Thema Islam

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ad_hoc
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Thema Islam

Beitrag von ad_hoc »

Hallo Ewald Mrnka

Ich sehe ohnehin Friedrich Nietzsche nicht als den großen Gottesfeind oder Gottesleugner, sondern als einen großen Gottsucher, der verzweifelt darüber war, ihn nicht erkennen zu können.
Keiner der großen Philosophen hat Gott so beschrieben wie Nietzsche, wenn er beschrieb, wie Gott sein müßte, falls es ihn gäbe und wie er sich diesem Gott vollkommen hingeben würde (nebenbei: ein großartiges Gottesbild).

Gruß, ad_hoc
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Joseph
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Re: Islam

Beitrag von Joseph »

lutherbeck hat geschrieben:Unter dieser Prämisse sollte man den inflationären Gebrauch religiösen Vokabulars einmal grundsätzlich überdenken... :roll:
:daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf:
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Ewald Mrnka
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Re: Islam

Beitrag von Ewald Mrnka »

ad_hoc hat geschrieben:Hallo Ewald Mrnka

Ich sehe ohnehin Friedrich Nietzsche nicht als den großen Gottesfeind oder Gottesleugner, sondern als einen großen Gottsucher, der verzweifelt darüber war, ihn nicht erkennen zu können.
Keiner der großen Philosophen hat Gott so beschrieben wie Nietzsche, wenn er beschrieb, wie Gott sein müßte, falls es ihn gäbe und wie er sich diesem Gott vollkommen hingeben würde (nebenbei: ein großartiges Gottesbild).

Gruß, ad_hoc
Es ist unstreitig: Friedrich Nietzsche hat das Christentum sehr pointiert-negativ charakterisiert und gehaßt. Man kann ihn nicht im Nachhinein vereinnahmen und behaupten, das alles habe er nur so gesehen und gesagt, weil er die Kirche(n) des 19. Jahrhunderts im Blick gehabt habe. Wer das behauptet ist unredlich oder hat Nietzsche nicht gelesen.

Aber als Gottesleugner im fromm-platt-doofen Sinne, würde ich ihn auch nicht einordnen wollen; ich muß aber einräumen, daß mich dieser Aspekt an Nietzsche nie sonderlich interessiert hatte.
"Zur Genealogie der Moral" finde z.B. ich viel aufregender, interessanter und wichtiger als die Frage ob er nun "Atheist" war oder nicht.

Der seinerzeit "unzeitgemäße" Nietzsche ist fraglos der Philosoph des 21. Jahrhunderts. Keiner hat den modernen Sozialisationstyp ("der letzte Mensch") so schonungslos-genial skizziert wie Nietzsche.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Ewald Mrnka hat u. a. geschrieben:
Es ist unstreitig: Friedrich Nietzsche hat das Christentum sehr pointiert-negativ charakterisiert und gehaßt. Man kann ihn nicht im Nachhinein vereinnahmen und behaupten, das alles habe er nur so gesehen und gesagt, weil er die Kirche(n) des 19. Jahrhunderts im Blick gehabt habe. Wer das behauptet ist unredlich oder hat Nietzsche nicht gelesen.
Richtig ist, dass Nietzsche das Christentum negativ charakterisierte.
Mittlerweile scheint sich aber die Ansicht durchzusetzen, dass Nietzsche deshalb das Christentum negativ beurteilte, weil er einmal (aus nicht bekannten Gründen) in seiner frühen Jugend den Glauben verloren hatte, und weil er andererseits sich der Vorstellung hingab, wie ein Gott denn beschaffen sein müsse, dass er an ihn glauben könne. Verstärkt wird diese Annahme noch dadurch, dass er das Aussehen und das Leben in einer Welt beschrieb, die, wie er es sich vorstellte, ohne Gott existieren würde. Hass war es sicher, was ihn zum scheinbaren Gegner des Christentums werden ließ. Letztlich kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der scheinbare Hass Nietzsches gegen Gott eigentlich gegen sich selbst gerichtet war, weil er es nicht ertrug, diesen Gott seiner Jugend verloren zu haben.
Dazu gäbe es viel mehr zu sagen, aber im Moment ist mir dies ganz einfach zu viel. Irgendwo habe ich ein Buch zum Thema. Sobald ich es gefunden habe, stelle ich den Titel hier ein (ich meine, dass ich das Buch hier in diesem Forum vor Jahren mal benannt hätte).
Wie Du auf die Aussage in Deinem zweiten Satz kommst, ist mir ein Rätsel. Das hat mit dem Phänomen Nietzsche überhaupt nichts zu tun.

Gruß, ad_hoc
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Stephanie
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Beitrag von Stephanie »

Die erste islamische Partei Europas:

http://videos.arte.tv/de/videos/spanien ... 19786.html

Sehr spannend.
Interessant finde ich folgende Aussage: Im Islam ist Politik und Religion ein Ganzes, eine Lebensweise usw.
Da man ja fordert (in D, für Spanien kann ich da nicht reden), dass sich die Religion immer weiter aus der Politik und dem öffentlichen Leben ins Private zurückzuziehen habe, frage ich mich nur, wie das zusammengehen soll?
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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Stephanie
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Beitrag von Stephanie »

Und hier mal ein Beispiel für ein gelungenes Miteinander

Das muslimische Internetportal muxlim.com ist eine muslimische Firma, in der nur 25% der Angestellten Muslime sind und der Christ offenbar seine Ikone am Arbeitsplatz aufstellen darf (auch wenn die Platzierung sicherlich der Berichterstattung geschuldet war), ohne dass es gegenseitiges An-die-Gurgel-springen gibt:

http://videos.arte.tv/de/videos/yourope-467574.html

Mir gefällt das kreative Potential, dass die jungen Leute zeigen...
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Jarom1
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Beitrag von Jarom1 »

Ewald Mrnka hat geschrieben: Der seinerzeit "unzeitgemäße" Nietzsche ist fraglos der Philosoph des 21. Jahrhunderts. Keiner hat den modernen Sozialisationstyp ("der letzte Mensch") so schonungslos-genial skizziert wie Nietzsche.
"Nietzsche ist ein Saulus, der auf dem Weg nach Damaskus in Ohmacht gefallen ist" [Davila]

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Jarom1 hat geschrieben:
Ewald Mrnka hat geschrieben: Der seinerzeit "unzeitgemäße" Nietzsche ist fraglos der Philosoph des 21. Jahrhunderts. Keiner hat den modernen Sozialisationstyp ("der letzte Mensch") so schonungslos-genial skizziert wie Nietzsche.
"Nietzsche ist ein Saulus, der auf dem Weg nach Damaskus in Ohmacht gefallen ist" [Davila]
Ein sehr gutes, zutreffendes Zitat; das kannte ich noch nicht.
Danke!
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Pilgerer
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Beitrag von Pilgerer »

Interessant finde ich folgende Aussage: Im Islam ist Politik und Religion ein Ganzes, eine Lebensweise usw.
Enthielt die katholische Soziallehre früher nicht auch bestimmte Ideale für die Gestaltung eines katholischen Staates?

Allerdings ist es ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Islam und der christlichen Religion, dass der Islam als politisch-expansive Bewegung entstand, während das Christentum am Anfang eine freiheitlich-missionarische Bewegung war. Darum enthält der Koran politische und rechtliche Bestimmungen, die sich in ein islamisches Gesellschaftssystem umwandeln lassen. Das Neue Testament hat hingegen kein Vorbild für ein christliche politisches System.

Beim Thema Religionen ist ganz allgemein das Problem zu beachten, dass Religionen mit dem Staat zum Teil in Konkurrenz stehen. Beide haben den Anspruch, bestimmte Normen den Menschen zu geben, die die Gesellschaft "gut" ordnen. Wer hat recht und wer setzt sich durch?
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Pit
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Beitrag von Pit »

Pilgerer, ein Muslim sagte mir einmal,der Islam (seit dem Zusammenbruch des maurischen Andalusiens) stände politisch dort, wo die europäische Gesellschaft vor der Aufklärung stand- ganz Unrecht hatte er nicht.
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Pit hat geschrieben:Pilgerer, ein Muslim sagte mir einmal,der Islam (seit dem Zusammenbruch des maurischen Andalusiens) stände politisch dort, wo die europäische Gesellschaft vor der Aufklärung stand- ganz Unrecht hatte er nicht.
Richtig, aber der Islam gehört eher zur Spätantike als zum Mittelalter.
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Niels
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Beitrag von Niels »

Ewald Mrnka hat geschrieben: Richtig, aber der Islam gehört eher zur Spätantike als zum Mittelalter.
:ja:
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Pit
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Beitrag von Pit »

Er entstand während der Spätantike, genaugenommen im Frühmittelalter, aber seine absolute Blütezeit erlebte die muslimische Kultur definitiv im Hochmittelalter- ich denke da nur an das Kalifat von Cordoba.
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Niels
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Beitrag von Niels »

Pit hat geschrieben:Er entstand während der Spätantike, genaugenommen im Frühmittelalter
Da bist Du nicht ganz up to date, was die Zeit von ca. 300-700 angeht.
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Stephanie
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Beitrag von Stephanie »

Niels hat geschrieben:
Pit hat geschrieben:Er entstand während der Spätantike, genaugenommen im Frühmittelalter
Da bist Du nicht ganz up to date, was die Zeit von ca. 300-700 angeht.
:hae?: Was meinst du damit Niels?
Die Epochengrenze ist ja umstritten und richtet sich außerdem nach der Geographie. Die Zeit Kaiser Justinians gilt gegenwärtig als Wendezeit von der Spätantike hin zum Frühmittelalter (hat sozusagen noch antike Züge, weist aber bereits frühmittelalterliche Entwicklungen auf) ... aber für die arabische Halbinsel gilt das natürlich nicht...
Oder hast du dich auf die iberische Halbinsel bezogen?
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Niels
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Beitrag von Niels »

stephaniemariaalexandra hat geschrieben: Oder hast du dich auf die iberische Halbinsel bezogen?
Natürlich nicht. (Ich dachte, das sei klar. :tuete: )
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Stephanie
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Beitrag von Stephanie »

Aber was genau meintest du dann?

Aus europäischer Sicht entstand der Islam in einer Epochenwende von der Spätantike zum Frühmittelalter
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Pit
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Beitrag von Pit »

stephaniemariaalexandra hat geschrieben:Aber was genau meintest du dann?

Aus europäischer Sicht entstand der Islam in einer Epochenwende von der Spätantike zum Frühmittelalter
Das ist richtig, besonders, weil man zwischen dem Islam ansich und der islamischen Gesellschaft unterscheiden muss, die nie so heterogen war, wie mancher meint.
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Niels
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Beitrag von Niels »

stephaniemariaalexandra hat geschrieben:Aber was genau meintest du dann?

Aus europäischer Sicht entstand der Islam in einer Epochenwende von der Spätantike zum Frühmittelalter
Eben.
Pit schrieb aber:
Pit hat geschrieben:Er entstand während der Spätantike, genaugenommen im Frühmittelalter
Ich wollte nur andeuten, dass man es sich nicht so einfach machen kann - außer man nimmt den aktuellen Forschungsstand nicht zur Kenntnis (was den byzantinischen Osten angeht).

Ist aber nachrangig, was den Thread angeht.
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Stephanie
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Beitrag von Stephanie »

Du bist aber ein strenger Leser :detektiv: :doktor: :blinker:
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Pit
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Beitrag von Pit »

Denoch richtig, denn sobald wir Byzanz aus dem Blick verlieren...! :unbeteiligttu:
Übrigen dauerte die eigentliche kulturelle Blütezeit des maurischen Al Andalus leider nicht mal 100 Jahre.
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holzi
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Beitrag von holzi »

Pit hat geschrieben:Denoch richtig, denn sobald wir Byzanz aus dem Blick verlieren...! :unbeteiligttu:
Übrigen dauerte die eigentliche kulturelle Blütezeit des maurischen Al Andalus leider nicht mal 100 Jahre.
Und diese Blütezeit wurde übrigens entgegen gängigen Klischees nicht von den christlichen Reichen im Norden Spaniens, sondern von den Muslimen selbst beendet, indem sie gegeneinander Bürgerkriege um die Macht anzettelten. (Taifa-Periode)

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

holzi hat geschrieben:
Pit hat geschrieben:Denoch richtig, denn sobald wir Byzanz aus dem Blick verlieren...! :unbeteiligttu:
Übrigen dauerte die eigentliche kulturelle Blütezeit des maurischen Al Andalus leider nicht mal 100 Jahre.
Und diese Blütezeit wurde übrigens entgegen gängigen Klischees nicht von den christlichen Reichen im Norden Spaniens, sondern von den Muslimen selbst beendet, indem sie gegeneinander Bürgerkriege um die Macht anzettelten. (Taifa-Periode)
:breitgrins:
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Pilgerer
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Beitrag von Pilgerer »

Pilgerer, ein Muslim sagte mir einmal,der Islam (seit dem Zusammenbruch des maurischen Andalusiens) stände politisch dort, wo die europäische Gesellschaft vor der Aufklärung stand- ganz Unrecht hatte er nicht.
Im Islam ist die politisch-soziale Ordnung jedoch viel sakraler als im Christentum. Während im Christentum erst bei späten Kirchenvätern Vorstellungen über die Politik auftreten, kommen diese im Islam schon in den Medina-Suren des Korans vor. In Medina war Mohammed bekanntlich eine Art Fürst, nachdem er dort als Prophet anerkannt worden war. Dort hat er gezeigt, wie er mit Freunden und Gegnern (z.B. die "Heuchler"), Gläubigen und Ungläubigen umgeht. Darin ist er ein Vorbild für die islamische Welt so wie das Vaterunser von Jesus ein Vorbild für die Christen ist.
Die einzige Lösung für den Islam ist eine Säkularisierung und Distanzierung von den Ursprüngen, wie sie z.B. in der Bewegung der Aleviten geschehen ist.
Pit hat geschrieben:Er entstand während der Spätantike, genaugenommen im Frühmittelalter, aber seine absolute Blütezeit erlebte die muslimische Kultur definitiv im Hochmittelalter- ich denke da nur an das Kalifat von Cordoba.
Das "Mittelalter" ist eigentlich ein abendländischer Begriff. In Byzanz lebte die römische Hochkultur unter christlichen Vorzeichen bis ins 15. Jahrhundert weiter. Die Überreste davon haben dann wieder die Renaissance in Europa gefördert.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Pilgerer hat geschrieben:
Das "Mittelalter" ist eigentlich ein abendländischer Begriff. In Byzanz lebte die römische Hochkultur unter christlichen Vorzeichen bis ins 15. Jahrhundert weiter. Die Überreste davon haben dann wieder die Renaissance in Europa gefördert.
Selbst in Italien war die Antike nie ganz untergegangen.
An der italienischen Gotik habe ich immer das Gefühl: Da stimmt etwas nicht.
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Pit
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Beitrag von Pit »

Pilgerer hat geschrieben: ...
Das "Mittelalter" ist eigentlich ein abendländischer Begriff. In Byzanz lebte die römische Hochkultur unter christlichen Vorzeichen bis ins 15. Jahrhundert weiter. Die Überreste davon haben dann wieder die Renaissance in Europa gefördert.
Korrekt, deswegen vermeide ich den Begriff Mittelalter auch möglichst, wenn ich mit Menschen rede, die historisch nicht so firm sind, denn "Mittelalter" ist ein Begriff,der von den Humanisten der Renaissance geprägt wurde, die damit die (vermeintlich!) unzivilisierte Epoche zwischen (Spät)Antike und Renaissance betitelten.
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Niels
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Beitrag von Niels »

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Peregrin
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Beitrag von Peregrin »

Pit hat geschrieben: "Mittelalter" ist ein Begriff,der von den Humanisten der Renaissance geprägt wurde, die damit die (vermeintlich!) unzivilisierte Epoche zwischen (Spät)Antike und Renaissance betitelten.
Witzigerweise meinen heute Humanisten oft genau jene Periode ihres ersten Wirkens, wenn sie Pest, Krieg und Hexenjagd mit dem Mittelalter assoziieren.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Pit
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Beitrag von Pit »

Peregrin hat geschrieben: ...
Witzigerweise meinen heute Humanisten oft genau jene Periode ihres ersten Wirkens, wenn sie Pest, Krieg und Hexenjagd mit dem Mittelalter assoziieren.
Nun ja, die grösste "Welle" der Hexenverfolgungen gab es weder im MA noch in der Renaissance.
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Pilgerer
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Beitrag von Pilgerer »

Korrekt, deswegen vermeide ich den Begriff Mittelalter auch möglichst, wenn ich mit Menschen rede, die historisch nicht so firm sind, denn "Mittelalter" ist ein Begriff,der von den Humanisten der Renaissance geprägt wurde, die damit die (vermeintlich!) unzivilisierte Epoche zwischen (Spät)Antike und Renaissance betitelten.
Bezüglich der Begriffsgeschichte bin ich nicht kompetent, aber ich kann mir vorstellen, dass es im Mittelalter tatsächlich die Idee gab, in einem "mittleren Zeitalter" zu sein, das eine ganz wichtige Rolle in der Weltgeschichte spiele. Es gab um das Jahr 1000 ähnliche Milleniumerwartungen wie 2000. Das Mittelalter ist eigentlich die große Zeit des christlichen Europas, als nach für nach auch Nord- und Osteuropa christlich wurden.

Das "dunkle Mittelalter", so wir davon sprechen können, beginnt vermutlich erst mit der kleinen Apokalypse im 14. Jahrhundert: Pest, Naturkatastrophen, Kleine Eiszeit, Hundertjähriger Krieg, Judenprogrome. All das hat die Bevölkerung verändert. Der Pest ist überwiegend die gebildete Elite zum Opfer gefallen, sodass die Bevölkerung vielerorts in ein kulturelles Loch fiel, zu dem dann auch der Hexenwahn gehörte.

Im Orient kann das Aufkommen des Islam tatsächlich als die große historische Zäsur gelten. Der Islam hat binnen weniger Jahre die Großmächte Byzanz und Persien besiegt, die zuvor den Orient unangefochten dominierten. Byzanz verlor seine Besitzungen in Palästina, Nordafrika und Nahen Osten. Das zarathustrische Persien wurde vom Islam erobert und durch die Islamisierung in seinem Charakter völlig verändert. Mit dem Islam ist das Gesicht des Orients völlig umgestaltet worden. Die Hochkulturen Ägyptens, Assyriens und Persiens wurden nun von den rückständigen Araberstämmen beherrscht und allmählich völlig zerstört.
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Beitrag von lifestylekatholik »

Pilgerer hat geschrieben:Es gab um das Jahr 1000 ähnliche Milleniumerwartungen wie 2000.
Ist das so?
Pilgerer hat geschrieben:Das "dunkle Mittelalter", so wir davon sprechen können, beginnt vermutlich erst mit der kleinen Apokalypse im 14. Jahrhundert:
Was ist denn so von 600–900?
Pilgerer hat geschrieben:Der Pest ist überwiegend die gebildete Elite zum Opfer gefallen
Hast du dafür einen Link?
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Beitrag von Ewald Mrnka »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Pilgerer hat geschrieben:Der Pest ist überwiegend die gebildete Elite zum Opfer gefallen
Hast du dafür einen Link?
Alle Stände waren von der Pest, besonders in den Städten, stark betroffen.

Aber die oberen Stände (Adel & Klerus) hatten insgesamt wohl doch weniger Opfer zu beklagen. Ich möchte das hier nicht im einzelnen belegen, das würde zu weit führen, aber ich erinnere pars pro toto an die Rahmenerzählung im Decamerone und an die Art und Weise, wie Clemens VI in Avignon die Pest überstanden hatte; das sind Beispiele, die gewiß keine Statistik ersetzen können, aber sie stützen doch ein wenig die Hypothese, daß, wie später bei der Titanic :breitgrins: und sonstwo :breitgrins:, die Unterschichten in den meisten Katastrophen am meisten zur Ader gelassen werden.

Das mag damit zusammenhängen, daß die Eliten im Durchschnitt eben doch klüger, informierter, disziplinierter und materiell besser ausgestattet sind als die Unterschicht.
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