Wie viel "nackte Tatsachen" verträgt das Theater ?

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Pit
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Wie viel "nackte Tatsachen" verträgt das Theater ?

Beitrag von Pit »

Hallo "Kreuzgängler",

wenn ich an das deutsche Theater der 80er Jahre denke (Peter Zadek und Co.) fällt mir manchmal nur ein Stichwort spontan ein: Nacktheit.
Es war zeitweise so, als müsste in jeder Inszenierung mindestens ein(e) Schauspieler(in) sich mehr oder weniger lange nackt zeigen - auf der Bühne.
Nun, wenn es dramaturgisch zum Stück und der Aussage desselbigen passt, bin ich nicht so prüde, daß ich mich über einen kurzen Auftritt eines unbekleideten Darstellers aufregen würde.
Aber wo sind die Grenzen?
Nur um einige - wie ich finde - radikale Beispiele zu zeigen, wie es leider schon war:
- Bei der Berliner Volksbühne gab eine brasilianische Theatergruppe ein Gastspiel mit "Krieg im Sertao", wo - laut Kritik - nicht wenige Darsteller (Männer, Frauen, Jugendliche) teilweise oder auch regelmäßig nackt auf der Bühne agierten, tanzten, echten (!) Geschlechtsverkehr ausübten oder onarnierten.
Gegen Ende der Aufführung forderte die Gruppe die Zuschauer auf, auf die Bühne zu kommen und ... naja. Was wohl bei einer Aufführung dazu führte, daß ein älterer Zuschauer auf die Bühne kam, sich auszog und dort - mit zwei nackten Darstellern (zwei Jugendlichen der Gruppe) tanzte.
- Andere Extrembeipiele für "modernes" Theater waren die Inszenierungen von Franz-Xaver Kroezt, bei denen es schon mal vorkam, daß ein Darstellerpaar auf der Bühne echten Sex hatte, oder ein Darsteller sich nackt auf die Bühne hockte und - kein Witz, leider [Punkt]- auf die Bühne ka..te, also höflich gesagt: "seinen After entleerte".
Sorry, nichts gegen modernere Inszenierungen - aber so einen Schwachsinn muss ich nicht auf Bühnen sehen, die wir subventionieren, oder ?

Gruß, Pit
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Elisabethgzb
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Beitrag von Elisabethgzb »

Zadek in Bochum! Kann ich mich noch dran erinnern.War damals dort in der kath. Pflegevorschule und die Schulleitung war sehr empört über die Nacktheiten und den SEX auf offener Bühne. Bekamen wir beinahe tgl. wortreich vermittelt.

Das es solche Nacktheiten auf offener Bühne gibt, auch mit oder ohne Fäkalien, ist halt eben nur eine Provokation, eben weil diese bigotte Hysterie so mancher gesellschaftlichen Kreise einfach zu nervig ist.

Nun die jenigen die sich dann so auffällig öffentlich empören, sind dann entweder das Opfer ihrer verklemmten Erziehung, oder weil es sich gut macht für die katholische Karriere möglicst lautstark zu empören, dem kath. Klerus ggf. zur Hilfe zu eilen.

Schön anzuschauen ist so etwas nicht immer, zumal dann oft genug auch die Bühnendeko nicht sehr geschmackvoll ist.

Selber live im Theater erlebt hab ich solches noch net.
Doch im TV sah ich in der einen oder anderen Kultursendung bereits Ausschnitte aus solchen Theaterstücken. bedingt duch die Bühnendeko wirkten die Körper sehr scheusslich, was mich dann doch sehr störte, dann lieber einige Minuten richtige Pornos.



Gruss,
Elisabeth

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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Elisabeth,

dem stimme ich nur bedingt zu.
Zuersteinmal hat das Theater einen Auftrag gegenüber dem Publikum, zumindest, soweit es sich um durch Steuergelder subventioniertes Theater handelt.
Und wenn dort Inszenierungen aufgeführt werden, die selbst Freunde von mir - die alles andere als verbohrt-altmodisch sind - dazubringen, ihr Theater-Abo zu kündigen, dann sollten sich die "Kulturschaffenden" mal überlegen, was sie wirklich möchten.
Ok., das Beispiel Zadek war etwas schlecht, da bei seinen Stücken oft die Leute Kritik übten, die die Inszenierungen nie gesehen hatten. ;-)
Aber grundsätzlich - glaube ich - gibt es Grenzen.
Zum Beispiel habe ich mal ein Jugendstück gesehen, daß an einer Schule aufgeführt wurde (einstudiert von der Theater-AG).
Während des Stückes kam ein Darsteller (ein 16-jähriger) aus der "Dusche" und ging mehr oder weniger schnell zur anderen Bühnenseite (vom "Bad" in den "Flur"), da das Telefon bimmelte.
Kurzum:
Der Schüler kam im Adamskostüm aus der "Dusche", und legte sich ein Badetuch um. In der Szene wäre es aus meiner Sicht anormal gewesen, wenn er nicht (!) nackt gewesen wäre.
Ein anderes Beispiel:
Bei einer Pfadfinderveranstaltung spielten zwei "Rover" (damals etwa 16 Jahre alt) Sketsche von Loriot nach, u.a. "Zwei Herren im Bad". Am Ende des Sketsches standen die beiden (Seitenprofilansicht zum Publikum) in der Wanne auf und - man sah, daß sie beide splitternackt waren.
Reaktion: tosender Beifall und ebensolles Gelächter. :-) Es passte einfach.

Etwas anderes ist es, wenn heutzutage (!) - die Zeit des "provokativen" Theaters a la Zadek, Kroetz und Co. ist vorbei - ein Theaterintendant eines öffentlichen Hauses meint, womöglich nur, weil ihm inszenatorisch nichts weiter einfällt, "nackte Tatsachen" auf die Bühne bringen zu müssen. Wobei das Nackte ansich nicht einmal das Problem ist. Aber was hat es mit der Aussage des Stückes zu tun, wenn sich die Darsteller im "harmloseren" Fall einen "runterholen" und im weniger "harmlosen" Fall auf offener Bühne "ihren Darm entleeren", um ein anderes Wort nicht zu gebrauchen.
Bei aller Berechtigung für modernes und auch beizeiten und wo nötig provokantes Theater. Aber wenn - wie bei der Berliner Volksbühne - beim Gastspiel von "Krieg im Sertao" die Darsteller sogar die Zuschauer auffordern sich nackt auf die Bühne zu begeben, ich weiss nicht !

Gruß, Pit
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Elisabethgzb
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Beitrag von Elisabethgzb »

Hallo und Grüss Gott Pit!
Du hast mich net so gut verstanden!
Das das manche Zuschauer veranlasst, ihr Theaterabo zu kündigen, ist mir schon sehr verständlich.
Bei Zadek gabs seinerzeit Sex auf der Bühne.
Es gibt halt auch Leute die das Wort Geschelechtsverkehr nicht aussprechen.
Und man sollte sich immer die Leute anschauen die protestieren.
Deine Beispiele sind schon sehr gut gewählt.
Ob Nacktheiten grundsätzlich auf der Bühne zu sehen sein sollten, ist die andere Frage.
Verdeckt oder bedeckt ist oft genug erotischer als nackert.
Wenn sich darüber so mancher Nacktbaucher im klaren wäre, der einem tagtäglich begegnet......

Was die Günde für Nacktinzenierungen angeht, so ist das wohl eher auf die Biographie zurückzuführen und die jeweilige vielleicht verklemmte Erziehung.

Wie kommstz du auf das Thema?
Bei den alltäglichen Nacktheiten, den Nacktbauern als Verkäuferin in fast jedem Laden, ist man eh etwas abgehärtet.

Und alszu prüde bin ich eigentlich net , jedoch fiele mir nicht ein als Nacktbaucher ausser Haus zu gehen.
Den Werbetrailer für ne Wahlsendung mit Maybrit Illner im vergangenen Jahr fand ich schon erstaunlich.

Seriösität sollte schon noch bedacht, gelebt werden.

Und wie gesagt so schnell bringt mich nix aus der Fassung!

Allerdings live auf ner Theaterbühne seine Verdauungsvorgang zu verrichten, ist schon sehr merkwürdig.
Was mich daran jedoch in erster Linie daran interessieren würde, wieso warum es zu einer solchen Inzenierung eines Theaterstückes gab.

Bei Zadek kommt halt diese Erinnerung an diese Schul und Internatsleitung hoch, und deren etwas altjüferlichen Anmerkungen.
Was man jedoch ohne irgendwelche mimischen oder sonstigen Reaktionen zur Kenntnis nahm.

Deswegen bin ich gewiss kein Sympathisant von solchen Nacktheiten-Theaterinszenierungen.

Man will natürlich mit bestimmten katholischen Kreisen in einen Topf geworfen werden.



Gruss,
Elisabeth

Petra
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Beitrag von Petra »

Theater, speziell das moderne und auf Bühnen, die sich nicht über die Besucher finanzieren, hat m.E. was Elfenbeinturmhaftes. Nicht mal wichtig für Leute, die Feuilletons lesen, sondern hauptsächlich für diejenigen, die Feuilletons schreiben oder darin namentlich erwähnt werden. – Reine Nacktheit ist heute auch nicht mehr aufsehenserregend genug, da müssen schon natürlichere Tatsachen herhalten. Aber aus oben genannten Gründen ist es eher eine Privatsache dieser kleinen Theaterfangrüppchen.
Zuletzt geändert von Petra am Freitag 10. Februar 2006, 19:59, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ein Christ geht weder ins Theater noch zum Pferderennen.
Was die Heiden da treiben, das ist doch nicht meine Sache.
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Robert,

nun, wenn Paulus der Meinung war ,daß ein Christ besser nicht ins Theater gehe solle, dann deshalb, weil dort Aufführungen zu Ehren der griechischen oder römischen Götter statt fanden. Das ist heutzutage nicht (!) mehr der Fall, oder ?
Nebenbei gehe ich dann davon aus, daß Du aus dem selben Grund auch nicht ins Kino gehst, und selbstrdend weder über Fernsehen noch Video oder DVD verfügst! ;-)

Gruß, Pit
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ein Christ geht weder ins Theater noch zum Pferderennen.
Was die Heiden da treiben, das ist doch nicht meine Sache.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Also, das letzte Mal waren wir 2004 im Kino, die »Passion«, am ersten
Tag. Davor Januar oder Februar 2002, »Soweit die Füße tragen«. Vor
dem ersten Kind (April 2000) etwas häufiger … ;)
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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Robert,

nicht schlecht, sind nämlich beides sehr gute Filme - Du hast Geschmack.
Aber um mal zum eigentlichen Thema - Theater (bzw.Medien) und Nacktheit zurückzukommen.
Wie weit kann,soll, darf es gehen?
Wie ich schon vorher beschrieben habe, bin ich keineswegs gegen die Nacktheit im Theater oder im Film, solange es passend ist.
Aber wenn sich manche Leute aufregen, weil z.B. Robert Stadlober in "Engel und Joe" in einer Szene kurz nackt zu sehen war, aber gleichzeitig nackte Frauen in der Werbung scheinbar normal sind, dann ist das Doppelmoral, oder ?
(Wobei in der Filmszene kaum etwas zu sehen war)

Gruß, Pit
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