Libertas Ecclesiae hat geschrieben: ↑Donnerstag 6. Juli 2023, 10:11
Und welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang überhaupt noch eine politische „Mehrheit“ in der Länderkammer, insbesondere bei zustimmungspflichtigen Bundesgesetzen oder in Angelegenheiten der Europäischen Union? Inwiefern können hier die Interessen der Bundesländer bei der politischen Willensbildung des Gesamtstaates überhaupt noch berücksichtigt werden?
Außerdem kann die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag doch keine wirkliche Oppositonsarbeit leisten, wenn die CDU in acht von 16 Bundesländern mit mindestens einer der Ampel-Parteien eine gemeinsame Koalitionsregierung bildet. Entsprechend scheint ja inzwischen die „Kompromissfähigkeit“ in der Länderkammer sehr stark ausgeprägt zu sein, während der in früheren Zeiten durchaus bedeutsame Vermittlungsausschuss fast keine politische Rolle mehr spielt.
Man könnte schon, wenn man wollte.
In den Koalitionsverträgen der Länder ist meist festgehalten, daß sich das Land der Stimme enthält, wenn die beiden oder eine der drei regierenden Parteien eine abweichende Meinung zu dem Gesetz hat. Eine Enthaltung im Bundesrat zählt wie eine Nein-Stimme.
Aber das Problem sehe ich weniger im Bundesrat als bei der Union, die keine wirksame Oppositionsarbeit leisten will. Das beste Beispiel ist der Erfolg EINES CDU-Abgeordneten beim Heizungsgesetz. Sein Vorschlag, daß die CDU die Sache dem BVerfG vorlegt, wurde mit den Worten abgelehnt: "Wir machen Politik in Berlin und nicht Karlsruhe." Sicher hätte man verlieren können, das kann man vorher nie wissen. Ober hatte man Angst vor einem Stimmengewinn der AfD bei den Landtagswahlen? Eine klare Linie zum Heizungsgesetz kann man jedenfalls bei der Union auch nicht erkennen. Wie auch, wenn man am liebsten mit den Grünen nach der nächsten Wahl ins Regierungsbett steigen möchte?!
Alle Parteien haben kein Rezept, wie man die Erfolge der AfD umkehren kann. Die AfD überspringt erstmals in Thüringen die 30%-Hürde und erreicht 34% - ein Drittel der Bevölkerung - und man liest darüber kaum etwas. Ein Aufschrei wie bei der Wahl des Landrates in Sonneberg bleibt aus. Nach den letzten Umfragen ist die AfD in vier ostdeutschen Bundesländern stärkste Partei. Nur in Sachsen-Anhalt liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union. Der Regierungsbonus der SPD in Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg hat sich in einen Malus verwandelt. In Sachsen liegt die regierende CDU schon seit über einem Jahr deutlich hinter der AfD - die dürfte ihren Vorsprung inzwischen ausgebaut haben.
Daß der Erfolg der "Extremisten" nicht in Stein gemeißelt ist, haben Nachbarländer gezeigt. Rutte hat das Programm von Wilders übernommen, die Sozialdemokraten in Dänemark die Forderungen der Dänischen Volkspartei. Das wurde von den Wählern honoriert. Aber in Deutschland wäre so etwas undenkbar.
Ich bin einmal gespannt, ob man bei einem Erfolg der AfD im nächsten Jahr an der parlamentarischen Tradition noch festhält, daß die stärkste Partei den Landtagspräsidenten stellt.
![grins ;D](./images/smilies/grins.gif)
Wetten, daß die anderen Parteien da noch eine Lösung einfällt - und die CDU mitmacht?