Wie muss man das deuten?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Johannes XXIII.
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Wie muss man das deuten?

Beitrag von Johannes XXIII. »

Evangelium vom 20. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C, www.erzabtei-beuron.de/schott hat geschrieben:Evangelium Lk 12, 49-53

Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern Spaltung

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

49Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!

50Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist.

51Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung.

52Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei,

53der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.
Wie soll/ muss/ darf man das verstehen?
Ich finde des klingt ja ziemlich hart. :hmm: :hmm:
"Wenn die Menschen, gerade die Jugend, ungestüm nach dem Sinn des Lebens fragen: Gebt ihr eine überzeugende, verständliche Antwort." (P.P. Johannes Paulus II.)

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Zum einen sollte man diese Passage natürlich wörtlich nehmen. Zum anderen aber nicht als unbedingte Kampfansage an unsere Verwandten interpretieren.

Interessant ist, daß Christus von 5 Personen in einem Haus spricht, aber dann sechs aufzählt: Vater, Sohn, Mutter, Tochter, Schwiegermutter, Schwiegertochter. Man muß also annehmen, daß die Tochter und die Schwiegertochter eine Person sind.

Vater, Mutter und Schwiegermutter stehen also gegen Sohn und Tochter, drei gegen zwei und zwei gegen drei. Es geht also im übertragenen Sinne um "alt gegen neu". Der alte Mensch, der "Leib der Sünde" (cf. Röm. 6:6) hadert gegen den neuen Menschen.

Gedeutet wird das aber auch vielschichtiger; der Vater ist der Geist, der Sohn der Verstand. Ein vom Göttlichen erleuchteter Geist hat mit einem irdisch-heidnischen Verstand zu kämpfen. Der Geist glaubt, der Verstand streitet wider. Da ist der Konflikt.
Die Mutter und die Schwiegermutter seien der Gedanke, Tochter/Schwiegertochter das Gefühl. Das eine streitet wider das andere, ganz besonders in Fragen des Glaubens.

So ist diese Passage also auf den zweiten Blick, und ich würde sagen, schwerpunktlich, auf den inneren Kampf zu deuten. So jedenfalls der hl. Theophylakt von Bulgarien zu dieser Stelle, dessen Gedanken ich hier wiedergebe.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nietenolaf hat geschrieben:Man muß also annehmen, daß die Tochter und die Schwiegertochter eine Person sind.
Eher Mutter und Schwiegertochter. Ich sehe die Schwiegermutter als Oma. :)
Nietenolaf hat geschrieben:Vater, Mutter und Schwiegermutter stehen also gegen Sohn und Tochter, drei gegen zwei und zwei gegen drei.
Daß Vater und Mutter auf derselben Seite stehen, steht auch nicht da …

Was du von Theophylact referierst, entspricht im Prinzip – mit leichten Abwandlungen – der Auslegung, die schon Origenes in seinen Lucashomilien dieser Stelle gegeben hat.

Ich kann der Allegorese hier nichts abgewinnen. Sie ist gesucht und hat keinerlei Rückhalt im Text. Dagegen ist Porphyrs De antro nympharum textnah.

Ich halte mich darum an dieser Stelle lieber an den Litteralsinn (der hier Tropologie und Anagogie einschließt, da vom Herrn selber unmittelbar ausgesprochen). Ich habe mal eben bei Cyrill von Alexandrien nachgeschlagen und finde da genau solche litterale Auslegung, unter Hinweis übrigens auf Mt 10,37. Bei Cyrill keine Spur von der abgehobenen Exegese des Origenes.

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Nietenolaf hat geschrieben:Man muß also annehmen, daß die Tochter und die Schwiegertochter eine Person sind.
Eher Mutter und Schwiegertochter. Ich sehe die Schwiegermutter als Oma. :)
Roberts Lösung ist elegant, weil "Sohn" und "Tochter" dabei tatsächlich Sohn und Tochter von "Vater" und "Mutter" sind. Wenn "Tochter" gleich "Schwiegertochter" sein soll, wären "Sohn" und "Tochter" Kinder verschiedener Eltern und lebten verheiratet im Haushalt der Frau = "Tochter" und auch die Mutter des "Sohnes" (die "Schwiegermutter") wäre dort einquartiert. In der Konstellation wäre es eigentlich naheliegender, den "Sohn" als "Schwiegersohn" einzuführen und den klassischen Konflikt "Schwiegersohn gegen Schwiegermutter" zu benennen, der ja auffällig fehlt; außerdem, war im Orient nicht eher die Aufnahme der Frau in den Haushalt des Mannes üblich? Diese Lösung ist allerdings unmöglich, denn dann wäre zwar "Tochter" = "Schwiegertochter", aber auch "Mutter" = "Schwiegermutter", also nur vier Personen.

Eine noch nicht genannte Lösung, die ebenfalls die Frau in den Haushalt des Mannes aufnimmt, wäre, die "Mutter" mit der "Schwiegermutter" zu identifizieren und also von einem (mit der "Schwiegertochter") verheirateten "Sohn" und dessen unverheirateter und daher immer noch bei den Eltern lebender Schwester (= "Tochter") auszugehen. Das ließe als einzigen "Schwieger"konflikt den genannten und ebenso Olafs "Generationenkonflikt" zu.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Petra
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Beitrag von Petra »

Hallo Angelo,

das Feuer auf Erden bedeutet nicht nur das Feuer der Zerstörung des AusdemRudergelaufenen, Eingefahrenen, Gesetzeshörigen, sondern auch das Feuer, das die Wärme der Liebe symbolisiert und den Geist Gottes.
Die "Taufe" ist wahrscheinlich ein Vorgriff auf das Opfer Christi, also seine Erlösungstat.

Der Streit könnte der zwischen dem alten und dem neuen Menschen sein, oder zwischen den Anhängern der bisherigen Glaubensform einerseits und der von Jesus neu offenbarten andererseits.
Oder es kennzeichnet den Riss zwischen denjenigen, die vom verheißenen Messias auch politische Befreiung erwarteten und den anderen, die Christi viel größere Befreiung verstanden und Ihm nach seinem Tod treu blieben.

Besser kann ichs nicht erklären. :/

sofaklecks
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Oder so

Beitrag von sofaklecks »

Versprach Jesus nicht, den Heiligen Geist zu senden und kam der nicht in Gestalt von Feuerzungen?

Und wer von dem wirklich ergriffen ist, tut der nicht lauter Dinge, die seiner Umgebung als hirnrissig erscheinen? Schmeisst den lukrativen Job hin, verlässt wie Nikolaus von Flüe die Familie, hält seiner Umgebung die Tatsache vor, dass sie sich nur mit Unwesentlichkeiten beschäftigt? Geht ins Kloster, wallfahrtet nach Santiago, pfeift auf all das, was unsere Gesellschaft für wichtig hält?

Das Evangelium ist radikal. Nix liebes Jesulein. Die Bergpredigt ist radikal. Und seit damals streiten sich die Gläubigen, ob denn das wirklich so zu verstehen sei, ob denn wirklich Armut oder nicht die Armut im Geiste gemeint sei (Hier differieren m. W. sogar die Evangelien) und sie streiten sich erbittert. Sie vergessen dabei jede menschliche Rücksichtnahme.

Wenn du es nicht glaubst, lies einfach im Forum.

sofaklecks

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich halte mich darum an dieser Stelle lieber an den Litteralsinn...
:motz: Du Antiochener!! :D

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FranzSales
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Beitrag von FranzSales »

Ja, Jesus kann ganz schön radikal sein. Vielleicht können wir mit Feuer nichts mehr anfangen, weil wir nicht mehr brennen? So ertönte nach der Frage des Priester gestern ("Gefällt ihnen heute das Evangelium?") aus einer Hinterbank ein lautes und vernehmliches: Nein!

Was will Christus denn entzünden (er spricht übrigens nur vom "brennen" und nicht verbrennen ...)? Er will Menschen entzünden. Diese sollen für das Evangelium brennen. Die Entscheidung für Christus ist eine Sache von "Ja" und "Nein". So etwas kann und ist auch durch Familien gegangen. Das Wort Gottes ist ein scharfes und zweischneidiges Schwert.

Bei der Lesung ist mir spontan die Begebenheit von dem in Blaise Pascals Mantel gefundenen Zettel durch den Kopf gegangen.
Jahr der Gnade 1654
Montag, den 23. November, Tag des heiligen Klemens, Papst und Märtyrer, und anderer im Martyrologium. Vorabend des Tages des heiligen Chrysogonos, Märtyrer, und anderer. Seit ungefähr abends zehneinhalb bis ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht
Feuer
"Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs", nicht der Philosophen und Gelehrten. Gewissheit, Gewissheit, Empfinden: Freude, Friede.
Gott Jesu Christi
Deum meum et Deum vestrum. "Dein Gott wird mein Gott sein"- Ruth - Vergessen von der Welt und von allem, außer Gott. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, ist er zu finden.
Größe der menschlichen Seele
"Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich." Freude, Freude, Freude und Tränen der Freude. Ich habe mich von ihm getrennt. Dereliquerunt me fontem aquae vivae.
"Mein Gott, warum hast du mich verlassen." Möge ich nicht auf ewig von ihm geschieden sein.
"Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen."
Jesus Christus!
Jesus Christus!
Ich habe mich von ihm getrennt, ich habe ihn geflohen, mich losgesagt von ihm, ihn gekreuzigt. Möge ich nie von ihm geschieden sein. Nur auf den Wegen, die das Evangelium lehrt, kann man ihn bewahren.
Vollkommene und liebevolle Entsagung. Vollkommene und liebevolle Unterwerfung unter Jesus Christus und meinen geistlichen Führer. Ewige Freude für einen Tag geistiger Übung auf Erden. Non obliviscar sermones tuos. Amen.
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Es war jedenfalls bei uns im Gottesdienst heute witzig, denn als der Pfarrer das Evangelium vorlas, saßen seine Schwiegermutter und seine Eltern vorne und machten große Augen. Er mußte schon ein wenig schmunzeln. :D

Cheers,

John

Petra
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Beitrag von Petra »

John, hat euer Pfarrer auch über diese Bibelstelle gepredigt?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

(Altkatholisch …)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Petra
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Beitrag von Petra »

Och, selbst da wäre doch ein „Liebe Gemeinde, liebe Mamma, lieber Pappa, liebe Frau Schwiegermutti, lieber Herr Schwiegervati“ drin gewesen. :D

John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Hi Petra,
Petra hat geschrieben:John, hat euer Pfarrer auch über diese Bibelstelle gepredigt?
Zufälligerweise hat er heute ausnahmsweise nicht gepredigt, sondern wir hatten einen anglikanischen Praktikanten, der heute seinen letzten Sonntag bei uns hatte. Zu diesem Anlaß hat er also gepredigt.

(Die Alt-Katholiken in Deutschland verwenden die rk-Leseordnung und Lektionare mit nur minimalen Abweichungen, also hatten wir die gleichen Lesungen wie Ihr.)

Der Praktikant hat alle drei Lesungen aufgegriffen, darunter das Evangelium, und sie zusammen verknüpft. Leider war ich etwas abgelenkt, da ich mit meinem kleinen Sohn da war (und er wollte öfter was von mir), aber im großen und ganzen war der Sinn so, daß das Feuer nicht im zerstörerischen Sinn gemeint sei, sondern "anfeuern", "Dampf machen", und die Trennungen in der Familie, die dargestellt werden, waren eine Vorhersage von den Auseinandersetzungen, die die Ankunft des Christentums auslösen, Alt kontra Neu. Langfristig stellt er also eine zu heilende Situation dar, die der Glaube wieder heilen kann.

Er griff auch Jeremias auf, "wo sind die Propheten", also die Menschen, die weise Worte sprechen, Friedensstifter also.

Es gab eine Menge noch dazu, aber das sind sozusagen die Kernaussagen, die ich mitgenommen habe -- mit einem aktiven Dreieinhalbjährigen neben mir. ;) Ich befürchte jedoch, daß mir einiges entgangen ist...

Cheers,

John

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