jeden Sonntag ein Grund ist, diesen Beginn dankbar zu feiern.
Völlig d’accord. Wichtig ist natürlich auch, sich um ein entsprechendes Leben zu bemühen und im Alltag Gottes Gebote nicht zu vernachlässigen oder zu vergessen. Insbesondere in der Fastenzeit sollten wir auf Schlechtes verzichten und den Blick nach vorne auf Ostern richten.

Flo84
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Registriert: Montag 2. April 2007, 11:46

Beitrag von Flo84 »

Ich denke dass der Glauben ohne Vernunft nicht funktioniert, und Vernunft ohne Glauben nicht!
Wenn wir an den einen Gott glauben, dann definieren wie "Glauben" nicht als Annahme, als Vorstellung ohne jeglichen Beweis, sondern als eine Erfahrung, nämlich dass wir "diesem" Gott im Gebet nahe treten und ein Geist in uns kommt, der Gott in unser Herz und unseren Verstand bringt, und dass wir mit Gott an unserer Seite, Lebenssituationen besser meistern, dass wir "nie alleine sind", wir setzen in unserem Leben ein Ausrufezeichen, ein Wort stellt den Mittelpunkt unseres Denkens dar: Wahrheit! Gott ist nun kein Gedanke aus Kindertagen, ein Wunsch nach Liebe und Geborgenheit, nein er ist die Erfüllung aller Wünsche, durch seine Liebe, gezeigt am Kreuze. Gott ist die Liebe, und Gott ist die Wahrheit, somit können wir voller Hoffnung sagen, dass die Liebe die Wahrheit ist. Jeder tiefe Instinkt des Menschen, jedes Bewusstsein, von Menschen die in sich hören, zeigt den Weg zu einer Gerechtigekit, die wir als "logisch", als "vernünftig" begreifen.
Doch meistens wird diese innere Vernunft durch die Außenwelt, von Ungerechtigekeit, Egoismus, Leid, welchen wir Tag für Tag begegnen, torpetiert, und so verlässt uns der menschliche Instinkt, was gut und böse ist, und wir verlieren das Gespür, das Richtige zu tun, oder den Mut uns dieses einzugestehen.
Der Glauben, folglich Gott, kann dies in uns erwecken, eine Macht erzeugen, die stärker ist, als jede säkulare Macht.

Wir sehen die Kirche, die Sakramente als Fakt an, nicht als Vorstellung, als Idee, als "einen" Weg der Wege, nein als "den" Weg! So wie wir "den" einen Gott anbeten, der eine Christus zu uns kam, der eine Geist in uns tritt, der eine Vater uns schuf.

Wir sehen uns, die Menschen, und unsere Welt, ein perfektes Zusammenspiel der Natur, des Weltalls. Alles was uns alltäglich begegnet, was für uns "normal" scheint, die Sonne, die Nacht, die Luft zum Atmen, das Wasser zum trinken, der Geist zum Denken, alles regelt unser Leben - ein Zufall ?
Wir sagen nein, wissen dass kein Zufall aller Zeiten, diese Welt aller Zeiten erschaffen haben kann, dass der Mensch kein Zufall einer Evolution sein kann, wenn wir auch darüber streiten dürfen, ob er durch die biblische Schöpfungsgeschichte oder einer Evolutionären Entwicklung schöpferischer Aufgabe geschaffen wurde. Für uns ist die Quelle alles Lebens, alles Seins kein Zufall, kein Unfall, die Quelle ist Gott. Ein Gott, die eine Quelle - der eine Schöpfer, der einen universalen Welt.


Was ist also vernünftiger, als daran zu glauben dass wir durch einen Gott geschaffen wurden, diesen Gott - den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Und dass wir nach unserem kurzen, in Hinblick auf das Alter der Welt nicht sichtbare, Zeit, in eine bessere übertreten, wo uns alles dass erfüllt wird, was wir auf der Erde suchen, die vollste Liebe, ein Ort ohne Ängste und Sorgen, das Paradies.

Schon Aristoteles hat erkannt: "Das Größte und Schönste dem Zufall zuzuschreiben, wäre gar zu leichtfertig."

Wem ist schon die Leichtfertigkeit beliebt.

Wir Katholiken wissen, ganz in Aquinischer Tradition, und durch Johannes Paul II. in "Fides et ratio" niedergeschrieben, dass das Sein, die Existenz ohne die eine Macht nicht funktioneiren kann! Und unsere Sehnsucht nach Frieden und Liebe erfüllt sich nicht in Laboren und Friedenkonferenzen, sondern allein am Kreuze Jesu. Voller Hoffnung können wir also die Nachricht der Liebe und Barmherzigkeit Gottes weitergeben, und diese slebst mit unseren Mitmenschen leben, und werden recht schnell erkennen, dass jedes Gewissen des Menschen, von Vernunft und Logik untermauert, nach der Erlösung des Kreuzes sucht!

Ergo: So wie Gott für uns die Wahrheit und Liebe, wie die Schöpfung kein Zufall ist, so ist Glauben die vollendenste Vernunft!

:)

Denker
Beiträge: 6
Registriert: Mittwoch 18. April 2007, 22:09

Beitrag von Denker »

In meinen Augen ergänzt die Glaube die Vernunft.
Es gibt Dinge, die wir sicher wissen und alles andere stellen wir uns einfach vor.

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overkott
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Registriert: Donnerstag 8. Juni 2006, 11:25

Beitrag von overkott »

Der Glaube ist einerseits unser existentielles Paradigma, andererseits die Antwort auf die Aporie unserer Existenz.

Mit anderen Worten die theologisch-philosophische Grundannahme, wie sie sich bei Augustinus und Anselm findet.

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