Feindbilder -

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Bob
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Beitrag von Bob »

ERRARE HUMANUM EST ... ;D
Zuletzt geändert von Bob am Mittwoch 7. Mai 2008, 17:44, insgesamt 1-mal geändert.
"Religions have promised many roses - but you end up with only thorns." (U. G. Krishnamurti)

sofaklecks
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Kann man

Beitrag von sofaklecks »

Wenn man die Grundfrage bejaht, dass Gott den Menschen geschaffen hat, kann man dann darüber unterschiedlicher Meinung sein, wie er sich seinem Geschöpf offenbart und ob, und wenn ja, wie er in seine Schöpfung eingreift?

Und wie man sich ihm nähert?

sofaklecks

Bob
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Beitrag von Bob »

GOTT wird wissen, dass sich ihm jeder Mensch nur auf seinem eigenen Weg nähern kann - und sei es auch auf der Basis eines mehr "philosophischen", weniger "religiösen" Gottverständnisses ... ;)
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Bob hat geschrieben:ERARE HUMANUM EST ... ;D
........., in errore perseverare stultum. 8)

Errare hat nichts mit eratisch zu tun. ;)

Bob
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Beitrag von Bob »

Hatte ein "R" vergessen - Irren ist eben menschlich ... ;)
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Stirner
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Beitrag von Stirner »

Hallo Raphael,

Womit hab ich mir gerade deinen "gerechten Zorn" zugezogen? Ich bin mir da keinerlei Provokation bewusst, abgesehen vom anscheinend misslungenen Versuch die Debatte zu versachlichen.

In der Einleitung zu diesem Forum steht der Hinweis - frei übersetzt - dass hier auch Menschen anderen Glaubens und anderer Geisteshaltung willkommen sind zum Gespräch und zur freundlichen Kontroverse und dies auf Basis gegenseitigen Respekts.

Ich habe dir und deinem Glauben weder diesen Respekt vorenthalten, noch habe ich mich hier solidarisch zu irgendwem erklärt. Seltsame Frontenbildung, ich hab hier auch keinen Gegenentwurf zu irgendwas entwickelt, noch für "irgend eine Seite" plädiert. Mir ging es um die Grundlage eine Diskussion auch führen zu können, ohne dem "jeweils Anderen" etwas grundsätzliches absprechen zu müssen dabei.

Über meine Einschätzungen zu Gottesfragen oder Begriffen habe ich mich bisher überhaupt noch nicht geäußert. Wie du mich derart "zuordnen" kannst ist mir noch ein völliges Rätsel.

Übrigens scheint mir mein Nick ebenso wenig Omen, wie vermutlich der Deine - außer du siehst dich tatsächlich als "forensianisch - Gestalt gewordenen Erzengel", der hier "im direkten Auftrag" handelt? ;-)

Ich hoffe einfach einmal nicht ... Also ruhig Blut bitte Freund, ich beisse nicht.

Stirner

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Linus
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Beitrag von Linus »

Bob hat geschrieben:Und was ist mit dem "Erzengel" Gabriel? Der nach meinem Verstehen auch "bestraft", bis hin zur "Vernichtung" der "Ketzer"?
Aus welchem Aporyphen Evangelium hast du das? Das Klingt nach Koran (da will ja Mahomet mit Gabriel gekämpft haben)



Er wird sich seine "Freunde" selber aussuchen - und ich vermute mal, unter jenen, die nur nach den Primaten seiner Bergpredigt handeln und gewichten ... ;)
Sowieso: Johannes 15, 15
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Hallo Stirner!
Stirner hat geschrieben:Hallo Raphael,

Womit hab ich mir gerade deinen "gerechten Zorn" zugezogen? Ich bin mir da keinerlei Provokation bewusst, abgesehen vom anscheinend misslungenen Versuch die Debatte zu versachlichen.

Woraus schließt Du, daß ich zornig bin?
Solltest Du dies meinen Worten entnommen haben, bitte ich Dich, noch etwas an Deiner Hermeneutik zu arbeiten.
Stirner hat geschrieben:In der Einleitung zu diesem Forum steht der Hinweis - frei übersetzt - dass hier auch Menschen anderen Glaubens und anderer Geisteshaltung willkommen sind zum Gespräch und zur freundlichen Kontroverse und dies auf Basis gegenseitigen Respekts.

Ist hier jemand respektlos behandelt worden?

IMHO wird das klare katholische Wort von Seiten Bob's - und auch von Dir - als aggressiv gewertet. Das ist das klare katholische Wort aber von sich aus nicht.
Stirner hat geschrieben:Ich habe dir und deinem Glauben weder diesen Respekt vorenthalten, noch habe ich mich hier solidarisch zu irgendwem erklärt. Seltsame Frontenbildung, ich hab hier auch keinen Gegenentwurf zu irgendwas entwickelt, noch für "irgend eine Seite" plädiert. Mir ging es um die Grundlage eine Diskussion auch führen zu können, ohne dem "jeweils Anderen" etwas grundsätzliches absprechen zu müssen dabei.

Wenn Du die Texte aufmerksam liest, dann wirst Du feststellen, daß ich weder Dir noch dem Schmusebob etwas abgesprochen habe.
Lediglich die Auffassung, der Mensch habe Gott geschaffen, wurde von mir zum Bereich der humanen Hybris gezählt.
Stirner hat geschrieben:Über meine Einschätzungen zu Gottesfragen oder Begriffen habe ich mich bisher überhaupt noch nicht geäußert. Wie du mich derart "zuordnen" kannst ist mir noch ein völliges Rätsel.

Ich sagte doch schon: Nomen es omen!

Zu Deinem Nick: Max Stirner
Stirner hat geschrieben:Übrigens scheint mir mein Nick ebenso wenig Omen, wie vermutlich der Deine - außer du siehst dich tatsächlich als "forensianisch - Gestalt gewordenen Erzengel", der hier "im direkten Auftrag" handelt? ;-)

Mein Nick hat einen anderen Hintergrund .........
Stirner hat geschrieben:Ich hoffe einfach einmal nicht ... Also ruhig Blut bitte Freund, ich beisse nicht.

Stirner
Ich auch nicht! 8)
Und selbst wenn ich es täte, wäre es sowieso nur virtuell! ;)

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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Bob hat geschrieben:Raphael weiß: "Damit (mit der Entstehung des Christentums) einhergehend wurde auch das Menschenbild verändert, da der Mensch als 'ebenbildlich' zu Gott - und trotzdem als 'von Gott geschaffen' verstanden wird.

Bob: Wäre es so, scheint IHM das nicht so gaanz gelungen - denn was haben die Menschen aus dieser einen Erde (für Christen: "SEINER Schöpfung") gemacht?

Die "Ebenbildlichkeit" scheint mir große Anmaßung zu sein, die meinem (von mir aus "altgriechischen" ;) ) Verständnis von GOTT als Wesenheit, die Liebe und Gesetz ist, keinesfalls entspricht. Mal davon abgesehen, dass das "macht euch die Erde untertan" die respektlose Zerstörung von Mit- und Umwelt forciert und legitimiert haben könnte ...

Die Natur ist des Menschen Feind von Anbeginn und muss bezwungen werden, sonst bezwingt sie uns!

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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Bob hat geschrieben:
Raphaela hat geschrieben:
Bob hat geschrieben: Die vom NT überlieferte "Biografie" des Jesus Christus berichtet meines Wissens so gut wie nichts über etwa 12 Jahre (?) seines irdischen Lebens - könnte es sein, dass ER in dieser Zeit in Indien reiste, und dort auch buddhistischen Mönchen begegnete? Das mag für gläubige Christen "zweitrangig" sein ...
Hat dir das irgendjemand erzählt? - Ich weiß von einem mir bekannten Jesuiten, der so etwas ähnliches behauptet. Aber dieser Jesuit stellt auch Thesen auf, die mit der Bibel und dem katholischen Glauben unvereinbar sind.

Verlass' dich lieber einfach auf die Bibel.

Bob: Tun das auch alle Kirchen-Historiker? Ich nehme mir wie viele von ihnen ganz einfach die Freiheit, auf MEINE Art und auf MEINEM Weg "verstehen" zu wollen - und respektiere darum auch die Wege anderer, ohne das Bedürfnis nach "Feindbildern" ...

Würde es etwa die singuläre Größe des Jesus Christus zur Disposition stellen, wenn man es für möglich hielte, dass sich der Messias auch vom viel älteren Buddhismus inspirieren ließ, konkret von hochvergeistigten buddhistischen Mönchen? Was bedeuten würde, dass Jesus vielleicht sogar "physisch" in Indien reiste? Wäre das schon "Blasphemie"?


PS: Ich reiste auch in Indien, und man spricht dort von einem "Esa" - der womöglich NICHT identisch ist mit Thomas. Von dem Historiker meinen, er sei ein Bruder des Jesus aus Nazareth ...

*ächz* Dieser "E/Isa" ist die arabische Form von "Jesus" und ist erst mit dem Islam nach Indien gekommen, 600 Jahre nach Jesus...

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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Also eigentlich brauchen wir Christen uns auch gar nicht mit anderen Ideologien oder Religionen auseinanderzusetzen, da diese ja ohnehin einmal nicht mehr sein werden. Wir haben ja die Wahrheit und brauchen da auch eigentlich keinen Dialog mit der Welt. Von daher brauchen wir unsere Feinde nicht einmal zu hassen - im Gegenteil, wir bemitleiden sie...

Bob
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Beitrag von Bob »

Esperanto meint (oder zitiert?): "Die Natur ist des Menschen Feind von Anbeginn und muss bezwungen werden, sonst bezwingt sie uns!"

Bob: Ich lebe lieber MIT der Natur - sie gibt uns Antworten, bevor wir fragen. Man muss sie nur respektieren und aus sich selber heraus verstehen können ... :mrgreen:

Und Esperanto schrieb auch: "Also eigentlich brauchen wir Christen uns auch gar nicht mit anderen Ideologien oder Religionen auseinanderzusetzen, da diese ja ohnehin einmal nicht mehr sein werden. Wir haben ja die Wahrheit und brauchen da auch eigentlich keinen Dialog mit der Welt. Von daher brauchen wir unsere Feinde nicht einmal zu hassen - im Gegenteil, wir bemitleiden sie ..."

Bob, ganz erstaunt: Ist das jetzt "Selbst-Ironie"? :roll: Wenn nicht, würde mich das sehr an das "Pfeifen im Walde" erinnern ... ;)... der Weise ist kein "trotziges Kind", er lächelt ... ;)






PS: Hallo Raphael - nett, dass Sie mich "Schmusebob" nennen! :mrgreen: Jetzt müssen nur noch alle dran glauben ... :P
Zuletzt geändert von Bob am Mittwoch 7. Mai 2008, 23:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Bob
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Beitrag von Bob »

Linus hat geschrieben:
Bob hat geschrieben:Und was ist mit dem 'Erzengel' Gabriel? Der nach meinem Verstehen auch 'bestraft', bis hin zur 'Vernichtung' der 'Ketzer'?
Aus welchem Aporyphen Evangelium hast du das? Das Klingt nach Koran (da will ja Mahomet mit Gabriel gekämpft haben)


Bob: Wozu sonst das "Flammenschwert"?! :(
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Esperanto
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Beitrag von Esperanto »

Aber Herr Bob, glauben Sie denn etwa nicht, dass am Ende nur noch das Christentum und das Reich Gottes übrigbleiben werden? Das gehört zum Kern der christlichen Lehre!

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Linus
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Beitrag von Linus »

Flammenschwert? das hat Michael, nicht Gabriel.

Linus, im RealLife ein Erz(b)engel - so wie seine Frau auch - den Er(b)engel Raphael und Gabriel haben wir auch in der Familie :mrgreen:
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Esperanto hat geschrieben:.............. - im Gegenteil, wir bemitleiden sie...
Das ist so nicht korrekt! :/

Mitleid ist eine der höchsten Tugenden im Buddhismus.
Das Christentum kennt die Feindesliebe; IMHO ein Mehr als nur das Mitleid.

Bob
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Beitrag von Bob »

Raphael hat geschrieben:
Esperanto hat geschrieben:.............. - im Gegenteil, wir bemitleiden sie...
Das ist so nicht korrekt! :/

Mitleid ist eine der höchsten Tugenden im Buddhismus.
Das Christentum kennt die Feindesliebe; IMHO ein Mehr als nur das Mitleid.

Bob: Da sind wir bei den Feinheiten der deutschen Sprache: "Mitleid" kann "herablassend gewährt" werden - jedoch auch echtes "Mitfühlen" sein, so wie ich die Buddhisten wahrnehme; der Dalai Lama hat jetzt schon den Chinesen "verziehen" - er lebt lächelnd den weisen "Brückenbau" ;), die Liebe.
Und "Feindesliebe" kann so "weise" wie beim ersten Mönch der tibetischen Buddhisten - bei anderen aber "spitzfindige Heuchelei" sein. Die sich in archaischen Situationen (in denen es um Tod oder Leben oder auch nur den eigenen Vorteil geht) schnell als solche entlarvt ...

Ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, wie etwa in der Psychologie das zerstörerische Bedürfnis nach "Feindbildern" gedeutet wird:
Schon eine Familie kann in sich "zerstritten" sein - und erlebt sowas wie "Gemeinsamkeit" nur noch in der Konfrontation mit einem "Feindbild", hier vielleicht der "böse Nachbar".
Dieses sozial, psychologische Phänomen gibt es auf allen gesellschaftlichen Ebenen, bis hin ins Globale - wo sogar Ideologien und Religionen dafür missbraucht werden können. Dieser Psycho-Mechanismus wurde auch von fast allen "Herrschern" schamlos für ihre eigenen Absichten instrumentalisiert - besonders brutal und gegen jede Menschlichkeit von Hitler. Der mit dem Feindbild "Juden" die meisten Deutschen hinter sich versammeln konnte ...

Meine "Vorbilder" sind jene, die in unserer friedlosen Welt wirkliche Brücken des gegenseitigen Verstehens bauen - und keine "Feindbilder" brauchen ...
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Bob hat geschrieben:Bob: Da sind wir bei den Feinheiten der deutschen Sprache: "Mitleid" kann "herablassend gewährt" werden - jedoch auch echtes "Mitfühlen" sein, so wie ich die Buddhisten wahrnehme; der Dalai Lama hat jetzt schon den Chinesen "verziehen" - er lebt lächelnd den weisen "Brückenbau" ;), die Liebe.
Und "Feindesliebe" kann so "weise" wie beim ersten Mönch der tibetischen Buddhisten - bei anderen aber "spitzfindige Heuchelei" sein. Die sich in archaischen Situationen (in denen es um Tod oder Leben oder auch nur den eigenen Vorteil geht) schnell als solche entlarvt ...

Ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, wie etwa in der Psychologie das zerstörerische Bedürfnis nach "Feindbildern" gedeutet wird:
Schon eine Familie kann in sich "zerstritten" sein - und erlebt sowas wie "Gemeinsamkeit" nur noch in der Konfrontation mit einem "Feindbild", hier vielleicht der "böse Nachbar".
Dieses sozial, psychologische Phänomen gibt es auf allen gesellschaftlichen Ebenen, bis hin ins Globale - wo sogar Ideologien und Religionen dafür missbraucht werden können. Dieser Psycho-Mechanismus wurde auch von fast allen "Herrschern" schamlos für ihre eigenen Absichten instrumentalisiert - besonders brutal und gegen jede Menschlichkeit von Hitler. Der mit dem Feindbild "Juden" die meisten Deutschen hinter sich versammeln konnte ...

Meine "Vorbilder" sind jene, die in unserer friedlosen Welt wirkliche Brücken des gegenseitigen Verstehens bauen - und keine "Feindbilder" brauchen ...
Äpfel und Birnen kann man schlecht miteinander vergleichen, obwohl doch beide Früchte sind! :roll:

Interessant an Deiner Darstellung ist, daß dem Dalai Lama ein Vertrauensvorschuß gewährt wird, den - in Deinen Augen - die christliche Religion offenbar längst aufgebraucht hat.

Wenn man jedoch in die tieferen Schichten des Buddhismus einsteigt, zeigt sich, daß der Dalai Lama qua Amt erleuchtet ist. Erleuchtet zu sein im buddhistischen Sinne heißt jedoch, die Nichtigkeit der Welt erkannt zu haben.
Auch das Leid "der Anderen" wird damit automatisch nichtig, während man das eigene Leid ja schon über den Weg der Erleuchtung beseitigt hatte!

Das vom Dalai Lama gezeigte "Mitleid" entpuppt sich also als das - von Dir so bezeichnete - herablassende Mitleid: Es ist das "Mitleid" des Erleuchteten mit den armen Nicht-Erleuchteten ............

Was Deine Ausführungen zu den psychologischen Mechanismen anbetrifft:
Die moderne Psychologie hat das IMHO unlösbare Problem, daß sie keine seriösen Aussagen treffen kann!
Sir Karl Popper sprach dieser Disziplin sogar den Rang einer Wissenschaft ab, weil ihre Methoden und Ergebnisse nicht den Kriterien der von ihm vertretenen Wissenschaftstheorie entsprachen. Auch wenn Sir Karl Popper in vielen Fällen zu zweifelhaften Ergebnissen kam, in diesem Urteil ist ihm uneingeschränkt zuzustimmen.

Bob
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Beitrag von Bob »

Raphael meint: "Interessant an Deiner Darstellung ist, daß dem Dalai Lama ein Vertrauensvorschuß gewährt wird, den - in Deinen Augen - die christliche Religion offenbar längst aufgebraucht hat ...

Bob: Mein "Vertrauensvorschuss" ist schon lange zu "Vertrauen" geworden, soweit es den Menschen Dalai Lama betrifft. Und wenn es den christlichen Kirchen, insbesondere auch der katholischen, gelingt, die Bergpredigt als Botschaft der Liebe zum obersten Primat ihres Wirkens zu machen, umso besser; da bin ich wieder gerne ein "christlicher Abendländer" ...

Der Dalai Lama sagte mal: "Öffne die Arme und dein Herz, um dich zu verändern - aber verliere nicht deine Werte!" ;)
Und gerade das scheint mir an seinem Glauben das Überzeugendste: dass er niemanden "missionieren" will. Er ermutigt auch Christen darin, sich auf die spirituelle Substanz fast aller Religionen zu besinnen, das gemeinsame Interesse - und Christen zu bleiben. Um zusammen für eine friedlichere Welt zu wirken ...

Raphael: "Wenn man jedoch in die 'tieferen' Schichten des Buddhismus einsteigt, zeigt sich, daß der Dalai Lama qua Amt 'erleuchtet' ist. Erleuchtet zu sein im buddhistischen Sinne heißt jedoch, die 'Nichtigkeit der Welt' erkannt zu haben.
Auch das Leid 'der Anderen' wird damit automatisch nichtig, während man das eigene Leid ja schon über den Weg der 'Erleuchtung' beseitigt hatte!

Bob: Der Buddhismus zeigt den Menschen die heilende Kraft der Liebe - so wie Jesus Christus.

Raphael: "Das vom Dalai Lama gezeigte 'Mitleid' entpuppt sich also als das - von Dir so bezeichnete - 'herablassende Mitleid': Es ist das 'Mitleid' des Erleuchteten mit den 'armen' Nicht-Erleuchteten ...

Bob: Das scheint mir eine auf selektiver Wahrnehmung beruhende und sehr einseitige Interpretation zu sein - die ich keinesfalls teile. Und mich außerdem sehr an die Gewichtungen der katholischen Kirche erinnert - für die es ja "nur" den von ihr beschriebenen Weg zu Gott bzw. gelebter Spiritualität gibt.
Ich empfehle Ihnen dazu die Lektüre des "Lebenslauf des Gautama Siddharta", der zum ersten Buddha ("Erleuchteten") wurde, von Hermann Hesse.

In meinem "Reise"-Roman schrieb auch ich etwas über das spezifische spirituelle Angebot des Buddhismus, wie es meine Freunde Pierre und Louise in ihr Leben integrierten:

(...) In der letzten Zeit saß er oft vor dem kleinen Altar mit der lächelnden Buddhastatue und meditierte, wollte dann alleine sein. Und Louise verstand mit ihrem Herzen, dass das für ihn sehr wichtig war. Ihr früher seelenkranker Pierre – das wussten auch wir - fragte sich in diesen stillen Momenten, ob er wirklich allem, für das er sich in seiner Welt verantwortlich fühlte, gerecht geworden sei - dabei hatte er die Pflanzen und Tiere so lieb, dass er mit ihnen sprechen, ihre Wünsche verstehen konnte. Was ihm immer gelang, wie dem Maestro Javier.

Pierre kannte wie dieser schon lange die Grundlagen des Buddhismus, die drei Wahrheiten, deren Erkennen den Weg zu innerem Frieden ermöglichen können. Zuerst ist die Tatsache zu akzeptieren, dass Krankheit und Tod zum Leben gehören. Dann sollte man sich fragen, woher alles Elend kommt, warum es dieses gibt. Und ob es wirklich richtig ist, dass der Mensch in seinem Kharma gefangen sei - das ihm so viel abverlangt, ihn oft zweifeln lässt am Sinn seines Lebens. Darum hat Gautama Siddharta, der zum ersten Buddha wurde, das Kastensystem abgelehnt. In dem Brahmanen und überkommene Traditionen darüber entscheiden, welchen Weg jemand zu gehen habe, was ihm vorherbestimmt sei. Für einen Buddhisten jedoch sind alle Menschen gleich, ein jeder kann irgendwann zum Buddha, zum Erleuchteten werden – das muss nicht unbedingt in einer Vollmondnacht sein, wie beim Ersten dieses Namens. :D Wenn sich dem Suchenden offenbart, dass sich Leid durch Liebe in positive Lebenskraft verwandeln kann, dann hat er es fast geschafft, er ist frei - und die letzte Inkarnation nach scheinbar endlosen Wiedergeburten wird durch die Erlösung gekrönt, im Nirwana, wo alles nur noch Glück ist. Die vorherigen Manifestationen verstehen Buddhisten als ganz natürliches Geschehen. Der Tod bedeutet für sie nicht das Ende. Er ist für sie so selbstverständlich, wie aus Wasser Regen oder Eis wird, eine Wolke - oder die Leben spendende Quelle in einem heiteren Paradies, Born allumfassender Liebe. ;)

Das war die Erkenntnis, mit der Pierre ins dankbar erlebte Hier und Jetzt zurückgefunden hatte. Seine Eltern und die Großmutter – er war damals vierzehn Jahre alt - wurden kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges von einem Nazi-Offizier erschossen. Der sollte im Auftrag des faschistischen Führers einen wichtigen Frontabschnitt „begradigen“ - mit desillusionierten jungen Männern, vom gnadenlos fanatischen Leutnant zum Kriegsdienst gepresst. Denn anderenfalls wären sie von diesem ebenso ermordet worden wie Mama, Papa und Oma. Und das nur, weil die sich geweigert hatten, außer den bereits aus ihren Kellern geraubten Fässern besten Weines noch die zwei Kisten mit den verstaubten und wertvollen Flaschen herauszugeben - die seit dem 15.Jahrhundert die Familientradition der Kunst des Weinanbaues und Kelterns belegten. Was den Leutnant nicht beeindruckte. Der liebte zwar Beethoven, Goethe und edles Gesöff, wusste aber seinen eigenen Weinkeller im Elsass von der noch skrupelloseren deutschen Waffen-SS geplündert. Und – so dachte er - wie stünde er vor seiner Familie und dem leeren Keller, als Verlierer und ohne Kriegsbeute? Was seinem maskulinen Selbstwertgefühl und also der Libido nicht gut getan hätte. Andererseits war er als Elsässer in Nazi-Diensten schon damals ohne jede Chance, den wachsamen und nach Rache dürstenden Kämpfern der Resistance zu entkommen – die ihn ein paar Tage später mit dem Kopf nach unten aufhängten. Bevor sie ihm dann den Gnadenschuss gaben.
Pierre, noch geschockt vom Tod seiner Eltern und der Oma, wurde Zeuge auch dieses schrecklichen Geschehens. Er war danach viele Jahre lang sehr verschlossen, kaum zugänglich für die Liebe anderer Menschen. Die große Familie half ihm, wie sie es konnte, und so studierte er lustlos an den besten Universitäten Frankreichs - ohne je ein Diplom erworben zu haben.
Seine Lebensfreude kehrte erst wieder zurück, als er zum Segeln fand und mehrere Törns nach Ostasien und Südamerika meisterte, fast immer alleine. Die überstandenen Gefahren, die Schönheit und Großartigkeit der See, vor allem aber auch seine mehrmonatigen Aufenthalte in einem buddhistischen Tempel in Nepal – dort lebte er mit Mönchen zusammen - hatten ihm den Weg zu innerer Balance und Frieden gezeigt. Und die Gesundung seiner Seele verdankte er ebenso seiner Louise. Die ihm der lustvolle Hafen seines Lebens war ... 8) (Ende des Roman-Auszugs)

Raphael: "Was Deine Ausführungen zu den psychologischen Mechanismen anbetrifft: Die moderne Psychologie hat das IMHO unlösbare Problem, daß sie keine 'seriösen' Aussagen treffen kann!

Bob: Wenn Sie mit "seriös" das für alle Zeit Gültige meinen, stimmt das. Mit der "Aufklärung" ist jedoch auch das Bewusstsein dafür entstanden, dass es außerhalb der spirituellen Essenz der Erkenntnis kaum etwas gibt, das nicht ernsthaft hinterfragt werden sollte. Damit die Entwicklung des Menschtums "im Fließen" - und damit "lebendig" bleibt. Und das gilt auch für das Wesen der Psychologie ...

Raphael: "Sir Karl Popper sprach ...

Bob: Er darf das ... ;D
Zuletzt geändert von Bob am Donnerstag 8. Mai 2008, 14:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Linus
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Beitrag von Linus »

spirituelle Substanz fast aller Religionen
Könntest du diese Substanz bitte benennen? Mir wäre neu, daß irgendeine andere Religion außer dem Christentum die höchst materielle "spirituelle Substanz" Jesus, dem Christus anerkennt und ihn anbetet.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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Beitrag von Bob »

Linus hat geschrieben:
spirituelle Substanz fast aller Religionen
Könntest du diese Substanz bitte benennen? Mir wäre neu, daß irgendeine andere Religion außer dem Christentum die höchst materielle "spirituelle Substanz" Jesus, dem Christus anerkennt und ihn anbetet.
Bob: Als "spirituelle Substanz" verstehen mit mir viele Menschen den "inner circle" der Erkenntnis. Sie entstand in der Geschichte des Menschseins schon mit den Schamanen, und legitimiert sich, indem sie auf die von allen Menschen gestellten Fragen zu antworten versucht:

"Warum gibt es Schmerzen und Leid?"; "Was ist der Sinn meines Lebens?"; "Warum sterbe ich?"

Spiritualität relativiert also die größte Angst des Menschen, die vor dem Tod. Sie führt dorthin, wo die Transzendenz beginnt, die vergeistigende "Versöhnung" mit der eigenen Endlichkeit - die alle menschlichen Ängste "klein" macht ...
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Beitrag von Linus »

Gell,Bob, du liest nicht sonderlich häufig in der Bibel?

Dort steht schon was von Gotteserkenntnis und zwar einer Beziehung zu deinem Schöpfer geschrieben, nicht irgendeinem spiritistischen Gefasel, von "Weltversöhnung". Denn Jesus hat das bereits erledigt.

Joh 3,16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.
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Beitrag von Bob »

Linus hat geschrieben:Gell,Bob, du liest nicht sonderlich häufig in der Bibel?

Dort steht schon was von Gotteserkenntnis und zwar einer Beziehung zu deinem Schöpfer geschrieben, nicht irgendeinem spiritistischen Gefasel, von "Weltversöhnung". Denn Jesus hat das bereits erledigt ...
Bob: Wirklich? Da bleibt noch viel zu tun ...
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Bob hat geschrieben:Der Buddhismus zeigt den Menschen die heilende Kraft der Liebe - so wie Jesus Christus.
Nein, das ist schlicht falsch!

Der Buddhismus ist eine Religion (genauer: eine Philosophie), die auf Selbsterlösung fußt. Er kennt keinen Gott und er hat kein Ziel.

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Bob hat geschrieben:
Linus hat geschrieben:Gell,Bob, du liest nicht sonderlich häufig in der Bibel?

Dort steht schon was von Gotteserkenntnis und zwar einer Beziehung zu deinem Schöpfer geschrieben, nicht irgendeinem spiritistischen Gefasel, von "Weltversöhnung". Denn Jesus hat das bereits erledigt ...
Bob: Wirklich? Da bleibt noch viel zu tun ...
Bob, Linus meint hier die Versöhnung des Menschen mit Gott, dem Schöpfer, durch das fleischgewordene Logos Christus, Jesus.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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Beitrag von Bob »

Neulich fragten mich Buddhisten nach dem Weg - sie lachten, als ich ihnen sagte, dass ALLE Wege nach Rom führten ... :D


Sebastian klärt Bob auf: "Linus meint hier die Versöhnung des Menschen mit Gott, dem Schöpfer, durch das fleischgewordene Logos Christus, Jesus. :)

Bob: Klar - danke Sebastian ... :ja:
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Raphael

Beitrag von Raphael »

Bob hat geschrieben:Neulich fragten mich Buddhisten nach dem Weg - sie lachten, als ich ihnen sagte, dass ALLE Wege nach Rom führten ... :D
Da capo:
Wohl dem Mann, der nicht dem Rat der Frevler folgt, / nicht auf dem Weg der Sünder geht, / nicht im Kreis der Spötter sitzt, /
sondern Freude hat an der Weisung des Herrn, / über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht.
Er ist wie ein Baum, / der an Wasserbächen gepflanzt ist, / der zur rechten Zeit seine Frucht bringt / und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, / wird ihm gut gelingen.
Nicht so die Frevler: / Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht.
Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen / noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, / der Weg der Frevler aber führt in den Abgrund.

(Psalmen 1, 1 ff.)

Bob
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Beitrag von Bob »

Humor ist, wenn man trotzdem lacht ... ;D
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Peti
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Beitrag von Peti »

In der Auseinandersetzung mit Gottsuchenden anderen Religionen sollte man sich nicht nur immer darauf konzentrieren,Fragürdigkeiten und Schlechtigkeiten der anderen zu betonen.Gemeinsam ist allen ernsthaft Gottsuchenden sicher der Einsatz bei der Einübung in die Freiheit für das Absolute: Reinigung von innerern und äusseren Anhänglichkeiten,Distanzgewinnung von allzu weltlichen Faszinosa, Aufgeben der Zentriiertheit um das eigene Ich, Sammlung der Seelenkräfte im inneren Herzen ("Redire ad cor":Augustinus)
Dann gibt es natürlich grosse Unterschiede zwischen christlicher und nichtchristlicher Meditation.Die kann man am besten bei gelungenen Beispielen (Heiligen) darstellen.

Bob
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Beitrag von Bob »

Bei einem armen Schiffskoch ist das mit der "Läuterung" so passiert :| - und weil es hier ja auch um "Feindbilder" :sauer: geht, eine humorige Geschichte aus meinem "Reise"-Roman. :D Viel Spaß beim Lesen:

Roberto und der depressive Koch

„FÜRST ODER LORD, SCHEISS PARIS, KOMM’ MIT AN BORD!“

aus dem Gedicht „Kuddeldaddeldu und Fürst Wittgenstein“ von Ringelnatz

Im orangefarbenen Licht dieses späten Nachmittags schien der Hafen mit seiner weit in die Bucht ragenden Pier wie ein Gemälde alter holländischer Meister. Die „Vagant“ lag neben einigen Fischloggern und Kuttern - mit ihr würden wir nach Tanger segeln. Im Laderaum des schlanken Zweimastschoners wurden jetzt Kisten verstaut. Der Segelmacher saß auf dem Klüverbaum, überwachte die Arbeit und überprüfte dabei den Zustand der Segel, die im warmen Wind trocknen sollten.
Mit Roberto - auf See eher schweigsam, an Land aber blumiger Rede und dem Weine zugetan - waren wir in den vergangenen Tagen oft bei Maria, der Fado-Sängerin. Wenn wir danach zum Fischereihafen schlenderten, wo sein Zuhause war, setzten wir uns gerne auf die schmiedeeiserne Bank am Ende der langen Strandpromenade und rauchten eine Pfeife. Es war schön, sich mit ihm an der allen menschlichen Lärm vergessen machenden Musik des Meeres zu erfreuen, an der Gelassenheit und souveränen Kraft des Wassers. Das in ewiger Unrast Land zu erobern sucht – und nun doch nur im Sande versickerte, sich ein letztes Mal an Felsen und Kieseln reibend. Der See vitales Atmen schenkte uns eine Ahnung von Frieden, die weitherzige Verbundenheit mit allem Lebendigen. Ich mochte den Segelmacher, mit dem ich dieses Gefühl teilen durfte. Menschen wie er waren es, die mir geholfen haben, mein Maß zu finden.

Ein paar Tage später schifften wir ein. Unsere Kammer lag mittschiffs, neben der des Capitano - die Gesetze der Seefahrt anerkannten und bestimmten, dass der Führung und Passagiere Wohlbefinden besonders wichtig sei. Der Matrosen Quartiere waren vorne unter dem Bug - mit dem sich das Schiff in die Wellen bohrt, wo die Stöße bei Sturm über Windstärke Sieben und starkem Seegang die Männer der Freiwache dazu zwingen, sich in ihren Kojen festzubinden.
Doch Don Boavista achtete auf den guten Zustand seiner Mannschaft - wäre deren Laune schlecht, das wusste er, dann hätte die auch ihre Mittel, ihm die Reise zu einer durch die Hölle zu machen. Was in vielen Dokumenten der Marineämter belegt ist, die über Meutereien und dergleichen berichten. Immerhin gab es ab Mitte des neunzehnten Jahrhunderts für Kapitäne - die ja auf hoher See das Gesetz selber sind, über Leben und Tod der ihnen anvertrauten Menschen entscheiden können - Regelungen, die ihrer Willkür einschränkte. Seitdem musste es genau im Logbuch dokumentiert werden, wenn jemand zu Schaden kam oder gar starb - vorher wurde ein Schiffsführer von den Herren der Marinegerichte kaum ernsthaft zur Disposition gestellt und befragt, warum er denn einen seiner Sailors von der Rahe schoss. Was – so reportierten es dann gnädig die Protokolle – selbstverständlich nur geschah, „weil dieser einen das Schiff gefährdenden Fehler zu machen drohte“.
Viel häufiger, als man es sich vorstellen kann, wurden zur See fahrende arme Menschen das Opfer von Jähzorn und Rum - oder von Depressionen. So wie einer der bedauernswerten Köche. Denn ein solcher hatte bei der „christlichen“ Seefahrt schon immer zu leiden. Arbeitet er bei jedem Wetter „zufrieden stellend“, wird er toleriert - das ist die höchste Form von Respekt, die einem Küchenchef auf hoher See je zugestanden wurde. Sind aber, wie allzu oft, die Ergebnisse seiner Mühen zum Erbrechen - wobei dessen Ursache gerne in der fehlenden Kunst des Unglücklichen, statt dem appetitlos machenden schweren Wetter vermutet wird -, hat der Verlorene keine Chance mehr, auch nur halbwegs menschlich behandelt zu werden. Ich selber war mal – ansonsten unbeteiligter - Zeuge von blasig, wässrigen Verbrennungen dritten Grades, die sich ein so Gedemütigter zuzog, weil ein Topf mit zu heißer Fischsuppe über sein weißbemütztes Haupt gestülpt wurde – allerdeutlichster Beweis der Missachtung, wie jeder Seemann weiß.

Noch Schlimmeres – dem jungen italienischen Koch Antonio war das erste Abendessen auf dem Atlantik gelungen; Capitano Ruiz hatte allen Männern der Freiwache ein kleines Glas jamaikanischen Rum spendiert und wir saßen in der Mannschaftsmesse unter Deck - berichtete der Segelmacher über einen verzweifelten bajuwarischen Küchenmeister. Der einst, seekrank und fern jeglicher Heimat, seine Seele dem Teufel habe ausliefern wollen und bei stürmischem Wetter in die von allen grausamen Mächten gepeitschte See gesprungen wäre:

„... man hatte es seitens der zu Bekochenden kommen sehen; der Koch war in den letzten Wochen sehr depressiv geworden. Was sich darin ausdrückte, dass er bei Sonnenuntergang stets nach Osten über die Wellen starrte. Als suchte er - immer öfter eine lange Nacht lang – die Bestätigung all seiner dunklen Zweifel, ob die Sonne auch am nächsten Tag erscheinen würde. Wenn diese jedoch begann, ihre ersten gleißenden - und sogar die Seele von Seekranken wärmenden - Strahlen über den Horizont zu schicken, war er längst ungetröstet eingeschlafen. Am Morgen fand man ihn meistens im Rettungs-Dingi, in ein altes Segel gehüllt - als ob er dieser hölzernen Nussschale mehr traue, denn dem fest gefügten Rumpf des stählernen Dampfers.“

Roberto machte eine genau bemessene Pause, in der alle zuschauten, wie sich seine Stirn zu tiefen Falten runzelte.
„Darüber vernachlässigte der Küchenchef aber sträflich seine Pflichten, und nur der Toleranz von Mannschaft und Schiffsführung hatte er es zu verdanken, dass man ihn dann mit einem von der Freiwache gebrühten Kaffee in das Diesseits zu wecken versuchte - ihn, der sich schon im lichtlosen Feuer des Orkus’ wähnte, von glühendkalten Schwertern des Satans gepeinigt. Als der Koch vollends unfähig wurde, ohne tief würgenden Hass und Brechreiz die Kombüse zu betreten, mussten die Matrosen ihm auch noch aufgewärmte Dosensuppen einflößen. Damit der Arme nicht von den Knochen falle.“
Mit ernstem Gesichtsausdruck zündete sich der erfahrene Seemann seine mit viel schwarzem Tabak gefüllte Pfeife an. In die ausgeblasenen dunklen Rauchwolken hinein ging sein Bericht weiter:
„Das ging dann aber zu weit, vor allem, als der im Fieber fantasierende Bavare anfing, die exotischsten und unmöglichsten Wünsche zu äußern. Etwa, dass er Appetit auf eine frische Weißwurscht aus Augsburg hätte. Darum hatten die zu Bekochenden nichts mehr dagegen, dass der Todeswillige schließlich im Sturme den allerletzten Schritt über die Reling wagte. Um sein Schicksal dem Teufel anzuvertrauen.“

Der Segelmacher lehnte sich zurück und trank aus der großen Blechtasse von seinem Tee - mit nach innen gekehrtem Blick, der in Vergangenheit und Zukunft zugleich zu schauen schien. Ich sah, wie sich dabei sein knochiger Kehlkopf über dem Bundkragen des derben Tuchhemds beim Schlucken erst nach oben, dann nach innen und wieder nach unten bewegte - während die leise quietschende Hängelampe an der Decke mit den Bewegungen des Schiffes hin und her pendelte und geheimnisvolle Schatten über die Runde warf. Roberto genoss ganz offensichtlich die Spannung, die er in seinen Zuhörern aufgebaut hatte - das war sein gutes Recht. Schon weil es auch ihm als jungen Matrosen und in den langen Jahren auf See zur Ehre geworden war, den Berichten der Alten und Erfahrenen respektvoll zu lauschen. Bevor er selber zum Meistererzähler wurde.

Nach einer Weile, in der die Marineros mit offenem Mund, den wässrig-erstaunten Augen von trächtigen Kühen und mit traurigen Seufzern bereits das schreckliche Schicksal des armen Koches bedauert hatten, erzählte Roberto die Geschichte weiter:
„Aber der Satan spülte mit der Macht einer seiner wütenden Brecher den zum Letzten Bereiten wieder zurück an Bord. Er war vermutlich erschrocken ob der Möglichkeit, dass der Mann das Küchenzepter in der Unterwelt übernehmen könnte - denn wer schon dürfte behaupten, dass es nur katholische Höllen, also solche ohne alle Freuden geben würde? Der bajuwarische Küchenmeister jedoch soll danach ziemlich gläubig geworden sein, regelmäßig gebetet und sich sogar die Hände gewaschen haben, bevor er zu kochen versuchte. Jedenfalls erzählte er ab sofort die grässlichsten Geschichten über jenen Moment, als er dem Fürsten der Hölle, dem zu Recht von Gott geschubsten und darum gestolperten und hingefallenen Engel so tapfer und mutig ins Gesicht gespuckt habe.“
Dem höchstens fünfzehn Jahre jungen Leichtmatrosen neben mir – das erste Mal auf hoher See – war es wohl wirklich zu klamm unter Deck. Er schlürfte nervös am heißen Tee, sich fast verschluckend. Dabei konnte man hören, wie der Blechrand der Tasse zitternd an seine Zähne schlug, er war auch etwas blass. Alle anderen in der Messe waren sichtlich erleichtert über das einigermaßen tröstliche Ende der Geschichte - was sich aber änderte, als der alte Seemann seinen Bericht zum didaktischen Höhepunkt führte:
„Des Koches Speisen, besonders die gebratenen Fische, wurden darüber leider nicht besser - deren Genießbarkeit schien sich mehr dem grauenvoll Schrecklichen, dem schwarz Verbrannten anzugleichen, dem er in der Nähe des Höllenfeuers auf kaltnasser und stürmischer See begegnet war. Und wie es seitdem in allen Häfen der Welt glaubwürdig bestätigt wird.“

In das aufkommende Gemurmel der Freiwache und das metallisch, spitze Quietschen der immer noch hin und her pendelnden Lampe mischte sich jetzt das leicht hysterische Kichern von Antonio, dem jungen italienischen Koch - der bei den letzten Worten des Segelmachers, als es um Angebranntes ging, sehr nachdenklich geworden war. Doch niemand konnte ihm in den nächsten Tagen vorwerfen, dass er nicht sein Bestes versucht hätte - besonders die Spaghetti gelangen ihm; sie waren stets „al dente“. Was ja der sozusagen „höhere Sinn“ jedweder wirklich wahrhaftigen und seefahrenden Legende ist ... :P


Geschrieben von "Bob"; alle Rechte daran sind beim Autoren.
"Religions have promised many roses - but you end up with only thorns." (U. G. Krishnamurti)

Raphael

Beitrag von Raphael »

Hier geht's um Disputationen, Schmusebob, Feuilleton ist woanders! :roll:

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Peti
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Beitrag von Peti »

Raphael hat geschrieben:Hier geht's um Disputationen, Schmusebob, Feuilleton ist woanders! :roll:

Sind Texte wie der folgende Schmuselob?

"Jede Religion enthält einen Strahl des Lichtes, den wir weder missachten noch auslöschen düfen, selbst dann,wenn er nicht ausreicht, um dem Menschen Klarheit zu geben,derer er bedarf,um,das Wunder des christlichen Lichtes zu realisieren,in dem die Wahrheit und das Leben sich vermählen. Jede Religion erhebt uns jedoch zu dem transzendentem Wesen, dem einzigen Grund aller Existenz, allen Denkens, alles verantlichvollen Tuns und aller illusionslosen Hoffnung.Jede Religion ist ein morgenliches Aufscheinen des Glaubens, und wir erwarten seine Entfaltung im Abendlicht, im strahlenden Glanz der christlichen Weisheit."

Papst Paul VI

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