taddeo hat geschrieben:Yeti hat geschrieben:taddeo hat geschrieben:Amanda hat geschrieben:Keuschheit lässt sich nun mal in erster Linie am Verhalten und der Kleidung ablesen.
Mit allem Respekt, DAS halte ich für eine Schwachsinnsnummer aus der Mottenkiste ewiggestriger Mannsbilder. Ich weiß, das wurde im Christentum den Frauen genauso eingetrichtert und aufoktroyiert wie zB im Islam, aber es bleibt trotzdem Schwachsinn und eine rein kulturell geprägte Vorstellung. Keuschheit bedeutet in erster Linie, wie ICH den anderen betrachte, nicht, wie ich mich vom anderen betrachten lasse.
Ich glaube, da irrst du. Es gehört beides dazu. Es ist lange, sehr lange her, dass so etwas im Christentum verkündet wurde.
Das weiß ich sehr wohl, angefangen hat damit wohl Paulus.
Aber ich bin trotzdem überzeugt, daß er - und alle folgenden Lehrer - hier einseitig kulturelle Prägungen aus dem jüdischen und hellenistischen Kulturkreis verabsolutiert haben. Kannte Paulus Eingeborenenstämme aus Afrika, Südamerika oder Fernasien, die schon immer völlig ohne Kleidung auskommen? Wohl kaum. Und mir wäre auch nicht erinnerlich, in den Evangelien jemals ein Wort Jesu gelesen zu haben, in dem er sich zu schicklicher Kleidung äußert, genauso wenig, wie dieses Thema etwa in den Zehn Geboten vorkommt.
Was Kleidungsformen betrifft, kann m. E. nur gelten, was dem Apostel Petrus hinsichtlich der Speisevorschriften widerfahren ist (vgl. Apg 10/11): Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht unrein.
Ich denke nicht, dass man bei allen heute polarisierenden Fragen im Neuen Testament, deren Lösung uns heute nicht mehr gefällt, qua (tatsächlicher oder vermuteter) Autorenschaft auf Paulus als "Sündenbock" verweisen sollte. Er hatte sich um die spezielleren Alltagsprobleme der bereits existierenden Gemeinden zu kümmern, um die sich Jesus selbst noch gar nicht kümmern musste, denn die Sozialkontrolle in jüdischen Siedlungen zur Zeit Jesu in Palästina dürfte ebenso rigide gewesen sein, wie wir das heute von muslimischen Ländern kennen. Das mag eben bei Heidenchristen anders gewesen sein, die ohne jüdische Sozialisation aufwuchsen. Und natürlich kommt Kleidung nicht im Dekalog vor: Die Maßstäbe hierfür werden als
selbstverständlich vorausgesetzt! Bei den Eingeborenen stellt sich mir weniger die Frage, ob Paulus von deren Existenz wusste, sondern wie diese Menschen ihre Triebe beherrschten, denn das war bzw. ist auch dort notwendig. Auch auf Tahiti konnte man sich nicht mal schnell die Tochter des Häuptlings schnappen, wenn einem mal grad in der Sylvesternacht danach war. Man könnte natürlich auch fragen: Wissen wir denn tatsächlich, wie diese Gesellschaften leben, oder hängen auch wir einem im 19. Jahrhundert entstandenen romantischen Ideal einer "ungebundenen" Gesellschaft nach? So ungebunden kann diese Gesellschaft ja offenbar gar nicht sein und sie funktioniert vermutlich auch nur durch eine hohe, lückenlose und rigorose Sozialkontrolle. Wer aus einem Dorf vom Land kommt, weiß was ich meine. Kleidung, wie wir sie hier kennen, war bei Eingeborenenstämmen also schon aus den genannten Gründen nicht notwendig und aufgrund des Klimas wahrscheinlich eher hinderlich. Schließlich rennen auch Eskimos - Verzeihung, Innuit - nicht nackt herum. Wer aber die eigene Sexualität nicht gebildet hat und sich nicht mit ihr befasst hat - wie eben z.B. jene wilde Horden vor dem Hauptbahnhof, oder solche auf dem Oktoberfest etc. etc. - für den ist jedes sexuelle Symbol - und sei es lediglich die nackte Frau auf einer Werbetafel - der Auslöser einer Zeitbombe in der Hypophyse. Eben deshalb muss Kleidung eben schicklich und sittsam sein - wer dagegen verstößt, verrät Absicht, natürlich. Übrigens auch, wer in der Öffentlichkeit zu leichtfertig über Sex spricht oder über sexuelle Gewohnheiten, die eigentlich niemanden etwas angehen. Wir haben es uns angewohnt, zu naiv über Sexualität zu sprechen: Sex sei schön, gut etc. etc. - das alles stimmt -
auch. Tatsache ist, dass die Sexualität höchst ambivalent ist, also auch zerstörerisch sein kann. Wehe dem, der die Grenzen der Schicklichkeit überschreitet, wer ungehemmt, auch in sachlicher Sprache, über seine eigene, private Sexualität spricht, die niemanden etwas angeht! Schon allein die großtuerische Sehnsucht von manchen Leuten, darüber zu sprechen, ist krank. So liederlich sprechen auch Pädophile - wehe ihnen! Wehe dem, der glaubt, es bestünden keine Grenzen mehr. Wir sind nicht Herren im eigenen Haus, das ist eine der Kränkungen der Menschheit. So frei, wie wir tun, sind wir nicht! Und natürlich ist nicht jeder wirklich frei, der über seine Ketten spottet.