Jesus und der Kapitalismus.

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Ozymandias2
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Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Ozymandias2 »

Das Thema beschäftigt mich seit einer Weile. Grad mache ich so etwas wie eine kopernikanische Wende durch.
War ich früher der Meinung, dass man als Christ einem Laissez-faire Kapitalismus ein Absage erteilen muss und staatliche Interventionen für die Schwachen bejahen muss, bin ich mir heute nicht mehr so sicher.
Nehmen wir z.B. Lukas 3 10. Dort sagt Johannes der Täufer, dass derjenige der zwei Hemden hat, eines davon abgeben soll.
Das sagt mir zweierlei: Zunächst ist natürlich zu beachten, dass der Täufer davon ausgeht, dass ich die Verfügungsgewalt über diese Hemden habe. D.h. er geht davon aus, dass es Privateigentum gibt (Wie sollte ich sonst ein Hemd weggeben, wenn es mir nicht zusteht?).
Zum anderen ist aber auch interessant was er nichts sagt: Er sagt nicht "wenn in deiner Gesellschaft Einer ist, der zwei Hemden hat und Einer der keines hat, dann sorge durch wütende Straßenproteste dafür, dass der Staat demjenigen, der zwei Hemden hat, eines wegnimmt und demjenigen ohne Hemd gibt. So einfach macht uns das der Täufer nicht!. Sondern wir sollen das weggeben, was wir im schweiße unseres Angesichts erwirtschaftet haben. Das ist sehr viel schwerer als einfach zu fordern, jemand anderes möge sein Vermögen hergeben.
Zum anderen ist das aber auch sehr clever. Denn was passiert denn, wenn der Staat dem Einen sein Hemd wegnimmt um es dem Anderen zu geben?
Derjenige der es bekommen hat wird wohl denken, dass es selbstverständlich ist. Dass er ein Recht auf dieses Hemd hat und das wenn er keines hat, er ein Opfer einer ungerechten Gesellschaft ist. Aber Hemden wird er immer noch nicht machen, sondern wird vom Staate abhängig. Und vor allem wird er Gott nicht für sein Hemd danken, weil Gott durch das Hemdwegnehmen nicht verherrlicht wurde. Verherrlicht wurde der Staat und seine Einrichtung aber nicht Gott und seine Gemeinde. Heilserwartungen werden so auf den Staat übertragen!
Derjenige hingegen dessen Hemd genommen wurde wird sich sagen: Warum soll ich noch soviel erwirtschaften, wenn es mir eh weggenommen wird? Dann mache ich nur so viel, dass ich immer nur ein Hemd habe, so dass ich künftig keines Weggeben muss (Was langfristig dazu führt, dass die Gesellschaft weniger Hemden hat und künftige Arme gar kein Hemd mehr bekommen können).

Also Kapitalismus Yay! Sozialismus Nay?
Konter bitte...
In the tragic vision, individual sufferings and social evils are inherent in the innate deficiencies of all human beings, whether these deficiencies are in knowledge, wisdom, morality, or courage. Thus there are no “solutions”, only trade-offs.

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Jarom1
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Jarom1 »

"Das Problem am Sozialismus ist, dass das Geld anderer Leute auch irgendwann alle ist" [Margaret Thatcher]
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Soulfly
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Soulfly »

Der Punkt ist vielleicht der:
Es ist nicht entscheidend dass man zwei Hemden besitzt,
sondern die Begleitumstände die dafür gesorgt haben dass
man ein zweites Hemd erwerben konnte.
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Lacrimosa
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Lacrimosa »

Ozymandias2 hat geschrieben: Und vor allem wird er Gott nicht für sein Hemd danken, weil Gott durch das Hemdwegnehmen nicht verherrlicht wurde. Verherrlicht wurde der Staat und seine Einrichtung aber nicht Gott und seine Gemeinde. Heilserwartungen werden so auf den Staat übertragen!
Jesus und Kapitalismus gehen m. E. nicht gut zusammen, auch wenn sich beispielsweise einige Unternehmen hierzulande an christlichen Werten orientieren, wie solche, die im Bund Katholischer Unternehmer (BKU) organisiert sind. Oder wenn Parteien ein C für christlich mitführen oder wenn auch das Grundgesetzt und Vereidigungen (noch) nicht ohne Bezug zum Christentum auskommen.

Jesus selbst war nämlich radikal: Ihm geht es um die direkte Beziehung zu seinem Nächsten. Diese soll von Nächstenliebe geprägt sein, was eine tiefe Verbundenheit mit dem Mitmenschen voraussetzt. Er handelt aus dem Bewusstsein, dass wir alle miteinander verbunden sind, ungeachtet der Herkunft, der Hautfarbe, des Berufs etc. Vor Gott sind alle gleich und allen sollen wir Hilfe angedeihen lassen.

In diese hehren Ziele funkt der Staat mit Hilfeleistungen, die jedoch im Wesenskern ganz anders motiviert sind, wie das bei Jesus gemeint ist. Beim Staat geht es nicht um eine bewusste Nächstenliebe, sondern um Machterhalt, Umverteilung, Friedenserhalt, Wohlstand – alles zur Bewahrung des Systems. Und darin liegt die Krux:

Der Einzelne, den Jesus zur Nächstenliebe und zur Beziehung mahnt, fühlt sich (unbewusst) neben dem Staat (der ein System wie den Kapitalismus anwendet) aus der Verantwortung herausgenommen, tritt hinter dem System zurück und wird dadurch passiv. Auf der Strecke bleibt die zwischenmenschliche Beziehung, die aber Grundlage dessen ist, worauf Liebe baut. Jesus fordert, dass wir uns hin- und nicht abwenden. In gewisser Weise wird in Systemen diese konsequente Nächstenliebe zum Einzelnen „geopfert“.

Gott sei dank gibt es aber immer noch Menschen, die innerhalb der Systeme (wie sie auch heißen) an der direkten Beziehung zum Mitmenschen arbeiten und so Jesus Gebot der Nächstenliebe umzusetzen versuchen. Wenn wir Zeugnis ablegen, sollten wir also die Beziehungen zu unseren Mitmenschen in den Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stellen.
Lasst in eurem Miteinander Platz, dass der Hauch des Himmels zwischen euch spielen kann. (Khalil Gibran)

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martin v. tours
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von martin v. tours »

Vielleicht sollte man die Begriffe "Kapitalismus" und "Marktwirtschaft" trennen.
Marktwirtschaft hat es immer gegeben und wird es immer geben. Kapitalismus ist ein Auswuchs davon, dem man Grenzen setzen sollte (aber wo sind die und wer legt sie fest?).
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

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umusungu
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von umusungu »

Soulfly hat geschrieben:Der Punkt ist vielleicht der:
Es ist nicht entscheidend dass man zwei Hemden besitzt, sondern die Begleitumstände die dafür gesorgt haben dass man ein zweites Hemd erwerben konnte.
Johannes der Täufer kennt seine Gesellschaft: da gibt es viele Elende. Nachdem "warum"fragt er nicht - er will die sofortige Tat der Notlinderung: wenn du zwei Hemden hast, gibt eines dem, der keines hat.

in der Gerichtsrede schaut Jesus in die Gesellschaft und sieht viel Not und Elend. Darauf reagiert er mit Handlungsanweisungen zur direkten Nothilfe:
Ich war hungrig - speist micht
ich war nackt - kleidet mich
ich war obdachlos - gebt mir Wohnung
ich war fremd - nehmt mich bei euch geschwisterlich auf

Wir müsssen heute fragen - und so wird seit 150 Jahren gefragt: was führt dazu, dass solche Zustände gegeben sind? Was müssen wir tun und organisieren, dass diese Zustände beseitigt werden?

Gerechtigkeit ist ein zentraler Begriff in der gesamten Bibel. Lest einmal den Propheten Amos. Er beschreibt schonungslos den Kapitalismus und prangert ihn an.
Mit dem Propheten Amos kann ich für einen Mindestlohn von 8.50 Euro eintreten - das sind bei einem Fulltimejob auch nur 1.394 Euro brutto pro Monat. Das Gejammere darüber ist nicht zum Aushalten. Holt oben was weg, was unten immer noch nicht reicht!

Amos hat die feinen Damen seiner Zeit mit den fettesten Kühen damals verglichen - Baschankühen!
Mit der Bibel und der katholischen Soziallehre können wir diese Gesellschaft gerechter machen!
Die Soziallehre ist wichtiger als liturgische Spitzfindigkeiten.........
Die Soziallehre ist wichtiger als dogmatische Spitzfindigkeiten ......
Die Soziallehre ist leider im Untergrund unserer Kirche verschwunden!

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umusungu
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von umusungu »

der Strang ist wieder frei - wenn auch im Abseits gelandet!

Fragesteller
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Fragesteller »

"Kapitalismus" gab es zur Zeit der Propheten Amos nicht. Es gibt auch andere Formen der Ungerechtigkeit. Was Du zu der Lukas-Stelle sagst ist aber richtig: Es geht hier um einen individuellen Akt der Barmherzigkeit. Weder wird uns hier staatliche Intervention und Ursachenbekämpfung befohlen, noch wird sie uns verboten, sondern es wird einfach gesagt, was wir, jeder einzelne von uns, tun sollen, wenn wir zwei Hemden haben. Was wir darüber hinaus noch an beispielsweise politischen Maßnahmen ergreifen können und sollen, steht hier überhaupt nicht nicht. Ursachenbekämpfung und Umverteilung im sinnvollen Rahmen sind da sicher nicht die schlechteste Idee.

(Die Frage danach, wer Gott ist und wie er recht zu verehren ist, als "Spitzfindigkeit" abzutun, geht aber auch nicht. Das Reich Gottes ist schon etwas anderes und mehr und auch wichtiger als eine politisch oder philanthropisch herstellbare menschliche Idealgesellschaft.)

Lacrimosa
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Lacrimosa »

Fragesteller hat geschrieben:Das Reich Gottes ist schon etwas anderes und mehr und auch wichtiger als eine politisch oder philanthropisch herstellbare menschliche Idealgesellschaft.)
Vielleicht sollte man die Soziallehre inhaltlich nicht von den „dogmatischen sowie liturgischen Spitzfindigkeiten“, wie sie Umusungu nennt, trennen, nach dem Schema „wichtiger als“. (Von daher empfinde ich das Thema im Gemüsegarten jetzt auch im Abseits.) Der Ansatz, wie Gott in einem Wirtschaftssystem verherrlicht werden könne, ist ja zumindest gedanklich in die Entstehung der Soziallehre eingeflossen.

Dass sich Wirtschaftssysteme mit dem einzelnen Individuum schwer tun, könnte daran liegen, dass es ein System jedweder Art einfach nicht schafft, philanthropische Beziehungen einzugehen. Die Systeme sind abhängig davon, dass sie Menschen normieren, fakturieren oder auch in Sinus-Milieu-Studien standardisieren können. Da machen auch die Kirche mit. Das alles läuft dem Menschenbild Jesu, das von Nächstenliebe getragen ist, zuwider.

(Systeme per se sind ja gar nicht schlecht, sofern man ihnen von Zeit zu Zeit ein Update gestattet. Erneuerer, oft Leute von außen, die nicht betriebsblind sind, werden ja meistens erst einmal ignoriert bis hin zu "kalt gestellt." Und Jesus war auch ein Betroffener.)
Lasst in eurem Miteinander Platz, dass der Hauch des Himmels zwischen euch spielen kann. (Khalil Gibran)

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Juergen
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Juergen »

Vor nicht all zu langer Zeit - es liefen gerade in einer Branche Tarifverhandlungen - meinte jemand mir gegenüber: Es muß endlich mehr Lohn geben.
Ich sagte daraufhin, daß irgendwer es ja auch bezahlen müssen, und es letztlich für den Verbraucher teurer werde.
„Nein“, entgegnete mit mein Gegenüber. Es werde nicht teurer, man solle das Geld von „denen da oben“ nehmen. Man solle es denen aus der Geldbörse nehmen. Ich solle mir mal angucken, was sein Chef zum Beispiel für ein großes Auto fahre. Der habe genug Geld.
Wohlan, ich habe darauf dann geschwiegen, da es mir nicht sinnvoll erschien – mein Gegenüber hatte sich schon richtig in Rage geredet und fast Schaum vor dem Mund – noch etwas zu sagen.

Als ich wieder zu hause war, rechnete ich mir folgendes grob durch und schaute, ob der Mann wohl recht hätte; ob das große Auto des Chefs wirklich ein/das Problem sei, und was es koste, wenn man den Lohn nur um 1€/Std. erhöht:
  • Rechnen wir das doch einfach mal durch.
    Nehmen wir also mal an, daß es eine Lohnerhöhung um nur 1 € pro Stunde gibt. Das sind im Monat ca. 160,-€. Und weil das Unternehmen Weihnachts-/ Urlaubsgeld zahlt nehmen wir das x13 — Das macht also im Jahr für den einzelnen Arbeitnehmer ein Mehr von 2080,-€ brutto aus.
    Der Arbeitgeber muß seinen Anteil an Sozialabgaben etc. darauf zahlen, so daß man mit Mehrausgaben von 2500 - 3000 Euro rechnen muß. Nun hat das Unternehmen 100 Mitarbeiter. Das macht also insgesamt 250.000 bis 300.000 Euro höhere Personalkosten.

    Da nützt es also nichts, wenn der Chef seinen großes Auto verkauft und sich einen gebauchten Altwagen kauft. Der Erlös reicht bei weitem nicht aus. Er kann davon nicht einmal ein Jahr lang den höheren Lohn zahlen; ganz zu schweigen von den Folgejahren. Und wenn der Chef sein eigenes Gehalt pro Monat um 10.000 Euro kürzte, reichte das gerade mal für die Hälfte der Belegschaft aus.

    Das Geld muß aber irgendwo her kommen.Bei einer Marge von sagen mir mal im Durchschnitt 5% braucht er pro Jahr einen Mehrumsatz von 5 bis 6 Millionen Euro, um die 250.000 bis 300.000 Euro wieder herein zu bekommen. (Edit: gestrichen: Siehe Edis Beitrag weiter unten)
    Und irgendwann kommt diese Summe als höherer Preis beim Verbraucher an.

    Was so ein kleiner Euro mehr pro Stunde doch ausmachen kann!

Wer arbeitet hat einen gerechten Lohn verdient. – Der Knackpunkt ist der Begriff „gerecht“: Was ist gerecht?

Das kann man schwerlich in einem generell gültigen Eurobetrag festlegen. Wer Vollzeit arbeitet und 2 Euro pro Stunde bekommt, der kann davon in Deutschland nicht leben, in anderen Ländern ist er ein Durchschnittsverdiener: Der Bruttomonatsverdienst lag im Durchschnitt z.B. in 2013 in Deutschland bei über 3000 Euro während er in Bulgarien nur bei 1/10 davon lag nämlich bei rund 300 Euro lag. (Wie auch immer diese Durchschnittswerte ermittelt wurden.)

Also muß ein anderer Bemessungsmaßstab her, als der Stundenlohn. Doch welcher?

Ein Schlagwort lautet: Wer Vollzeit arbeitet, muß davon leben können.
Schön und gut. Aber wie soll er davon leben?
Was gehört dazu?
Reicht es, wenn er davon gerade Miete und Nahrung bezahlen kann?
Welche zusätzlichen Dinge will man ihm zugestehen?
Ist ein Kurzurlaub pro Jahr drin, oder ist das Luxus?

2006 erschien in „der Welt“ ein Artikel mit dem Titel Die reichsten Armen der Welt. Darin ist zu lesen:
…"Eine Million Arme in der Schweiz", "Jeder siebte Schweizer arm", "Immer mehr sind immer ärmer", "Armut als Armutszeugnis" titelten über den Jahreswechsel ohne Ausnahme die helvetischen Zeitungen…

Die politischen Parteien zeigten sich fast durch die Bank weg tief "schockiert"…

Arm ist und Zuschüsse von den Kommunen erhält in der Schweiz derjenige, der weniger Einkünfte ausweist als der Durchschnitt der 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen. In konkreten Zahlen: Die Armutsgrenze für eine alleinstehende Person verläuft derzeit bei einem monatlichen Gehalt von 2450 Franken (1635 Euro), dies nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben! Arm ist in der Schweiz ein Vier-Personen-Haushalt, der, ebenfalls nach Steuern und Sozialabgaben (!), weniger verdient als 4550 Franken (3035 Euro) - selbst wenn er, wie Erhebungen zeigen, meist über ein Auto, ein Ferienbudget und über die üblichen Elektrogeräte bis zum DVD-Player verfügt. Ein Ökonom hat - ohne viel Echo - vorgerechnet, daß 80 Prozent der "Working poors" gar nicht mehr arm wären, wenn man die Armutsgrenze um nur 200 Franken (133 Euro) absenken würde.
Also: Alles nur eine Frage der Definition?

Manchmal hat man den Eindruck: Das Verfassungsgericht legt – weil es die Politik nicht schafft – einen Betrag fest, der das sog. Existenzminimum ausmacht. Der wird mittels verschiedener Methoden, wie Warenkörbe etc. berechnet. In wie weit dieser Betrag richtig ist, ist ein ganz andere Frage. Selbst in Deutschland gibt es Gegenden, wo man günstiger leben kann und welche wo man teurer lebt. Aber der Betrag ist halt ein Mittelwert oder Mix, der dann gilt.
Insgesamt ist das recht willkürlich.
Mit Gerechtigkeit hat das auch nicht so viel zu tun – will es auch nicht. — Gerichte sprechen Recht. Das muß nicht zwingend gerecht sein, auch wenn es wünschenswert wäre, wenn es so wäre.
Zuletzt geändert von Juergen am Montag 18. November 2013, 18:23, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Jürgen

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Lilaimmerdieselbe
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Eine Lohnerhöhung von ein Euro die Stunde, können eine Lohnerhöhung von mehr als 10% oder auch 0,1 % ausmachen, entsprechende Lohnnebenkosten fallen auch sehr unterschiedlich aus, so einfach läßt sich die Teuerungsabhängigkeit von gestiegenen Lohnkosten eben nicht darstellen. Wenn dann noch unterste Lohngruppen nicht mehr aufgestockt werden müssen, könnte man vielleicht sogar die Mehrwertsteuer um ein halbes Prozent senken, wenn die Rentenversicherung außerdem weniger staatlich gestützt werden müßte.

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Juergen hat geschrieben:
  • Rechnen wir das doch einfach mal durch.
    Nehmen wir also mal an, daß es eine Lohnerhöhung um nur 1 € pro Stunde gibt. Das sind im Monat ca. 160,-€. Und weil das Unternehmen Weihnachts-/ Urlaubsgeld zahlt nehmen wir das x13 — Das macht also im Jahr für den einzelnen Arbeitnehmer ein Mehr von 2080,-€ brutto aus.
    Der Arbeitgeber muß seinen Anteil an Sozialabgaben etc. darauf zahlen, so daß man mit Mehrausgaben von 2500 - 3000 Euro rechnen muß. Nun hat das Unternehmen 100 Mitarbeiter. Das macht also insgesamt 250.000 bis 300.000 Euro höhere Personalkosten.
    Das Geld muß aber irgendwo her kommen. Bei einer Marge von sagen mir mal im Durchschnitt 5% braucht er pro Jahr einen Mehrumsatz von 5 bis 6 Millionen Euro, um die 250.000 bis 300.000 Euro wieder herein zu bekommen.
    Und irgendwann kommt diese Summe als höherer Preis beim Verbraucher an.

    Was so ein kleiner Euro mehr pro Stunde doch ausmachen kann!

Deine Rechnung stimmt so nicht. Du kannst die Marge hier nicht einfach hochrechnen. Wenn ein Unternehmer 300.000 Euro mehr Kosten hat, dann reicht es wenn er die Preise um den Betrag, den diese Kosten ausmachen, erhöht. Denn alle andern Kosten bleiben ja gleich. Bei 100 Mitarbeitern wird eine Firma je nach Branche schon mindestens einen Umsatz von 12 Millionen im Jahr machen, wenn nicht gar mehr. 300.000 Euro Mehrkosten sind dann 2,5 %. Also muss die Firma die Preise um eben diese 2,5 % erhöhen, meist wird aber bei so einer Gelegenheit noch etwas mehr erhöht. Die Frage kann sich natürlich stellen, wie der Wettbewerb und dessen Preise aussieht und ob man dann um so viel erhöhen kann. Wenn man die Rechnung so wie du über einen Mehrumsatz machen will, dann muss man den Rohgewinn kennen und der macht sicher nicht nur 5 % aus, sondern ist deutlich höher.
Ansonsten hast du recht, ein teures Auto abzugeben, finanziert natürlich in so einem Fall keine solche Lohnerhöhung.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Juergen
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Juergen »

Lilaimmerdieselbe hat geschrieben:Eine Lohnerhöhung von ein Euro die Stunde, können eine Lohnerhöhung von mehr als 10% oder auch 0,1 % ausmachen, entsprechende Lohnnebenkosten fallen auch sehr unterschiedlich aus, so einfach läßt sich die Teuerungsabhängigkeit von gestiegenen Lohnkosten eben nicht darstellen. Wenn dann noch unterste Lohngruppen nicht mehr aufgestockt werden müssen, könnte man vielleicht sogar die Mehrwertsteuer um ein halbes Prozent senken, wenn die Rentenversicherung außerdem weniger staatlich gestützt werden müßte.
Ob meine Rechnung nur 1:1 stimmt oder nicht ist ziemlich wurscht. Tatsache ist, daß das Geld nicht auf den Bäumen wächst, sondern irgendwer die Sache bezahlen muß. Und das ist in vielen Fällen der Endverbraucher. Und bei großen Zahlen von Arbeitnehmern, die von einer Erhöhung betroffen sind, kommen eben auch große Gesamtsummen zustande.
Und diese Summen bezahlen eben nicht „die da oben“, sondern jeder einzelne.

Rufe wie: „Die Arbeitgeber sollen endlich die Leute gescheit bezahlen“, sollte man besser so formulieren: „Ja ich bin bereit im Jahr 100 oder 200 Euro mehr auszugeben, wenn dadurch die Leute anständig bezahlt werden.“ Indess fürchte ich, daß dann viele verstummen werden.
Gruß Jürgen

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overkott
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von overkott »

O Je. Jürgen, wir sollten die Leute nicht für dumm verkaufen.

Jesus hat sich weniger mit Makroökonomie beschäftigt als viel mehr mit der Frage nach der persönlichen Verantwortung jedes Marktteilnehmers. Natürlich ist auch der Arbeitsmarkt ein Markt, dessen Preise in Form von Löhnen und Gehältern prinzipiell durch Angebot und Nachfrage bestimmt sind. Dabei organisiert sich der Markt durch individuelle Verhandlungen über übertarifliche Gehälter sowie durch die Tarifpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften weitgehend selbst. Es gibt jedoch Randbereiche, die durch die Tarifpartnerschaft nur unzureichend oder gar nicht abgedeckt sind und wo einzelne Marktteilnehmer den Lebensunterhalt für ihre Familie oder für sich nicht bestreiten können. Hier bestärkt die Katholische Soziallehre den Staat, seine Verantwortung im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft wahrzunehmen. Dass die Koalitionsverhandlungen jetzt auf eine Kommission für die jährliche Anpassung der Mindestlöhne hinauslaufen, kann als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass das Verhältnis von Erwerbseinkommen zum soziokulturellen Existenzminimum fortlaufend debattiert wird. Unabhängig davon werden Ökonomen beobachten, ob sich die Mittelschicht wieder verbreitert, nachdem die Schere zwischen Spitzeneinkommen und Einkommen der Unterschicht größer geworden ist.

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Juergen hat geschrieben: Rufe wie: „Die Arbeitgeber sollen endlich die Leute gescheit bezahlen“, sollte man besser so formulieren: „Ja ich bin bereit im Jahr 100 oder 200 Euro mehr auszugeben, wenn dadurch die Leute anständig bezahlt werden.“ Indess fürchte ich, daß dann viele verstummen werden.
Das stimmt. Ich kenne auch so einen Mann, der sogar fromm ist, aber immer alles billig haben will. Da hat er mal vor einiger Zeit einen Haarschneider für 10 Euro gekauft und der ist jetzt schon kaputt und er wundert sich darüber. Ja kriegt man denn für so einen Preis, an dem der Händler ja auch noch etwas verdienen will, etwas Gescheites? Meiner hat damals über 100 DM gekostet und geht immer noch einwandfrei und ist weit mehr als 10 Jahre alt. Derselbige Herr, als er noch arbeitete, wollte auch einen ordentlichen Lohn haben.

Nicht wenige Hersteller von gewerblichen Reinigungsmitteln verkaufen, und das ist gesetztlich erlaubt, weitgehend nur Wassersuppe. Manchen Händlern ist das aber egal, die sagen, der Kunde will alles billig, billig. Dass der Verbrauch hierbei viel grösser ist, als er sein müsste, ist denen egal und am Ende kostet der Transport und die Verpackung deutlich mehr als der Inhalt.
Wäre ein Thema für die Grünen, wenn sie noch grün wären! Denn das hat auch mit Energieeinsparung zu tun, denn man braucht nicht so viel Wasser in der Gegend herumfahren.
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Gallus
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Gallus »

umusungu hat geschrieben:Holt oben was weg, was unten immer noch nicht reicht!
Mit dem Finger auf andere zeigen und rufen: "Nehmt denen was weg und gebt es den Armen!", das mag gut sozialdemokratisch sein, aber christlich ist es nicht. Christus ruft jeden individuell dazu auf, seinem Nächsten zu helfen. Von Politik, von Umverteilung durch staatlichen Zwang, spricht er dagegen nie.

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Gallus hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben:Holt oben was weg, was unten immer noch nicht reicht!
Mit dem Finger auf andere zeigen und rufen: "Nehmt denen was weg und gebt es den Armen!", das mag gut sozialdemokratisch sein, aber christlich ist es nicht. Christus ruft jeden individuell dazu auf, seinem Nächsten zu helfen. Von Politik, von Umverteilung durch staatlichen Zwang, spricht er dagegen nie.
Das stimmt zwar auch, aber in der Schrift wird auch gesagt, das jeder Arbeiter seines Lohnes wert sei. Kardinal Meisner hat einmal gesagt, man müsse von seinem Lohn leben können. Es kann auch wohl auf Dauer nicht sein, dass der Staat oder anders gesagt der Steuerzahler, den zu niedrigen Lohn durch Zuschüsse an die Arbeiter ergänzen muss.
Ich habe mal den Fall erlebt, wo Arbeiter einer Arbeitsloseninitiative, die ja einige staatliche und auch kirchliche Zuschüsse bekam, Teile von Armaturenbrettern von Autos auseinanderbauen sollten und ein Stücklohn gezahlt werden sollte vom Auftraggeber. Dieser war aber so gering, dass die Initiative den Auftrag ablehnen musste. Vom Drauflegen können selbst solche Initativen auf Dauer nicht existieren. Diese Initiative ging dann eines Tages auch konkurs.
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Marcus
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Marcus »

Juergen hat geschrieben:Rufe wie: „Die Arbeitgeber sollen endlich die Leute gescheit bezahlen“, sollte man besser so formulieren: „Ja ich bin bereit im Jahr 100 oder 200 Euro mehr auszugeben, wenn dadurch die Leute anständig bezahlt werden.“ Indess fürchte ich, daß dann viele verstummen werden.
Vor dem Fenster eines Bahnhofsfriseursalons habe ich mal ein Plakat gesehen, auf dem stand: „ Faire Preise = Faire Löhne“

Es sollte auch eigentlich jedem klar sein, dass die seit Jahren in Mode gekommene „Geiz-ist-geil-Mentalität“ zwangsläufig zu Niedriglöhnen oder Auslagerungen ins Ausland führen musste. Und das fataler dabei ist ja, dass die Opfer dieser Mentalität (Arbeitslosgewordene Produktionsarbeiter, Billiglohn-Knechte etc.) zumeist selbst keine andere Wahl haben, als nach Schnäppchenangeboten Ausschau zu halten.

Ich hätte persönlich nichts dagegen, etwas mehr Geld für Güter und Dienstleistungen ausgeben zu müssen, wenn auch zugleich die Unternehmen Mindeststundenlöhne von 8,50 EUR, die im Laufe bis zur nächsten Legislaturperiode sukzessiv auf 10,00 EUR steigen sollten, zu zahlen verpflichtet werden. Henry Ford hatte schließlich bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erkannt, dass Autos keine Autos kaufen und in Konsequenz nicht nur die Arbeitsbedingungen verbessert (8 h am Tag), sondern auch die Löhne seiner Arbeiter verdoppelt, so dass es auch ihnen möglich war, sich einen Ford leisten zu können. Mit höheren Löhnen lässt sich die Binnennachfrage erhöhen, so dass mehr Güter und Dienstleistungen im Inland konsumiert werden können.

Einerseits muss es darum gehen, die inländische Kaufkraft und somit auch die Binnenkonjunktur anzukurbeln, indem Menschen, die 40 h pro Woche arbeiten gehen, auch über genug Geld verfügen sollten, um mehr als bloß ihre Grundbedürfnisse befriedigen zu können, die bloß der Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft dienen. Andererseits führen die damit verbundenen Preisanstiege auch zu mehr Steuereinnahmen, ebenso auch zu einer Erhöhung der lohnabhängigen Sozialversicherungsbeiträge.

Ferner sollte auch darüber diskutiert werden, ob es nicht sozial gerechter wäre, z. B. alle Einkommensarten in die gesetzliche Sozialversicherung, zumindest aber in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung einzubeziehen, mit der Folge, dass auch Vermögende, welche nur die Früchte (Aktionäre durch die Dividende) der Arbeit der Beschäftigten ernten, ohne selbst am Produktionsprozess aktiv mitgewirkt zu haben, ihren Beitrag zum Erhalt unserer Sozialsysteme und zum Erhalt unseres Sozialstaates zu leisten haben.

Ich habe mir meine Gehaltsabrechnung angesehen und dabei festgestellt, dass auch von meinem Monatsgeld fast 40 % an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen einbehalten bzw. abgeführt werden, dafür lebe ich aber auch in einem Staat, in dem es den Menschen derzeit zumindest noch so gut geht, dass sich die Kriminalität im Vergleich zu anderen Staaten, wo den Menschen, um überhaupt für ihr und das Überleben ihrer Familienangehörigen sorgen zu können, zumeist mangels unzureichender staatlichen Unterstützung nichts anderes übrig bleibt, als andere Menschen zu bestehlen oder auszurauben, dann doch eher gering ist. Und ich denke, dass sich vor allem auch Millionäre und besonders Milliardäre darüber bewusst sein müssen, dass eine immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich auch die Gewaltbereitschaft der Bevölkerung erhöht. Letztlich sind den großen Revolutionen, sei es Russland 1917, Deutschland 1848 oder Frankreich 1789 immer auch ein großes soziales Elend vorausgegangen. In Simbabwe wurden/werden die Abkömmlinge der einstigen Besetzer mitunter nicht nur von Aufständischen vertrieben, sondern gar massakriert. Soweit sollte man es hierzulande erst gar nicht kommen lassen…Ebenso lässt sich auch in Griechenland, wo der Sozialstaat rapide abgebaut und die Bevölkerung zudem noch mit Einkommenseinbußen und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat, die Zunahme von Verhältnissen wie einst hierzulande in der Weimarer Republik beobachten.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Marcus hat geschrieben:[ Ebenso lässt sich auch in Griechenland, wo der Sozialstaat rapide abgebaut und die Bevölkerung zudem noch mit Einkommenseinbußen und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat, die Zunahme von Verhältnissen wie einst hierzulande in der Weimarer Republik beobachten.
... und die reichen griechischen Reeder müssen nicht mal Steuern bezahlen. Bei uns drücken sich auch Konzerne zum Teil vor der inländischen Steuer, indem sie Produktion von Teilen ins steuerniedrige Ausland verlagern oder steuerliche Konstruktionen machen, die sie steuerlich sehr entlasten. Ich kannte ein Beispiel von der Firma Henkel bzw. einer damaligen Tochter von Henkel, wo man in Belgien eine Vermietungsfirma gegründet hatte, die in Düsseldorf eine Produktionsanlage errichtet hat und diese mit einer sehr hohen Miete an die Muttergeselschaft vermietet hat, da Belgien damals steuerniedriger war als die Bundesrepublik. Wie es heute ist, weiß ich nicht. Jedenfalls wurde so oder ähnlich und das auch von anderen Konzernen wie Daimler Steuern ins Ausland verlagert. Eine kleine Firma kann das nicht. Die grossen drücken sich wo sie nur können und können sich natürlich auch die besten Steuerberater leisten, die sich damit auskennen.
Dazu nehmen sie zunehmend Einfluß auf die Gesetzgebung auch der EU, um sich Vorteile zu verschaffen und kleineren Firmen das Leben schwer zu machen durch immer neue Vorschriften, auch unnütze. Hat mir erst auch ein Beamter wieder bestätigt.
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Gallus
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Gallus »

Edi hat geschrieben:Kardinal Meisner hat einmal gesagt, man müsse von seinem Lohn leben können. Es kann auch wohl auf Dauer nicht sein, dass der Staat oder anders gesagt der Steuerzahler, den zu niedrigen Lohn durch Zuschüsse an die Arbeiter ergänzen muss.
Jeder Lohn muß sich aus der Produktivität des Arbeiters finanzieren. Tut er das nicht, will man aber trotzdem die betroffenen Arbeitsplätze erhalten, dann geht es nunmal nicht ohne Zuschüsse. Man hat es da in der Regel mit Leuten zu tun, die keine Hoffnung haben, kurz- oder mittelfristig einen nicht durch Zuschüsse subventionierten Job zu finden. Teils weil sie einfach Pech haben und eine Ausbildung haben, die nicht (mehr) nachgefragt wird, teils aber auch weil sie selbst dafür verantwortlich sind, z.B. weil sie gar keine Ausbildung durchgehalten haben. Ist es wirklich besser, die Lohnzuschüsse einzustellen und diese Leute ganz in die Dauerarbeitslosigkeit zu schicken?

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Gallus hat geschrieben: Ist es wirklich besser, die Lohnzuschüsse einzustellen und diese Leute ganz in die Dauerarbeitslosigkeit zu schicken?
Kommt nur darauf an, wer die Zuschüsse bezahlt. Bezahlt der Steuerzahler oder der Arbeitgeber mit einem etwas höheren Lohn? Wer nur solche einfachen Tätigkeiten vergibt, der wird einen höheren Lohn auch kaum bezahlen können. Wer auch noch andere Geschäftsfelder hat, die gute Ergebnisse erwirtschaften, kann diese Tätigkeiten auch etwas subventionieren und ich glaube, das machen auch manche Unternehmer so. Stichwort auch: Mischkalkulation.
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Gallus
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Gallus »

Edi hat geschrieben:
Gallus hat geschrieben: Ist es wirklich besser, die Lohnzuschüsse einzustellen und diese Leute ganz in die Dauerarbeitslosigkeit zu schicken?
Kommt nur darauf an, wer die Zuschüsse bezahlt. Bezahlt der Steuerzahler oder der Arbeitgeber mit einem etwas höheren Lohn? Wer nur solche einfachen Tätigkeiten vergibt, der wird einen höheren Lohn auch kaum bezahlen können. Wer auch noch andere Geschäftsfelder hat, die gute Ergebnisse erwirtschaften, kann diese Tätigkeiten auch etwas subventionieren und ich glaube, das machen auch manche Unternehmer so. Stichwort auch: Mischkalkulation.
Das machen die Arbeitgeber in der Regel ganz von selbst bei Arbeitnehmern, die in irgendeiner Form für sie wichtig sind, z.B. weil sie besondere Qualifikationen haben. Das haben wir in der letzten Rezession bei uns wieder gesehen, als die Auftragsrückgänge kaum auf dem Arbeitsmarkt durchgeschlagen sind. Aber das geht nur temporär, und eben nur dann, wenn es um qualifizierte Arbeitnehmer geht, deren Humankapital man nicht verlieren will oder darf.

Unqualifizierte Arbeitnehmer auf Kosten der von produktiven Arbeitnehmern erwirtschafteten Gewinne auf Dauer mit durchziehen? Was bedeutet das? Z.B. daß ich mit geringeren Gewinnen auch kleinere Investitionsspielräume habe. Und dann kann ich zugucken, wie die Konkurrenz mir mit besseren Produkten oder Produktionstechnologien davonzieht.

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Gallus hat geschrieben: Unqualifizierte Arbeitnehmer auf Kosten der von produktiven Arbeitnehmern erwirtschafteten Gewinne auf Dauer mit durchziehen? Was bedeutet das? Z.B. daß ich mit geringeren Gewinnen auch kleinere Investitionsspielräume habe. Und dann kann ich zugucken, wie die Konkurrenz mir mit besseren Produkten oder Produktionstechnologien davonzieht.
Kommt immer auf den Einzelfall an, auf die Dauer geht das nicht, wenn die Spielräume enger werden. Aber das ist schwierig das von außen zu ermessen. Die andere Seite ist die, dass Unternehmen, die es nicht unbedingt müssten, den niedrigen Lohn ausnutzen, und somit dem Staat die Zuschüsse aufbürden. Leiharbeiter sind soweit ich weiß meist immer noch billiger als die eigenen Leute, aber die bekommen eben oft auch zu wenig, um einigermassen davon leben zu können. Ich kannte Arbeitgeber, die den Lohn nicht mehr pünktlich bezahlten, aber mal so am Wochenende schnell nach Paris oder anderswo hin flogen, um die Stadt anzusehen und sich ein par schöne Tage zu machen. Ein Arbeitgeber stellt alle zwei Jahre Leute für leichte Tätigkeiten ein, die er uch entsprechend gering bezahlt und für die er von der Arbeitsagentur Zuschüsse bekommt. Nach zwei Jahren schmeisst er sie raus und stellt neue ein, denn so lange muss er sie halten, damit er die Zuschüsse nicht wieder zurückzahlen muss. Seine Firma geht aber blendend.

Alles hat eben zwei Seiten.
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Lacrimosa
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Lacrimosa »

Marcus hat geschrieben:Und ich denke, dass sich vor allem auch Millionäre und besonders Milliardäre darüber bewusst sein müssen, dass eine immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich auch die Gewaltbereitschaft der Bevölkerung erhöht. Letztlich sind den großen Revolutionen, sei es Russland 1917, Deutschland 1848 oder Frankreich 1789 immer auch ein großes soziales Elend vorausgegangen.
Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass sich die Geschichte wie in einem Teufelskreis wiederholt, gemäß dem Jesus-Wort: „Was ihr sät, das werdet ihr ernten.“ Aber Jesus macht Angebote, diesen zu durchbrechen. Jesus warnt zum Beispiel deutlich vor Habgier: „Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund eines großen Vermögens im Überfluss lebt.“ (Lukas 12,15)
Overkott hat geschrieben:Jesus hat sich weniger mit Makroökonomie beschäftigt als viel mehr mit der Frage nach der persönlichen Verantwortung jedes Marktteilnehmers.
Gallus hat geschrieben:Gallus Christus ruft jeden individuell dazu auf, seinem Nächsten zu helfen. Von Politik, von Umverteilung durch staatlichen Zwang, spricht er dagegen nie.
Von den oben genannten Milliardären her, die sich eigentlich darüber bewusst sein müssten, dass die Schere zwischen Arm und Reich nichts Gutes bewirkt, bis hin zu uns ins Forum gedacht, die wir Jesus Christus in den Mittelpunkt unseres Denkens gestellt haben, gibt es immer einen neben uns, der ärmer ist als wir. Ich frage mich, weshalb es uns Menschen derart schwerfällt, Jesus Worte als „Ratschläge“ zu beherzigen, unseren Fokus schon zu Lebzeiten auf das Himmelreich, auf das Nicht-Materielle zu lenken …

„Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen! Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen. Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“ (Lukas 12, 33–34)

Jesus hat unser „systemisches Dilemma“ (Wirtschaftssysteme, Gesellschaftssysteme) gekannt und beschrieben. Er erscheint mir noch nach 2.000 Jahren Christentum wie ein einsamer Wanderprediger auf weiter Flur: „Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ (Lukas 16,13)

(Mit Sklaven meint er wohl uns, die wir abhängig von diesem oder jenem System sind. Unsere eigentliche Freiheit liegt in den persönlichen Beziehungen, die von Nächstenliebe zeugen sollten.)
Lasst in eurem Miteinander Platz, dass der Hauch des Himmels zwischen euch spielen kann. (Khalil Gibran)

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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Fragesteller »

Ich bin nicht sicher, dass ich diesen systemtheoretischen JArgon verstehe. Du meinst, Jesus wolle sagen, "Gott oder der Mammon" seien beides "Systeme", an die sich zu binden Unfreiheit erzeuge und vor denen Jesus zugunsten der freiheitlichen Nächstenliebe warnen wolle? Das ist falsch; wenn die Vollendung aller Dinge in Gott liegt, dann ist es auch die eigentliche Freiheit Gott zu gehorchen, und er steht jenseits der Systeme. Jemand, in dem nicht die Vollendung aller Dinge liegt, würden wir auch nciht anbeten.

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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Lacrimosa »

Fragesteller hat geschrieben:Ich bin nicht sicher, dass ich diesen systemtheoretischen JArgon verstehe. Du meinst, Jesus wolle sagen, "Gott oder der Mammon" seien beides "Systeme", an die sich zu binden Unfreiheit erzeuge und vor denen Jesus zugunsten der freiheitlichen Nächstenliebe warnen wolle? Das ist falsch; wenn die Vollendung aller Dinge in Gott liegt, dann ist es auch die eigentliche Freiheit Gott zu gehorchen, und er steht jenseits der Systeme. Jemand, in dem nicht die Vollendung aller Dinge liegt, würden wir auch nciht anbeten.
Jargon? Andere Worte habe ich nicht. Definitiv verstehst du mich falsch. Beileibe ist Gott kein System, er steht jenseits davon. Es geht mir um die Frage, wie wir Gott und das Gebot der Nächstenliebe in den Alltag bewusster hineintragen können, obwohl wir abhängig von den Systemen (Mammon) sind, in denen wir uns befinden und weshalb wir die Worte Jesu nicht mehr beherzigen. Dass wir sie eben eher weniger beherzigen, zeigt der Zustand unserer Welt, beispielsweise die vorgenannte Schere zwischen Armen und Reichen. Oder hast du den Eindruck, die Systeme laufen rund?
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Juergen
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Juergen »

Marcus hat geschrieben:Ich hätte persönlich nichts dagegen, etwas mehr Geld für Güter und Dienstleistungen ausgeben zu müssen, wenn auch zugleich die Unternehmen Mindeststundenlöhne von 8,50 EUR, die im Laufe bis zur nächsten Legislaturperiode sukzessiv auf 10,00 EUR steigen sollten, zu zahlen verpflichtet werden…
Wieviel bist Du bereit pro Jahr mehr auszugeben?


Zu Deinen 10,-€ auf die der Lohn steigen soll:
„Niedriglohn“ ist ein Lohn der weniger als 2/3 des Durchschnittslohns ausmacht. Das waren im Jahre 2012 genau 10,36€ — das sind fast 1/4 aller Beschäftigten.
Gruß Jürgen

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Fragesteller
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Fragesteller »

Lacrimosa hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Ich bin nicht sicher, dass ich diesen systemtheoretischen JArgon verstehe. Du meinst, Jesus wolle sagen, "Gott oder der Mammon" seien beides "Systeme", an die sich zu binden Unfreiheit erzeuge und vor denen Jesus zugunsten der freiheitlichen Nächstenliebe warnen wolle? Das ist falsch; wenn die Vollendung aller Dinge in Gott liegt, dann ist es auch die eigentliche Freiheit Gott zu gehorchen, und er steht jenseits der Systeme. Jemand, in dem nicht die Vollendung aller Dinge liegt, würden wir auch nciht anbeten.
Jargon? Andere Worte habe ich nicht. Definitiv verstehst du mich falsch. Beileibe ist Gott kein System, er steht jenseits davon. Es geht mir um die Frage, wie wir Gott und das Gebot der Nächstenliebe in den Alltag bewusster hineintragen können, obwohl wir abhängig von den Systemen (Mammon) sind, in denen wir uns befinden und weshalb wir die Worte Jesu nicht mehr beherzigen. Dass wir sie eben eher weniger beherzigen, zeigt der Zustand unserer Welt, beispielsweise die vorgenannte Schere zwischen Armen und Reichen. Oder hast du den Eindruck, die Systeme laufen rund?
OK, dann sind wir uns einig.

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Torsten
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Torsten »

Jarom1 hat geschrieben:"Das Problem am Sozialismus ist, dass das Geld anderer Leute auch irgendwann alle ist" [Margaret Thatcher]
Dann ist das Problem des Kapitalismus, dass die Schulden "irgendwann" jede Grenze sprengen. Die das Geld anderer Leute sind, welches nicht alle ist, sondern einen immensen und kaum mehr zu finanzierenden, wachsenden Reichtum darstellen. Es wird ja schon versucht, an jedem Ende und jeder Ecke irgendwie noch was rauszuquetschen, um die Schulden, sprich den Reichtum bedienen zu können.
Und ich sage euch, und vielleicht werden wir das selbst noch erleben, dass die Reichen zur Finanzierung ihres Reichtums zur Kasse gebeten werden. Zum Beispiel kann ich mir vorstellen, dass die Steuern auf Zinseinkünfte irgendwann auf das Niveau der (niedrigsten) Einkommenssteuer angehoben werden ...

"Jesus und der Kapitalismus."

Was ist Kapitalismus? Kapitalismus ist, wenn eine Gesellschaft jede ihrer Lebensäußerungen, jedes ihrer Bedürfnisse mit einer wachsenden Schuld bezahlt, die sich bei den Hoheprriestern dieser unmöglichen Religion als Vermögen anhäuft. Es ist die komplette Versklavung. Mehr geht nicht. Auch in Sachen alternativlosen Denkens. Die Sache mit den zwei Hemden. Die naheliegendste Frage wäre ja, wie haben das die Menschen vor dem Kapitalismus gemacht. Das muss 'ne tolle Zeit gewesen sein. Da gab es nichts von der Stange, da war alles maßgeschneidert. ;)

Jesus und der Kapitalismus, das ist unvereinbar, weil darin die niedersten menschlichen Interessen den Wegbereiter praktisch für alles spielen, wobei die Wahrheit und das Leben zur Sache verkommen, an die man glaubt oder nicht, auf die man aber garantiert keinen Einfluss hat. Deshalb ist der Kapitalismus auch so erfolgreich in seiner Akzeptanz, weil auch der Ärmste diese Interessen mit dem Reichsten teilt. Solange der Ärmste noch einen gewissen Spielraum hat, einen Kredit auf sein Leben und damit die Hoffnung auf eine "Chance" erhält. Und wo dieser Spielraum nicht mehr gegeben ist, kommt auch nicht automatisch ein besserer, geläuterter Mensch heraus, sondern es entsteht Armutskriminalität - aus purer Not.

Überhaupt die "Chance" - Chancengerechtigkeit. Kann mir hier mal einer erklären, was diese "Chance" sein soll? Gegen wen oder was ich da spiele? Achso, gegen jeden? Die komplette Versklavung reicht nicht, erst mit dem Wettbewerb, der die Rolle der Freiheit spielt, macht es so richtig Spaß. Das macht dann den Unterschied zwischen kommunistischen und kapitalistischen Materialismus. *lach*

Nein, ich will ja noch was konstruktives beitragen. Menschliche Normalität wäre es, bzw. die Realität ist so, dass Lebensäußerungen und Bedürfnisse nicht zu einer wachsenden Schuld führen - die dann mit einem Wirtschaftswachstum versucht wird, zu begleichen, sondern dass es in kulturellen und wirtschaftlichen Fragen einen gesellschaftlichen Mittelpunkt gibt, mit dem sich alleine aufgrund seiner Existenz alle ergebenden Fragen beantworten. Was hier wächst, ist das Wissen. Das Wissen um Gott. Das Wissen um unser Leben. Und nicht das Wissen, wie man noch aus der größten und moralisch fragwürdigsten Scheiße Geld macht.

Und es ist gut zu wissen, in dem Alptraum, in dem wir leben, dass die Realität ein Ding göttlicher Normalität und Ruhe ist. Es ist nur traurig, dass wir dafür erst sterben müssen.

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Edi
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Edi »

Juergen hat geschrieben:
Marcus hat geschrieben:Ich hätte persönlich nichts dagegen, etwas mehr Geld für Güter und Dienstleistungen ausgeben zu müssen, wenn auch zugleich die Unternehmen Mindeststundenlöhne von 8,50 EUR, die im Laufe bis zur nächsten Legislaturperiode sukzessiv auf 10,00 EUR steigen sollten, zu zahlen verpflichtet werden…
Wieviel bist Du bereit pro Jahr mehr auszugeben?
Zu Deinen 10,-€ auf die der Lohn steigen soll:
„Niedriglohn“ ist ein Lohn der weniger als 2/3 des Durchschnittslohns ausmacht. Das waren im Jahre 2012 genau 10,36€ — das sind fast 1/4 aller Beschäftigten.


Hierzu noch folgendes: Die Lohnkosten allein tragen zu den Verbraucherpreisen je nach Produkt sehr unterschiedlich bei. Es gibt Firmen, die nur 20 % Lohnkosten haben, andere wie Handwerker haben von Fall zu Fall bis zu 80 %. Erhöht man bei 20 % den Lohn um 5 %, dann verteuert sich das Produkt lediglich um 1 %, es sei denn man schlage noch mehr drauf. Damit wollte ich nur sagen, dass die Lohnkosten oft nur der kleinere Teil eines Produktpreises sind. Der Rest sind Rohstoffkosten, Verwaltungskosten, Mieten, Energiekosten usw. Bei lohnintensiven Produkten schlägt natürlich eine Lohnerhöhung viel mehr auf den Preis durch als bei weniger lohnintensiven.
Nehmen wir mal Kleidung aus dem Ausland z.B. Bangladesh. Da betragen die Lohnkosten nach meiner Information lediglich um 1 oder 2 % des Preises. Wenn man den Arbeitern dort also den Lohn verdoppeln würde, würde sich das Produkt im Endpreis lediglich um 1 oder 2 % verteuern. Die Arbeiter hätten deutlich mehr Einkommen und wir hier müssten für ein Kleidungsstück statt 20 Euro eben 20 oder 40 Cent mehr bezahlen. Das ist natürlich Theorie, denn der Lohn dort wird nicht so stark steigen, das machen die Unternehmer dort nicht mit und die Einkäufer auch kaum. Die schieben das gesparte Geld lieber in die eigene Tasche.
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Juergen
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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Juergen »

Der Anteil der Lohnkosten am Produkt ist letztlich egal. Wenn die erhöhten Lohnkosten 1:1 auf die Preise aufgeschlagen werden, muß jeder Euro mehr Lohn durch einen Euro mehr Preis eingebracht werden.
Wenn die 8 Millionen Geringverdiener im Jahr 120 Euro mehr verdienen, sind das für jeden Bundesbürger 12 Euro. Wie sich die 12 Euro auf die einzelnen Produkte verteile ist dabei wurscht.
Gruß Jürgen

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Re: Jesus und der Kapitalismus.

Beitrag von Gallus »

Torsten hat geschrieben:Jesus und der Kapitalismus, das ist unvereinbar, weil darin die niedersten menschlichen Interessen den Wegbereiter praktisch für alles spielen,
Das Gegenteil ist der Fall. Wettbewerb ist der große Entmachtungsmechanismus. Wettbewerb begrenzt Herrschaft und gewährt dem Einzelnen Freiheit. Und Wettbewerb limitiert auch den Spielraum, in dem unsere niedersten Interessen zur Geltung kommen können. Als politischer Verwalter des Machtmonopols kann ich Menschen gnadenlos ausbeuten. Als Arbeitgeber kann ich das nicht, die Leute werden mir was husten und zum nächsten Arbeitgeber wechseln, wenn ich das versuche.

Auf dem Markt begegnen sich Menschen als Vertragspartner, in der Politik begegnen sie sich als Herrscher und Beherrschter. Arbeits- und Vernichtungslager sind ein Produkt von Politik, kein Produkt des Marktes. Wenn Du den Kapitalismus überwinden willst, dann denk daran: Die Alternative zum Markt ist die politische Macht, und die ist viel gefährlicher, grausamer und gnadenloser als es jeder Markt je sein könnte.

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