Robert Ketelhohn hat geschrieben:Da ist zwar was dran, Stephen Dedalus, an der Siegerpropaganda,
aber Martins Einwand ist doch berechtigt. Die „preußische“ Geschich-
te ist eine einzige Geschichte kriegerischer Aggression, ausgenommen
die Zeit Friedrich Wilhelms IV. Aber gerade gegen den standen ja
die „Liberalen“ auf.
Ich würde knallhart dagegen argumentieren. Natürlich ist es richtig, daß ein gut Teil des preußischen Staatswesens auf das Militär ausgerichtet war, das Militär sozusagen die "Leitkultur" des preußischen Staates bestimmte. Allerdings wäre hier auch wieder zu differenzieren und zu bewerten, inwieweit sich dies wirklich so sehr von der Kultur anderer europäischer Mächte des 18. und 19. Jahrhunderts unterschied.
Man kann historisch genauso nachweisen, daß die Misere der deutschen Politik hauptsächlich in dem Augenblick begann, als unter Wilhelm die Prinzipien der preußischen und bismarckschen Politik verlassen wurden. Nicht die "preußischen Tugenden" waren das Problem, sondern deren Pervertierung oder Ignorieren im späten Kaiserreich.
Die Siegerpropaganda hat sinnlos einfach Einzelaspekte angeblicher preußischer Identität wie den Militarismus oder eine "Kultur des Gehorsams" herausgegriffen und damit die absurde direkte Linie von Friedrich dem Großen über Bismarck zu Hitler untermauert.
Natürlich gab es problematische Aspekte der preußischen Geschichte, dies will ich gewiß nicht leugnen, aber Preußen für die beiden Weltkriege verantwortlich zu machen (oder gar für Hitler), ist grober historischer Unfug.
Genau genommen hatte Wilhelm I. recht, als er am Tag der Kaiserproklamation in Versailles 1871 meinte, damit sei die preußische Geschichte beendet.
Gruß
SD