Toleranz

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Stefan

Beitrag von Stefan »

anselm hat geschrieben:@Stefan
Bei Abweichungen von ethischen Normen sollte diese Toleranzgrenze, je nach Bedeutung der Norm, relativ eng sein.

Aber bei Abweichungen im Bereich religiöser / weltanschaulicher Überzeugungen ist die nicht mögliche Einigung auf eine Sollnorm ja gerade der springende Punkt. Hier wäre also eine sehr weitgehende Toleranz angebracht.
Aber kann man denn das eine vom anderen überhaupt trennen?

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

anselm hat geschrieben:@Stefan
Bei Abweichungen von ethischen Normen sollte diese Toleranzgrenze, je nach Bedeutung der Norm, relativ eng sein.

Aber bei Abweichungen im Bereich religiöser / weltanschaulicher Überzeugungen ist die nicht mögliche Einigung auf eine Sollnorm ja gerade der springende Punkt. Hier wäre also eine sehr weitgehende Toleranz angebracht.

Ja, das würde mich auch interessieren, weshalb du da unterscheidest.


Geronimo

anselm
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Beitrag von anselm »

@geronimo, @stefan,

natürlich ist eine Trennung sinnvoll, denn es gibt z.B. stark unterschiedliche religiöse Überzeugungen, die praktisch gesehen auf sehr ähnliche Normen hinauslaufen (wie z.B. die Ablehnung von Mord, Gewaltanwendung,...).

Bei der Festlegung der Toleranzgrenzen in Bezug auf ethische Normen geht es vor allem um eine gesellschaftliche Bestimmung, also vorwiegend rechtliche Festlegungen. Die Praxis scheint mir in vielen Fällen zu zeigen, dass die religiösen Überzeugungen bei der Festlegung konkreter Gesetze keine besonders große Rolle spielt.

Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben: Toleranz heißt für mich, sagen was mir falsch erscheint, aber nicht böse werden, wenn es der andere nicht annehmen kann.
Hm, gefällt mir schon besser.

Aber das hieße ja dann, ... zB.....

daß ich nicht intolerant bin, wenn ich sage daß Homosexualität eine Sünde ist, solange ich nicht böse bin, daß es ein Homosexueller nicht annehmen kann ?

Biggi
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Beitrag von Biggi »

anselm hat geschrieben:Die Praxis scheint mir in vielen Fällen zu zeigen, dass die religiösen Überzeugungen bei der Festlegung konkreter Gesetze keine besonders große Rolle spielt.
Stimmt sicherlich bei fast allen Bereichen des bürgerlichen Rechts und den meisten des Strafrechts. Beim Verkehrsrecht beispielsweise dürfte die Weltanschauung kaum eine Rolle spielen... Allerdings ist das gerade bei den Themen, die gesellschaftlich und juristisch bei uns derzeit stark diskutiert werden - der Schutz des Lebens am Anfang und am Ende (Embryonenschutz, Abtreibung, Euthanasie) - sicherlich anders. Und da erhebt sich ja tatsächlich die Frage, wieviel Toleranz (im Sinne von Abweichung von der Norm, aber welcher Norm?) zulässig ist.

LG
Biggi

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Erich
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Beitrag von Erich »

Die Toleranz ist eine inzwischen ziemlich veraltete Ersatzreligion aus der Zeit der europäischen Aufklärung (ab ca. 18. Jh.). Sie hat heute ein neues Design erhalten und heißt Pluralismus und Relativität. Ihr Problem: drei plus vier macht sieben.

Wer nun behauptet, daß dies nicht stimmt und es in Wahrheit heißt: drei plus vier macht elf, der kann für seine Ansicht die Toleranz beanspruchen, den Pluralismus der Meinungen und die Relativität der Wahrheit. Falsch ist es trotzdem. Und in diesem Punkt bin ich sehr intolerant, denn was nützt mir die Toleranz, wenn sie falsche Ansichten beschützt? Die oben genannte tolerante Mathematik ist falsch und bleibt falsch und das ist für mich nicht diskutabel. Wenn es diskutabel wäre, gäbe es kein Wissen und keine Wissenschaft mehr und es wäre nicht mehr weit bis zur neuen Steinzeit des Menschen.

Die fortschrittlichen Linken haben da einen schönen Spruch: "Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein". Sie sind nämlich selbst überhaupt nicht tolerant: es gibt nur eine Wahrheit in der Welt: ihre Politik. Gleichzeitig aber behaupten sie, die Hüter und Ritter der Toleranz zu sein. Ich gestehe, daß ich das nicht recht verstehe.

Ergo pfeife ich auf Toleranz - ich bin entschieden intolerant! Denn ich bin neugierig und will wissen, was wirklich ist. Der Schutz von Irrtum und Unfug hält mich nur unnütz auf und bringt mir nichts.

(Quelle unbekannt)
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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Edith hat geschrieben:
Julia Wolf hat geschrieben: Toleranz heißt für mich, sagen was mir falsch erscheint, aber nicht böse werden, wenn es der andere nicht annehmen kann.
Hm, gefällt mir schon besser.

Aber das hieße ja dann, ... zB.....

daß ich nicht intolerant bin, wenn ich sage daß Homosexualität eine Sünde ist, solange ich nicht böse bin, daß es ein Homosexueller nicht annehmen kann ?

Hab irgendwie heute erst Deinen Beitrag gelesen. Genauso sehe ich es, ein klares Beispiel, das verdeutlicht, wie ich es meine (auch wenn ich selbst persönlich nicht weiß, ob Homosexualität Sünde ist - was nichts mit Toleranz sondern mit Nichtwissen zu tun hat -, aber als Beispiel finde ich es sehr gut). Danke Edith.
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
T. Boesche-Zacharow

anselm
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Beitrag von anselm »

Erich hat geschrieben:Die Toleranz ist eine inzwischen ziemlich veraltete Ersatzreligion aus der Zeit der europäischen Aufklärung (ab ca. 18. Jh.). Sie hat heute ein neues Design erhalten und heißt Pluralismus und Relativität. Ihr Problem: drei plus vier macht sieben.....
@Erich,
Relativität hängt vom Standpunkt ab:
als Beteiligter einer Auseinandersetzung ob z.B. Christentum oder Islam die richtige Religion sei, haben weder der beteiligte Christ noch der Muslim eine indifferente Position. Sonst hätten sie ja ihren Glauben aufgegeben.

Aber die Regierung eines Staates, in dem sowohl Christen als auch Muslime leben, wird gut daran tun, eine neutrale Position einzunehmen und beide Religionen gesellschaftlich zuzulassen. Sonst könnte es unter Umständen zu einem Bürgerkrieg kommen. In diesem Sinne können sowohl dieser Staat als auch du, Erich, eine tolerante (also die anderen duldende) Position einnehmen, ohne die eigene Überzeugung aufzugeben.

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Erich
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Beitrag von Erich »

. In diesem Sinne können sowohl dieser Staat als auch du, Erich, eine tolerante (also die anderen duldende) Position einnehmen, ohne die eigene Überzeugung aufzugeben.

ob Du es glaubst oder nicht: Ich toleriere CDU, SPD, FDP, Grüne etc. - auch wenn sie mich nicht zum Bundespräsidenten wählen.

Neee, wat bin ich doch ein toleranter Gutmensch!! Lob und Ehre auf mein Haupt! :ja: :mrgreen: :P

Gruß
Erich
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Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben: Hab irgendwie heute erst Deinen Beitrag gelesen. Genauso sehe ich es, ein klares Beispiel, das verdeutlicht, wie ich es meine (auch wenn ich selbst persönlich nicht weiß, ob Homosexualität Sünde ist - was nichts mit Toleranz sondern mit Nichtwissen zu tun hat -, aber als Beispiel finde ich es sehr gut). Danke Edith.
Ob man weiß, daß das was man sagt richtig ist, spielt bei der Toleranz ja zunächst keine Rolle. Denn der andere (der tolerant ist) sieht das ja vermutlich ohnehin anders als ich. Selbst wenn ich Recht hätte.
Sähe der andere es auch so, bräuchte er ja nicht tolerant sein.

Irgendwie ist das ein schwieriges Thema :kratz: *verwirrt*.....

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Linus
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Beitrag von Linus »

Erich hat geschrieben:Die Toleranz ist eine inzwischen ziemlich veraltete Ersatzreligion aus der Zeit der europäischen Aufklärung (ab ca. 18. Jh.). Sie hat heute ein neues Design erhalten und heißt Pluralismus und Relativität. Ihr Problem: drei plus vier macht sieben.
halt: 3 (Uhr nachmittags) plus 4 Stunden =19 Uhr :D
__
sonst völlige zustimmung!

alles ist relativ: des einen fußboden ist des anderen Decke :D
gesteh uns doch auch andere meinungen zu! :D
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

anselm
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Beitrag von anselm »

Erich hat geschrieben:. ob Du es glaubst oder nicht: Ich toleriere CDU, SPD, FDP, Grüne etc. - auch wenn sie mich nicht zum Bundespräsidenten wählen.
Neee, wat bin ich doch ein toleranter Gutmensch!! Lob und Ehre auf mein Haupt! :ja: :mrgreen: :P
Gruß
Erich
Das ist wirklich sehr anerkennenswert!
:P

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Erich
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Beitrag von Erich »

gesteh uns doch auch andere meinungen zu!

klar, mach ich, solange Ihr nicht meine Kreise stört :mrgreen:
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anselm
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Beitrag von anselm »

Nix da, als entschiedener Vorkämpfer für Toleranz dulde ich natürlich keine abweichenden Meinungen, wo kämen wir denn da hin. ;D

florian3
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Beitrag von florian3 »

Toleranz sollte, im nicht politischen Sinne (Toleranz als Gleichmacherei und Intoleranz als Fanatismus), der ja leider sehr häufig auch auf andere Bereiche angewendet wird, bedeuten: den anderen so akzeptieren und annehmen, wie er ist. Im anderen das sündige Abbild Gottes sehen, so wie es ist. Alles andere kommt danach. Und bei sich selbst anfangen mit Kritik.

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Erich
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Beitrag von Erich »

Toleranz sollte... bedeuten: den anderen so akzeptieren und annehmen, wie er ist.

Auch das ist purer Unsinn: Ich kann keinen "akzeptieren", der seine Frau schlägt, Banken ausraubt, Juden vernichten will oder Bomben legt. Wenn derjenige sich dieser Taten noch rühmt werde ich ihn bekämpfen aber keinesfalls tolerieren!

Gruß
Erich
PS: Diese Toleranz-Beteuerungen, die einige unbedingt abgeben wollen/müssen , finde ich langsam albern. Wir sollten vielleicht feste Tolernaz-Beteuerungs-Rituale einführen.
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florian3
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Beitrag von florian3 »

Viele Definitionsversuche sind tatsächlich unzureichend. Wir rennen halt in unserer menschlichen Unvollkommenheit oft im Kreis, oft in eine Richtung, holen uns Beulen beim Denken und bleiben unzufrieden mit uns und der Welt.
“Halt! Zwerg!” sprach ich.“Ich! Oder du! Ich aber bin der Stärkere von uns Beiden—: du kennst meinen abgründlichen Gedanken nicht! Den—könntest du nicht tragen!” —

Da geschah, was mich leichter machte: denn der Zwerg sprang mir von der Schulter, der Neugierige! Und er hockte sich auf einen Stein vor mich hin. Es war aber gerade da ein Thorweg, wo wir hielten.

“Siehe diesen Thorweg! Zwerg!” sprach ich weiter: “der hat zwei Gesichter. Zwei Wege kommen hier zusammen: die gieng noch Niemand zu Ende.

Diese lange Gasse zurück: die währt eine Ewigkeit. Und jene lange Gasse hinaus—das ist eine andre Ewigkeit.

Sie widersprechen sich, diese Wege; sie stossen sich gerade vor den Kopf:—und hier, an diesem Thorwege, ist es, wo sie zusammen kommen. Der Name des Thorwegs steht oben geschrieben: ‘Augenblick.’

Aber wer Einen von ihnen weiter gienge—und immer weiter und immer ferner: glaubst du, Zwerg, dass diese Wege sich ewig widersprechen?” —

“Alles Gerade lügt,” murmelte verächtlich der Zwerg. “Alle Wahrheit ist krumm, die Zeit selber ist ein Kreis.”

“Du Geist der Schwere!” sprach ich zürnend, “mache dir es nicht zu leicht! Oder ich lasse dich hocken, wo du hockst, Lahmfuss,—und ich trug dich hoch!

Siehe,” sprach ich weiter, “diesen Augenblick! Von diesem Thorwege Augenblick läuft eine lange ewige Gasse rückwärts hinter uns liegt eine Ewigkeit.

Muss nicht, was laufen kann von allen Dingen, schon einmal diese Gasse gelaufen sein? Muss nicht, was geschehn kann von allen Dingen, schon einmal geschehn, gethan, vorübergelaufen sein?
...

(Nietzsche, Also Sprach Zarathustra , Vom Gesicht und Rätsel 1)

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Lieber Erich,
vielleicht könntest Du erläutern, wie nach Deiner Ansicht mit Andersdenkenden umzugehen ist. Jetzt ist Deine Position relativ unklar bzw. mißverständlich.

Ein Beispiel: Du bist Christ und überzeugt davon, dass ausserhalb der Kirche kein Heil sei. Nun erlebst Du, wie ein glattzüngiger Atheist andere von der Nichtexistenz Gottes überzeugen will. Ist es - da Toleranz kein Wert für Dich ist - somit gerechtfertigt diesem den Schädel einzuschlagen, um dem möglichen Schaden vorzubauen? Oder - man ist schließlich kein Unmensch - ihn zu foltern und gehirnzuwaschen, bis er seinen Unglauben widerruft, getreu der Maxime "lieber ein wenig Qual - Folter - in diesem Leben, als ewige Qual im nächsten"?

Wie also empfiehlst Du, dass mit Andersdenkenden und Andershandelnden im tagtäglichen Umgang zu verfahren sei?
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Erich
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Beitrag von Erich »

Dein Beispiel ist ganz einfach zu beantworten:

Der liebe, nette Atheist kann bleiben, was er will, nur meine Kreise darf er nicht stören, d.h. wenn er z.B. den Atheismus zur Staatsreligion machen will, Kreuze aus den Schulen entfernen, Religionsunterricht verbieten etc. so wird er meinen legalen Widerstand zu spüren bekommen.

Ist er nett zu mir - so bin ich nett zu ihm. Allerdings wird er für mich immer ein Autist bleiben, dem man dementsprechend wie einen geistig Behinderten behandeln muss :mrgreen:

Sollte er mal „leiden“, so habe ich mich als Christ an das Vorbild des barmherzigen Samariters zu halten.

Jetzt alles klar?

Gruß
Erich
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Erich hat geschrieben:Dein Beispiel ist ganz einfach zu beantworten:

Der liebe, nette Atheist kann bleiben, was er will, nur meine Kreise darf er nicht stören, d.h. wenn er z.B. den Atheismus zur Staatsreligion machen will, Kreuze aus den Schulen entfernen, Religionsunterricht verbieten etc. so wird er meinen legalen Widerstand zu spüren bekommen.

Ist er nett zu mir - so bin ich nett zu ihm. Allerdings wird er für mich immer ein Autist bleiben, dem man dementsprechend wie einen geistig Behinderten behandeln muss :mrgreen:

Sollte er mal „leiden“, so habe ich mich als Christ an das Vorbild des barmherzigen Samariters zu halten.

Jetzt alles klar?

Gruß
Erich
Tja, Erich, manche Leute würden sagen, eben dies, Deine Handlungsweise, wäre Toleranz. Die Intoleranz beginnt, wo ein berechtigtes "Nein" nicht akzeptiert wird, wo also Dir der Atheismus, dem Atheisten hingegen das Christentum gegen den jeweils eigenen Willen, auf's Auge gedrückt wird. Und seid Ihr nicht willig, dann sei's mit Gewalt.

Ich vermute, Deine allergische Reaktion auf den Begriff "Toleranz" hat weniger mit diesem, als vielmehr mit einer allgemeinen Relativierung zu tun hat. Ich behaupte sogar, dass tolerant nur sein kann, wer fest zur eigenen Überzeugung steht. Dann ist Toleranz sogar eine Tugend, in allen anderen Fällen nicht.
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Erich
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Beitrag von Erich »

Lieber Erich

behaupte sogar, dass tolerant nur sein kann, wer fest zur eigenen Überzeugung steht.

Das ist zu wenig. Neben der Überzeugung für eine Sache ist es auch wichtig, dass es um etwas geht:
Wenn also einer meint, dass Fussball besser ist als Handball, dann soll er doch Aber was ist, wenn es um Leben und Tod geht? Wie tolerant kannst Du dann überhaupt sein ohne (fahrlässig) schuldig zu werden, eben weil Du „tolerant“ bist?

Unter diesem Aspekt fällt doch auch der gute Herr Lessing mit seiner Ringparabel auf die Schnauze. Ja, wegen eines Ringes, da kann ich den toleranten Gutmenschen unheimlich publikumswirksam demonstrieren und viele Streicheleinheiten anderer Gutmenschen bekommen – aber was wäre diese Parabel, wenn es bei der Erbschaft nicht um einen Ring, sondern um eine kugelsichere Weste ginge. Wäre das dann immer noch egal, wer im Bedarfsfall die richtige Weste anhat? Was sagt der Vater dann demjenigen, der die falsche Weste geerbt hat und von Kugeln durchbohrt wurde? Pech gehabt?

Gruß
Erich
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Erich hat geschrieben:Lieber Erich

behaupte sogar, dass tolerant nur sein kann, wer fest zur eigenen Überzeugung steht.

Das ist zu wenig. Neben der Überzeugung für eine Sache ist es auch wichtig, dass es um etwas geht:
Wenn also einer meint, dass Fussball besser ist als Handball, dann soll er doch Aber was ist, wenn es um Leben und Tod geht? Wie tolerant kannst Du dann überhaupt sein ohne (fahrlässig) schuldig zu werden, eben weil Du „tolerant“ bist?

Unter diesem Aspekt fällt doch auch der gute Herr Lessing mit seiner Ringparabel auf die Schnauze. Ja, wegen eines Ringes, da kann ich den toleranten Gutmenschen unheimlich publikumswirksam demonstrieren und viele Streicheleinheiten anderer Gutmenschen bekommen – aber was wäre diese Parabel, wenn es bei der Erbschaft nicht um einen Ring, sondern um eine kugelsichere Weste ginge. Wäre das dann immer noch egal, wer im Bedarfsfall die richtige Weste anhat? Was sagt der Vater dann demjenigen, der die falsche Weste geerbt hat und von Kugeln durchbohrt wurde? Pech gehabt?

Gruß
Erich
Hm, lieber Erich, im Leben geht sich leider nicht immer alles glatt aus. Wenn ich nun jemanden eine schußsichere Weste anbiete aus der Überzeugung heraus, ohne dieser würde er mit Sicherheit erschossen werden, und dieser jemand weigert sich strikte, die Weste überzuziehen? Soll ich ihm nun das Ding mit Gewalt über den Kopf streifen? Was, wen er sich aber gegen diese nicht nur gut gemeinte, sondern aus meiner Sicht sogar lebensrettende Maßnahme energisch zur Wehr wehrt setzt, weil der dumme Kerl nicht einsehen will, dass ich ihm damit nur Gutes will? Wie gewaltsam darf ich dann sein? Soll ich ihn am Ende sozusagen selber erschießen, damit er nicht erschossen werden kann?
Mit anderen Worten: wo setzt Du Deinem Wissen über das rechte Handeln zugunsten anderer die Grenze? Es gab Zeiten, da meinten manche Vertreter der Kirche, sie würden verstockten Ketzern mit durch Folter und Gehirnwäsche erzwungene Änderungen des Bekenntnisses hin zum Glaubensgut der Kirche Gutes tun. Taten sie daran recht?

Die Grenze zwischen etwas dulden (tolerieren) und aktiv zum Besten anderer einzugreifen, ist leider im Leben nicht immer eindeutig. So etwas lässt sich nicht allumfassend definieren. Am Ende muss jeder dem eigenen Gewissen folgen. In Deinem und meinem Falle: dem Vorbild Christi. Und ich kann mir Christus so recht nicht vorstellen, wie er mit Gewalt zum Glauben an ihn zwingt.

Nichtsdestotrotz: wenn Du Handball für den baren Unsinn hälst, dennoch duldest, dass Deine Tochter Handball spielt, weil ihr Handball (oh kindlicher Unverstand!) besser gefällt, dann ist auch Erich tolerant.
Oder wenn Deine Tochter sich Deiner Empfehlung strikte verweigert, sie möge doch anstelle des lautstarken und sinnlosen Gehämmere eines Schlagzeugs, auf dass sie just eindrischt, wenn Du in Ruhe Mozarts Linzer Simphonie zu hören beliebst, das wesentlich leisere, einer jungen Dame zudem nach Deiner sicheren Erkenntnis auch angemessenere Instrument einer Barockflöte spielen; wenn Du dann dennoch darauf verzichtest sie mit härtestem Zwang - zur Not eben auch mit "gesunden" Watschn - auf die Blöckflöte einzuschwören, dann, lieber Erich, bist auch Du tolerant.

Bist am Ende halt doch auch ein toleranter Kerl ;D .
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Erich
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Beitrag von Erich »

Bist am Ende halt doch auch ein toleranter Kerl

Also, Erich D. mich sooo zu beleidigen – komm raus schlagen wir uns. :motz: :motz: :motz: :mrgreen:


Aber kommen wir zur Gretchenfrage: Um was geht es beim Christentum?

Was ist, wenn ich die Sache, um die es geht verfehle? Hab ich weitere Versuche frei?
Kann ich sie überhaupt verfehlen?
Wie eindringlich sollte ich meinen Nächsten zeigen, dass und um was es geht.
Wann verhalte ich mich grob fahrlässig, indem ich schweige?
Wann wird Toleranz eine Form der Gleichgültigkeit und damit eine Todsünde?

Gruß
Erich
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Petra
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Beitrag von Petra »

Hallo Erich J.,

ich verstehe überhaupt nicht, worum es hier mit der "Toleranz" geht. Warum hast du, Erich, es immer mit Verschweigen von Wahrheiten, du redest doch ständig über deine Wahrheiten? Soll das nur ein Vorwurf an andere sein, weil diese deiner Meinung nach schweigen und dulden was eigentlich nicht zu dulden wäre? Sollen sich alle Christen samstags auf den Marktplatz stellen? – Das Problem mit dem Reden ist, dass zu viele verschiedenen Auffassungen verkündet werden. Christliche Lehre ist nicht so einfach zu verstehen, und wenn man in jeder Marktplatzecke was anderes zu hören bekommt, dann ist es völlig aus. Dann bleibt für viele nur noch das Schweigen.

Und was heißt denn „verfehlen“? Verfehlen von einem sündenfreien Leben? Tschä, das ist nun etwas, was die meisten von uns mit links schaffen werden, ob sie nun reden oder schweigen.

Lieben Gruß
von der elenden Eva ;)

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Erich
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Beitrag von Erich »

ich verstehe überhaupt nicht, worum es hier mit der "Toleranz" geht.

Liebe Petra,
Nicht verzagen, Erich fragen. Nimm mal das Beispiel Abtreibung. Als Christ kannst Du unheimliche „tolerant“ sein und jede Frau machen lassen, was sie will oder Dich dafür einsetzen, dass ein Abtreibungs-Gesetz nicht „durchkommt“ oder wieder beseitigt wird. Und diese Abtreibung hat zwei Aspekte: a) ungeborene Kinder sollen nicht getötet werden und b) Frauen sollen nicht die Gelegenheit erhalten, solche große Schuld auf sich zu laden. Nun kannst Du selbst entscheiden, ob Grund (b) auch für Dich gilt oder nur (a).


Warum hast du, Erich, es immer mit Verschweigen von Wahrheiten, du redest doch ständig über deine Wahrheiten?

Meine Wahrheit, deine Wahrheit – die Wahrheit ist für uns alle da!


Soll das nur ein Vorwurf an andere sein, weil diese deiner Meinung nach schweigen und dulden was eigentlich nicht zu dulden wäre?

Wir haben unseren Eltern den Vorwurf gemacht, dass sie bei Adolf geschwiegen haben – welchen Schweigevorwurf werden uns unsere Kinder machen?


Sollen sich alle Christen samstags auf den Marktplatz stellen?

wenn Du das Charisma dazu hast – warum nicht – ansonsten jeder so, wie der Herr es ihm gegeben hat.


Und was heißt denn „verfehlen

Was ist denn das Ziel?? Hat das Christentum kein Ziel, dann kann auch keiner fehlgehen und dann frag ich mich: "wat sull der Driss"

Gruß
Erich
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Petra
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Beitrag von Petra »

Petra hat geschrieben:Das Problem mit dem Reden ist, dass zu viele verschiedenen Auffassungen verkündet werden. Christliche Lehre ist nicht so einfach zu verstehen, und wenn man in jeder Marktplatzecke was anderes zu hören bekommt, dann ist es völlig aus. Dann bleibt für viele nur noch das Schweigen.
Darauf hätte ich auch gern eine Erwiderung gelesen. :roll:

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spectator
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Beitrag von spectator »

Petra hat geschrieben:Darauf hätte ich auch gern eine Erwiderung gelesen. :roll:
aber gerne:

Petra hat geschrieben:Das Problem mit dem Reden ist, dass zu viele verschiedenen Auffassungen verkündet werden.
Nö, nicht zu viele Auffassungen. Zu viel Schwachsinn.
Petra hat geschrieben:Dann bleibt für viele nur noch das Schweigen.
Korrekt. Wenn man nicht weißt, wovon man redet, dann soll man besser die Gosch halten. ;)

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Erich
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Beitrag von Erich »

Das Problem mit dem Reden ist, dass zu viele verschiedenen Auffassungen verkündet werden. Christliche Lehre ist nicht so einfach zu verstehen, und wenn man in jeder Marktplatzecke was anderes zu hören bekommt, dann ist es völlig aus.

Liebe Petra,

Das ist das Versagen unserer Bischöfe, was sich hierin widerspiegelt. Wenn ich sehe, was für Theologen an den kath. Hochschulen lehren, dann kann ich nur Bischof Eder zustimmen, der einst schrieb:

„Wenn aber die Situation so ist – und ich könnte noch vieles zur Bebilderung beitragen –, dann weist dies auf ein langjähriges Versagen der Hirten hin. Wir, die vom Herrn bestellten Wächter, haben unsere Pflicht schlecht erfüllt, wir sind säumig geworden. Wir Bischöfe haben uns viel zu wenig um die Herde gekümmert, wir haben die reißenden Wölfe eindringen lassen. An den katholischen Fakultäten der Universitäten lehrten jahrzehntelang Professoren, die das katholische Dogma der Eucharistie – und andere katholische Wahrheiten – paralysierten. Im Religionsunterricht wurden und werden die eucharistischen Wahrheiten mit schweren Defiziten weitergegeben. ja, die Hirten sind schuldig geworden, das Salz ist schal geworden, es wird bald zertreten werden.“

Gruß
Erich
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ad_hoc
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Toleranz, eine (Sekundär-)Tugend?

Beitrag von ad_hoc »

(Dieser Strang wurde nicht von ad_hoc eröffnet, sondern vom Thema Freimaurerei abgetrennt. Walter)


In Anbetracht der beachtlichen Toleranz des Users Giosuè Carducci
und der scheinbar grenzenlosen Toleranz des Users Pierre hätte ich von diesen beiden Herren gerne gewußt, wie sie den Begriff 'Toleranz' definieren und wo sie die Grenzen der Toleranz sehen.

Vielleicht kommt man ja weiter, wenn diese Frage mal geklärt ist.

ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Giosuè Carducci
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Beitrag von Giosuè Carducci »

Giosuè Carducci hat geschrieben:
Ich verstehe unter Toleranz in keiner Weise eine Akzeptanz beliebiger Ansichten. Toleranz heißt bei mir, möglichst vorurteilsfrei auf Menschen zuzugehen und sie gerade bei meinem Weltbild konträren Ansichten respektvoll zu behandeln.

Toleranz ist Höflichkeit, sonst nichts.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Also eine Sekundärtugend, mit der man auch ein KZ betreiben könnte
– um einen großen deutschen Staatsmann zu zitieren?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

vonZinnendorf
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Die Problematik der Toleranz

Beitrag von vonZinnendorf »

In zahlreichen Diskussionen in unser Gesellschaft wird heutzutage der Begriff der Toleranz in den verschiedensten Zusammenhängen bemüht. Dabei sind auch Sätze zu vernehmen wie: „Du musst mir recht geben, sonst bist du intolerant". Wie sollte Toleranz eigentlich verstanden werden?

In seiner Bedeutung ist der Begriff Toleranz vom lateinischen „tolerare“ (zu tolus = Last) abgeleitet und bedeutet in diesem Sinne, dass man die Beanspruchungen der eigenen Überzeugung erträgt, die durch eine andere Meinung oder Weltanschauung entstehen.

Aber Toleranz muss mehr sein als die grundsätzliche Duldung anderer Ansichten. Sie muss auch auf Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, beidseitigem Respekt und gegenseitiger Toleranz beruhen.

Unter diesen Bedingungen muss es Grenzen für Toleranz geben. Man muss sich mit dem Objekt des Tolerierens beschäftigen. Unter Umständen werden vom Toleranzempfänger Rechte und Freiheiten Dritter missachtet, die entgegengebrachte Toleranz von der anderen Seite bewusst ausgenutzt.

Dies darf nicht zu einer Abkehr von der Toleranz führen, sondern zu der Erkenntnis, dass dies keine kritiklose Einstellung sondern eine bewusste Haltung und Handlung ist. Die Bereitschaft zur Toleranz und die bewusste Auseinandersetzung mit anderen Personen und Positionen sind meiner Ansicht nach mehr wert als die Toleranz an sich.

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