Georgien

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ar26
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Beitrag von ar26 »

Im Sumpfwald, wo wir pösen Deutschen die armen Sumpfbewohner seit 800 Jahren unterdrücken steht zwar eine meiner akademischen Mütter; aufgewachsen bin ich aber dort, wo man sich der US-Army ergab :D und in den 80igern via Ochsenkopf kulturell hoch wertvolle Serien aus USA schaute. Mittlerweile lebe ich allerdings ohne Volksempfänger.

Vorher kam ich aber dennoch einmal in den Genuss im mitteldeutschen Rundfunk den sowjetischen Film über Alexander Newskis Sieg über den Deutschen Orden auf dem Ladogasee zu schauen. Für mich war das Faszination und Amüsement zugleich. Ich hatte persönlich beim Schauen den Eindruck, daß man bei den Kämpfern aus Nowgorod vollständig auf christliche Symbolik verzichtete während man sie den Rittern des Deutschen Ordens in fast jeder Szene aufs Auge drückte. Ein Schelm...

Mehr Erfahrung mit sowjetischen Kriegsfilmen habe ich leider nicht.

PS: Die Sumpfbewohner sind unter dem römischen Patriarchen christianisiert worden, ergo unser; bevor jetzt wieder irgendwelche panslawistischen Träume aufkommen.

PPS: Was hätten die Landser eigentlich sonst sagen sollen? Stalin kaputt? Wäre zwar wahr gewesen aber irgendwie auch unklug.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Kurt hat geschrieben:Natürlich sucht jeder Kriegstreiber nach Rechtfertigungen; das war bei Hitler so (es wird zurückgeschossen), bei den USA (Saddam hat Massenvernichtungswaffen) und ist nun auch bei den Russen so (EU und NATO erkennen Kosovo an).
Irgendwas geht da bei dir durcheinander. Rußland begründet weder die militärischen Aktionen gegen Georgien noch die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens mit der Anerkennung des Kosovo durch westliche Staaten.

Rußland hat militärisch reagiert, weil Georgien angegriffen hat.

Rußland hat die beiden Provinzen anerkannt, weil nach der kriegerischen Eskalation und dem Beharren auf Ziel, Recht und Art und Weise des Angriffs sowohl seitens Georgiens als auch von seiten der Schutz- und Führungsmacht USA keine andere Lösung blieb.

Rußland hat auf die Anerkennung des Kosovo durch den Westen weder durch militärische Aktionen geantwortet noch durch eine Anerkennung Südossetiens und Abchasiens.

Ich habe vom Kosovo geredet, um deutlich zu machen, welches Maß an Heuchelei die antirussische Propaganda westlicher Führer darstellt.

Ich hoffe, damit der Verwirrung nun endlich abgeholfen zu haben. – Zum Rest morgen. Gute Nacht.
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Kurt
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Beitrag von Kurt »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:...Rußland begründet weder die militärischen Aktionen gegen Georgien noch die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens mit der Anerkennung des Kosovo durch westliche Staaten.
...
Rußland hat auf die Anerkennung des Kosovo durch den Westen weder durch militärische Aktionen geantwortet noch durch eine Anerkennung Südossetiens und Abchasiens.

Ich habe vom Kosovo geredet, um deutlich zu machen, welches Maß an Heuchelei die antirussische Propaganda westlicher Führer darstellt.
Nö, es gibt noch andere, die sich zu dem Thema geäußert haben. Dazu eine sehr gute, weil ausgewogene Zusammenfassung der Situation: Nie waren wir so einflussreich

daraus:
Präsident Dmitrij Medwedjew zeigte auf das amerikanische Raketenabwehrsystem, er prangerte die westliche Anerkennung des Kosovos an – an jenem Tag, als er die Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens von Georgien beglaubigte.
Übrigens sind es nicht nur linke Randblättchen und Privatblogs, die sich "positiv" oder wenigstens neutral über Rußland äußern - wo ja der komplette Westen gleichgeschaltet ist ;D. Es ist immer eine Frage der Zitation; ich glaube im Moment macht sich die Rußland mehr Probleme, als nötig wäre.
Zuletzt geändert von Kurt am Sonntag 31. August 2008, 10:21, insgesamt 1-mal geändert.

Inabikari
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Beitrag von Inabikari »

Warum bekam Tschetschenien von Rußland nicht, was Rußland jetzt für Abchasien und Südossetin einfordert?

Ist es nicht auch Heuchelei, wenn man vom Kosovo redet, über Tschetschenien jedoch schweigt?

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Inabikari hat geschrieben:Warum bekam Tschetschenien von Rußland nicht, was Rußland jetzt für Abchasien und Südossetin einfordert?
Einmal das. Und ich glaube nicht, daß wir sehr lange darauf warten müssen, daß die "unabhängigen Staaten" um Aufnahme in die russische Föderation "bitten". Dann wäre die Frage jedenfalls wieder im Lot ;)

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Inabikari hat geschrieben:Ist es nicht auch Heuchelei, wenn man vom Kosovo redet, über Tschetschenien jedoch schweigt?
Nein, das nennt man strategische Diplomatie ;D

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Kurt hat geschrieben:Natürlich sucht jeder Kriegstreiber nach Rechtfertigungen; das war bei Hitler so (es wird zurückgeschossen), bei den USA (Saddam hat Massenvernichtungswaffen) und ist nun auch bei den Russen so (EU und NATO erkennen Kosovo an). Da diese vorgschobenen Gründe sinnlos sind...
Die Aneinanderreihung dieser Dinge und damit deren Gleichsetzung ist geistiger Marasmus ist Reinform. Ich würde Kurt und die anderen bitten, gefälligst zur Kenntnis zu nehmen, daß Rußland seine Armeen erst am zweiten Tag der georgischen Aggression ins Rollen brachte, nachdem es versucht hat, über den UN-Sicherheitsrat zu einem allgemeinen Gewaltverzicht aufzurufen. Das wurde von der USA geblockt, und die Medien wurden ohnehin erst aktiv, als Rußland nach dem Angriff auf seine Friedenstruppen militärisch in die Bresche sprang. - Ein Vergleich mit Hitler und den Amerikanern, genau wie das Epithet "Kriegstreiber" für Rußland ist eine Infamie, die zum Himmel stinkt.
Kurt hat geschrieben:Und ich glaube nicht, daß wir sehr lange darauf warten müssen, daß die "unabhängigen Staaten" um Aufnahme in die russische Föderation "bitten".
Ja, immer schön dünn labern. Du weißt aber, daß Georgien inkl. Ossetien 1801 bzw. 1810 um die Aufnahme ins Russische Reich baten? Man schätzt, daß in ganz Georgien um die Zeit weniger als 100.000 Menschen lebten, schön dezimiert von Türken, Persern und Armeniern. Das ist euch doch bekannt? Tatsächlich haben sich die Osseten 2006 in einem Volksentscheid dafür ausgesprochen, Teil der Russischen Föderation zu werden.

Apropos Volksentscheid. 2003 gab es ein Referendum in Tschetschenien, in dem sich die Tschetschenen mit überwiegender Mehrheit zu Rußland bekannten. Schätzungsweise werdet ihr das ähnlich hämisch abtun, wie ar26 alles, was er für "spätzaristisch" oder "bolschewistisch" hält, für illegitim erklärt. Aber die Tschetschenen haben einfach die Schnauze voll vom Bandenkrieg. Deshalb bekennen sie sich zu Rußland.

Tatsächlich ist der Vergleich der ehemals georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien mit dem Kosovo nicht korrekt. Ossetien wurde unter dem russischen Zaren und später unter Stalin aus verwaltungstechnischen Gründen der Region Georgien zugeschlagen. Als die georgische Sowjetrepublik sich von der SU löste, nahm sie Südossetien und Abchasien mit, einfach weil das Territorium dieser Sowjetrepublik diese Völker mit umschloß. Sie, d.h. diese Völker, wurden zu dieser Aktion nicht befragt. - Kosovo dagegen ist das historische serbische Kernland. Es ist keine Randprovinz, keine Separatistenregion, kein unrelevantes Bergland. Es hatte das Pech, für die Amerikaner strategisch wichtig zu sein. Also mußte es fallen. Und das war ein Verbrechen, im vollen Gegensatz zur jüngsten Entwicklung in Südossetien. Wenn die Russen sich auf das Beispiel Kosovo berufen, meinen sie sicher eher die Bereitwilligkeit der "zivilisierten Welt", das internationale Recht zu brechen.

Ich jedenfalls erkenne die heutigen Georgier nicht mehr. Dabei meinte ich sie zu kennen. Klar war ich auch mal in Georgien, außerdem kenne ich viele von ihnen, die hier studieren oder arbeiten. Sie sind zwar oft bedrohlicher Gestalt, aber sie sind keine Krieger, sie sind (übrigens im Gegensatz zu den Osseten) nicht aggressiv. Als die Georgier in Zchinwal erfuhren, daß die 58. Russische Armee, welche in Tschetschenien gekämpft hat, auf sie zurollt, haben sie ihr Equipment stehen und liegen lassen und sind abgehauen. Die georgische Regierung hat die komplette 4. Panzereinheit ihrer Armee als vermißt gemeldet. Niemand davon geriet in russische Gefangenschaft. Offensichtlich sind alle, die dort unter Waffen standen, desertiert. Die Russen bekamen die Panzer, "Hummer" und Massen schöner, in Ölpapier eingeschlagener M16-Knarren überlassen.
- Aber was wird da in der Welt gesponnen? Die Frage stellte Ste.. Kurt schon: warum rennen die ehem. Sowjetrepubliken und Ostblockländer der Nato in die Arme? Ich denke, das ist eine Frage von Product Placement. In all diesen Ländern kam auf die eine oder andere Weise eine jüngere Generation von Leuten an die Macht, die schön von Amerika erzogen wurden und sich dadurch auszeichnen, daß sie Rußland hassen. Georgien, Ukraine, nun auch Serbien, das Baltikum und Polen, die, was Rußland betrifft, wie räudige und blindwütige Hunde um sich beißen. Der Rest ist eine Frage der richtigen Einstellung von Medien und Meinung.

Die PR-Schlacht hat Rußland aber hochhaus verloren. Keiner weiß eigentlich, wie es losging. Heute "wissen" alle, daß Rußland in Georgien einmarschiert ist. Dabei braucht man bloß mal zu gucken, wessen Kriegsschiffe wo stehen, und welchen Radius ihre atomar bestückbaren Marschflugkörper abdecken können. Nee, liebe Leute, mindestens bis zum 5. November werden wir in ständiger Spannung leben. Es wählt sich vorteilhafter, wenn die Leute die Hose voll haben, ob sie nun vor "Ölboykott" oder vor bald "russischen Panzern in Washington" Angst haben.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »


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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das zu bringen hatte ich auch gerade vorbereitet. Danke. Zum Vergleich der ARD-Text:
http://www.tagesschau.de/ausland/putin172.html

Für die, die’s eventuell im Original verstehen, die russische Textfassung:
http://www.government.ru/content/govern ... 34419.htm
und als Video:
http://rutube.ru/tracks/967558.html?v=1 ... 157eaecb35

Als Dreingabe noch eine amerikanische Sicht der Dinge:
Paul Craig Roberts, stellvertretender US-Finanzminister a.D.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Kurt hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:...Rußland begründet weder die militärischen Aktionen gegen Georgien noch die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens mit der Anerkennung des Kosovo durch westliche Staaten.
...
Rußland hat auf die Anerkennung des Kosovo durch den Westen weder durch militärische Aktionen geantwortet noch durch eine Anerkennung Südossetiens und Abchasiens.

Ich habe vom Kosovo geredet, um deutlich zu machen, welches Maß an Heuchelei die antirussische Propaganda westlicher Führer darstellt.
Nö, es gibt noch andere, die sich zu dem Thema geäußert haben …
Natürlich haben andere dieselben Gedanken wie ich. Zumal, wenn sie so naheliegen.

Zum gestrigen Thema:

Kurt hat geschrieben:Dann sollte Rußland nicht mit solchen Machtspielchen reagieren, mit denen es sich ins Abseits manövriert.
Rußland hat einen brutalen Angriff abgewehrt und keine „Machtspielchen“ gespielt. Geht’s eigentlich noch absurder?

Kurt hat geschrieben:Wenn Rußland eine Vision für eine friedliche Zukunft hat, dann sollen sie sich darum bemühen, Unterstützung dafür zu erhalten.
Das tut Rußland eigentlich dauernd. Solange aber im Westen bedingungslos imperialistische Kräfte die Macht haben, wird daraus leider nichts. Wenn Bush, Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz, Perle, Libby, Soros, Blair, Brown & Co. den Platz einnehmen, den sie einst Saddam Hussein zugeteilt haben, könnte sich das eventuell einmal ändern. Oder wenn ihre Nationalökonomien den Totalzusammenbruch erleiden, bevor es ihnen gelingt, den nächsten großen Krieg vom Zaun zu brechen.

Kurt hat geschrieben:Bis jetzt flüchten die ehemaligen Bruderstaaten des Rechtsnachfolgers der UdSSR in die NATO und in die EU. Warum?
Schau dir die Leute an, die man da an die Schalthebel der Macht gesetzt hat.

Kurt hat geschrieben:Wenn Rußland aber lediglich seine Hegemonie ausgestalten will, dann sollten sie nicht mit zweifelhaften Tricks heucheln und Vertrauen weiter zerstören. Rußland hat nunmal die Mißtrauenslast aus der Sowjetzeit, so wie es Deutschland die aus der Nazi- und DDR-Zeit hat.
Solche Aussagen erfordern schon ein gerüttelt Maß an Verzicht … ein grandioses sacrificium intellectus.
Kurt hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ich habe oben genau davon geredet – und auch ein Beispiel gebracht, wie solche Versuche von seiten Rußlands ausgehen. Wie das Hornberger Schießen nämlich, weil die Angelsachsen darauf nicht eingehen.
Dann sollten sie die Angelsachsen, wie Du sie nennst, meiden. Es gibt auch noch andere Staaten auf der Erden, und es gehört nur ein wenig visonäre Kraft dazu, so wie sie Adenauer und de Gaulles entwickelt haben. Die Russen könnten es, wenn sie es für schlecht halten, besser machen.
Sie sind ja längst dabei. Von Armenien bis Malaisien hat Rußland die besseren Karten. Das ärgert ja die Amis und Konsorten so. Ob die Russen es allerdings schaffen, die Propaganda hierzulande wirksam zu kontern, das ist noch sehr offen. Wenn man sich die Umfragen anschaut, sieht es danach aus, daß die Chancen nicht schlecht stehen. Ohne Medienmacht wird es aber schwierig. Wie ja auch die Bundeswehr in Afghanistan sogar aufgestockt werden wird, obgleich 80 bis 90 % der Deutschen für den sofortigen Abzug sind.
Kurt hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Dies Great Game ist in der Tat nicht neu. Es geht aber immer um den Versuch der Angelsachsen, jene Rohstoffe zu kontrollieren, die sie selber nicht oder nicht ausreichend haben. Darum streben sie letztendlich nach der Balkanisierung Sibiriens und Zentralasiens.

Vermutlich meinst du aber, Rußland spiele solch ein Spiel – das ist jedoch falsch. Ich habe oben schon darauf hingewiesen, was hinter dem heutigen Gerücht steht, Rußland drohe, den Gashahn zuzudrehen. Eine offenkundige Propagandaaktion des britischen Telegraph. Wurde inzwischen auch zurückgewiesen. Und wenn du mit dem Hinweis auf die „Vergangenheit“ an die vorübergehende Lieferungspause gegenüber der Ukraine denkst: Der Witz war, daß Frau Timoschenko nach ihrer Regierungsübernahme erst mal die Zahlungen eingestellt hat. Dann erst mal abzudrehen, das finde ich normal. Wenn der Kunde nicht zahlen will, dann liefere ich auch nicht weiter. Rußland aber erweist sich stets als vertragstreuer Partner.
Nein. Rußland wollte einen höheren Preis, den die Ukraine nicht zahlen wollte. Durch den Lieferstopp hat der Monopolist sein Begehren erpreßt. Das ist keine Vertragstreue, das ist Nötigung. So verspielt man Vertrauen und ebnet den Weg in die Isolation.
Selber nein. Die Timoschenko hat nicht erst zum Stichtag, als der alte Liefervertrag mit dem sowjetisch niedrigen Sonderpreis auslief, sondern gleich nach ihrem Regierungsantritt die Zahlungen einstellen lassen. Richtig ist, daß die russische Seite bereits angekündigt hatte, ab diesem Stichtag nicht mehr zum Brudervolksbilligpreis, sondern zu Weltmarktpreisen liefern zu wollen.

Jedenfalls zahlte die Ukraine gar nicht mehr und die Russen reagierten, indem sie gar nicht mehr lieferten. Dann verhandelte man und einigte sich schließlich, wobei für die Ukraine am Ende ein Preis immer noch erheblich unter Weltmarktniveau heraussprang, aber deutlich über dem alten Sonderpreis. Das ganze hatte vielleicht was vom Basar, aber jedenfalls nichts mit Nötigung oder Erpressung zu tun. Weshalb sollten russische Firmen auch den ehemaligen Sowjetrepubliken, die so gern unabhängig sein wollten, in alle Ewigkeit Sonderpreise gewähren?
Kurt hat geschrieben:Mit der Rohstoffsituation könnte die Weltgemeinschaft friedlich umgehen, wenn die bestehenden Abhängigkeiten nicht zum eigenen Nutzen mißbraucht würden. Do ut des. Pacta servanda sunt, wußten schon die Römer.
Der Eigennutz steckt wohl in deinem do ut des selber drin, oder? – Das hat aber nichts mit Mißbrauch zu tun. Wie gesagt halten die Russen sich sehr wohl an bestehende Verträge.

Allerdings frage ich mich, ob ich mir deine Aussage noch einmal auf der Zunge zergehen lassen sollte. »Mit der Rohstoffsituation könnte die Weltgemeinschaft friedlich umgehen, wenn die bestehenden Abhängigkeiten nicht zum eigenen Nutzen mißbraucht würden.« – Heißt im Umkehrschluß: Wenn Rußland bei Geschäften mit uns an den eigenen Nutzen denkt, werden wir damit nicht mehr friedlich umgehen – sondern was? Kriegerisch?

Kurt hat geschrieben:Ich fürchte, eine Option ist der Verzicht auf einen solchen Partner und der Unabhängigkeit zuliebe auch der Verzicht auf Energie. Das meine ich mit Opfern, die zu bringen es sich lohnt, um noch größer Opfer zu verhindern.
Mir ist klar, was du meintest. Das geriete aber zu einer mörderischen Politik. Davor versuche ich dich zu warnen.

Kurt hat geschrieben:Aber ist es nicht an der Zeit, die Nationen zu Regionen zu machen …
Zu Verwaltungsbezirken der Weltregierung? – Wenn es eine solche Weltregierung einmal geben wird, dann wird sie das Böse schlechthin sein. Das wird kommen, aber niemand darf es sich wünschen.

Kurt hat geschrieben:… und die Staaten zum ewigen Frieden zu verpflichten?
Die Idee war schon bei Kant Murks. Das geht in dieser Welt nur durch Versklavung, und die kann niemals echten Frieden gebären, sondern bestenfalls Friedhofsruhe. (Natürlich gibt es solche Programme: »Völker müssen dir dienen und Geschlechter sich vor dir bücken«, oder: »Alle Könige werden ihn anbeten, alle Heiden werden ihm dienen«. Allein wer das in dieser Welt umzusetzen sich vornimmt, schafft nur das Böse.)
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holzi
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Beitrag von holzi »

Ebenso als Dreingabe eine Sicht der Dinge aus Israel (Uri Avnery): http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28623/1.html

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Mich würde interessieren, was russische Oppositionelle und Regierungskritiker zu dem Thema schreiben. Kennt jemand Informationsquellen?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Nietenolaf hat geschrieben:Die PR-Schlacht hat Rußland aber hochhaus verloren. Keiner weiß eigentlich, wie es losging. Heute "wissen" alle, daß Rußland in Georgien einmarschiert ist. Dabei braucht man bloß mal zu gucken, wessen Kriegsschiffe wo stehen, und welchen Radius ihre atomar bestückbaren Marschflugkörper abdecken können. Nee, liebe Leute, mindestens bis zum 5. November werden wir in ständiger Spannung leben. Es wählt sich vorteilhafter, wenn die Leute die Hose voll haben, ob sie nun vor "Ölboykott" oder vor bald "russischen Panzern in Washington" Angst haben.
In Sachen Propaganda waren die Engländer und Amerikaner schon immer unschlagbar.

Propaganda, ich sage das mal wertfrei :mrgreen: ,ist eine sehr wesentliche Ingredienz aller Demokratien.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

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Edi
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Beitrag von Edi »

http://blog.tagesschau.de/?p=1380

Im Tagesschau-Blog wird zum Teil stark kritisert, dass das Interview mit Putin verändert wurde. Immerhin merken einige Leute nun daran doch wie sehr die deutschen Medien manipulieren.

Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

Wenn dieses Interview in dem o.g. von Nietenolaf verlinkten Blog authentisch wiedergegeben ist, dann ist damit der Beweis für Meinungsmanipulation durch Zensur erbracht.
Zuletzt geändert von Paul Heliosch am Montag 1. September 2008, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hier noch mal das Interview komplett als Video mit Untertiteln:

Teil I: <embed src="http://www.youtube.com/v/j3Zxl8Lu3mY&hl=de&fs=1" type="application/x-shockwave-flash" allowfullscreen="true" width="425" height="344"></embed>

Teil II: <embed src="http://www.youtube.com/v/vEf7EwSxemk&hl=de&fs=1" type="application/x-shockwave-flash" allowfullscreen="true" width="425" height="344"></embed>

Teil III:<embed src="http://www.youtube.com/v/UuL3pKXgpOo&hl=de&fs=1" type="application/x-shockwave-flash" allowfullscreen="true" width="425" height="344"></embed>
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Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

Unser System hat sich zum faschistoiden hin entwickelt,... ... es war schon mit dem vorletzten Regierungswechsel abzusehen... Heute wurde der Beweis erbracht... Danke Robert, danke Edi, danke nietenolaf. Werden unsere Bischöfe weiterhin Augen und Ohren geschlossen halten...? Wenn Ja, warum? - Wenn nein: Gott segne sie ...und: Gott sei uns gnädig!

Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

Wenn man auf diese Weise in Bayern mit Herrn Ministerpräsident Beckstein verfahren wollte, hätte der Zensor ein Problem...

...was also der Westen nicht hören darf, folgt hier:
(Auswahl aus den zensierten[!] Aussagen des Ministerpräsidenten Russlands Wladimir Putin)

„… Der französische Aussenminister war in Nordossetien und hat sich mit Flüchtlingen getroffen. Die Augenzeugen berichten, dass die georgischen Streitkräfte mit Panzern Frauen und Kinder überfahren haben, die Leute in die Häuser getrieben und lebendig verbrannt haben. Georgische Soldaten haben, als sie nach Zchinwali kamen, - so im vorbeigehen – Granaten in die Keller und Bunker geworfen, wo Frauen und Kinder sich versteckt hatten. Wie kann man so etwas anders nennen, als Genozid? ... “

„… Wenn Sie erlauben, dann sage ich, was ich darüber denke. Es gab die Sowjetunion und den Warschauerpakt. Und es gab die sowjetischen Streitkräfte in der DDR, und man muss es ehrlich zugestehen, das waren Okkupationskräfte, die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Ostdeutschland geblieben sind unter dem Deckmantel der Koalitionsstreitkräfte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, des Warschauerpaktes sind diese Okkupationskräfte weg. Die Gefahr von Seiten der Sowjetunion ist weg. Die NATO aber, die amerikanischen Streitkräfte, in Europa sind immernoch da. Wofür?
Um Ordnung und Disziplin in den eignen Reihen zu halten, um alle Koalitionspartner innerhalb eines Blocks zu halten, braucht man eine außenstehende Gefahr. Und Iran ist da nicht ganz passend für diese Rolle. Man will daher einen Gegner wiederauferstehen lassen und dieser soll Rußland sein. In Europa jedoch fürchtet uns niemand mehr…“

„… Wurde die Resolution 1244 angenommen? Ja! Dort wurde unterstrichen geschrieben: territoriale Souverenität Serbiens! Die Resolution haben die in den Müll weggeworfen. Alles vergessen. Sie wollten die Resolution zuerst umdeuten, anders interpretieren, aber es ging nicht. Alles vergessen. Warum? Das Weißen Haus ordnete an, und alle führen aus! Wenn die europäischen Länder auch weiterhin eine solche Politik führen, dann werden wir über europäische Angelegenheiten in Zukunft mit Washington reden müssen ...“

Paul Heliosch
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Beitrag von Paul Heliosch »

Ministerpräsident Wladimir Putin hat geschrieben:...
"… Wenn Sie erlauben, dann sage ich, was ich darüber denke. ..." ...
(...leider wurde ihm die Erlaubnis verweigert...
...jedoch dankenswerterweise[!] nicht im Kreuzgang!)

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Ich bin erstaunt, daß einige die Kürzung des Interviews so erstaunt. Es gibt kaum ein Interview, welches in voller Länge gezeigt wird, und falls doch, dann wird es in der Regel auch dazugesagt. Kaum ein Leserbrief schafft es, in voller Länge zitiert zu werden. Normalerweise werden Interviews auch erst durch den Interviewten freigegeben. Ich gehe davon aus, daß die Kürzung sogar mit Putin abgesprochen war, denn die gekürzten Passagen enthalten eigentlich nur unbewiesene Behauptungen, bzw. Anschuldigungen, die durchaus reine Kriegsrhetorik sein könnten.

Das heißt nicht, daß ich die Langfassung uninteressant finde, aber etwas substantielles ist in den gekürzten Passagen nicht enthalten.

Daraus einen Zensurvorwurf zu generieren ist absurd, denn ausgerechnet auf der Internetseite der ARD wird ja intensiv darüber diskutiert. Die Redaktion schreibt dazu:
# 74: Moderator
Am 31. August 2008 um 13:41 Uhr

Anmerkung zum „Zensur“-Vorwurf: Das Interview mit Wladimir Putin wurde vom ersten und zweiten Kanal des russischen Fernsehens sowie vom Auslandskanal „Russia Today“ mitgedreht. Die russischen Kollegen haben ebenfalls Auszüge des insgesamt einstündigen Interviews veröffentlicht. Diese finden sich jetzt im Internet, unter anderem bei YouTube.

Die Kollegen in Russland haben - zum Teil - einen anderen Fokus als die ARD gewählt. Dies ist das Ergebnis eines normalen und notwendigen journalistischen Auswahlprozesses und hat – mit einer von welchen Stelle auch immer verordneten – Zensur nichts zu tun.

Mit freundlichen Grüßen
Die Redaktion
Ich sehe darin - wie gesagt - nicht Ungewöhnliches.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Kurt hat geschrieben:Ich sehe darin - wie gesagt - nicht Ungewöhnliches.
Pressezenzur d.h. die Selbstzensur der Medien, ist hierzulande auch nichts Ungewöhnliches, was u.a. auch der Fall Hohmann und Eva Hermann deutlich genug gezeigt haben. Damals hat Friede Springer, Chefin der Bildzeitung, der CDU-Vorsitzenden Merkel angedroht, dass sie in der Bildzeitung eine wochenlange Kampagne gegen die CDU fahren würde, wenn Hohmann nicht aus der Partei rausgeworfen wird. Bei Frau Hermann war es auch eine Zeitung aus dem Springerverlag, die die Kampagne eröffnete und die meisten andern Zeitungen haben das dann nachgedruckt.

Es wurden gerade Stellen gekürzt, wie z.B. diese, wo Thomas Roth einräumt (offensichtlich gegen den Medienmainstream) dass Georgien angegriffen habe. Auch andere aussagekräftige Stellen wurden gekürzt, wogegen das Fernsehen z.B. Herrn Sackaschwilli ausreden und viele Details ausführen liess, seien sie nun wahr oder auch nicht.
Dasselbe macht die Presse auch mit Leserbriefen, die immer meist an den Stellen gekürzt werden, wo interessante Aussagen gemacht werden. Ich weiss das aus einer langen Erfahrung von Leserbriefschreibern, die ich gut kannte. Meine eigenenLeserbriefe, die ich vor Jahren zu gewissen Themen schrieb, sind auch immer da gekürzt worden, wo die Aussagen besonders klar und deutlich waren.

Entscheidend ist ja auch nicht, dass auf einer Internetseite darüber diskutiert wird, die nur realativ wenige lesen, sondern was den Millionen Fernsehzuschauern, die die Nachrichten und solche Interviews ansehen, vorgesetzt wird.

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Edi hat geschrieben:Auch andere aussagekräftige Stellen wurden gekürzt, wogegen das Fernsehen z.B. Herrn Sackaschwilli ausreden und viele Details ausführen liess, seien sie nun wahr oder auch nicht.
Dasselbe macht die Presse auch mit Leserbriefen, die immer meist an den Stellen gekürzt werden, wo interessante Aussagen gemacht werden.
Definiere "interessant".

Ok, ich habe die Sendung mit Myabrit Illner nicht gesehen, aber in so einer Situation kann man auf das Wort der Beteiligten getrost ein Ei schlagen, in dem Fall auf das des Sackaaschwillis. Zu sehr sind die Formulierungen von den eigenen Interessen gefärbt; warum auch nicht.

Um die Kriegsschuldfrage zu klären, ist Merkels Vorschlag der einzig sinnvolle: Nämlich Beweise für die jeweiligen Behauptungen vorzulegen. Interviews sind dazu nicht im geringsten geeignet, und man kann sie problemlos kürzen oder auch gar nicht erst senden.

Mich würde sehr interessieren, was in Georgien wirklich passiert ist, und zwar aus einer möglichst unabhängigen Quelle, mit Belegen.
Entscheidend ist ja auch nicht, dass auf einer Internetseite darüber diskutiert wird, die nur realativ wenige lesen, sondern was den Millionen Fernsehzuschauern, die die Nachrichten und solche Interviews ansehen, vorgesetzt wird.
Entscheidend wofür?

Kurt
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Beitrag von Kurt »

Könntest Du mal bitte übersetzen? Wahlweise in englisch, französisch, lateinisch oder deutsch; zur Not ginge auch niederländisch und sächsisch. ;D

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Kurt hat geschrieben:Um die Kriegsschuldfrage zu klären, ist Merkels Vorschlag der einzig sinnvolle: Nämlich Beweise für die jeweiligen Behauptungen vorzulegen. Interviews sind dazu nicht im geringsten geeignet, und man kann sie problemlos kürzen oder auch gar nicht erst senden.
Dieser Beweis ist in der geforderten Form nicht erbringbar! Georgien behauptet von Osstetien aus beschossen worden zu sein. Angeblich wäre es in den letzten Monaten zu Scharmützeln gekommen. Frage meiner Seite: Wo blieben dann die Warnungen Georgiens ? Was passierte, und dies ist chronologisch belegbar, ist der ungeahnt und unverhältnismäßige Einmarsch der Georgier in Zchinwali.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Kurt hat geschrieben:Ich bin erstaunt, daß einige die Kürzung des Interviews so erstaunt.
Ich neige, hoffe ich, weder zu Verschwörungstheorien noch zu Russophilie, aber wie die ARD hier vorgegangen ist, das kann man bestenfalls unsagbar schlampig nennen. Ein Interview darf man legitim kürzen wenn begrenzte Ressourcen (Sendezeit / Papier) es nötig machen, solange die Kürzungen kenntlich gemacht werden und der Inhalt nicht entstellt wird.

Welche Rechtfertigung kann es geben, auf einer im Speicherplatz unbegrenzten Internetseite eine Fassung zu veröffentlichen, in der teilweise Worte oder Halbsätze im Innern von Sätzen ohne jede Kürzungsmarkierung entfernt worden sind und die den Eindruck, die der Interviewpartner hinterläßt, völlig verändern? Mir fällt keine ein.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Kurt hat geschrieben:
Entscheidend ist ja auch nicht, dass auf einer Internetseite darüber diskutiert wird, die nur realativ wenige lesen, sondern was den Millionen Fernsehzuschauern, die die Nachrichten und solche Interviews ansehen, vorgesetzt wird.
Entscheidend wofür?
Dafür wie die Medien mit den Informationen umgehen. Lassen sie beide Seiten ausführlich zu Wort kommen oder nicht. Immerhin beeinflussen die Medien die Meinungsbildung und damit auch die Politik.

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ar26
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Beitrag von ar26 »

Danke für das Interview. Putin wirkte tatsächlich souverän und scheint aus der jüngeren Geschichte und der sowjetischen Präsenz in Mitteleuropa viel gelernt zu haben. Okkupationstruppen :top:

Mehr als Nietenolaf im übrigen:
Außerdem wäre eine stichhaltige Begründung interessant, warum man Deiner Ansicht nach die "Zeit des Bolschewismus" als historisches Faktum irgendwie revidieren müßte, was auch immer Rußland oder sonstwer "beweisen" würde, wenn es sich trotz Deiner Meinung auf in dieser Zeit geschaffene Fakten stützt.
Das ist übrigens auch der Grund für das Verhalten der MOE-Staaten, für den Kaukasus kann ich nicht sprechen, da ich mich dort nicht auskenne.

Eine ostentativer Umgang mit der jüngeren Geschichte insbesondere der Okkupation Mitteleuropas könnte Russlands Ansehen in diesen Ländern verbessern. Motivation der politischen Führungen in Polen, Tschechien etc. ist vor allem der Versuch seine Souveräntität zu bewahren, in dem man Brüssel gegen Washington auszuspielt, um sich keinem ganz hingeben zu müssen.

PS: Da ich, wie erwähnt, keinen Volksempfänger besitze; gibt es vielleicht einen Link, wo man das gekürzte Interview nachlesen kann? Dann könnte ich mir auch selber ein Bild davon machen, ob das Zensur oder Journalismus war.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

ar26 hat geschrieben:PS: Da ich, wie erwähnt, keinen Volksempfänger besitze; gibt es vielleicht einen Link, wo man das gekürzte Interview nachlesen kann? Dann könnte ich mir auch selber ein Bild davon machen, ob das Zensur oder Journalismus war.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Das zu bringen hatte ich auch gerade vorbereitet. Danke. Zum Vergleich der ARD-Text:
http://www.tagesschau.de/ausland/putin172.html

Für die, die’s eventuell im Original verstehen, die russische Textfassung:
http://www.government.ru/content/govern ... 344019.htm
und als Video:
http://rutube.ru/tracks/967558.html?v=1 ... 157eaecb35

Als Dreingabe noch eine amerikanische Sicht der Dinge:
Paul Craig Roberts, stellvertretender US-Finanzminister a.D.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Paul Heliosch hat geschrieben:Unser System hat sich zum faschistoiden hin entwickelt,... ... es war schon mit dem vorletzten Regierungswechsel abzusehen... Heute wurde der Beweis erbracht... Danke Robert, danke Edi, danke nietenolaf. Werden unsere Bischöfe weiterhin Augen und Ohren geschlossen halten...? Wenn Ja, warum? - Wenn nein: Gott segne sie ...und: Gott sei uns gnädig!
Ach, faschistoid würde ich die Mutation nicht nennen; das engt die Sache ein und dramatisiert den Prozeß.

Ich schlage "totalitär" vor; da passen sogar noch demokratische Systeme hinein.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

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ar26
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Beitrag von ar26 »

Danke für den Hinweis. Hier sind derart viele Links unterwegs, da übersieht man schon einmal was.

Ich sehe drei Kürzungen des Interviews als problematisch und sofern mit entsprechendem Vorsatz durchgeführt, als möglicherweise manipulativ, andernfalls zumindest als grottenschlechten Journalismus.

1. Daß man Putins Aussage hinsichtlich des ersten Schusses, die von Roth ja bestätigt wurde, herausschnitt, ist unentschuldbar. Vor dem Hintergrund, daß dies ja noch nicht eindeutig geklärt ist, muss man der russischen Führung die Möglichkeit einräumen, ihre Version zu vertreten.

Möglicherweise wollte sich Roth auf seine Zustimmung hierzu hinterher nicht mehr festnageln lassen. Als erfahrener Journalist darf er aber so nicht reagieren. :flop:

2. Daß man um dieses Problem zu umgehen, im nachfolgenden offenbar unvollständig übersetzt hat, ist unglaublich schlechter Stil. Das ist eindeutig manipulativ. Wie gesagt, das Motiv könnte eben auch Roths Versuch gewesen sein, sich nicht auf eine bestimmte Kriegsschuldthese festnageln zu lassen. Wenn er sie aber äußert und das Gegenüber damit operiert, hat er aber Pech gehabt. :flop: :flop:

3. Schade fürs deutsche Publikum finde ich, daß Putins Zugeständnis hinsichtlich der sowjetischen Besatzung herausflog. Der aggressive Bolschewismus der SU im Kalten Krieg ist sicher bis heute Ursache für viel Misstrauen gegenüber Russland. Hier sollte man eine Distanzierung Russlands keinesfalls unterschlagen. Das ist manipulativ. :flop: :flop:

4. Fairerweise muss man aber auch sagen, daß nicht nur zu Putins ungunsten gekürzt wurde. Der Zusammenhang mit dem US-Wahlkampf ist eher Spekulation und wäre wohl vom Publikum mit Gelächter goutiert worden.

5. Wenn man ein Interview zur Hauptsendezeit schon kürzen muss, dann sollte es am gleichen Tag noch zumindest nach 23 oder null Uhr vollständig gezeigt werden, meinetwegen auf der Sparte oder im Internet.
Zuletzt geändert von ar26 am Montag 1. September 2008, 22:51, insgesamt 2-mal geändert.

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Thomas Roth hat ganz sicher nichts zu verbergen oder zu verschleiern. Er war am Sonntag im ARD-Presseclub und hat ganz freimütig Auskunft gegeben, auch über seine aus dem Interview geschnittene Ansicht über den Auslöser des Krieges. Selbst Putins bizarre Wurstmetapher hat er wiedergegeben. Jetzt weiß ich endlich, wo die herkam.

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