Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

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Robert Ketelhohn
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Athanasius0570 hat geschrieben:Und mit der Bevorzugung "unserer Österreicher" (- deren "Nationalität" Jörg Haider einmal eine ideologische Mißgeburt genannt hat) wird die Aussage des Evangeliums ins Gegenteil verdreht.
Wie kommst du auf diese Idee? Was für ein Gegenteil? Wie verstehst du selber „Nächstenliebe“?

Unsinnig ist Straches Spruch, weil er eine unpassende Kategorie verwendet. So als sagte er: »Ich bin Vegetarier. Darum aale ich mich gern in der Sonne.«
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Robert Ketelhohn
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Maurus hat geschrieben:Wie darf man das verstehen? Legt die Kirche die Schrift nicht mehr authentisch aus?
Viele ihrer Amtsträger tun das offensichtlich nicht mehr.
Maurus hat geschrieben:Und deswegen darf, nein muss man dieser Erosion weiter zusehen?
Ich habe es dir doch oben erklärt. Wenn man jahrzehntelang zusieht und dann ausgerechnet bei einem vergleichsweise harmlosen Strache-Spruch dazwischengrätscht, während man viel Schlimmeres laufen läßt, wenn nicht fördert, dann ist die behauptete Motivation, den Glauben zu schützen, völlig unglaubwürdig; vielmehr handelt es sich um eine politische Parteinahme, und zwar für übelste Kirchen- und Glaubensfeinde von der abgefallenen, degenerierten VP und der sowieso immer schon auf Feindseite stehnden SP.
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Thomas_de_Austria
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Athanasius0570 hat geschrieben:Dass der Begriff der Nächstenliebe nicht "gesetzlich geschützt" ist, ändert aber nichts daran, dass er von den meisten Leuten (zumindest in Österreich) noch recht eindeutig mit dem Christentum in Verbindung gebracht wird und dass eine Partei versucht, mit dieser Konnotation Stimmen zu fangen.
Das letztlich jeder diverse Ausdrücke verwendet, wie er will, daran wird ohnehin keiner was ändern können, das beklagen wir hier ja auch im Zusammenhang mit ganz anderen, wesentlich bedeutenderen Fragen.

Strache wird so schnell auch keiner mit der Kirche verwechseln, bis auf die paar üblichen Verdächtigen vllt., aber die hätten das ohnehin getan und haben ein Interesse daran, was das betrifft, ist es also sinnlos, was den Rest betrifft, überflüssig.


Ansonsten würde ich ganz allgemein empfehlen, die Heuchelei lieber sein zu lassen und sich gegen die dauerhafte und regelmäßige Begriffsverdrehungen vorzugehen, die alleine kirchenintern vorkommen und gegen die man tatsächlich auch wirksam etwas unternehmen könnte, aber das tut man nicht (da fällt mir bspw. einmal schon allgemein der Begriff Liebe ein), denn da scheint's ja aus der richtigen ideolog. Ecke zu kommen.

Man mag nur froh sein, dass niemand diesen kleinen Binnendiskurs mitbekommt. So etwas war werbetechn. für die Herrschaften schon immer Gold wert ...

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Athanasius0570
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Athanasius0570 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Athanasius0570 hat geschrieben:Und mit der Bevorzugung "unserer Österreicher" (- deren "Nationalität" Jörg Haider einmal eine ideologische Mißgeburt genannt hat) wird die Aussage des Evangeliums ins Gegenteil verdreht.
Wie kommst du auf diese Idee? Was für ein Gegenteil? Wie verstehst du selber „Nächstenliebe“?

Unsinnig ist Straches Spruch, weil er eine unpassende Kategorie verwendet. So als sagte er: »Ich bin Vegetarier. Darum aale ich mich gern in der Sonne.«
Nun, du nennst es einfach "unpassende Kategorie", das ist natürlich zutreffend (wie könnte das bei deinen Ausführungen auch anders sein. :tuete:), aber Jesus scheint in seiner Antwort auf die Frage: "Wer ist mein Nächster?" gerade betonen zu wollen, dass die "üblichen Kategorien" (Religionszugehörigkeit, Nationalität) für diese Frage eben KEINE Rolle spielen.
Insofern ist die Anwendung solcher Kategorien eine Pervertierung des biblischen Begriffs der Nächstenliebe.
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

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Maurus
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Maurus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben:Wie darf man das verstehen? Legt die Kirche die Schrift nicht mehr authentisch aus?
Viele ihrer Amtsträger tun das offensichtlich nicht mehr.
Maurus hat geschrieben:Und deswegen darf, nein muss man dieser Erosion weiter zusehen?
Ich habe es dir doch oben erklärt. Wenn man jahrzehntelang zusieht und dann ausgerechnet bei einem vergleichsweise harmlosen Strache-Spruch dazwischengrätscht, während man viel Schlimmeres laufen läßt, wenn nicht fördert, dann ist die behauptete Motivation, den Glauben zu schützen, völlig unglaubwürdig; vielmehr handelt es sich um eine politische Parteinahme, und zwar für übelste Kirchen- und Glaubensfeinde von der abgefallenen, degenerierten VP und der sowieso immer schon auf Feindseite stehnden SP.
Demnach wäre also ersteinmal der Beweis zu führen, dass Schönborn nur hier plötzlich "dazwischengegrätscht" hätte.

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martin v. tours
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von martin v. tours »

Da ließe sich noch mehr finden.
http://www.katholisches.info/29/9/4 ... lzunehmen/

Kardinal Schönborn ist der geborene Diplomat, ideal für Preisverleihungen und Sektempfänge.
Fein gedrechselte Worte und salbungsvolle Empathie-Bekundungen sind seine Stärke, aber er bräuchte jemanden ,der Ihm jeden Tag erklärt warum die Farbe seiner Kleidung rot ist.
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

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Gamaliel
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

Wenn jemand sein Katechismuswissen ein bißchen auffrischen möchte, dann gibt es hier den passenden Auszug aus dem "Katholischen Katechismus der Bistümer Deutschlands":


Staat und Völkergemeinschaft

Daraus:
Für mein Leben

Ich will mein Volk und Vaterland lieben und dankbar sein für alles Gute und Schöne, das ich von ihm empfange. Ich will aber auch die anderen Völker achten und das Gute, das sie haben, anerkennen.
Gebet für das Vaterland

Lasset uns beten. Wir bitten Dich, o Herr, nimm unser Vaterland in Deinen beständigen Schutz und erleuchte mit dem Lichte Deiner Weisheit alle, die es regieren. Laß sie erkennen, was der Wohlfahrt des Volkes dient, und das, was recht ist, in Deiner Kraft vollbringen. Durch Christus, unsern Herrn. Amen.

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taddeo
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von taddeo »

Als Kirchenmusiker absolviere ich regelmäßig an Wahlsonntagen meine "Vaterlandspflichten", indem ich das Lied "Großer König aller Völker" singen lasse. ;D

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Gamaliel
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

taddeo hat geschrieben:Als Kirchenmusiker absolviere ich regelmäßig an Wahlsonntagen meine "Vaterlandspflichten", indem ich das Lied "Großer König aller Völker" singen lasse. ;D
Bravo! :klatsch:

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Gamaliel
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

taddeo hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:... Dein Vaterland, dem Du viel verdankst und gegenüber dem Du daher auch zur Dankbarkeit verpflichtet bist. ...
Entschuldige, aber das meinst Du nicht im Ernst?
Freilich meine ich das ernst. :ja:

taddeo hat geschrieben:Sollte ich diesem "Land" tatsächlich etwas "verdanken", hätte es jedes Recht auf Dankbarkeit durch seine Missetaten gegen meinen Glauben schon längst wieder verwirkt.
"Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!" (Röm 12,21)

taddeo hat geschrieben:Und was ich zB an Steuern zahle, muß als Dank für eventuelle frühere "Wohltaten" wirklich reichen.
Das Zahlen von Steuern (ich spreche vom Grundsatz und nicht von einen konkreten Steuersatz) ist keine Frage der Großzügigkeit oder Dankbarkeit der Staatsbürger, sondern eine strikte Gerechtigkeitspflicht. Die Dankbarkeit kommt zur Steuerpflicht noch dazu. ;)

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Maurus
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Maurus »

Die Vaterlandsdiskussion ist meines Erachtens hier off topic. Die FPÖ grenzt den Begriff des "Nächsten" auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ein, obwohl der Clou dieses Begriffs gerade der ist, dass nicht nur Gruppierungen, die einem aus irgendeiner persönlichen Verbundenheit (Volk, Religion, Familie, Kaste wasauchimmer) nahe stehen zu den "Nächsten" gehören, sondern auch jene, die anderen Gruppierungen angehören. Wenn man also den Slogan der FPÖ kritisiert, so impliziert das keine Aussage gegen die Vaterlandsliebe, denn das wäre derselbe Fehler, nur in die andere Richtung.

veruschka
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von veruschka »

Bei kathnet und in der österr. Presse gab es viele empörte Reaktionen, als die Caritas im heurigen Winter die Asylsuchenden in der Wiener Votivkirche unterstützte und dabei Rückenstärkung von Kardinal Schönborn erhielt.
Aus meiner Sicht sind die Nächstenliebe-Plakate sehr wohl auch als Angriff auf die katholische Kirche zu sehen und wollen an die damalige Aufregung anknüpfen: "Schauts mal, die Katholischen kümmern sich um die Ausländer, die verstehen die Nächstenliebe falsch. Ich, HC Strache, kümmere mich um Euch - ich hab die wahre Nächstenliebe."
Mich persönlich kratzt ein solches Plakat gar nicht und ich vermute, es wird nicht mehr oder weniger Stimmen für die FPÖ bringen als die früheren offener ausländerfeindlichen Plakate.
Aber vor dem Hintergrund, dass hier meiner Meinung nach hintenrum der Einsatz der kath. Kirche für Nicht-Österreicher angegriffen wird und implizit die christliche Nächstenliebe, die Heimatliebe einschließt, aber Sorge für Nicht-Österreicher nicht ausschließt, verhöhnt wird, finde ich es völlig richtig, dass Kardinal Schönborn sich zu Wort gemeldet hat.

Zum Anruf Schönborns bei Weihbischof Laun: Ich weiß völlig sicher, dass Kardinal Schönborn der Lebensschutz ein großes Anliegen ist. Es wäre interessant gewesen, von Weihbischof Laun zu erfahren, womit der Kardinal seinen Wunsch nach Nichtbeteiligung des Weihbischofs begründet hat.

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taddeo
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von taddeo »

Gamaliel hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Und was ich zB an Steuern zahle, muß als Dank für eventuelle frühere "Wohltaten" wirklich reichen.
Das Zahlen von Steuern (ich spreche vom Grundsatz und nicht von einen konkreten Steuersatz) ist keine Frage der Großzügigkeit oder Dankbarkeit der Staatsbürger, sondern eine strikte Gerechtigkeitspflicht. Die Dankbarkeit kommt zur Steuerpflicht noch dazu. ;)
(Hervorhebung von mir)

Also in Deutschland (in Ösiland wird es für Normalbürger kaum anders sein, denke ich) beim Steuernzahlen von "Gerechtigkeits"pflicht zu reden, hat schon was ausgesprochen Skurriles an sich. Da muß man "Gerechtigkeit" schon seeeeehr weit auslegen, um dieses Wort überhaupt anwenden zu können. Wenn von dem, was ich Monat für Monat einnehme, unter Berücksichtigung meiner Aufwendungen, die ich nur wegen der Arbeit habe, allein etwa die Hälfte für Steuern ([Punkt], nicht für Sozialabgaben, nur für Steuern!) draufgeht, dann hat der Begriff Gerechtigkeit einen etwas faden Beigeschmack, und mag er noch so moraltheologisch richtig sein.

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Gamaliel
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

Lilaimmerdieselbe hat geschrieben:"für mich sind das unsere Österreicher" impliziert, [...] dass alle anderen nicht als Nächste zu lieben sind.
Eine solche Implikation besteht allenfalls in Deinem Kopf (und vielleicht auch noch in manch anderen Köpfen). Sie hätte eine textliche Grundlage, wenn am Plakat z.B. stünde: "für mich sind das nur unsere Österreicher".

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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Vaterlandsliebe ist eine Tugend, und zwar nicht erst eine christliche, sondern eine natürliche. Mit christlicher Nächstenliebe hat sie aber wenig zu tun. Sie ist ein andres Ding.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sein Hinweis, daß es bei Vaterlandsliebe nicht um Nächstenliebe gehe, ist gleichwohl korrekt.
Da gebe ich zu bedenken, daß sich die Vaterlandsliebe nicht nur auf physische und geistige Güter, sondern auch auf die Mitbürger, die Landsleute, erstreckt.

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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:Den Reflex, wenn jemand irgendetwas von Vaterland, Nation o. dgl. schreibt, sehe ich da eher auf Ihrer Seite, nach mehreren ähnlich gelagerten Beiträgen, die in dieser Hinsicht einen eher unguten Beigeschmack hinterlassen. Der Katholik ist – im Gegensatz zu dem, was man ihm im Kulturkampf, der NS-Zeit etc. andichten wollte – eben kein „vaterlandsloser Geselle“, aber sicher auch kein romantischer Nationalist (damit haben Sie schon ganz recht).
Dazu ein Zitat von Papst Pius XII. aus seiner Ansprache vom 23.03.1958 an die picenische (märkische) Volksgruppe Italiens:
Quelle hat geschrieben:Heute begegnet man mitunter Bürgern, die beinahe Angst haben, sich dem Vaterland besonders ergeben zu zeigen. Wie wenn die Liebe zum Vaterland zwangsläufig Geringschätzung anderer Länder bedeuten, wie wenn der natürliche Wunsch, das eigene Vaterland schön, im Innern blühend, nach außen geachtet und geschätzt zu sehen, unvermeidlich ein Grund zur Abneigung gegen andere Völker sein müsste.
Es fehlt sogar nicht an Leuten, die sich hüten, das Wort "Vaterland" auszusprechen, und es durch andere, unserer Zeit, wie sie meinen, angepasstere Namen zu ersetzen suchen... Gewiss ... man muss sagen, dass diese verringerte Liebe zum Vaterland, zu dieser Euch von Gott geschenkten größeren Familie, nicht das letzte unter den Zeichen einer Geistesverwirrung ist... Tut großmütig, was ihr könnt, um ... (euch) zusammenzuschmieden zu einer Nation, die in der Ruhe der Ordnung lebt und arbeitet.

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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

taddeo hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Und was ich zB an Steuern zahle, muß als Dank für eventuelle frühere "Wohltaten" wirklich reichen.
Das Zahlen von Steuern (ich spreche vom Grundsatz und nicht von einen konkreten Steuersatz) ist keine Frage der Großzügigkeit oder Dankbarkeit der Staatsbürger, sondern eine strikte Gerechtigkeitspflicht. Die Dankbarkeit kommt zur Steuerpflicht noch dazu. ;)
(Hervorhebung von mir)

Also in Deutschland (in Ösiland wird es für Normalbürger kaum anders sein, denke ich) beim Steuernzahlen von "Gerechtigkeits"pflicht zu reden, hat schon was ausgesprochen Skurriles an sich. Da muß man "Gerechtigkeit" schon seeeeehr weit auslegen, um dieses Wort überhaupt anwenden zu können. Wenn von dem, was ich Monat für Monat einnehme, unter Berücksichtigung meiner Aufwendungen, die ich nur wegen der Arbeit habe, allein etwa die Hälfte für Steuern ([Punkt], nicht für Sozialabgaben, nur für Steuern!) draufgeht, dann hat der Begriff Gerechtigkeit einen etwas faden Beigeschmack, und mag er noch so moraltheologisch richtig sein.
Ich wollte eigentlich einer solchen Antwort, die auf die Höhe der Steuerverpflichtung abstellt, vorbeugen, indem ich extra betont habe: "ich spreche vom Grundsatz und nicht von einen konkreten Steuersatz".
(Für Steuerdiskussionen gäbe es sicher einen anderen Platz. Was die Frage der überhöhten Steuern betrifft, sehe ich im übrigen keine Veranlassung Dir zu widersprechen.)

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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Gamaliel »

Und schließlich noch zur Ergänzung des oben verlinkten Katechismusauszugs bzw. zum Begriff Vaterlandsliebe:
Papst Pius XII., Ansprache an die Mitglieder des Parlaments der Montanunion, vom 3.11.1957 hat geschrieben:Es handelt sich nicht darum, die Vaterländer abzuschaffen, noch willkürlich die Rassen zu verschmelzen. Die Vaterlandsliebe entspringt unmittelbar den Naturgesetzen, die im überlieferten Text der Gebote Gottes zusammengefasst sind: "Du sollst Vater und Mutter ehren, auf dass Deine Tage lange werden auf dem Boden, den der Herr, Dein Gott, Dir gegeben hat". (Ex 20, 12).
Papst Pius XI., Enzyklika 'Divini illius magistri', vom 31.12.1929, Nr. 85 hat geschrieben:Der gute Katholik ist gerade kraft der katholischen Glaubenslehre auch der beste Staatsbürger, der sein Vaterland liebt und sich der Staatsgewalt aufrichtig unterordnet, welches auch immer die legitime Staatsform sein mag.

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Robert Ketelhohn
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Gamaliel hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Vaterlandsliebe ist eine Tugend, und zwar nicht erst eine christliche, sondern eine natürliche. Mit christlicher Nächstenliebe hat sie aber wenig zu tun. Sie ist ein andres Ding.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sein Hinweis, daß es bei Vaterlandsliebe nicht um Nächstenliebe gehe, ist gleichwohl korrekt.
Da gebe ich zu bedenken, daß sich die Vaterlandsliebe nicht nur auf physische und geistige Güter, sondern auch auf die Mitbürger, die Landsleute, erstreckt.
Dazu etwas Grundsätzliches, nicht nur an deine Adresse, sondern auch (und mehr noch) an die Vertreter der Gegenposition: Politisches und gesellschaftliches Handeln ist, so gut der es bestimmende Wille sei, niemals von Nächstenliebe motiviert.

Das gilt ebenso für Vaterlandsliebe wie für Aktionen für Fremde, für den Einsatz für Landsleute ebenso wie für Unterstützung von Kirchenasyl für illegale Einwanderer oder Flüchtlinge, das gilt auch für Armenfürsorge oder Missionsförderung durch Zahlungen an Misereor, Missio, Adveniat, Renovabis, Kirche in Not & Co.

Nächstenliebe ist, wenn Herr von und zu Blaublut oder meinetwegen auch Kalle Arsch den verfolgten Flüchtling bei sich aufnimmt. Weist er dagegen seinen Pfarrer an, den Flüchtling aufzunehmen und sich seiner anzunehmen, oder schreibt er einen bösen Brief an den Innenminister, dann ist das nicht Nächstenliebe, sondern in beiden Fällen Politik. Ob recht oder nicht, das ist dann noch einmal eine Frage für sich. Aber keine der Liebe.
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von taddeo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Politisches und gesellschaftliches Handeln ist, so gut der es bestimmende Wille sei, niemals von Nächstenliebe motiviert.

Das gilt ebenso für Vaterlandsliebe wie für Aktionen für Fremde, für den Einsatz für Landsleute ebenso wie für Unterstützung von Kirchenasyl für illegale Einwanderer oder Flüchtlinge, das gilt auch für Armenfürsorge oder Missionsförderung durch Zahlungen an Misereor, Missio, Adveniat, Renovabis, Kirche in Not & Co.

Nächstenliebe ist, wenn Herr von und zu Blaublut oder meinetwegen auch Kalle Arsch den verfolgten Flüchtling bei sich aufnimmt. Weist er dagegen seinen Pfarrer an, den Flüchtling aufzunehmen und sich seiner anzunehmen, oder schreibt er einen bösen Brief an den Innenminister, dann ist das nicht Nächstenliebe, sondern in beiden Fällen Politik. Ob recht oder nicht, das ist dann noch einmal eine Frage für sich. Aber keine der Liebe.
Das ist völlig falsch, wenn man das Evangelium zugrunde legt. :dudu:

Was macht denn DER Typus des Nächstenliebenden, nämlich der barmherzige Samariter? Er nimmt sich des Überfallenen zunächst persönlich an. Aber dann, nachdem er ihn "erstversorgt" und in die Herberge gebracht hat, bleibt er nicht etwa bei ihm, sondern setzt seine Geschäftsreise fort und bezahlt stattdessen den Wirt, sich um den Patienten zu kümmern. Nächstenliebe kann also durchaus "delegiert" werden. Und wer Nächstenliebe zB gegenüber Mitchristen in Arabien oder Afrika oder Lateinamerika üben will, kann sich dazu durchaus entsprechender Hilfsorganisationen bedienen anstatt selber hinzufahren. Wenn sein Opfer aus echter christlicher Sorge um die dortigen Menschen motiviert ist, kannst Du ihm Nächstenliebe nicht absprechen.

Freilich wird mit solcher Nächstenliebe immer auch Politik gemacht (das merkt man immer dann, wenn nur noch von "Solidarität" die Rede ist, einem der furchtbarsten Wörter im kirchlichen Jargon), aber das ist eine Fehlentwicklung, die man nicht der Nächstenliebe an sich in die Schuhe schieben darf.

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Robert Ketelhohn
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Robert Ketelhohn »

taddeo hat geschrieben:Das ist völlig falsch, wenn man das Evangelium zugrunde legt.
Nein.
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Fragesteller »

Taddeo hat m. E. schon recht, was das Delegieren der Nächstenliebe angeht. Wer liebt, will das Beste des anderen, und wenn das Beste nicht durch persönliches Aktivwerden, sondern durch zivilgesellschaftliche oder auch politische Mittel zu erreichen ist, dann ist es ein Akt der Nächstenliebe, sich dieser Mittel zu bedienen und den Organisationen zu spenden und die Parteien zu wählen, die das Wohl des Nächsten am effektivsten sichern.

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Robert Ketelhohn
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nein, genau nicht. Du beschreibst Akte der Vernunft (oder Unvernunft, je nach dem). Liebe geht nicht ohne persönliche Hingabe, und Hingabe nicht ohne direkte Berührung und Beziehung.
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Athanasius0570 »

Gamaliel hat geschrieben:
Lilaimmerdieselbe hat geschrieben:"für mich sind das unsere Österreicher" impliziert, [...] dass alle anderen nicht als Nächste zu lieben sind.
Eine solche Implikation besteht allenfalls in Deinem Kopf (und vielleicht auch noch in manch anderen Köpfen). Sie hätte eine textliche Grundlage, wenn am Plakat z.B. stünde: "für mich sind das nur unsere Österreicher".
Wenn du das noch einmal überdenkst, wirst du sehen, dass das nicht stimmt. Damit es keine Exklusivität bedeutet, müsste es eingeschränkt werden, zb. durch "auch" oder meinetwegen "vor allem".
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Fragesteller »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Nein, genau nicht. Du beschreibst Akte der Vernunft (oder Unvernunft, je nach dem). Liebe geht nicht ohne persönliche Hingabe, und Hingabe nicht ohne direkte Berührung und Beziehung.
Aber fordert Liebe nicht Vernunft? Kann es nicht konsequente Verwirklichung der Liebe sein zu sagen: Dieser Flüchtling leidet, ich will ihm so sehr helfen, dass er von mir aus auch bei mir pennen dürfte, aber wenn ich ihm einen Platz in dem und dem Heim finanziere (und dann noch die Partei wähle, die solches erleichtert), hat er mehr davon? Die persönliche Hingabe ist doch nicht Selbstzweck, sondern eben Hingabe an den anderen, die nach Möglichkeit nichts ins Leere laufen soll. Die Vernunft, die z. B. manche Eltern veranlasst, ihre Kinder in ein Internat zu schicken, kann ja ebenfalls (im besseren Falle) Konsequenz, und zwar als notwendig wahrgenommene Konsequenz, der Elternliebe sein, deren unmittelbar empfundene Forderung es eher wäre, die Kinder bei sich zu behalten. (Kritikwürdig ist es freilich, wenn jemand meint, sich durch zwei Euro oder wohlfeile politische Floskeln von der persönlichen Aufopferung loskaufen zu können. Aber auch das finanzielle oder politische Engagement kann bei entsprechender Intensität die Qualität eines Opfers annehmen. Richtig ist außerdem, dass dieses Engagement stärker irrtumsanfällig ist als direktes persönliches Handeln. Das ist in der Tat ein Problem.)

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Athanasius0570
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Re: Liebe deine Nächsten - Wahlplakate Österreich

Beitrag von Athanasius0570 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Nein, genau nicht. Du beschreibst Akte der Vernunft (oder Unvernunft, je nach dem). Liebe geht nicht ohne persönliche Hingabe, und Hingabe nicht ohne direkte Berührung und Beziehung.
Und ist diese Art der Liebe, die du beschreibst vorschreibbar, wie es im Alten und Neuen Testament, auch auf die Feinde bezogen, geschieht?
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus. (1 Thess 5, 16-18)

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