Pelikan hat geschrieben:Rückwirkende Gesetze zu erlassen, um einen Souverän zu richten, der keinem positiven Gesetz unterworfen war, finde ich dagegen ganz unmöglich. Es gibt heute diesen Drang, einen außergesetzlichen Notstand irgendwie in den Rahmen der Rechtsprechung zu pressen, und sei es durch leere Rituale. Dadurch entsteht aber keineswegs ein Mehr an Gerechtigkeit.
Das aberwitzige bei Deiner Kritik ist, die "rückwirkenden" Gesetze, die für Saddams Gerichtsfall eingeführt wurden, waren für Irak bisher unbekannte Sachen wie das Recht auf einen Anwalt, das Recht nicht gegen sich selbst aussprechen zu müssen und so weiter. Die sonstigen haben dazu beigetragen, Iraks Rechtssystem den Normen, die von der UNO in der
Universal Declaration of Human Rights vorgeschrieben werden, anzupassen: Unter anderem weil ein Grundprinzip jedes Rechtsstaates ist, jeder unterliegt dem Gesetz -- sogar der Staatsoberhaupt -- und das ist übrigens geltendes internationales Recht -- siehe UDHR Art. 7: "All are equal before the law and are entitled without any discrimination to equal protection of the law". (Das gilt natürlich auch für Bush.)
Da Saddam bereits gefangen genommen wurde, war ein solches Prozeß die einzige halbwegs sinnvolle und glaubwürdige Möglichkeit gewesen. Freilassen? Das hätte die USA völlig lächerlich gemacht. Sofort totschießen? Für einen Staat wie die USA, die zumindest behaupten, im Interesse des internationalen und nationalen Rechtes zu handeln, wäre das ebenfalls undenkbar. Also ein Prozeß.
Dass das Prozeß supi-toll-wunderbar war, habe ich auch nirgendwo behauptet. Sicherlich gibt es Grund zur Kritik -- aber nur mit Mäßigung. Ich sehe keine anderen Möglichkeit, außer Saddam in Gericht zur Verantwortung zu ziehen, möglichst nach irakischem Recht. Das ist geschehen, wenn nicht vollkommen.
Dass der Krieg selbst wahrscheinlich illegal war, spricht natürlich nicht für die USA, erst recht nicht für Bush. Der Krieg war insgesamt ein Fehler, ein riesiger Fehler sogar, mit schlimmen Folgen für uns alle. Aber das Saddam-Prozeß -- trotz Todesurteil -- war m.M.n. einer der wenigen Pluspunkte der ganzen beschi**enen Affäre.
Peregrin hat geschrieben: Nein. Totschießen ist eine ehrliche Gewalttat, aber ein Schauprozeß verhöhnt das Recht.
Absurd. Erstens war das kein "Schauprozeß" im Sinne von der Sowjetunion oder NS-Zeit, wie oben aufgeführt. Zweitens kann ich mir jetzt schon die Überschriften in europäischen Zeitungen vorstellen, wenn sie so gehandelt hätten wie Du vorschlägst, wo Amerikaner nur noch als völlig rechtslose Mörder dargestellt werden. Zumindest haben sie versucht, Recht in einem Punkt aufrecht zu erhalten -- trotz illegalen Kriegs.
Athanasius2 hat geschrieben: Wenn es ihm gelingt sich zu verteidigen, so heisst das noch nicht, dass deswegen ein schnelles Köpfen angesagt ist. Wie im Falle von Milosevic, der in der Zelle starb (und dessen Tod immer noch in Serbien, aber sogar in Russland wo pan-slawische und pro-sozialistische Elemente immer noch leben, für Hass gegen den Westen und die USA sorgt), hätte man hier den Rechtsgang führen müssen, also langsam. Nicht schnell, schnell. Nicht während des Bürgerkriegs.
Ich habe auch nicht gesagt, dass das Prozeß vollkommen war. Als klares Beispiel halte ich den Todesurteil für falsch, und ich stimme Dir in den o.g. Punkten teilweise zu. Andererseits halte ich den Pauschalurteil, dass das alles Schauprozeß sei, für weit hergeholt. Wenn das ein Schauprozeß war, dann war es nicht gelungen, denn Saddam hat es immer wieder als Bühne ausgenutzt.
Was dabei besonders auffällt: Man schreibt den USA gerne fast übernatürliche Kräfte zu, wenn es um Verschwörungen wie 9-11 oder die Mondlandung oder den Tod von JFK geht, aber auf einmal kann die USA nicht mal ein ordentliches Schauprozeß hinbekommen, was ein Kinderspiel im Vergleich wäre. Das zeigt, wie lächerlich diese Art von Kritik ist.
Cheers,
John
Der Beweis, dass Gott einen Sinn für Humor hat: Er hat die Menschheit geschaffen.
[ Alt-Katholisch/Anglikanisch in Hannover ]