Katastrophe in Ostafrika

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Torsten
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Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Torsten »

Kein Herzensthema

Demele: Es ist natürlich leicht, jetzt auf diese eine Katastrophe zu schauen und zu sagen, wir brauchen die Summe X. Die variiert jetzt: Die UNO sagt, 300 Millionen Dollar werden akut benötigt; die Entwicklungshilfeorganisationen sprechen von mittelfristig mindestens 1 Milliarde, nur um jetzt kurzzeitig den Hunger zu stillen. Ich finde es ja gut, dass Sie erst einmal davon ausgehen, dass es diese globalen Hilfspflichten der internationalen Gemeinschaft überhaupt gibt, denn das wird teilweise ja auch bestritten. Das ist aber wichtig festzuhalten: Wir haben heute global die Ressourcen, um Armut oder zumindest Hunger weltweit so zu bekämpfen, dass er Geschichte ist. Also wir sind vielleicht die erste Generation, die dazu wirklich global die Möglichkeiten hat.
Aber in der Global Governence, bei den großen Unternehmen, in den Verfilzungen von Kapital und Politik, da gilt ein Mensch nur dann als Mensch, oder wird überhaupt als solcher wahrgenommen, wenn er über Kaufkraft verfügt. Mit dieser Wahrnehmungsstörung ließe sich fertig werden, aber nicht mit einem zynischen, malthusianischen Weltbild, das jeden Hungertoten am Horn von Afrika vielleicht noch als Schritt zur Erreichung der Klimaziele feiert.


Bild

Dieses Bild gewann 1994 den Pulitzerpreis. Aufgenommen während einer Hungersnot im Sudan. Der Fotograf, ein Südafrikaner, beging ein Vierteljahr später Selbstmord, weil er die Eindrücke nicht verkraftet hat. Dieses Mädchen hat sich Meter für Meter an ein UN-Lager herangeschleppt, begleitet vom Geier, der auf dessen Tod wartet. So groß und letztlich oft vergeblich der Überlebenswille eines unter Schmerzen Verhungernden ist, so groß und folgenreich ist der Vernichtungswille oder die Ignoranz anderer. Die Reiter der Apokalypse machen vor den Ignoranten nicht halt, und am Ende wüten sie am Schlimmsten unter denen, die sie losgeschickt haben. Denn dann und dort existiert keine Hoffnung auf Hilfe mehr.

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Niels
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Niels »

Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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Torsten
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Torsten »

Internationales UN-Treffen in Rom

Nur etwa 1,5 Millionen Menschen können derzeit versorgt werden. FAO-Generalsekretär Jacques Diouf sprach von einer menschlichen Tragödie in gigantischem Ausmaß. Besonders schlimm ist die Situation in zwei Regionen im Süden Somalias, zu denen die islamistische Shebab-Miliz den internationalen Helfern bisher den Zugang verwehrt. Dort herrscht eine akute Hungersnot, mehr als die Hälfte der Menschen sind stark unterernährt, täglich sterben deswegen sechs von 10.000 Menschen.
Um das mal zu verdeutlichen: Sechs von 10.000 Menschen bedeutet, hochgerechnet auf 10 Millionen Betroffene, 6000 Tote am Tag. Das sind abstrakte Zahlen, die konkret aber so aussehen wie auf dem Bild oben. Tripolis wird bombardiert. Aber Fallschirmjäger, am besten noch saudische, die die islamistischen Milizen vor die Wahl stellen, Entwaffnung und Rückzug oder sofortige Erschießung, um den Hungernden zu Hilfe kommen zu können? Fehlanzeige.

Caviteño
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Caviteño »

Torsten hat geschrieben:
Tripolis wird bombardiert. Aber Fallschirmjäger, am besten noch saudische, die die islamistischen Milizen vor die Wahl stellen, Entwaffnung und Rückzug oder sofortige Erschießung, um den Hungernden zu Hilfe kommen zu können? Fehlanzeige.
Im Rahmen der allgemeinen Sparmaßnahmen wurde - unter großem Beifall der Bevölkerung (ich verzichte mal auf eine Benennung der politischen Richtung) - die Armee auf ein absolutes Mindestmaß zurückgefahren. Ein gleichzeitiger Einsatz an mehreren Brennpunkten ist daher nicht möglich. Lt. Presseberichten ist z.B. die Bundeswehr bereits jetzt "am Limit". Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden und die Bundeswehr bzw. auch die Armeen in anderen NATO-Ländern waren und sind der Steinbruch der Haushälter.
Es ist aber schon interessant, daß man sich bei Ereignissen, die einem nahegehen, über die mangelnde Ausrüstung der Sicherheitskräfte (gilt auch für Norwegen und dem fehlenden Hubschrauber!) aufregt. Wenn es vor sechs Monate darum gegangen wäre, Hartz IV zu erhöhen und dies aus dem Verteidigungsetat zu bezahlen, wäre es auf allgemeine Zustimmung gestoßen, nicht wahr :hmm:

Dein Vorschlag mit dem Einsatz saudischer Fallschirmjäger war wohl nicht ernstgemeint, oder?
Die waren noch nicht einmal in der Lage, die Kaaba in Mekka zu befreien, als sie von wenigen Hundert schiitischen "Pilgern" 1979 besetzt wurde. Da mußten französische Spezialeinheiten aushelfen. :pfeif:
Sollen die etwa einen Einsatz fern der Heimat in fremden Gelände unter unbekannten Bedingungen ausführen? Der ist im übrigen wohl nicht so einfach wie Du denkst.

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Torsten
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Torsten »

Dein Vorschlag mit dem Einsatz saudischer Fallschirmjäger war wohl nicht ernstgemeint, oder?
Doch. Das ist deren unmittelbarer Verantwortungsbereich. Da muss ein Machtwort gesprochen werden seitens der wahabitischen Gelehrten, und um diesen Nachdruck zu verleihen, werden Truppen hinterhergeschickt. Und Geld wird bereitgestellt. Die saudischen Machthaber, diese königliche Familie..., würde damit international zeigen, dass sie Verantwortung übernehmen kann und für Werte einsteht, die von der überwältigenden Mehrheit der Menschheit geteilt werden. Vor allem von denen, die leben wollen. Und wenn sie all das getan haben, dann können wir z.B. nochmal über die Panzer reden. Dass sie die gar nicht brauchen.

Die Saudis werden kein Machtwort sprechen, die königliche Familie ... wird keine Truppen schicken, kein Geld bereitstellen. Sie hätten es aber gekonnt. Darauf kommt es an.

Caviteño
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Caviteño »

Torsten hat geschrieben:
Doch. Das ist deren unmittelbarer Verantwortungsbereich. Da muss ein Machtwort gesprochen werden seitens der wahabitischen Gelehrten, und um diesen Nachdruck zu verleihen, werden Truppen hinterhergeschickt. Und Geld wird bereitgestellt. Die saudischen Machthaber, diese königliche Familie..., würde damit international zeigen, dass sie Verantwortung übernehmen kann und für Werte einsteht, die von der überwältigenden Mehrheit der Menschheit geteilt werden.
Neben dem fehlenden Willen dürfte es wohl auch an entsprechenden Streitkräften und deren Ausrüstung fehlen. Selbst wenn sie Panzer haben (oder LEO's hätten), die Dinger müssen auch irgendwie dahin kommen und die Saudis haben weder Landungsboote noch Transportschiffe:

http://de.wikipedia.org/wiki/Streitkr%C ... ens#Marine

http://www.globalsecurity.org/military/ ... f/rsnf.htm

So wünschenswert eine entsprechende "Lastenteilung" auch wäre - trotz des Geldes kümmert sich bei den Bärtigen niemand um das Schicksal der Glaubensbrüder. Oder hast Du schon einmal erlebt, daß sie an der Spitze des Medaillenspiegels für humanitäre Spenden standen, obwohl man das bei ihrem Reichtum erwarten könnte? :nein:

Spenden von ihnen in christliche Notstandsgebiete kann man sich kaum vorstellen.....

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Niels
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Niels »

Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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lutherbeck
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von lutherbeck »

Haben Wohlstandskinder wie wir eine wie auch immer geartete moralische Mitschuld am Elend in Afrika? Schließlich leben wir hier wie die Maden im Speck, werfen unzählige Tonnen von Lebensmitteln täglich fort - und versteigen uns sogar zu der Idee aus Weizen Benzin machen zu wollen...

Was meint ihr?

:hae?:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

civilisation
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von civilisation »

lutherbeck hat geschrieben:Schließlich leben wir hier wie die Maden im Speck, werfen unzählige Tonnen von Lebensmitteln täglich fort - und versteigen uns sogar zu der Idee aus Weizen Benzin machen zu wollen...
Dazu lief erst gestern im Südwestfernsehen ein interessanter Film.
http://www.swr.de/dokumentarfilm/lebens ... index.html

Mir lief es eiskalt den Rücken runter, als ich sah, wie mit dem Brot umgegangen wird, das nicht mehr "verkaufwürdig" erscheint, weil es länger als ein Tag alt war und lt. Händler unverkäuflich erscheint. Bei uns hier gab es vor einigen Jahren mehrere Geschäfte, die alte Backwaren verkauften nach dem Motto "Brot von gestern zum 1/2 Preis". Die konnten sich nicht durchsetzen.

Das Problem der Lebensmittel-Wegwerfgesellschaft ist nicht neu. Aber die Bilder zu sehen ... :traurigtaps:

Zur Sprache kam auch, daß die Schweiz 4/5 ihres Weizenbedarfs importiert, den Großteil aus Indien. Begründet wurde das mit der fehlenden Anbaufläche. Da kann man sich schon an den Kopf fassen.


Bei den Leuten muß ein grundlegender Wandel "in den Köpfen" stattfinden. Der einzelne EURO, der jetzt so großzügig von vielen für die "verhungernden Afrikakinder" (und damit wird ja überwiegend im Spendengewerbe geworben) gespendet wird (Achtung Ironie), ist nicht ausreichend.

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Robert Ketelhohn
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Caviteño hat geschrieben:Neben dem fehlenden Willen dürfte es wohl auch an entsprechenden Streitkräften und deren Ausrüstung fehlen.
Nein, da täuschst du dich sehr.
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rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

civilisation
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von civilisation »

Und nochwas dazu. Ich habe große Zweifel, daß die hier eingesammelten Spendengelder überhaupt bei den wirklich Bedürftigen ankommen. Ich werde nicht ins Detail gehen, aber da gibt es sicherlich etliche %, die schon im Vorfeld von diversen vermeintlichen Helfern abgezogen werden. Und schließlich sind dann noch die dortigen Machthaber, die ihr eigenes Volk verhungern lassen, aber im Gegenzug millionenschwere Rüstungsgeschäfte tätigen.

Caviteño
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Caviteño »

Die "Mitleidsindustrie" ist natürlich darauf bedacht, den "Wohlstandsbürgern" ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen, um den Spendenfluß nicht zu unterbrechen.

Ein ziemlich ernüchternder Artikel heute in der FAZ:
Die Vereinten Nationen ließen verlauten, sie benötigten bis zu 1,6 Milliarden Dollar, um sich gegen die Krise zu stemmen. Auf welchen belastbaren Zahlen diese Hochrechnung allerdings beruht, war wie immer in solchen Situationen nicht in Erfahrung zu bringen. Doch das spielt keine Rolle. Alleine das Hinterfragen solcher Informationen lässt den Fragesteller angesichts von Bildern spindeldürrer Kinder als gottlosen Ketzer dastehen. Die niederländische Buchautorin Linda Polman, die fünf Jahre lang die Mechanismen der internationalen Hilfsorganisationen recherchierte, hat dafür den treffenden Begriff gefunden: „Die Mitleidsindustrie“.
(...)
Grob gesagt werden zwischen 1 und 15 Prozent jeder Spende für Verwaltungskosten verwendet, was wenig ist. Einige Hilfsorganisationen sind zudem so ehrlich ihre Marketingkosten für die Spendenaufrufe zu beziffern, und kommen dabei auf einen Anteil von 2 bis 25 Prozent. Rechnet man die beiden Höchstwerte zusammen, bedeutet dies, dass immer noch 6 Prozent jedes gespendeten Euro in ein Hilfsprojekt fließen. Das aber ist Augenwischerei, weil die Verwaltungskosten vor Ort als Projektkosten verbucht werden.
Die „Mitleidsindustrie“ ist längst zu einer Industrie geworden wie jede andere auch, in der es um Akquise geht und der Wettbewerb über Verdrängung läuft. Auf die gegenwärtige Lebensmittelkrise in Somalia übertragen sieht das so aus: Ein Generalunternehmen – entweder das Welternährungsprogramm (WFP) oder das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) – baut ein Flüchtlingslager und verpflichtet für dessen Bewirtschaftung andere Hilfsorganisationen als Subunternehmer. Diese buhlen um solche Aufträge, weil sie ihnen Medienpräsenz sichern, was wiederum Spenden generiert. Im größten Flüchtlingslager der Welt, dem Lager von Dadaab in Kenia, das vom UNHCR gemanagt wird, sind gegenwärtig mehr als 2 Hilfsorganisationen tätig, die wiederum nicht selten lokale Organisationen verpflichten, um die eigentliche Arbeit zu tun. Diese Praxis geht soweit, dass ein einziges Hilfsprojekt bis zu sieben Mal delegiert wird, wobei jedes Mal Gebühren einbehalten werden. Das führt im Extremfall dazu, dass von der ursprünglich vorgesehen Summe bestenfalls 1 bis 2 Prozent tatsächlich ankommen.
(...)
Die Organisationen müssen sich vorwerfen lassen, mit Diktatoren und Warlords zu kungeln, um nicht von den Gangstern aus dem Land geworfen zu werden. Ein großer Teil der Lebensmittelhilfe wird so besonders in Kriegsgebieten von den Kombattanten abgezweigt. Zu welchen Auswüchsen das führt, zeigt das Beispiel des WFP in Somalia. Die von den Vereinten Nationen und damit von den Steuerzahlern dieser Welt abhängige Organisation hatte 29 für den Transport von Lebensmitteln nach Somalia drei lokale Spediteure beauftragt. Umfang des Auftrags: 2 Millionen Dollar. Weil das WFP aufgrund der Sicherheitslage in Somalia nicht selbst kontrollieren konnte, ob die Lieferung ankommt, wurde ein Controller engagiert, bei dem es sich um die Ehefrau eines der Spediteure handelte. Der zweite Spediteur war ein bekannter Financier der radikal-islamischen Miliz al Shabaad, und der Dritte hatte Kraft der Feuerkraft seiner Kämpfer ein Monopol über das Handling in Hafen von Mogadischu sowie fast alle Lagerhäuser der Stadt. Mehr als die Hälfte der WFP-Lebensmittel wurden von diesen Herren gestohlen und anschließend auf den lokalen Märkten verkauft.
Es sind Geschichten wie diese, die den Vorwurf nähren, dass die Hilfsorganisationen im Grunde zur Fortsetzung von kriegerischen Auseinandersetzungen beitragen, weil sie die Kämpfer nicht nur füttern, sondern diese auch von der Aufgabe entbinden, für die eigenen Leute Sorge zu tragen. Natürlich begegnen die Organisationen solchen Vorwürfen vom Hochsitz der moralischen Überlegenheit herunter, weil sie schließlich helfen. Doch diese Hilfe ist längst zu einem gigantischen Geschäft geworden, bei dem der Einsatz von Ellbogen üblich ist.
http://www.faz.net/artikel/C335/human ... 7569.html

Es ist natürlich die Frage, wieviel überhaupt noch gespendet würde, wenn diese Zahlen bekannt wären. Man muß sich ja auch vor Augen halten, daß ein großer Teil der Spendengelder z.B. in Somalia an die Milizen fließen. Ob die dann das Geld für - eigene - Lebensmittel- oder Waffenkäufe verwenden, kann niemand kontrollieren.

Caviteño
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Caviteño »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Neben dem fehlenden Willen dürfte es wohl auch an entsprechenden Streitkräften und deren Ausrüstung fehlen.
Nein, da täuschst du dich sehr.
Wo täusche ich mich:
Beim Willen, bei den Streitkräften oder bei der Ausrüstung?

Gibt es irgendwelche Belege?

Im übrigen befinden sich in Somalia seit einigen Jahren Truppen der Afrikanischen Union in Somalia (Projekt AMISOM), die auch von der EU und den USA mit Geldmitteln unterstützt wird:

http://www.africa-union.org/root/au/auc ... amisom.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Mission_de ... in_Somalia

Zu deren Tätigkeit gehört auch die humanitäre Unterstützung der Bevölkerung.

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Torsten
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Torsten »

lutherbeck hat geschrieben:Haben Wohlstandskinder wie wir eine wie auch immer geartete moralische Mitschuld am Elend in Afrika?
Gesellschaft für bedrohte Völker

Schon im November 21 hatten Experten und Hilfsorganisationen vor der drohenden Hungerkatastrophe gewarnt. “Doch das beste Frühwarnsystem hilft nichts, wenn die internationale Gemeinschaft erst auf die Fotos von abgemagerten Kindern reagiert”, kritisierte Delius. Damals wäre noch genug Zeit gewesen, die Herden der Nomaden mit Futter zu versorgen. Das Vieh hätte dann weiter Milch für den Eigenbedarf der Nomaden, aber auch für den Verkauf produziert. So hätten die Hirten Geld für den Erwerb anderer Nahrungsmittel verdienen können. Mit dem Untergang ihrer Herden stehen die Nomaden nun jedoch vor dem Nichts und müssen aufwendig mit Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland unterstützt werden.

“Außerdem sind im vergangenen Jahrzehnt hunderttausende Hektar Weideland verloren gegangen, weil es von den Behörden zweckentfremdet und als vermeintlich ungenutztes Land für Agrarprojekte verpachtet oder für die Ansiedlung von Bauern zur Verfügung gestellt wurde”, sagte Delius. Auf diese Flächen sind die Nomaden mit ihren Herden traditionell ausgewichen, wenn es auf den normalerweise genutzten Weiden nicht genug Futter gab.
"Wir" haben zu spät reagiert. "Wir", die wir die im Nachfeld von unvorhersehbaren Katastrophen Experten und Lösungen wie Kaninchen aus dem Hut zaubern, haben eine sich anbahnende Katastrophe schlicht ... verdrängt? Aber wie kam und kommt es zur Katastrophe?
http://de.wikipedia.org/wiki/Somalia

Von großer Bedeutung für Gesellschaft und Politik Somalias ist das Clansystem der Somali, das wahrscheinlich von der Stammesgesellschaft der Araber beeinflusst wurde. Jeder Somali gehört über seine väterliche Abstammungslinie einem Stamm oder Clan an. Die fünf großen Clanfamilien (qaabiil) sind: [...] Dabei gelten die traditionell nomadisch lebenden Dir, Darod, Isaaq und Hawiye als „echte Somali“ oder Samaal, während die sesshaft-bäuerlichen Rahanweyn als „unechte Somali“ oder als Sab bezeichnet werden. Sie gelten, ebenso wie diverse ethnische Minderheiten, aus Sicht eines Teils der Samaal als nicht gleichberechtigt und unterliegen traditionell einer gesellschaftlichen Benachteiligung.

Jede dieser Clanfamilien zerfällt in eine große Zahl Subclans und „Geschlechter“ (Somali: reer, was „Leute aus“, „Nachkommen von“ bedeutet). Diese umfassen jeweils einige Hundert bis Tausend Männer, die das für Verbrechen fällige Blutgeld (diya, mag) gemeinsam bezahlen bzw. erhalten. Dieses System verschafft dem einzelnen Somali traditionell Schutz für Leben und Eigentum, führt jedoch auch zu Blutfehden, die sich nicht nur auf einzelne Verbrechen beziehen, sondern auch Auseinandersetzungen um Wasser- und Weiderechte sowie – in jüngerer Zeit – den Kampf um die politische Macht umfassen.
Diese Clans, die als Nomaden mit Viehherden durchs Land ziehen, sind im Falle einer verheerenden Dürre nicht in der Lage, sich gegenseitig zu helfen, selbst wenn sie das denn wollten. Gerade dort ist die Mitschuld des Westens vielleicht sogar weniger direkt als anderswo. Ich habe gerade so überlegt, wie die Somalis ihre Stammeskultur überwinden, seßhaft werden, das Horn von Afrika in eine blühende Oase verwandeln. Wie sie einfach alles richtig machen. Und dann lande ich gedanklich immer in Kolumbien und Co. Wo Menschen auch von ihrem Land vertrieben werden, von bewaffneten Banden bedroht. Und die auch in Flüchtlingslagern landen, die dann Slums heißen.

Caviteño
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Re: Katastrophe in Ostafrika

Beitrag von Caviteño »

lutherbeck hat geschrieben:Haben Wohlstandskinder wie wir eine wie auch immer geartete moralische Mitschuld am Elend in Afrika? Schließlich leben wir hier wie die Maden im Speck, werfen unzählige Tonnen von Lebensmitteln täglich fort - und versteigen uns sogar zu der Idee aus Weizen Benzin machen zu wollen...

Was meint ihr?

:hae?:
Die Gründe für die Nahrungsmittelknappheit dort sind zum Teil auch hausgemacht, wie die Süddeutsche in einem Artikel darlegt:
Es ist purer Zynismus: Während am Horn von Afrika Millionen von Menschen unter der schlimmsten Dürre seit 6 Jahren leiden und vom Hungertod bedroht sind, vergeben Regierungen der betroffenen Länder immer mehr fruchtbares Ackerland an ausländische Investoren.

Beispiel Äthiopien. Das Land steht derzeit nach Informationen der britischen Menschenrechtsorganisation Survival International in Verhandlungen mit Unternehmen aus Italien, Malaysia und Südkorea. Dabei geht es um die langfristige Verpachtung von Ländereien im Südwesten des Landes, der bislang kaum von der Dürre betroffen ist und wo sich die Bevölkerung derzeit noch selbst versorgen kann.
(...)
Spekulanten und Unternehmen investieren seit einigen Jahren weltweit massiv in Ackerland, vor allem in Afrika. Land ist dort meist billig zu haben und es lockt die Aussicht auf hohe Gewinne. Die Weltbevölkerung wächst und will mit Nahrung versorgt werden.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/o ... -1.112617

Hier werden zwar Italien, Malaysia und Südkorea genannt. Es ist jedoch bekannt, daß insbesondere China erhebliche Mengen an Ackerflächen (und Bergbauminen) in Afrika aufkauft.
Sicherlich sind mit westlichem know-how ausgestattete Agrokonzerne viel produktiver als der einheimische Bauer, der seinen Boden weiterhin mit der Hacke bearbeitet. Andererseits werden von den Konzernen nur wenige Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt und die Bewohner müssen ihre bisher selbst erzeugten Nahrungsmittel teuer hinzukaufen. Von den langfristigen Auswirkungen der angelegten Monokulturen gar nicht zu reden.....

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