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Meine Beiträge zum Thema dieses Threads stellen eine Entwicklung dar und jeder einzelne meiner Beiträg zu diesem Thema kann nur im Kontext dieser Entwicklung verstanden werden. Deshalb erscheint es mir wichtig auch zum Zwecke meiner eigenen Orientierung einen "roten Faden" zu markieren anhand dessen jeder meiner Beiträge zum Thema ggf. mit Hilfe des jeweils vorhergehenden Beitrages zu verstehen ist. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb erforderlich, weil nach jedem meiner Beiträge zum Thema hoffentlich User ihre Gedanken dazu ausdrücken und sich dadurch im Sinne einer gegenseitigen Inspiration Konversations-Exkursionen (Zwiegespräche) entwickeln, wodurch der "rote Faden" meiner Beiträge zum Thema, der die Entwicklung skizziert, rein visuell verloren gehen kann. Andererseits können sich aus solchen Zwiegesprächen wiederum Inspirationen zu weiteren Beiträgen zum Thema ergeben, welche dann an den "roten Faden" angefügt werden können.
Ich orientiere mich bei meinen Beiträgen hauptsächlich an The Ascent of Mount Carmel und The Dark Night, der englischen Übersetzung der entsprechenden Schriften des Johannes vom Kreuz von Kieran Kavanaugh, 0. C. D. und Otilio Rodriguez, O.C.D., und an der Summa Theologiae des Thomas von Aquin und an Faith According to Saint John of the Cross, der englischen Übersetzung der Doktorarbeit des Karol Wojtyla von Jordan Aumann, O.P.
Ich will den "roten Faden" meiner Beiträge zum Thema also skizzieren mittels einer Nummerierung von Beiträgen, welche mir als zur Entwicklung zugehörig erscheinen:
Beitrag #1
Beitrag #2
Beitrag #3
Beitrag #4
Beitrag #5
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Stefanro hat geschrieben: ↑Dienstag 4. April 2023, 13:49
Wie das?
"Wie das?" ist eine freie Übersetzung des englischen Wortlautes. Die englische Übersetzung des lateinischen Texts von Karol Wojtyla hat hier den Wortlaut "And now we ask why this is so." soll also offensichtlich auf das verweisen, was im Resumé-Text der Interpretation des
Johannes-Glaubens Typ a1 durch Karol Wojtyla folgt.
Es stellt sich damit aber die Frage, was mit "this" (oder "das" in "Wie das?") gemeint ist, weil die Frage sich ja anschließt an eine Erklärung. Warum dieser Glaube nur unvollkommen an Gottes Wesen heranreicht ist ja bereits mit der fehlenden intentionalen Wesensbestimmung, dem fehlenden substantiellen Verstehen, erklärt worden. Deshalb muss "this" (oder "das" in "Wie das?") sich beziehen auf die Aussage, dass der Glaube überhaupt ein Mittel/Medium der Verbindung/Einswerdung mit Gottes Wesen sein kann.
Man würde nun erwarten, dass die Frage im nächsten Punkt 10 beantwortet wird. Dort liest man:
Punkt 10:
Dieser Glaube ist ein Mittel/Medium der Verbindung der Vernunft ('intellect') in diesem Leben wie die selige Vision eines ist in der Herrlichkeit, weil er wesentliche Elemente enthält, die denen der seligen Vision ähnlich sind, nämlich das eingegossene göttliche Licht und das innig mit der Vernunft verbundene göttliche Objekt.
So weit so gut. Sofort erfolgt jedoch wiederum der Einwand, dass Johannes schreibt "Aus der Gegenwart des Objektes und dem Vernunftvermögen [der Seele], entsteht Wissen.", dass der Glaube aber eben kein Wissen ist, weil die aktiv wirkende Vernunft (summa theol., I, q79, a3-4) keine Wesensbestimmung durchführen kann. Und dieser Punkt berührt genau die Natur und Funktion der Vernunft und eröffnet die ganze Frage des Glaubens für Johannes, welcher für ihn eine Tugend, d.h. Habitus/Zustand, der Vernunft ist.
In diesem Leben wird die Vernunft dem Wesen der Gottheit gemäß durch die Tugend dieses Glaubens, aber genau weil es sich um eine Tugend der Vernunft handelt, wird die Angemessenheit des Glaubens beschränkt durch die natürliche Funktion der Vernunft. Deshalb hat der Glaube als angemessenes Mittel/Medium der Verbindung Charakteristika, die sich auf das Ziel beziehen (das Ziel: Wesen Gottes/d.h. die Gottheit), und Charakteristika, die sich auf den Ursprung (der Ursprung: die natürliche Vernunft) beziehen.
Punkt 11:
Was nun sagt Johannes bzgl. der Charakteristika, die sich auf den Ursprung beziehen?
a) Laut Johannes ist die Vernunft eines von drei höheren Seelenvermögen, jenes Teils der Seele also, welcher zu Gott hin orientiert ist und welcher mit der Gottheit kommunizieren kann, insofern er der göttlichen Natur und des göttlichen Lebens teilhaftig werden kann. Als ein spirituelles Vermögen ist die Vernunft demzufolge auf das Unendliche ausgerichtet wie Johannes in seinem poetischen Werk
The Living Flame of Love ausdrückt. Die spirituelle Seele findet also keine Befriedigung und keine Ruhe in weniger als der Unendlichkeit. Daraus resultiert das natürliche Begehren des göttlichen Objektes - das Begehren das göttliche Wesen auf eine intentionale Art und Weise (als 'substantielles Verstehen') zu besitzen.
b) Im Zustand der Verbindung von Seele und Körper ist die Funktion der Vernunft jedoch abhängig von der Tätigkeit der Sinne. Die Seele ist in den Körper als eine Leerheit (tabula rasa) eingegossen und erhält ihre Informationen erst durch das, was ihr durch die Sinne angeboten wird und wovon die aktiv wirkende Vernunft die Wesenheiten abstrahiert und so die Grundlage liefert für das substantielle Verstehen der passiven, empfangenden Vernunft (summa theol., I, q79, a2). Durch diesen kognitiven Prozess werden der Vernunft endliche, besondere und einzelne Wesenheiten zugänglich und sie erwirbt dadurch ihre natürliche kognitive Vollkommenheit und erlangt Erfüllung in substantiellem Verstehen, welches die Klarheit von Wissen ist.
Gleichzeitig ist die Vernunft als spirituelles Vermögen jedoch auf die Unendlichkeit ausgerichtet (s. a)) und so wird diese Ausrichtung und die Erfüllung des damit einhergehenden natürlichen Begehrens nach einer entsprechenden Erkenntnisform behindert durch den kognitiven Prozess auf den die Vernunft im Zustand der Verbindung von Körper und Seele beschränkt ist.
Es fällt auf:
Sowohl bei Johannes' Werk als auch beim Werk des Thomas von Aquin, aus dessen Perspektive Karol Wojtyla sich bemüht den Glauben in Johannes' Werk zu beurteilen, handelt es sich um rein spekulative Schriften wie das bei theologischen Schriften halt so üblich ist. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass derartige Spekulationen durchaus hilfreich sein können.
Interessanterweise wird der Begriff des "eingegossenen göttlichen Lichtes" (Punkt 10) eingeführt, um die Funktion der Verbindung/Einswerdung mit Gott zu begründen, ohne überhaupt nur ansatzweise zu versuchen, den kognitiven Prozess selbst (Punkt 11 b)) zu verwenden, um diese Verbindung/Einswerdung mit Gott, die ja als 'unio mystica' ausschließlich auf Erfahrungsinhalten beruht, zu erklären.
Nochmal: Alles kann nur Spekulation sein, selbst die Verbalisierung, der sprachlich interpretierende Ausdruck der Erfahrung also, ist Spekulation - nicht aber die (subjektive) begriffsleere Erfahrung als solche. Wenn aber alles sprachlich Interpretierende nur Spekulation ist, warum dann die Spekulation ausschließlich in eine Richtung anstellen (in Richtung des "eingegossenen göttlichen Lichtes" also), aber nicht in Richtung des kognitiven Prozesses selbst spekulieren?
Ich komme ggf. später - im Verlauf der weiteren Punkte des Karol Wojtyla - nochmal auf diesen Punkt zurück.