Türkei: Religionsfreiheit in den Blick nehmen

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Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Werner001 hat geschrieben:Genau so wie es nur eine komische Folge unserer Rechtschreibreform, aber kein nationales Komplott zur Diffamierung der Philosophie ist, daß die Deutschen "Philosophie" jetzt "Filosofie" schreiben "müssen"

Werner
Wenn dumme
Philosophen zu
vielosaufen, dann können da auch
Filosofen draus werden, hix

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Werner hat geschrieben:Christen in der Türkei wierden dagegen fundamentale Menschenrechte vorenthalten. Ganz offiziell, von Amts wegen.
Google mal mit "türkei christen politische ämter"
Ich hoffe, du weißt auch, seit wann, und woher das
kommt. Das ist nämlich die „laizistische“ Türkei des
Mustafa Kemal Pascha, jenes Sprosses der Dunmeh
von Thessalonich.


Atatürk hatte aber nicht nur jüdische Vorfahren, sondern von der anderen Seite her auch albanische. Türkische Islamisten lehnen ihn und seine Freimaurer-Republik deshalb auch ganz ab.

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Petra hat geschrieben:
Werner001 hat geschrieben: Klar. Dann würde die EU-Verfassung beginnen mit "Im Namen Alllahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Allah ist Groß und Mohammed ist sein Prophet!"
Aber das wäre manchen ja anscheinend egal, Hauptsache das Wort "Gott/Allah" wird irgendwie erwähnt.
Also Uwe Schmidt wäre das bestimmt nicht egal. :D



Im Ernst: es wäre mir lieber, der Islam würde in Europa herrschen als die jetzige laicité à la francaise! Lassen wir ruhig noch ganz Nordafrika
nach Europa hinein und in 30-40 Jahren ist Schluss mit der Aufklärer-Herrschaft.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Uwe Schmidt hat geschrieben:
Petra hat geschrieben:
Werner001 hat geschrieben: Klar. Dann würde die EU-Verfassung beginnen mit "Im Namen Alllahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Allah ist Groß und Mohammed ist sein Prophet!"
Aber das wäre manchen ja anscheinend egal, Hauptsache das Wort "Gott/Allah" wird irgendwie erwähnt.
Also Uwe Schmidt wäre das bestimmt nicht egal. :D



Im Ernst: es wäre mir lieber, der Islam würde in Europa herrschen als die jetzige laicité à la francaise! Lassen wir ruhig noch ganz Nordafrika
nach Europa hinein und in 30-40 Jahren ist Schluss mit der Aufklärer-Herrschaft.
Warum gehst du nicht in ein islamisches Land, nach Saudi-Arabien oder den Iran? Ernstgemeinte Frage. Wnn du unsere Gesellschaft so schrecklich findest, daß dir eine Gesellschaft wie dort lieber wäre, warum gehst du nicht dort hin? Du bist doch kein Maulheld, oder?

Werner

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AlexK
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Beitrag von AlexK »

Uwe Schmidt hat geschrieben: Im Ernst: es wäre mir lieber, der Islam würde in Europa herrschen als die jetzige laicité à la francaise! Lassen wir ruhig noch ganz Nordafrika
nach Europa hinein und in 30-40 Jahren ist Schluss mit der Aufklärer-Herrschaft.
Eine ähnliche Einstellung hat schon Byzanz vernichtet ;)

Gruß,
Alexander
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

AlexK hat geschrieben:Eine ähnliche Einstellung hat schon Byzanz vernichtet
Nee, das hatte andere Gründe.
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Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
AlexK hat geschrieben:Eine ähnliche Einstellung hat schon Byzanz vernichtet
Nee, das hatte andere Gründe.
Das stimmt allerdings... :hmm:

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AlexK
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Beitrag von AlexK »

Ragnar hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
AlexK hat geschrieben:Eine ähnliche Einstellung hat schon Byzanz vernichtet
Nee, das hatte andere Gründe.
Das stimmt allerdings... :hmm:
"Wir dürfen für westliche Hilfe keine Kompromisse eingehen...es wäre mir lieber, der Islam würde hier in Konstantinopel herrschen als die Latinisten!"

Ist es so besser ? ;) ;)

Alexander
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

AlexK hat geschrieben:"Wir dürfen für westliche Hilfe keine Kompromisse eingehen...es wäre mir lieber, der Islam würde hier in Konstantinopel herrschen als die Latinisten!"
Das kenne ich... nämlich wird dem Konstantinopler Flottenadmiral Notaros, einem Freund des (damals in spe) Patriarchen Gennadios Scholarios (1400-1468, Patriarch wohl von 1453-1459) folgendes Wort zugeschrieben: "Es wäre besser zu erfahren, daß in der Stadt der türkische Turban statt der lateinischen Tiara herrscht." Das Volk hatte so den Glauben der politischen Unabhängigkeit vorgezogen.

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AlexK
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Beitrag von AlexK »

Nietenolaf hat geschrieben: Das kenne ich... nämlich wird dem Konstantinopler Flottenadmiral Notaros, einem Freund des (damals in spe) Patriarchen Gennadios Scholarios (1400-1468, Patriarch wohl von 1453-1459) folgendes Wort zugeschrieben: "Es wäre besser zu erfahren, daß in der Stadt der türkische Turban statt der lateinischen Tiara herrscht." Das Volk hatte so den Glauben der politischen Unabhängigkeit vorgezogen.
Ja, genau... :jump:

Danke!

Alexander
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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Nietenolaf hat geschrieben:
AlexK hat geschrieben:"Wir dürfen für westliche Hilfe keine Kompromisse eingehen...es wäre mir lieber, der Islam würde hier in Konstantinopel herrschen als die Latinisten!"
Das kenne ich... nämlich wird dem Konstantinopler Flottenadmiral Notaros, einem Freund des (damals in spe) Patriarchen Gennadios Scholarios (1400-1468, Patriarch wohl von 1453-1459) folgendes Wort zugeschrieben: "Es wäre besser zu erfahren, daß in der Stadt der türkische Turban statt der lateinischen Tiara herrscht." Das Volk hatte so den Glauben der politischen Unabhängigkeit vorgezogen.
Der Unterschied zu heute ist, daß unter der heute üblichen Ausprägung des Islam der christliche Glaube wesentlich stärker bedroht wäre als im aufgeklärten Europa.

Leider meinen manche, wenn nicht alle strenggläubig sind, und wenn auch unchristliche Meinungen erlaubt sind, sei das schon eine Art Christenverfolgung.

Und von denen glauben manche allen Ernstes, das wäre unter islamischer Herrschaft besser.

Diese Leute sollten mal mit den Christen sprechen, die in den letzten Jahrzehnten in hellen Scharen aus den Islamischen Ländern geflohen sind, und zwar "seltsamerweise" genau in die ach so schrecklichen Weltgegenden, die von der Aufklärung beherrscht werden.

Werner

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Damals hatten die Byzantiner das Türkenjoch und die Ausbreitung des Islam als Gottes Strafe für ihre Sünden verstanden. Zu solch einer Einstellung ist man aber heute auch zu aufgeklärt.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Werner hat geschrieben:Der Unterschied zu heute ist, daß unter der heute üblichen Ausprägung des Islam der christliche Glaube wesentlich stärker bedroht wäre als im aufgeklärten Europa.
Das Gegenteil ist der Fall. Die geistige Bedrohung ist die schlimmere,
das Gift, das uns von allen Seiten injiziert wird. Die Christenheit ist
ja schon fast verschwunden aus dem alten Europa.
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AlexK
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Beitrag von AlexK »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Das Gegenteil ist der Fall. Die geistige Bedrohung ist die schlimmere,
das Gift, das uns von allen Seiten injiziert wird. Die Christenheit ist
ja schon fast verschwunden aus dem alten Europa.
Also lieber Taliban als Bultmann ;D

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Werner hat geschrieben:Der Unterschied zu heute ist, daß unter der heute üblichen Ausprägung des Islam der christliche Glaube wesentlich stärker bedroht wäre als im aufgeklärten Europa.
Das Gegenteil ist der Fall. Die geistige Bedrohung ist die schlimmere,
das Gift, das uns von allen Seiten injiziert wird. Die Christenheit ist
ja schon fast verschwunden aus dem alten Europa.
Also in den islamischen Ländern ist das christentum schon beinahe nicht mehr Existent.
Informier dich z. B. mal über den Exodus der Maroniten aus Ägypten.

Und nur, weil nicht mehr statt wie früher (zumindest auf dem Papier) 95% der Deutschen einer christlichen Kirche angehören, sondern nur noch 70%, hier über die angebliche Ausrottung des Christentums zu jammern, das ist wie wenn einer, der angesichts eines kalten Büffets, auf dem man eine von vorher 7 verschiedenen Sorten Gänseleberpastete entfernt hat, jammert und sagt" Die Menschen in der Sahelzone haben's viel besser, denen nimmt wenigstens niemand ihre Gänseleberpastete weg"

Werner

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Wo gibt*s die Statistik nach der 70% der 82 000 000 Millionen Einwohner der Bundesrepublik einer Kirche Angehören?

Die 70% könnte ich mir eher als Status der Katholiken unter allen religiösen Menschen in der Bundesrepublik vorstellen. Die restlichen 30% würden somit aus Muslime, Juden und andere fallen.

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Knecht Ruprecht hat geschrieben:Wo gibt*s die Statistik nach der 70% der 82 000 000 Millionen Einwohner der Bundesrepublik einer Kirche Angehören?

Die 70% könnte ich mir eher als Status der Katholiken unter allen religiösen Menschen in der Bundesrepublik vorstellen. Die restlichen 30% würden somit aus Muslime, Juden und andere fallen.
Lieber Kencht Ruprecht,

was willst Du mit "Die 70% könnte ich mir..."
sagen? :hmm:

in der Bundesrepublik gibt es (grob gesagt)
1/3 Katholiken,
1/3 Protestanten und
1/3 Andere.

In welchem Drittel der Anteil religiöser Menschen grösser ist,
geht daraus (auch) nicht hervor.

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Ragnar hat geschrieben:
in der Bundesrepublik gibt es (grob gesagt)
1/3 Katholiken,
1/3 Protestanten und
1/3 Andere.

In welchem Drittel der Anteil religiöser Menschen grösser ist,
geht daraus (auch) nicht hervor.
Aus welcher Nase ziehst du denn deine Zahlen? In der Bundesrepublik gibt es mehr Katholiken als Mitglieder der EKD. Und dies in einem Staat der nie ein Katholikenstaat war oder ist.

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Knecht Ruprecht hat geschrieben:
Ragnar hat geschrieben:
in der Bundesrepublik gibt es (grob gesagt)
1/3 Katholiken,
1/3 Protestanten und
1/3 Andere.

In welchem Drittel der Anteil religiöser Menschen grösser ist,
geht daraus (auch) nicht hervor.
Aus welcher Nase ziehst du denn deine Zahlen? In der Bundesrepublik gibt es mehr Katholiken als Mitglieder der EKD. Und dies in einem Staat der nie ein Katholikenstaat war oder ist.
Na, na, na,
nu raste nicht gleich aus...

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Werner hat geschrieben:Informier dich z. B. mal über den Exodus der Maroniten aus Ägypten.
Du meinst: »… der Kopten aus dem Libanon«? ;)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Werner hat geschrieben:Informier dich z. B. mal über den Exodus der Maroniten aus Ägypten.
Du meinst: »… der Kopten aus dem Libanon«? ;)
Ja klar, die Kopten meinte ich. Danke für die Korrektur. Die Maroniten gehören in den Libanon.

Werner

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Ein interessantes Interview mit dem Parteivorsitzendem der LPR. Das gut zum aktuellen Thema passt.
[...]
DIE WELT: Sind Sie für den EU-Beitritt der Türkei?

Giertych: Wenn man die Zahl der Moslems vergrößern will, gibt es keinen besseren Weg. Dann empfehle ich noch, den Iran und den Irak aufzunehmen! Wir sind dagegen. Wir sind dafür, die Ukraine aufzunehmen, Armenien. Sie sind kulturell europäischer als die Türkei. Auch Israel sollte aufgenommen und gestärkt werden, sonst wird der Islam es überfluten.
[...]
http://www.welt.de/data/2004/07/12/304332.html?s=2

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

So erklärte der für Religionsangelegenheiten zuständige Staatsminister Mehmet Aydin kürzlich im Parlament, christliche Missionare versuchten, die türkische Gesellschaft "aufzusplittern" und ihre "religiöse, nationale und kulturelle Einheit aufzubrechen".
http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland ... cnt=885334
:D Moscheebau in der deutschen Kolonie schützt die Türkei noch lange nicht.

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nemesis
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Verwaltete Religion in der Türkei

Beitrag von nemesis »

[url=file://localhost/C:/Dokumente%20und%20Einstellungen/Serdar/Desktop/Laizismus%20in%20der%20Türkei%20-%20Trennung%20von%20Staat%20und%20Religion.html]Laizismus in der Türkei - Trennung von Staat und Religion[/url]
Die vier Bomben, die im November 2003 innerhalb einer Woche in Istanbul 61 Menschen das Leben kosteten, belegen einmal mehr, daß sich heute kein Ort der Welt mehr in Sicherheit wiegen kann. Denn auch die Bevölkerung Istanbul hatte sich vor dem Terror in Sicherheit gewähnt. Hatten die türkischen Behörden doch 1999 und 2000 mit einer größeren ‚kurdischen’ und einer kleineren ‚türkischen‘ Organisation aufgeräumt, die in den zehn Jahren davor als selbsternannte Kämpfer des Islams Anschläge, Morde und Entführungen verübten. Noch wichtiger als die Zerschlagung dieser Gruppen war jedoch, daß der politische Islam in der Türkei nicht mit Gewalt von sich Reden machte, sondern sich von Anbeginn an als politische Partei organisierte und seine Ziele im legalen politischen System verfolgte. Gewaltbereite Gruppen waren in der Türkei stets hoffnungslos marginalisiert gewesen, und ihre Aktionen waren selbst von den Parteien des politischen Islams verurteilt worden. Hinzu kommt, daß die wenigen gewalttätigen Gruppen stets behersch- und kontrollierbar schienen. Denn die größere dieser Gruppen, die ‚kurdische’ Hisbollah, konzentrierte sich bei ihren Anschlägen lange auf die linken, kurdischen Nationalisten der PKK, und viele Journalisten vermuteten daß Teile der Sicherheitskräfte bei ihrem Kampf gegen den kurdischen Separatismus von den Islamisten profitierten. Auch die kleinere IBDA-C, die eher in den Städten des türkischen Westens zu Hause war, bleib lange relativ unbehelligt und brüstete sich bisweilen selbst mit Kontakten in den Sicherheitsapparat. Selbst jene, die vor dem langfristigen Einfluß des politischen Islams in der Türkei zu warnen pflegten, rechneten deshalb nicht mit Gewaltakten von diesem Ausmaß.

Tatsächlich scheinen die Anschläge von Istanbul eher Ausdruck der internationalen Lage zu sein als Ausfluß der türkischen Innenpolitik. Die zwei Synagogen wurden offensichtlich stellvertretend für Israel zum Ziel und mit dem englischen Generalkonsulat und der der Türkeizentrale der britischen Bank HSCB wurde Amerikas engster Verbündeter im Irak aufs Korn genommen.

Europa reagiert zwiespältig. In den ersten Tagen war viel von der Notwendigkeit die Rede, die Türkei jetzt nicht allein zu lassen. Man müsse verhindern, daß die Strukturen, die man Al-Qaida nennt, die islamische Welt geschlossen gegen Europa und den Westen in Stellung bringen können.[1] Es gab freilich auch andere Stimmen. CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Bosbach warnte vor einem Export des Terrorismus aus der Türkei und nutzte die Anschläge in Istanbul als neues Argument für die alte Ablehnung des türkischen EU-Beitrittswunsches durch die Union. Und mancher grübelte mediengerecht über die Frage ob türkische Einwanderergemeinden in Deutschland und Europa nicht zum Nährboden für islamischen Terrorismus werden könnten. In solchen Sichtweisen spielt die internationale Lage fast keine Rolle mehr und Terrorismus wird zur potentiellen Verhaltensbereitschaft eines jeden Muselmanen.

Das freilich ist nichts neues. Zieht sich die Frage danach, ob der Islam europakompatibel ist, doch seit Monaten durch die Debatte über eine möglichen Beitritt des Landes zu Europa.



Ist der Islam europakompatibel?


Unter denen, die den muslimischen Charakterdes Landes als Hindernis für eine Integration der Türkei in Europa betrachten, finden sich nicht nur überzeugte Christen, sondern auch Agnostiker und Atheisten. Denn anders als das Christentum kenne der Islam keine Trennung von Staat und Kirche, was die Voraussetzung für die Säkularisierung der Gesellschaft und ihrer Geisteshaltung sei. Der Islam lasse eine solche Trennung auch gar nicht zu, und sein religiöses Recht regele die weltlichen Dinge genauso wie den Kult. Zwar wird zugestanden, daß die Türkei in den zwanziger Jahren den Laizismus eingeführt hat. Doch eigentlich sei eine solche Regelung der Tradition des Landes fremd. Sie stoße auf viel Widerstand, wie das Wachstum pro-islamischer Parteien zeige. Die Unduldsamkeit, mit der in der Türkei der Laizismus eingeführt worden sei und die Härte, mit der er aufrechterhalten werden müsse, zeige, wie wenig er bisher in der Bevölkerung Wurzeln geschlagen habe. Deshalb sei die laizistische Ordnung dieses „muslimischen Großstaats”, wie sich beispielsweise Hans-Ulrich Wehler ausdrückt, nach wie vor fragil, und die Gefahr islamischen Totalitarismus sei nicht gebannt.[2]

Solche Fragen bewegen weite Kreise und es ist der Islam der – oder die spezifische Wahrnehmung des Islams, die dafür verantwortlich ist. Bei den anderen Kandidatenländer wurde das Verhältnis von Staat und Religion nicht vor einem solchen Hintergrund diskutiert.

Das soll jedoch nicht heißen, daß das Verhältnis von Staat und Religion in der Türkei für die Beitrittsdiskussion unwesentlich sei. Im Gegenteil, der Blick auf das Mit- und Gegeneinander von Staat und Religion in Türkei gibt wie nur wenig andere Perspektiven Auskunft über die Genese des politischen Systems des Landes und liefert einen guten Rahmen für das Verständnis der politischen Konflikte, soweit sie Identitäten und Kultur betreffen.



der Islam

Mit Vorsicht zu genießen sind jedoch essentialistische Auffassungen, die den Islam an sich, sei es als Religion, oder wie man heute gerne sagt, als Kultur, zu einem Hindernis für den Aufbau einer modernen, säkularen und demokratischen Gesellschaft zu erklären. Eine solche Betrachtungsweise setzt die Form, in der der Islam in der Geschichte institutionalisiert worden ist (Luckmann nennt sie die spezifische historische Form der Religion), mit seiner Lehre (der elementaren Form der Religion) gleich.[3] Auf das Christentum angewandt, würde eine solche Sichtweise heißen, die Botschaft der Heiligen Schrift erschöpfe sich in der Kirchengeschichte, und Christentum sei ausschließlich das, was der Papst in Rom und die anderen religiösen Potentaten bisher entscheiden haben. Eine solches Verständnis von Islam raubt der fremden Religion die Freiheit, sich selbst neu zu verstehen und der Zeit gemäße Deutungen zu entwickeln, eine Freiheit, die man der eigenen, christlichen Tradition ohne weiteres zugesteht.[4] Auch die postulierte Einheit von Religion und gesellschaftlichem Leben ist keine Besonderheit des Islam, sondern sie ist das Merkmal vormoderner Gesellschaften allgemein, egal welche Religion sie haben.[5] Es war diese vollkommene Formung der Wahrnehmung gesellschaftlicher Zustände durch die Religion, diese geistige Totale, die im mittelalterlichen europäischen Christentum – trotz aller Trennung von Staat und Kirche – Judenpogrome möglich machte. Die christlichen und jüdischen Gemeinden des Balkans und Kleinasiens haben indes 500 Jahre muslimisch-osmanische Herrschaft ohne islamisch motivierte Katastrophen überstanden. Und selbst auf der Ebene des Staates war der Einfluß des Islams nie absolut. Schon bei den Abbasiden billigte die Ulema dem Staate zu, selbst Recht zu setzen, und die osmanischen Herrscher machten von dieser Möglichkeit ausgiebigen Gebrauch.[6] Als die Osmanen 1908 zum zweiten Male die Konstitution erprobten, wurde unter der Herrschaft des Sultans und Kalifens das französische Strafrecht eingeführt und seine Übernahme islamisch gerechtfertigt. Auch die Errichtung der konstitutionellen Ordnung selbst wurde mit Versen aus dem Koran legitimiert.[7] Daß die muslimischen Staaten in der Geschichte allesamt und immer von der Religion bestimmt gewesen seien, ist eine Mär der frühen europäischer Orientalisten. Radikale Islamisten, die eine solche Ordnung heute ‚wiederherstellen’ wollen, haben bei ihnen abgeschrieben.[8]

Laizismus und Säkularismus

Die häufig besorgt gestellte Frage danach, wie stabil die säkulare/laizistische Ordnung in der Türkei ist, macht Sinn nur vor dem Hintergrund einer möglichen Bedrohung der türkischen Demokratie durch eine nicht-säkulare Religion. Wie in dieser Frage werden die Begriffe ‚säkular‘ und ‚laizistisch‘ oft synonym verwandt. Es ist jedoch sinnvoll, sie zu trennen.

‚Laizismus‘ ist eher ein politischer Begriff und kommt aus der französischen Revolution. Er meint die institutionelle Trennung von Staat und Kirche. Die Republik Türkei hat sich am französischen Modell orientiert und bereits sechs Monate nach Ausrufung der Republik radikal mit der islamischen Vergangenheit gebrochen. Schon Anfang März 1924 wurde dem ehemaligen Sultan auch die religiöse Würde des Kalifen abgesprochen und der Islam unter die zentrale Verwaltung eines staatlichen Amtes für Religion gestellt. Diese Religionsbehörde verwaltet die Moscheen, beschäftigt die Vorbeter und Prediger und gibt religiöses Schrifttum heraus. Religiöse Zusammenkünfte und religiöse Veröffentlichungen außerhalb dieses Rahmens standen bis in die 90er Jahre hinein unter prinzipieller Strafandrohung. Daß die Strafvorschriften je nach politischer Konjunktur unterschiedlich streng angewandt wurden, ändert daran nichts.

Zusammen mit der Aufhebung des Kalifats mußten auch alle Medresen, die traditionellen religiösen Schulen, ihre Pforten schließen. Zwar gab es mehrere kurzlebige und unsystematische Neugründungen religiöser Schulen, doch von einer endgültigen Rückkehr der Religion in das staatliche Schulwesen, kann erst ab 1949 gesprochen werden. Noch heute ist jegliche religiöse Unterweisung außerhalb der Schule und außerhalb des behördlichen Rahmens illegal.[9]

In der Wende vom 18. auf das 19. Jahrhundert meinte Laizismus in Frankreich jedoch viel mehr als nur den Ausschluß der Kirche von der politischen Macht. Er meinte auch die Zurückdrängung der Religion, die staatlich durchgesetzte Untergrabung religiöser Lehre durch die positive Wissenschaft und die Ersetzung religiöser Ethik und Moralität durch sogenannte ‚rationale Lehren‘. Diese rationalen Lehren stammen aus der Analyse der Gesellschaft und aus der Geschichte der Nation. Die Besinnung der Gesellschaft auf ihre Geschichte und auf sich selbst ist die Grundlage aller modernen Ideologien wie Nationalismus, Sozialismus, Faschismus und Liberalismus und damit die Grundlage für moderne Politik. Jedoch, wann immer diese Bekehrung der Gesellschaft zu den neuen, säkularen Lehren zentralstaatlich organisiert und autoritär durchgesetzt wird, wann immer staatliche Gewalt die Gesellschaft mit einer Ideologie in Einklang bringen will, besteht die Gefahr von Totalitarismus.[10]

‚Säkularisierung‘ dagegen läßt sich im Deutschen mit ‚Verweltlichung‘ übersetzen. Verweltlichung ist primär ein soziologischer Prozeß und meint die allmähliche Verflüchtigung der Religion. Die Religion verliert ihr Deutungs- und Erklärungsmonopol in zunehmend mehr Bereichen. Die Biologie erklärt die belebte, die Physik die unbelebte Welt, die Psychologie den Menschen und die Soziologie die Gesellschaft. Daß Teile der Gesellschaft säkular werden ist die Voraussetzung für eine Politik des Laizismus. Das Ziel des politischen Laizismus ist es umgekehrt, Verhaltensformen und Bewußtsein der Gesellschaft zu säkularisieren.

Geht Verweltlichung nun quasi ‚natürlich‘ vor sich oder wird sie zentral gesteuert, immer ist ihr Resultat, daß die Religion von einem Erklärungsrahmen, innerhalb dessen nahezu alles deutbar und verstehbar ist, zu einem erklärungsbedürftigem Phänomen wird.[11] Warum glauben die Menschen? Woher kommt die Religion? Welche Funktion erfüllt die Religion? Eine Gesellschaft, die solche Fragen stellt, ist säkular.

Die türkischen Intellektuellen stellen solche Fragen seit mehr als hundert Jahren.[12] Seit achtzig Jahren sind in den Schulen und Universitäten der Türkei die positiven Wissenschaften in der Erklärung von Welt und Gesellschaft konkurrenzlos.[13] Die herrschende politische Kultur der Türkei ist heute eine säkulare. Der Streit dreht sich um Punkte wie nationaler Isolationismus vs. Einbindung in den Westen, Etatismus und staatszentrierte Wirtschaft vs. Öffnung zur Globalisierung, und national-türkischer Monismus vs. kulturellem Pluralismus.

Mehr noch, auch die interne Säkularisierung der Religion ist weit fortgeschritten. Zunehmend erfolgen Verständnis und Interpretation der Religion im Rahmen moderner Orientierungen.



Politisierung des Islams als modernes Phänomen

Freilich, nicht alles, was modern ist, ist auch gut. Die schwindende Kraft der Religionen, die Welt zu erklären und die Herrscher zu rechtfertigen macht Platz für die moderne Wissenschaft und für politische Ideologien. Alle moderenen Ideologien verweisen für ihre Richtigkeit auf Zweige der Wissenschaft: auf die Geschichtsschreibung, die Nationalökonomie oder die Biologie. Dieser rationaler Kern ist ein Merkmal moderner Ideologien, ihr Aktivismus zur planvollen Veränderung einer Gesellschaft, die sie als gestaltbar erkannt haben, ist ein zweites. Wenn sich politischer Aktivismus in nur teilweise säkularisierten Gesellschaften entfaltet, in denen die Religion noch Kraft über die Menschen hat, wird Religion als Ideologie begriffen, als Anleitung zur politischer Tätigkeit und Gestaltung. Politischer Islam ist deshalb ein verweltlichtes Verständnis von Islam, der jetzt nicht mehr zu sittlichem Handeln und zur Gnade vor Gott aufruft, sondern dazu, einen modernen Staat zu regieren und die Gesellschaft zu formieren.

Auch in der Türkei hatte der politische Islam bis in die 80er Jahre hinein das Ziel, die Gesellschaft umzukrempeln und sie mit den Mitteln des modernen Staates fromm zu machen. Der radikale Islamismus hat jedoch in der Türkei die Köpfe der Massen nie erobert. Zu stark waren bereits die Einflüsse der säkularen Lehren, und zu tief die Identifikation mit dem modernen Nationalstaat und seiner Ideologie. Relativ schnell konnten sich deshalb in der Türkei Interpretation der Religion durchsetzen, die mit Demokratie und Pluralismus, Rechtsstaat und Gewaltenteilung keine Probleme haben.[14] Heute kommen islamistische Parteien, die statt Offenheit zum Westen Abgrenzung, statt Pluralität muslimische Einheitlichkeit und statt gebändigtem Kapitalismus staatliche Planwirtschaft propagieren, nur noch auf sechs Prozent der Stimmen. In der Gesellschaft setzt sich dazu parallel die Ansicht durch, daß sich die Interpretation der Religion mit wandelnden Zeiten ändern kann, ja ändern muß. Das führt zu der Bereitschaft, die Schrift und andere religiöse Quellen im übertragenen Sinne zu verstehen, was eher relativistische Haltungen stärkt. Immer geringer dagegen erfolgt die Wahrnehmung des Islams in einem traditionellen religiösen Klima, in dem eine Auslegung der Religion als zu jeder Zeit und überall gültig und für jeden verpflichtend angesehen wurde, wo man sich um das Dogma scharte und absolute Authentizität behaupten und einfordern konnte.[15]

In der poltischen Sphäre der Türkei gilt die Demokratie heute denn auch unbestritten als die beste staatliche Ordnung. Die Bevölkerung hat die einst autoritär gesetzte Trennung von Staat und Religion allgemein anerkannt. Es gibt keinen Ruf nach einer Herrschaft des Imams – wie im Iran –, und niemand verlangt die Wiedereinführung des Kalifats oder der Monarchie. Und doch – es ist erstaunlich – nimmt der Streit um die Religion kein Ende.



die nicht-muslimischen Minderheiten

So sehr der Islam des Beitrittskandidaten Türkei die Herzen und Hirne der europäischen Öffentlichkeit bewegt, so wenig spielt er in den offiziellen Verlautbarungen der EU eine Rolle. Zum Stichwort ‚Religion‘ bemängelt die Europäische Kommission lediglich, daß nicht-muslimische Religionsgemeinschaften, insbesondere die christlichen Gemeinden, nur eingeschränkt über ihren Grund- und Kirchenbesitz verfügen können, ihre Priesterausbildung nicht gewährleistet ist, und ihre Angehörigen von einer Karriere im öffentlichen Dienst faktisch ausgeschlossen sind.[16] Im Vertrag von Lausanne hatte die Türkei 1927 zugestanden, religiösen Minderheiten ein eigenes Schulwesen und eigene Wohlfahrtsinstitutionen zuzuerkennen. Praktischen Nutzen aus der Vorschrift konnten jedoch nur die griechischen und armenischen Gemeinden ziehen. Die jüdische Gemeinde und die syrischen Christen verfügen dagegen über keine eigenen Schulen.[17] Ist diese Benachteiligung der Nichtmuslime nicht doch ein Hinweis darauf, daß sich im Islam Geistiges und Weltliches eben nicht trennen läßt und der Islam sich gegen den Laizismus durchsetzt?

Wohl kaum, denn was die laizistische Republik ihren nichtmuslimischen Bürgern heute vorenthält, hat das islamische Osmanische Reich seinen christlichen Untertanen jahrhundertelang gewährt. Die Beschränkung des Gemeindelebens und damit der Religionsfreiheit der Nichtmuslime ist kein Erbe des Islam, sondern ein Produkt des modernen Nationalstaats. Der hat in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts seinen Befreiungskrieg gegen christliche Besatzer im Namen einer muslimischen Nation geführt, deren stärkste Gruppen Türken und Kurden waren. Die Christen des Reiches galten als die fünfte Kolonne der europäischen Usurpatoren und wurden deshalb – ungeachtet ihren formalen rechtlichen Gleichstellung - nie als gleichberechtigte Staatsbürger anerkannt. Das zeigte sich schon beim Bevölkerungsaustausch ab, den die Republik 1923 mit Griechenland organisierte. Nicht Sprache war damals das Kriterium dafür, wer auf beiden Seiten der Ägäis des Landes verwiesen wurde, sondern allein die Religion. Nicht der Islam hat damals staatliches Handeln geregelt, sonder der moderne Nationalstaat bediente sich der Religion als ideologischen Kitt um aus Türken und Kurden, Lasen und Arabern, Bosniaken und Tscherkessen die moderne türkische Nation zu bauen. Denn die Nation – und nicht mehr die Religion – gab jetzt die Legitimation des neuen Staates ab.[18] Die Nation hatte jedoch – man verzeihe den Ausdruck – zwei Schönheitsfehler: Zum einen bestand sie aus mehreren sprachlichen Gruppen und die Gefahr des Separatismus schien immer gegenwärtig. Zum anderen war sie muslimisch. Sicher scheint paradox, die muslimische Seite der Nation, die wesentlich dazu beitrug, daß sie geformt werden konnte, gleichzeitig als ‚Negativum’ zu präsentieren. Und doch ist es so. Denn in den Augen der aufgeklärten Elite des modernen Staates stellte der Islam – so notwendig er auch für die nationale Einheit auch war – ein gewaltiges Hindernis für den Fortschritt dar.[19] Mit dieser Feststellung über die ‚Nachteile‘ der Nation nähern wir uns dem Kern des Problems im türkischen Verhältnis von Staat und Religion.

die aktuelle Auseinandersetzung um die staatliche türkische Religionsbehörde

Ende Juni dieses Jahres hatte die Haushaltskommission des Parlaments der Religionsbehörde 15 000 neue Stellen zugeteilt. Die oppositionelle CHP beschuldigte die Regierung daraufhin, sie betreibe die Unterwanderung der Bürokratie mit religiösen Kadern, lege es auf den Bruch des Laizismus an, säge langsam aber stetig an der Verfassungsordnung und dränge das Land in Richtung islamischer Staat. Es fragt sich freilich, was das für eine staatliche Behörde ist, deren personeller Ausbau die Grundfesten des Regimes in Wanken bringen soll. Warum leistet sich der laizistische Staat eine Institution, deren Stärkung seinen Umsturz einleiten soll? Und ist es umgekehrt so, daß der laizistische Staat um so sicherer ist, je kleiner, schwächer und unbedeutender diese Behörde ist?

Die Religionsbehörde ist seit 1961 in der Verfassung verankert. Seit 1971 sind ihre Mitarbeiter Staatsbeamte. Die heute gültige Verfassung von 1982 legt fest, daß am Status der Behörde als Teil der allgemeinen Verwaltung nicht gerüttelt werden darf. Ihre Existenz ist zusätzlich durch das Parteiengesetz abgesichert, das den politischen Parteien verbietet, die Forderung nach ihrer Abschaffung zu erheben.

Heute ist die Religionsbehörde eine der größten und reichsten Institutionen im Lande. Sollten die neuen Stellen besetzt werden, wäre die Behörde mit dann circa 100 000 Mitarbeitern vom Personalbestand her die fünftgrößte Institution. Auch der Haushalt der Behörde kann sich sehen lassen. Ihr Budget ist höher als das von fünf kleineren Ministerien zusammen, und wird nur von den Haushalten des Verteidigungs- und des Innenministeriums (einschließlich der Sicherheitsdirektion/Polizei) überflügelt.[20] Diese privilegierte Stellung der Behörde im Staatsgefüge ist freilich nicht das Werk der heutigen Regierungspartei. Das zu Beginn der Republik gelegte Fundament der Behörde wurde in den darauf folgenden Jahrzehnten stetig ausgebaut, und es fällt auf, daß jede Machtergreifung der Militärs zu einer Verfestigung des Status’ der Religionsbehörde führte, so 1961, 1971 und 1982. Gerade die Militärs, die sich als Garanten des Laizismus in der Türkei verstehen, haben sich um die verstärkte rechtlichen Absicherung der Behörde verdient gemacht.

Zur Aufgabe dieses Amtes für Religion heißt es in Artikel 136 der Verfassung, es sei in seiner Arbeit „dem Laizismusprinzips verpflichtet“ und habe im Geiste „nationaler Solidarität und nationalen Zusammenwachsens” zu wirken. Mit dem Vorwurf konfrontiert, über die Zuteilung neuer Stellenden politischen Islam zu fördern, rechtfertigte sich der stellvertretende Ministerpräsident Mehmet Ali Sahin. Er sagte, man müsse verhindern, daß nichtstaatliche Kreise die Religion zur politischer Mobilisierung gegen den Staat nutzen könnten. „Die Stärkung der Religionsbehörde dient der Sicherung des laizistischen Regimes” meinte Sahin und stellte sich damit in einen klassischen Diskurs der Republik.[21]

Nach dieser Logik bietet nur eine zentral formulierte und durchgesetzte einheitliche Version der Religion Schutz vor ihrer Instrumentalisierung durch die Fundamentalisten. In einer freien Auseinandersetzung über die Religion würden sich – so die Befürchtung – gemäßigte Töne nicht durchsetzen können.

Die Verfassung nennt jedoch nicht nur den Schutz des Laizismus als Aufgabe der Behörde, sondern auch die Bewahrung nationaler Einheit. Diese Funktion der Behörde wurde zuletzt im Januar dieses Jahres zum Gegenstand der öffentlichen Auseinandersetzung. Der für die Behörde zuständige Staatsminister Mehmet Aydın dachte damals laut darüber nach, ob es nicht angebracht sei, die Behörde, die heute dem Ministerpräsidenten untersteht, allmählich in die Autonomie zu entlassen.[22] Die laizistische Presse sah solche Überlegungen als Beginn einer fast noch gefährlicheren Entwicklung, als es der islamische Fundamentalismus ist. Pluralismus im religiösen Leben wurde als erste Schritt zu religiösem und ethnischem Separatismus angesehen. So warnte das Massenblatt Hürriyet davor, „die Büchse der Pandora zu öffnen“ und schrieb, die Reformabsichten könnten nur bedeuten, daß „die Orden und Religionsgemeinschaften in einen heißen Streit miteinander eintreten. Jeder wird dann nur noch in die Moschee seiner Gemeinschaft gehen, und die Masse der Türken, die keinem Orden und keiner Sekte angehören, müssen in eine solche Gemeinschaft eintreten, um ihr Gebet verrichten zu können. Das heißt, es kommt zu neuem Separatismus diesmal im Namen der Religion.“[23]

Tatsächlich hat sich die Republik Türkei seit ihrer Gründung von zwei Ängsten nicht befreien können. Sie befürchtet einerseits, der Einfluß der Religion können zur Rücknahme der verwestlichenden Reformen führen. Und zum zweiten rechnet sie stets mit der Gefahr der Spaltung der Nation entlang sprachlicher und konfessioneller Linien. Die Religionsbehörde soll beiden Gefahren entgegenwirken, und zwar dadurch, daß sie eine laizistische Version von Islam formuliert und durchsetzt, die gleichzeitig stark türkisch-national konotiert ist.[24] Die starke rechtliche Absicherung der Religionsbehörde in der Verfassung und im Parteiengesetz spiegelt die Zentralität dieser Aufgaben wieder. Aus dieser Doppelfunktion der Behörde erklärt sich auch weshalb – in den Augen der republikanischen Elite – der Ausbau und die personale Verstärkung der Religionsbehörde ebensosehr eine Gefahr darstellen kann, wie ihre schrittweise Entlassung in die Autonomie. Die Elite glaubt, nicht auf das Instrument Religionsbehörde verzichten zu können und befürchtet gleichzeitig, daß ihr dieses Instrument – falls es zu groß wird – außer Kontrolle geraten und die Islamisierung befördern könnte.

Die Herstellung nationaler Einheit über die Propagierung einer Version von Islam geht natürlich auf Kosten von Gruppen, die einer anderen Version von Islam anhängen, konkret der Alewiten[25] . Seit circa zehn Jahren äußern Sprecher der Alewiten offen ihre Kritik und konstatieren einen Widerspruch zwischen dem in Artikel 2 der Verfassung niedergelegtem Laizismusprinzip und dem Auftrag der Behörde, die Bürger in religiösen Dingen anzuleiten. Die Alewiten stört besonders, daß nationale Einigkeit dadurch befördert werden soll, daß die Behörde die Religionsversion der türkisch-sunnitischen Mehrheit als den Islam an sich präsentiert.[26] Alewitische Aktivisten weist auch darauf hin, daß die Privilegierung des sunnitischen Islams durch den türkischen Staat weit über die Religionsbehörde hinausgeht. Man erinnert an die sunnitische Ausrichtung des verpflichtenden Religionsunterrichts, auf die über die Predigergymnasien und theologischen Fakultäten institutionalisierte Ausbildung der sunnitisch-muslimischen Religionsfachleute; daran, daß es für Muslime nur den sunnitischen Bestattungsritus gibt; daß die Friedhöfe diesem Ritus gemäß gestaltet sind und daran, daß das Siedlungsgesetz eine Moschee als notwendigen Bestandteil für die amtliche Anerkennung einer Siedlung nennt.[27]



die Struktur des türkischen Laizismus

Der türkische Laizismus beruht also nicht auf einer institutionellen Trennung von Staat und Kirche und auch nicht auf einer verbrieften Gleichbehandlung unterschiedlicher Religionsgemeinschaften durch den Staat. Verständlich wird die Struktur des türkischen Laizismus nur vor dem Hintergrund der genannten zwei zentralen Zielen des Staates. Zum einen soll die Religion dazu dienen, unterschiedliche Gruppen auf einen türkischen Islam einzuschwören und dadurch nationale Einheit zu erreichen. Zum anderen soll die türkisch-muslimische Gesellschaft verwestlicht werden und ihre Mitglieder aus einem als traditionell, engstirnig und den Fortschritt behindernden Religionsverständnis gerissen werden. Der türkische Laizismus löst seinen Anspruch auf Säkularisierung nicht dadurch ein, daß er die Religion neben den Staat stellt und beider Verhältnis zueinander rechtlich regelt, sondern dadurch, daß er dem Staate das Interpretationsmonopol über die Religion einräumt und das legale religiöse Leben bürokratisiert. Sunnitische Kritik an Letzterem gibt es seit Gründung der Republik. Die Stimmen der Alewiten sind neueren Datums, und daß im Namen von prinzipieller Gleichheit und religiösem Pluralismus auch sunnitische Intellektuelle die Behörde kritisieren, ist ein noch jüngeres Phänomen.[28]

Staatlicherseits heißt es dazu, es gebe im Islam nun einmal keine Kirche im Sinne eines hierarchisch organisierten Klerus. Damit entfalle auch die Möglichkeit, eine Kirche vom Staate zu trennen und ihr rechtlich gesicherte Autonomie zu gewähren.[29] Das stimmt, doch läßt sich der Begriff ‚Kirche‘ wirklich nur so eng verstehen? ‚Kirche‘ ist ja auch ganz allgemein ‚tradierte Lehre‘, wie auch immer gestaltetes ‚religiöses Spezialistentum‘ und in welcher Form auch immer von den Gläubigen verliehene religiöse Autorität‘. Ob jahrhundertealte kirchliche Organisation oder nicht – die Trennung der Religion vom Staate erfordert, daß die Autonomie der religiösen Gemeinde/n vom Staate garantiert ist. Es ist diese verbriefte und einklagbare Autonomie der religiösen Gemeinschaft von der staatlichen Gewalt, die ihr die Eigendefintion ihrer Religion erlaubt. Und selbst die Freiheiten der einzelnen Gläubigen, ihr privates religiöses Leben im Prinzip auch unabhängig von der/den Religionsgemeinschaft/en und sogar im Konflikt mit ihnen zu leben, hängt von dieser Distanz des Staates zu den Religionsgemeinschaften ab. Für die Gleichbehandlung verschiedener Religionen und Konfessionen braucht es jedenfalls nicht, daß alle Religionsgemeinschaften ‚Kirchen‘ im engeren Sinn des Begriffes sind. Einzuräumen ist freilich daß auch in Europa bei einzelnen moderne Nationalstaaten von einer vollkommen Trennung von Kirche und Staat nicht gesprochen werden kann und daß Säkularismus und Laizismus sich ganz unterschiedlich entwickelt haben und bisweilen gegensätzlich institutionalisiert sind. Einige Kriterien jedoch gelten als Kernelemente jeder Regelung des Verhältnisses von Staat und Religion, die säkular oder laizistisch genannt werden will. Es sind die Definitionsfreiheit der religiösen Gemeinde über ihre Lehre, das prinzipielle Recht der Individuen, von der Gemeinde abweichende religiöse Vorstellungen zu vertreten, zu leben/praktizieren und zu propagieren; das Nichtbenachteiligungs- und das Privilegierungsverbot der einzelnen Gemeinden und der Recht der Individuen aus religiös/weltanschaulichen Gründen nicht benachteiligt zu werden.[30]



Resümee

Die Betrachtung des türkischen Laizismus führt mich zu folgenden Schlußfolgerungen.

Erstens zeigt das türkische Beispiel, daß nicht der Islam die Politik, sondern die Politik die Religion bestimmt. Weder bestehen politisch einflußreiche religiöse Institutionen, noch richtet ein religiöser Diskurs das staatliche Handeln aus. Im Gegenteil, die Religion wird von einer Staatsbehörde unter anderen verwaltet, sie hat dem Nationalstaat zu dienen, der mit ihrer Hilfe die Nation einigen und die Muslime verwestlichen will. Nicht die Religion herrscht über den Staat und die Köpfe der Menschen, sondern der Staat instrumentalisiert die Religion.

Zweitens, die Republik übernimmt das Ineinander von Staat und Religion vom Osmanischen Reich und führt es in modifizierter Form fort. Dies kann jedoch nicht einfach als Forstsetzung einer originär islamischen Tradition verstanden werden. Das osmanische Reich schafft die ersten religiösen Hierarchien nach der Eroberung von Byzanz, und man spricht vom Einfluß des Caesaropapismus auf das junge Reich.[31] Tatsächlich ist das Ineinander von Staat und Religion bei den orthodoxen Nachbarn der Türken, den Griechen, den Bulgaren, den Serben und den Russen nicht weniger innig. In den orthodoxen Ländern entwickelte sich die moderne Nation nicht gegen, sondern innerhalb der Kirche. Die Verschmelzung von religiöser und nationaler Identität, wie wir sie zu Beginn der Republik im Befreiungskrieg erleben, ist keine Besonderheit des Islam und keine Besonderheit der Türkei.[32]

Drittens, der Übergang der staatlichen Legitimation von Gott auf die Nation ist ein allgemeines historisches Phänomen, das mit dem Sturz der Monarchien, dem Niedergang der europäischen Vielvölkerreiche und der Entstehung der Nationalstaaten zusammenhängt. Nicht nur in der Türkei diente das geistige Ringen um Säkularisierung und das politische Ringen um eine laizistische Ordnung dem Zweck, die Nation, die sich jetzt erstmals als politisches Subjekt konstituiert, vom rechtlichen Einfluß der Kirche und vom mentalen Einfluß der Religion zu befreien. Die Türkei hat sowohl die säkularen Ideen als auch die zentralstaatliche Form ihrer Durchsetzung aus Europa, konkret aus Frankreich übernommen. Aus der europäischen Geschichte weiß man auch, daß Säkularismus und ein religionsausgrenzender Laizismus allein einen Staat nicht demokratisch machen.

Viertens, in diesem Sinne tritt uns mit der heutigen Türkei nicht der Orient gegenüber, sondern ein Stadium europäischer Geschichte, das in Westeuropa weitgehend überwunden ist. Denn spätestens seit dem zweiten Weltkrieg hängt in Europa, die Legitimität der Staaten weniger davon ab, daß sie ihr nationales Kollektiv verabsolutieren, sondern, davon, daß sie die Rechte des Individuums und einzelner Gruppen wahren.[33] Moderne Staaten finden ihre Legitimation nicht in der Aufrechterhaltung sprachlicher, religiöser und politischer Gleichförmigkeit, sondern darin, daß sie Interessengegensätze zulassen und den rationalen und demokratischen Ausgleich dieser institutionalisieren. Nicht das homogene Kollektiv ist die Legitimationsquelle moderner Staaten, sondern das Recht zu Vertretung unterschiedlicher Interessen und Identitäten. Insofern ist nicht Gleichförmigkeit die Quelle staatlicher Legitimation, sondern die Achtung und der Ausgleich von Gegensätzlichkeit.[34] Auch in diesem Sinne ist die Türkei nicht der Gegensatz von Europa, sondern ein verspätetes Europa.

Fünftens, bei aller Kritik ist davor zu warnen, die Revision von Geschichte zu verlangen. Religionsfreiheit und eine säkulare Ordnung lassen sich in den unterschiedlichsten Modellen realisieren. So wenig Europa den französischen Laizismus, die englische Staatskirche oder das deutsche Konkordatsystem in Frage stellen kann, so wenig kann es von der Türkei den vollkommenen Umbau ihrer religiösen Institutionen verlangen. Wo keine vom Staate trennbare Kirche existiert, sind neue Lösung zu suchen. Auf Liberalisierung, Verrechtlichung und Gleichbehandlung innerhalb des bestehenden Systems kann jedoch gedrungen werden.


[1] Vgl. dazu meinen Beitrag in der Neuen Zürcher Zeitung vom 24. November 2003.

[2] Vgl. H.-U. Wehler, Das Türkenproblem, Die Zeit 12. September 2002.

[3] Thomas Luckmann: „The invisible religion“, New York 1976, S. 78. Dt. Die unsichtbare Religion, Frankfurt am Main 1991.

[4] Vgl. etwa zur Erklärung des neuzeitlichen Individualismus und zu seiner Rechtfertigung aus der protestantischen Theologie, Georg Stauth: „Islam und westlicher Rationalismus“, Frankfurt am Main 1993.

[5] Dies ist die Grundannahme der klassischen Religionssoziologen Emile Durkheim und Max Weber.

[6] Vgl. zum Komplex Nur Vergin: Din devlet iliskileri (Das Verhältnis von Staat und Religion) in: dies.: „Din, toplum ve siyasal sistem“, Istanbul 2000, S. 98-133 (Vergin ist Professorin für Soziologie an der Universität Istanbul und eine public intellectual der Türkei).

[7] A.F. Basgil: „Din ve laiklik“ (Religion und Laizismus), Istanbul 1985, S. 184-185. (Ali Fuad Basgil war führender Rechtswissenschaftler der Republik und Kandidat der Demokratischen Partei für das Amt des Staatspräsidenten).

[8] Vgl. dazu Sami Zubaida: „Islam, the people and the state“, London 1993.

[9] Vgl. zur Laizisierungspoltik der Republik: ismail Kara: Eine Behörde im Spannungsfeld von Religion und Staat: Das Präsidium für religiöse Angelegenheiten: in G. Seufert & J. Waardenburg (Hrsg.): „Türkischer Islam und Europa“, Stuttgart 1999, S. 209-240.

[10] Vgl. zum philosophischen Hintergrund und zur Praxis des französischen Laizismus F.A. Hayek: „Mißbrauch und Verfall der Vernunft“ (The counterrevolution of science), Frankfurt am Main 1959, 2. Kapitel.

[11] Wie grundlegend die Religion entmachtet wird zeigt sich für Campbell darin, daß es zwar eine institutionalisierte Religionssoziologie gibt aber – wie er sagt – keine Soziologie der Irreligiosität. C. Campbell: „Towards a sociology of irreligion“, London 1971, S. 9. Dagegen steht freilich das theoretische Werk Voegelins, vgl. Eric Voegelin: „Die politischen Religionen“, München 1993.

[12] Teilweise wird die Frage in radikaler Ablehnung der Religion beantwortet, so bei Abdullah Cevdet, der in seiner Schrift „Hadd-i Tedib“ (Zum Begriff der Strafe) sagt: „Die Wissenschaft ist die Religion der Erkenntnis, die Religion ist die Wissenschaft der Dummheit“ Istanbul 1912, S. 66. Weitere den Diskurs bestimmende türkische und oder osmanische Intellektuelle, die die Religion in säkularen Parametern wie Funktionalität, historische Bedingtheit und in entwicklungstheoretischen Zusammenhängen sahen sind etwa Yusuf Akçura, Ziya Gökalp, Halil Nimetullah, M. Semseddin Günaltay, Ahmet Agaoglu und Mehmet izzet.

[13] So wird in der Republik der Islam bisweilen ausgegrenzt, bisweilen als Teil der nationalen Identität und Teil des nationalen Erbes dargestellt, doch ist der Rahmen, in dem die Religion präsentiert wird, immer ein säkularer. Vgl. etwa Günter Seufert: The faculties of divinity in the current tug of war; in: „Formes nouvelles de l’islam en Turquie“, Les annales des lautre islam, Institut National des Langues et Civilisation Orientales, Paris 1999, S. 353-170.

[14] Vgl. z.B. Ali Bulaç: islâm devleti projesi çöktü (Die Idee vom islamischen Staat ist tot) in: Nese Düzel: „Türkiye’nin karanlık yüzü“, Istanbul 2001, S. 51 ff. Bulaç ist einer der führenden pro-islamischen Theoretiker der Türkei.

[15] Vgl. dazu Günter Seufert: Keine Identität für alle. Die islamischen Intellektuellen der Türkei haben den säkularen Staat längst anerkannt, Frankfurter Rundschau 12. November 2002.

[16] Vgl. Commission of the European Communities: Regular report on Turkey’s progress towards accession, 2002, S. 138 und passim.

[17] Emre Öktem: Türkiye’deki gayrîmüslim cemaatlerin hukukî durumu (Die rechtliche Situation der nichtmuslimischen Gemeinden in der Türkei, Manuskript des Vortrags auf der Tagung Laizismus und Religionsfreiheit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Istanbul vom 23. Oktober 2003, S. 19.

[18] Vgl. Öktem a.a.O. S. 3.

[19] Vgl. Ayse Kadıoglu: The paradox of Turkish nationalism and the construction of official identity, Middle Eastern Studies 32/2, 1996, S. 177-193.

[20] Erdogan Aydın, Diyanet’i ne yapmalı? (Wie weiter mit der Religionsbehörde?), Radikal-iki (Wochenzeitung) 23. März 2003.

[21] Zitiert nach: Hükümet savunmaya geçti (Die Regierung rechtfertigt sich) Radikal 26. Juni 2003.

[22] Mehmet Aydın: Avrupa Birligi, din ve Diyanet (Die Europäische Union, die Religion und die Religionsbehörde), in: islâmiyat, März 2001.

[23] AKP’nin Diyanet’le ilgili tehlikeli hamlesi (Der gefährliche Schachzug der AKP in Bezug auf die Religionsbehörde), Tageszeitung Hürriyet vom 8. Januar 2003.

[24] Vgl. zum Nationalismus der offiziellen Religionspolitik: Günter Seufert: Die Türkisch-Islamische Union der türkischen Religionsbehörde (DiTiB) in: Seufert/Waardenburg 1999, S. 261-293.

[25] Alewiten, größere muslimische Gruppe in der Türkei, die außerhalb der vier anerkannten Religionsschulen steht, Vgl. zu den Alewiten Karin Vorhoff: „Alevitische Identität in der Türkei der Gegenwart“, Schwarz, Berlin 1995.

[26] Im November 2003 haben ‚zivile‘ alewitische Kreise in Istanbul sich an die Gründung einer zentralen Institution für die alewitische Interpretation des Islams gemacht. Sie gehen damit erstmals offen in direkte Konfrontation mit den staatlichen Monopol auf die Institutionalisierung des Islams. Vgl. Radikal vom 6. und vom 15. November 2003.

[27] Erdogan Aydın a.a.O.

[28] Vgl. So beispielsweise Taha Erdem: Hükümet dini yönetir mi? (Kann der Staat die Religion verwalten?) Radikal 26. Juni 2003.

[29] Vgl. zur staatlichen Rechtfertigung des Laizismus Christian Rumpf: Türkisches Verfassungsgericht: Urteil vom 7.3.1989, RS 1989/1, Entscheidung 1989/121 (Kopftuch-Urteil übersetzt und angemerkt von Christian Rumpf, Zeitschrift für Türkeistudien 1/90.

[30] Vgl. zur Diskussion der juristischen Seite der Religionsfreiheit José de Sousa a Brito: Die verfassungsrechtliche Garantie der Religionsfreiheit in Portugal. Manuskript des Vortrags auf der Tagung Laizismus und Religionsfreiheit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Istanbul vom 23. Oktober 2003. Das portugiesische Gesetz 16/2001 gilt als die bislang ausführlichste Formulierung von Religionsfreiheit in Europa.

[31] Halil inalçık: „Osmanlı hukukuna giris“ (Einführung in das osmanische Recht), Istanbul 1993, S. 320-341 und A. Y. Sarıbay: Türkiye’de devlet: kurum mu, cemaat mı? (Der Staat in der Türkei, Institution oder Gemeinde?, Dergah 44, Oktober 1993, S. 1 und 16-17.

[32] So machte die Verfassung Griechenlands von 1822 die Mitgliedschaft in der orthodoxen Kirche zur Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft. Vgl. Photini Pazartzis: Le statut des minorités en Grèce in: Annuaire français de droit international, XXXVIII-1992, S. 379.

[33] Vgl. zur neuen Sakralität des Individuums: R.K. Fenn: „Liturgies and trials“, Oxford 1982.

[34] R. Towler: „Homo Religiousus“, London 1975, S. 162.
Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen. - Kurt Tucholsky

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Ob der Islam "europakompatibel" ist oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle.

In zwei, spätestens drei Generationen ist Europa mehrheitlich islamisch. Dafür hatten aber auch Singels und selbstverwirklichte "Frauen" eine verdammt schöne Party.

In einer islamischen Gesellschaft kann man leben. Darauf sollen und müssen wir Christen uns rechtzeitig einstellen.

Immerhin sind die Aussichten für Christen in einer islamischen Geselllschaft erheblich besser als in der liberalen Abtreibungsgesellschaft mit Ehen unter Homosexuellen, Ausschlachtungen zum Zwecke von "Organspenden", "Sterbehilfe", Pornokratie und was es sonst noch an fortschrittlichen Errungenschaften gibt.

Hoffen wir, daß sich der unvermeidliche Übergang friedlich vollzieht.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

MonaLisa
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Beitrag von MonaLisa »

Ich hoffe, dass der Herr Jesus Christus vor der Übernahme Gesamt-Europas durch den Islam wiederkommt...

Maranatha, ja, komm, Herr Jesus!

HeGe
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Beitrag von HeGe »

Ewald Mrnka hat geschrieben:Immerhin sind die Aussichten für Christen in einer islamischen Geselllschaft erheblich besser als in der liberalen Abtreibungsgesellschaft mit Ehen unter Homosexuellen, Ausschlachtungen zum Zwecke von "Organspenden", "Sterbehilfe", Pornokratie und was es sonst noch an fortschrittlichen Errungenschaften gibt.
Irgendwo, ich glaube bei kreuz.net, habe ich gelesen, dass in den USA der Anhänger irgendeiner humanistischen Sekte jetzt seinen Hund "geheiratet" habe. :D Wo wir doch gerade bei fortschrittlichen Errungenschaften waren. :D


(Ich weiß, war off-topic.)
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Ewald Mrnka hat geschrieben: In zwei, spätestens drei Generationen ist Europa mehrheitlich islamisch. Dafür hatten aber auch Singels und selbstverwirklichte "Frauen" eine verdammt schöne Party.
Ist Dir ein Zurück zu Zwangsehen und Mutterkreuz lieber?
In einer islamischen Gesellschaft kann man leben. Darauf sollen und müssen wir Christen uns rechtzeitig einstellen.
Lange keinen solchen Unsinn mehr gelesen. Das gesellschaftliche Klima für Christen mag in pluralistischen Gesellschaften nicht immer angenehm sein, weil Christen sich hier einem Wettberb der Wertesysteme stellen müssen, aber von Verfolgungen liest man eher selten - außer wenn Politiker wie Herr Buttiglione sich unbedingt unbeliebt machen wollen und konservative Kreise dies zur Verfolgung hochspielen.

In "islamischen" Gesellschaften hingegen sind Christenverfolgungen leider immer noch weit verbreitet. Insofern ist mir ein Rätsel, wie Du zu einer solchen Aussage kommen kannst.

Ich finde es mehr als bedenklich, daß scheinbar konservative Katholiken wie Du extreme Probleme mit einer Gesellschaft haben, die den Menschen die Freiheit läßt, sich für oder gegen den Glauben zu entscheiden, zugleich aber mit einer Art Angstlust oder schaudernder Faszination auf
religiös-totalitäre Systeme anderer Provinienz wie etwa des Islam blicken.

Heute gar keine Bürgerkriegsphantasien?

Gruß
SD

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nemesis
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Beitrag von nemesis »

Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen. - Kurt Tucholsky

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

GAMMELFLEISCH
Türken wittern Döner-Verschwörung
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 28,00.html
Als Christ esse ich eh Spaghetti Bolognese und Tatar aus Schweinefleisch. 8)

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Knecht Ruprecht hat geschrieben:
GAMMELFLEISCH
Türken wittern Döner-Verschwörung
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 28,00.html
Als Christ esse ich eh Spaghetti Bolognese und Tatar aus Schweinefleisch. 8)
Hat etwas das Essen auch was mit Christsein zu tun? Müssen jetzt türkische Christen sich auf europäische Küche umstellen. Ist das ein Dogma von Papst Knecht I?

LG
Fiore
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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Türkische Frauen heiraten keine europäische Männer und europäische Männer kaufen kein türkisches Essen. Jeder bleit bei seinem. 8)

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