EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

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Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Wird da schon am nächsten Transfer für den Süden gearbeitet. Die hohen Energiepreise könnten es ermöglichen.
Spanien und Italien haben ins Spiel gebracht, dass die EU-Staaten ähnlich wie bei der Beschaffung von Covid-Impfstoff gemeinsame Lieferverträge mit Energielieferanten abschließen. Griechenland schlägt einen weiteren EU-Fonds zur Finanzierung von Energiekäufen vor. Deutschland lehnt das ab.
EU soll gemeinsam Strom und Gas einkaufen

Wenn der gemeinsame Gas- und Öleinkauf genauso funktioniert wie die Beschaffung des Covid-Impfstoffes, dann kann einem davor nur grauen. Hat man eigentlich nichts gelernt? Der Einkauf durch die Privatfirmen hat bisher funktioniert - bis eine Frau aus der Uckermark kam und meinte, die sichere Stromversorgung umbauen zu müssen. Jetzt muß Gas genutzt werden, um an windstillen und nebligen Tagen die Stromerzeugung sicherzustellen. Höhere Nachfrage = höhere Preise bei gleicher Angebotsmenge. Eigentlich sollte das jedem bekannt sein, sofern man nicht im Osten sozialisiert wurde.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Streit mit Brüssel Polens EU-Austritt wäre „noch desaströser als der Brexit“
Immer öfter wird der „Polexit“ ins Spiel gebracht – ein Ausscheiden Polens aus der Europäischen Union. Dafür gibt es zwei zentrale Gründe: Die Frustration der größten osteuropäischen Volkswirtschaft der EU über Brüssel und der Ärger der westlichen EU-Länder über den zunehmend antidemokratischen Kurs Warschaus.
Der Brexit könnte kein Einzelfall gewesen sein. Polen und Ungarn sind ebenfalls Wackelkandidaten.
Die Folgen eines EU-Austritts wären gewaltig. Wegen der deutlich engeren Verflechtung polnischer Firmen in europäische Lieferketten und Märkte wäre „ein Polexit noch desaströser als der Brexit“, sagt Roch Dunin-Wąsowicz, polnisch-stämmiger Dozent an der London School of Economics. Im Gegensatz zu Großbritannien sei der EU-Austritt für Polen nicht nur ökonomisch und finanziell ein Genickbruch, sondern spiele eine „zivilisatorische Rolle wegen seiner kommunistischen Vergangenheit“.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Auch die NZZ sieht die "Gefahr" eines "Polexits"

Drohender «Polexit»? Polens Verfassungsgericht stellt sich gegen wesentliche Teile des EU-Rechts

Sollten die Grünen das Außenministerium erhalten, wird sich diese Sorge schnell verflüchtigen. Man muß dort nur die Völkerrechtlerin Baerbock installieren - und schon wird sie die Probleme lösen. :D :D :D


kukHofnarr
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von kukHofnarr »

Raphael hat geschrieben:
Montag 20. Juni 2016, 07:38
Und wieder gewinnt eine Außenseiterin:
die spannende Frage nach der Bürgermeisterwahl in Rom ist, ob damit eine Organisation abgewählt ist, die gar nicht auf den Stimmzetteln stand: „Mafia Capitale“, eine Vereinigung aus Kriminellen, Politikern, Beamten und Unternehmern. Sie hat Gelder unterschlagen und mit öffentlichen Ausschreibungen gedealt. Den Kampf gegen diese Hydra will die Anwältin Virginia Raggi aufnehmen, die strahlende Siegerin vom Sonntag. Die Auszählung in der Nacht ergab 67 Prozent für die Frau von der Protestpartei „Fünf Sterne“. Der Kandidat aus der demokratischen Partei des Ministerpräsidenten Matteo Renzi fiel durch.
(Quelle)
Highlander hat geschrieben:
Dienstag 5. April 2022, 05:22
Wie geht es weiter mit der EU?
Jenes naturrechtlich gebotene Projekt, die Oikonomia in Europa wachzuküssen und damit das Wesen Europas selbst, welches i.d. Verteidigung des Naturrechtes /1 besteht, beginnt mit dem Kampf gegen "Hydra", den Wächter der Dornenhecke...:
(...) Der Blockchain-Analyst Elliptic bestätigt und erweitert die Meldung. So schätzt der Analyst etwa, dass das BKA mit 88 Transaktionen 543,3 Bitcoins beschlagnahmt habe. Insgesamt habe Hydra, so Elliptic, rund 5 Milliarden Dollar Umsatz abgewickelt, allein im bisherigen Jahr 2022 seien kriminelle Transaktionen über mehr als 420 Millionen Dollar über Hydra gelaufen. Damit sei der Marktplatz seit 2017 im Darknet führend gewesen.

Hydra sei auf der einen Seite ein Drogenmarktplatz gewesen, auf der anderen Seite aber auch eine Plattform für Geldwäsche, auf der man Bitcoins gegen Bargeld tauschen konnte. Daher tauchten in und um Hydra die Coins zahlreicher Verbrechen auf, von Kreditkartenbetrug über Börsenhacks zu Ponzispielen, Betrug und Ransomware. Hydra war DAS Finanzzentrum des Cybercrimes in Osteuropa und in anderen Regionen.

Der Shutdown hinterlasse, meint Elliptic, „eine beträchliche Lücke im Darknet-Ökosystem.“ Da der Zugriff allerdings mit keinen Verhaftungen einhergehe, wäre es denkbar, dass die Betreiber von Hydra einfach ihre Reputation nutzen, um Hydra 2.0 aufzubauen, auch wenn es seine Zeit brauchen sollte, bis sie das Vertrauen der User erneut gewinnen.

Geopolitisch kommt die Meldung zu einer spannenden Zeit. Elliptic stellte Anfang Februar fest, dass der Russischen Geheimdienstes FSB zunehmend forsch gegen das Darkweb vorgehe. Dieser habe relativ lange relativ still zugesehen, sei aber im Lauf des vergangenen Jahres immer entschiedener gegen die illegalen Marktplätze vorgegangen. Allein im Januar und Februar 2022 habe der FSB fünf Darknetmarktplätze hochgenommen, die zusammen mehr als 600 Millionen Dollar Umsatz gemacht hatten. Darüber hinaus hat der FSB auch 14 Mitglieder der Ransomware-Gang REvil verhaftet. Diese härtere Gangart Russlands gegen die zuvor geduldeten Cyberkriminellen erstaunte viele Beobachter. Manche spekulierten, dass sie „Teil der intensiven Diplomatie zwischen Russland und den Vereinigten Staaten“ im Vorfeld der Ukraine-Invasion waren.

Hydra schien weiterhin die Duldung der russischen Regierung zu genießen, wobei die Entscheidung, die Seite in Deutschland zu hosten, nicht eben für ein übermäßig vertrauensvolles Verhältnis spricht. Dass das BKA ausgerechnet jetzt Russlands Darknet-Juwel hochnimmt, könnte eine wirkungsvollere Sanktion sein als die zögerlichen Blockaden von Banken und Exporten.

Schließlich hat Hydra Russland mit Drogen versorgt, den russischen Kriminellen die Geldwäsche ermöglicht und vermutlich auch Einnahmen aus dem Ausland – sei es durch Gebühren, Kreditkartenbetrug, Geldwäsche oder Drogenlieferungen – nach Russland gelotet. Wenn die Kriminalität ein essenzieller Teil der russischen Volkswirtschaft ist, dürfte der Shutdown von Hydra nicht zu unterschätzende Folgen haben. Zumindest sollte er die russische Drogenversorgung vorübergehend und teilweise austrocknen.

Etwas merkwürdig erscheint nun eine etwa zeitgleich veröffentlichte Pressemitteilung des US-Finanzministeriums. Dieses kündigt an, Sanktionen gegen Hydra, „den größten und bekanntesten Darknetmarket der Welt“, zu verhängen, um „die Verbreitung von schädlichen Cybercrime-Dienstleistungen, gefährlichen Drogen und anderen illegalen Angeboten“ zu unterbrechen. Man koopiere hierfür auch mit der Deutschen Bundespolizei, welche die Hydra-Server hochgenommen habe. (...) /2
___
/1 Das Naturrecht: https://kreuzgang.org/viewtopic.php?p=922460#p922460
/2 bicoinblog.de, BergmannChristoph, Deutsche Polizei konfisziert Server des weltweit größten Darknetmarkplatzes, Artikel v. 06.04.2022,
(https://bitcoinblog.de/2022/04/06/deuts ... ch-wehtut/ [Abruf: 14. April 2022]).
"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Am 25. 09. wird in Italien gewählt. Jetzt haben sich die rechten Parteien auf ein Bündnis geeinigt:

Warum sich Silvio Berlusconi hinter Giorgia Meloni einreiht
Was auf den ersten Blick als Selbstverständlichkeit erscheint, hat einige Sprengkraft. Denn konkret bedeutet es, dass sich Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI) gute Chancen ausrechnen kann, Italiens nächste Ministerpräsidentin zu werden. Laut Umfragen liegt Melonis Partei derzeit klar in Führung innerhalb des Mitte-rechts-Lagers, dem auch die Lega von Matteo Salvini und Silvio Berlusconis Partei Forza Italia sowie kleinere Gruppierungen angehören. Zusammen kommen diese Parteien gemäss den letzten Berechnungen auf die Mehrheit im Parlament.
Man kann sich vorstellen was es bedeutet, wenn ab Herbst eine EU-kritische Regierung in Italien die Geschicke des Landes bestimmt. :breitgrins:

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martin v. tours
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von martin v. tours »

Ich poste das mal hier:
https://www.youtube.com/watch?v=i1JuWVeJS-E

Jordan Peterson+ Rod Dreher

Interessant für jeden der das Gefühl hat das sich diese EU immer mehr zu einer EUddsR entwickelt. Wenn man so wie ich, das Gefühl hat das wir mit unseren sogenannten "westlichen Werten" am Ende sind.
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

Cassian
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Cassian »

martin v. tours hat geschrieben:
Mittwoch 3. August 2022, 15:39
Ich poste das mal hier:
https://www.youtube.com/watch?v=i1JuWVeJS-E

Jordan Peterson+ Rod Dreher

Interessant für jeden der das Gefühl hat das sich diese EU immer mehr zu einer EUddsR entwickelt. Wenn man so wie ich, das Gefühl hat das wir mit unseren sogenannten "westlichen Werten" am Ende sind.
Bild

Vielleicht kriegt er es ja auch mal langsam hin. ;D

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martin v. tours
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von martin v. tours »

Würde zu ihm passen, aber seine Frau ist evangelisch :blinker:
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

Cassian
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Cassian »

martin v. tours hat geschrieben:
Mittwoch 3. August 2022, 19:20
Würde zu ihm passen, aber seine Frau ist evangelisch :blinker:
Die war wohl mit ihm dabei. ;D

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martin v. tours
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von martin v. tours »

stimmt, jetzt wo du es sagst, sie ist rechts im Bild...
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Die EZB hat die Zinsen "erhöht" - jetzt fürchtet man um die Kreditwürdigkeit der Südländer. Dort könnten die "höheren" Zinsen zu Schwierigkeiten führen. Die EZB hat daher beschlossen, Staatsanleihen aus diesen Ländern bevorzugt zu kaufen. Dadurch soll der sonst vom Markt geforderte Zinsanstieg für Italien &Co gebremst werden. Mit dieser Problematik beschäftigt sich Daniel Stelter:

EU: Wer spart, ist der Dumme
Macht ein Staat mehr Schulden als andere Mitgliedsländer, entsteht dort mehr Geld, das ohne Wechselkursrisiko überall im Währungsgebiet gilt. Der Nutzen des neuen Geldes fällt in dem betreffenden Land an, der mögliche Schaden durch die Ausweitung der Geldmenge wird sozialisiert.

Damit nicht genug. Fühlt sich die Zentralbank dieser Währungsunion außerdem noch verpflichtet, mögliche Zinsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu begrenzen, fehlt das Korrektiv des Marktes, das den überproportionalen Schuldenanstieg bremst. Staaten, die solider wirtschaften, stehen dann nicht nur mit Blick auf die Ausweitung der Geldmenge schlechter da, sondern haften auch noch über ihren Anteil an der Notenbank für die aufgekauften Schulden.
Konkret hat die EZB im Juni und Juli angesichts der politischen Turbulenzen in Italien und im klaren Gegensatz zu den selbst postulierten Kriterien für eine solche Intervention 17 Milliarden Euro in die italienischen, spanischen und griechischen Märkte gepumpt, während ihr Portfolio aus deutschen, niederländischen und französischen Schuldtiteln um 18 Milliarden Euro gesunken ist.
(...)
Gewinner dieser Politik sind Staaten, die auf höhere Schulden setzen. Sie profitieren vom neuen Geld, werden von der Notenbank unterstützt und gewinnen einen immer größeren Hebel, um eine Schulden- und Transferunion durchzusetzen. Wer in diesem Umfeld Steuererhöhungen durch kalte Progression zulässt, gar Steuererhöhungen fordert und nicht ebenfalls auf Verschuldungspolitik setzt, hat nicht verstanden, wie diese Währungsunion funktioniert.
Der Marsch in eine Schulden-, Tranfer- und Inflationsunion ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Statt der DM haben die Deutschen mit dem Euro eine Lira oder Drachme bekommen.
Eine Lösung wäre der Ausstieg aus dem Euro, aber dann ist man "Nazi", "Schwurbler" oder "Querdenker". Wie sagen die Politiker (bis auf die AfD): "Europa ist die Lösung" - fragt sich nur, für wen. :blinker:

kukHofnarr
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von kukHofnarr »

kukHofnarr hat geschrieben:
Donnerstag 14. April 2022, 11:18
(...)
Jenes naturrechtlich gebotene Projekt, die Oikonomia in Europa wachzuküssen und damit das Wesen Europas selbst, welches i.d. Verteidigung des Naturrechtes /1 besteht, beginnt mit dem Kampf gegen "Hydra", den Wächter der Dornenhecke...:
(...)
/1 Das Naturrecht: viewtopic.php?p=922460#p922460
Die modernistische Hydra Gnosis als Krise der Kirche als Krise des Westens als Krise Europas als Krise Deutschlands. Der Westen wird erst dann wieder gesunden, sobald Kephas Hydra besiegt. In seinem auf seinem Blog veröffentlichten Artikel unter dem Titel "The Gnostic heresy’s political successors" vom 08.01.2021, (https://edwardfeser.blogspot.com/2021/0 ... ssors.html [Abruf: 12. März 2021]) referiert Edward Feser über die Häresie der Gnosis und ihre modernistischen Gurus, die Politik und Kirche unterwandern, und infolgedessen er die de facto Krise der Kirche als de facto Krise des (kollektiven) Westens identifiziert. Seinen Artikel poste ich hier in einer vollständigen deutschen Übersetzung mithilfe von www.deepL.com

+

"Die politische Vereinnahmung der Gnosis

von Edward Feser

Die westliche Welt ist die Schöpfung der Kirche, und die Krise des Westens ist im Grunde immer die Krise der Kirche,...

dies gilt insbesondere dort, wo die Kirche in den Hintergrund des westlichen Denkens getreten ist - dort, wo die Pläne der Menschen im Namen des Fortschritts, der Wissenschaft, der sozialen Gerechtigkeit, der Gleichheit oder eines anderen angeblich säkularen Wertes ausgeheckt werden und wenig oder gar keinen Bezug zur Religion haben, denn Liberalismus, Sozialismus, Kommunismus, Szientismus, Progressivismus, Identitätspolitik, Globalismus und all die anderen - diese Hydra der modernistischen Projekte, wie säkular sie auch immer erscheinen mögen, sind durch zwei Merkmale vereint, die unabdingbar theologisch sind:

Erstens
sind sie alle im Wesentlichen abtrünnige Projekte, Unternehmungen, die inmitten der christlichen Zivilisation entstanden sind, mit dem Ziel, alles Christliche zu verdrängen - und sie konnten nur im christlichen Kontext entstehen.

Zweitens
sind alle diese Projekte häretisch im weitesten Sinne des Wortes, d.h. sie basieren alle auf Ideen, die vom Christentum übernommen wurden, z.B. die Würde des Individuums, die Gleichheit der Menschen, ein gesetzmäßiges Universum, eine endgültige Vollendung usw., die aber alle aus dem theologischen Rahmen, der ihr ursprünglich Bedeutung verlieh, herausgelöst und im Verlaufe dieses Herauslösungsprozesses radikal entstellt wurden.

Als ein im Wesentlichen abtrünniges und häretisches Phänomen ist die Moderne auch ein ödipales Phänomen!

Ihre Reihe von großartigen, verrückten Plänen läuft darauf hinaus, dass der Westen - mal so, mal so - versucht, sich endlich von der Autorität seines himmlischen Vaters zu befreien und die Lehre seiner kirchlichen Mutter zu verunreinigen. 

Dabei machen sich die Möchtegern-Parrizier stets selbst zur Parodie - sie formen die Welt nach ihrem Bilde, unterdrücken abweichende Meinungen und verhalten sich auch sonst genau wie jener als unterdrückerische gewähnte Gott und dessen Kirche, die in ihren Vorstellungen herumspuken.

Eric Voegelin (1901-1985) gehörte zu den wichtigsten Denkern, die die Moderne unter der Kategorie der Häresie analysierten, und die spezifische Häresie, die er als Schlüssel zu dieser Analyse betrachtete, war der

Gnostizismus. 

Die gnostische Häresie ist in der langen Geschichte der Kirche immer wieder aufgetaucht, und zwar unter verschiedenen Vorzeichen: Marcionismus, Manichäismus, Paulizismus, Albigensertum, Katharertum usw.. Wie Hilaire Belloc betrachtete Voegelin den Puritanismus als eine neuere Ausprägung desselben Grundgedankens, und er argumentierte, dass moderne Ideologien wie der Kommunismus, der Nationalsozialismus, der Progressivismus und der Szientismus im Wesentlichen säkularisierte Versionen des Gnostizismus sind.  Voegelins bekannteste Aussage zu dieser These findet sich in The New Science of Politics, obwohl er sie in späteren Werken wieder aufgriff und erweiterte. 

Was Voegelin in diesen Ideologien sah, ist in der Kritischen Rassentheorie und dem übrigen woken ("wachen") Wahnsinn, der sich jetzt wie ein Krebsgeschwür in der Politik ausbreitet, offenkundig vorhanden.  Aber es ist auch in bestimmten Tendenzen zu finden, die aus der entgegengesetzten politischen Richtung kommen, wie die verrückte QAnon-Theorie. 

Voegelins Analyse ist daher für das Verständnis des gegenwärtigen Augenblicks ebenso relevant wie für das Verständnis der Totalitarismen in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, die ihn ursprünglich inspiriert haben. Seine Analyse offenbart uns die wahre Natur der Revolution, die daran arbeitet, die Linke zu usurpieren, und sie wird erfolgreich sein, wenn nüchterne Liberale nicht entschlossen handeln, um ihren Einfluss einzudämmen. Seine Analyse dient aber auch als ernste Warnung an die Rechte, der Versuchung zu widerstehen, auf den linken Gnostizismus mit einem rechten Gegengnostizismus zu antworten.

Anmerkungen zur gnostischen Mentalität

Die gnostische Mentalität - auf einer hohen Abstraktionsebene betrachtet, die die vielen Unterschiede zwischen den verschiedenen spezifischen gnostisierenden Bewegungen, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, außer Acht lässt - lässt sich anhand von Tendenzen wie den folgenden charakterisieren:

- Erstens -

Die gnostische Mentalität sieht das Böse als allgegenwärtig und nahezu allmächtig an, d.h. es durchdringt die bestehende Ordnung der Dinge absolut. 
Sie fragen sich vielleicht, wie sich dies von der christlichen Lehre von der Erbsünde unterscheidet. 
Es ist ein radikaler Unterschied. 

Das Christentum lehrt die grundlegende Güte der geschaffenen Ordnung. Es lehrt, dass der Mensch von Natur aus die Fähigkeit hat, das Gute zu erkennen und zu praktizieren - die Idee des Naturrechts. Es lehrt, dass grundlegende soziale Institutionen wie die Familie und der Staat auf dem Naturrecht beruhen und daher gut sind. Allerdings lehrt sie auch, dass die Erbsünde unsere moralischen Fähigkeiten und unser soziales Leben massiv beschädigt hat. Aber sie hat das Gute, das in ihnen steckt, nicht ausgelöscht, und der Schaden wurde durch eine besondere göttliche Offenbarung seit dem Beginn des Menschengeschlechts gemildert, wie in der Heiligen Schrift festgehalten. 

Die gnostische Denkweise hat eine viel düsterere Sichtweise. 
Die ursprünglichen gnostischen Bewegungen betrachteten die materielle Welt als wesentlich böse. 
Sie betrachteten Ehe und Familie als böse. 
Sie betrachteten den Gott des Alten Testaments als den bösartigen Schöpfer und Herrscher über die gegenwärtige finstere Ordnung der Dinge. 
Die gnostische Mentalität ist also von einer radikalen Entfremdung von der geschaffenen Ordnung geprägt. Sie sieht diese Ordnung als etwas an, das zerstört oder vor dem man fliehen muss, anstatt es zu erlösen.

- Zweitens -

Die gnostische Mentalität geht davon aus, dass nur Auserwählte, die eine besondere Gnosis oder "Erkenntnis" von einem gnostischen Weisen erhalten haben, durch die illusorischen Erscheinungen der Dinge hindurch die Realität des unverbesserlichen Bösen dieser Welt sehen können. 
Sie fragen sich vielleicht, wie sich dies von der christlichen Berufung auf eine besondere göttliche Offenbarung unterscheidet. 
Auch hier ist der Unterschied radikal. 
Die christliche Lehre ist im Wesentlichen exoterisch. 

Das Christentum geht erstens davon aus, dass zumindest die grundlegenden Wahrheiten des Naturrechts und der natürlichen Theologie prinzipiell für jeden und zu jeder Zeit verfügbar sind, indem man einfach seine natürlichen Vernunftkräfte einsetzt, und zweitens vertritt es die Ansicht, dass sogar spezielle göttliche Offenbarungen für alle öffentlich zugänglich sind und durch Beweise gestützt werden, die jeder überprüfen kann, nämlich durch den Nachweis, dass ein Prophet, der sich auf eine Offenbarung beruft, echte Wunder vollbracht hat. 

Die gnostische Lehre hingegen ist esoterisch. 

Sie geht davon aus, dass die Wahrheit nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild der Dinge oder aus offiziellen Quellen zu erkennen ist, sondern "unter dem Radar" weitergegeben wurde und nur Eingeweihten zugänglich ist. Die gnostische Erkenntnistheorie ist das, was man heute eine "Hermeneutik des Verdachts" nennen würde.

- Drittens -

Die gnostische Denkweise definiert die Realität in stark manichäischen Begriffen, als einen düsteren Kampf zwischen den finsteren Mächten, die diese böse Welt beherrschen, und denjenigen, die von ihnen "gereinigt" und mit der Gnosis bewaffnet wurden. 
Auch hier könnte man meinen, dass sich dies kaum von der christlichen Lehre unterscheidet, aber auch hier liegt man falsch. 

Die christliche Lehre geht davon aus, dass die natürliche Vernunft und das Naturrecht eine gemeinsame Grundlage bieten, auf der Christen und Ungläubige ihre Differenzen diskutieren und bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele zusammenarbeiten können.  Und sie geht davon aus, dass die Gerechten und die Bösen - der Weizen und das Unkraut - in jedem Fall in diesem Leben miteinander vermischt sein werden und erst beim Jüngsten Gericht getrennt werden.  Die gnostische Denkweise ist nicht an solchen Gemeinsamkeiten interessiert oder tolerant gegenüber solchen Unterschieden.

Viertens

Der Gnostiker lebt in einer "Traumwelt", wie Voegelin sie nennt.  Dies ist unvermeidlich, wenn man den Subjektivismus und die Irrationalität bedenkt, die die Esoterik des Gnostikers mit sich bringt, und die Paranoia, die sein Manichäismus mit sich bringt. 
Der Gnostiker sieht überall die Manifestation böser Kräfte. Er stellt den gesunden Menschenverstand und die alltägliche Moral auf den Kopf, da er sie als Spiegelbild der bösen Ordnung der Dinge und der dahinter stehenden finsteren Kräfte betrachtet. 

Nichts, was geschieht, widerlegt seine Überzeugungen, denn alle schlechten Auswirkungen werden lediglich als weitere Manifestationen der bösen Mächte interpretiert, anstatt einen Fehler im Glaubenssystem des Gnostikers zu reflektieren.

Voegelin schreibt:
"Die Diskrepanz zwischen beabsichtigter und tatsächlicher Wirkung wird nicht der gnostischen Unmoral zugeschrieben, die Struktur der Realität zu ignorieren, sondern der Unmoral einer anderen Person oder Gesellschaft, die sich nicht so verhält, wie sie sich nach der Traumvorstellung von Ursache und Wirkung verhalten sollte." (Die neue Wissenschaft der Politik, S. 169-70)

- Fünftens -

Die moralische Praxis des Gnostikers schwankt zwischen den Extremen des Puritanismus und des Libertinismus. 
Auf den ersten Blick mag dies rätselhaft erscheinen, aber angesichts der anderen Verpflichtungen der Gnostiker macht es durchaus Sinn. Einerseits wird angesichts des gnostischen Hasses auf die geschaffene Ordnung und das konventionelle moralische und soziale Leben alles, was der normale Mensch als zulässig oder sogar notwendig für das gewöhnliche Leben ansieht, auf das Schärfste verurteilt - daher betonten gnostische häretische Bewegungen im Laufe der Jahrhunderte den Vegetarismus, den Pazifismus, das angebliche Übel der Todesstrafe und ähnlich utopische Haltungen, indem sie die "Barmherzigkeit" einer gnostischen Interpretation von Jesus gegen das ausspielten, was sie als den finsteren alttestamentarischen Gott der Gerechtigkeit betrachteten. 

Da die materielle Welt nach gnostischer Auffassung keinen Wert hat, ist nichts, was in ihr geschieht, letztlich von Bedeutung, und das ausschweifendste Verhalten kann entschuldigt werden, weshalb sexuelle Unmoral in der Praxis oft toleriert wird - solange sie nicht mit Ehe und Fortpflanzung verbunden war, was ihn ja an die gewöhnliche materielle und soziale Ordnung binden würde.

- Sechstens -

Die Gnosis geht von einem endgültigen Sieg des "Reinen" über die bösen Kräfte aus, die die alltägliche Wirklichkeit beherrschen.

Für die gnostischen häretischen Bewegungen der Vergangenheit bedeutete dies eine endgültige Befreiung von der materiellen Welt. 

Die modernen politischen Nachfolger des Gnostizismus neigen jedoch dazu, materialistisch zu sein und sehen keine Hoffnung auf ein Leben jenseits dieses Lebens.  Hier sieht Voegelin den größten Unterschied zwischen antiken und modernen Formen des Gnostizismus. 

Wie Voegelin es berühmt formulierte, "immanentisieren moderne Formen des Gnostizismus das Eschaton" - das heißt, sie verlegen den endgültigen Sieg der Gerechten in diese Welt und nicht in die nächste, und freuen sich auf einen Himmel auf Erden.

Moderne Gnostizismen

Die vielen Variationen der gnostischen Häresie, die in der Antike und im Mittelalter aufkamen, entstanden in einem Kontext, in dem die Realität des Übernatürlichen als selbstverständlich angesehen wurde.  Der Einfluss klassischer philosophischer Traditionen wie des Neuplatonismus und die Vorherrschaft der Kirche machten diesen reflexiven Supernaturalismus möglich.  Doch die Aufklärung veränderte die kulturelle Grundsituation radikal, brach die Macht der Kirche über die westliche Zivilisation und brachte die westliche Philosophie und das intellektuelle Leben im Allgemeinen auf einen Kurs in Richtung Naturalismus. 

Voegelins tiefe Einsicht ist, dass dies die gnostische Denkweise keineswegs zerstörte, sondern lediglich transformierte. Der Gnostizismus verschwand nicht mit dem Niedergang des Übernatürlichen, sondern er passte sich der neuen kulturellen Situation an, indem er sich naturalisierte. Die "Immanentisierung des Eschaton" ist die offensichtlichste Anpassung, aber auch alle anderen Elemente der gnostischen Denkweise wurden in den verschiedenen modernen Formen des Gnostizismus auf unterschiedliche Weise transformiert.

Betrachten wir also den Marxismus aus der Sicht von Voegelins Analyse. 

Hier wird das allgegenwärtige und nahezu allmächtige Böse, das der Gnostiker in der Welt sieht, zum Kapitalismus und der bürgerlichen Macht, die er aufrechterhält.  In der marxistischen Analyse wird davon ausgegangen, dass diese Macht jeden Aspekt des Lebens durchdringt, da der rechtliche, moralische, religiöse und allgemein kulturelle "Überbau" der Gesellschaft die kapitalistische wirtschaftliche "Basis" widerspiegelt.  Alltägliche Moralvorstellungen sind bloße Ideologien, die die Interessen der bürgerlichen Macht verschleiern, Religion ist ein bloßes Opiat, um die Unterdrückten mit dieser Macht zu versöhnen, und so weiter.  Die marxistische Theorie ist die Gnosis, die diese dunkle und verborgene Wahrheit über die Welt enthüllt, und Marx, Engels, Lenin und Co. spielen die Rolle, die gnostische Weisen wie Valentinus, Marcion und Mani in den Gnostizismen der Vergangenheit spielten. Die manichäischen Rollen der Mächte der Finsternis und des Lichts werden vom bürgerlichen Unterdrücker auf der einen Seite und dem Proletariat und seiner intellektuellen Avantgarde auf der anderen Seite gespielt. 

Die marxistische Position

Die marxistische Position wird als ebenso subjektivistisch und unbeweisbar dargestellt wie die der früheren Gnostiker, und zwar in dem Maße, in dem die Kritik an der marxistischen Analyse als ideologische Maske der bürgerlichen Macht abgetan wird und die Kritiker als "objektive Verbündete" dieser Macht geteert werden (selbst wenn sie zufällig selbst links sind).  Die paradoxe puritanisch/libertäre Dynamik zeigt sich in der moralistischen Ablehnung bürgerlicher Moralnormen.  Der endgültige Sieg über das Böse - das "immanente Eschaton" - ist die Verwirklichung des Kommunismus, in dem die Ausbeutung verschwindet, die Entfremdung überwunden wird, der Staat verkümmert und der befreite Mensch (wie Marx es berühmt formulierte) "morgens jagen, nachmittags fischen, abends Vieh züchten und nach dem Essen kritisieren" wird.

Nationalsozialismus

analysiert als eine Art Gnostizismus. 

Hier sind es die Juden, die die Rolle des allmächtigen Bösewichts spielen, die in der Nazi-Propaganda als Marionettenspieler hinter der kapitalistischen Ausbeutung und der kommunistischen Unterdrückung dargestellt werden, und als fremde und untermenschliche Parasiten, die die Gesundheit und die moralische Ordnung der deutschen Nation untergraben. 

Die Gnosis, die dies zu enthüllen vorgibt, ist die Lehre des Führers. 

Der Führer und das von ihm geführte arische Volk auf der einen Seite und die Juden und ihre Verbündeten auf der anderen Seite spielen die bekannten manichäischen Rollen. Der Kulturrelativismus der NS-Ideologie verleiht ihr einen im Wesentlichen subjektivistischen und irrationalistischen Charakter. Die libertinisch-puritanische Dynamik findet ihren Ausdruck in der Verachtung der Nazis für gewöhnliche Vorstellungen von Gerechtigkeit und Rechten auf der einen Seite und einem strengen Ethos der Selbstaufopferung für das deutsche Volk auf der anderen Seite. (Siehe Claudia Koonz' Buch "Das Gewissen der Nazis für eine erhellende Darstellung des Pseudomoralismus der Nazis"). 

Das eigene verkommene "immanente Eschaton" der Nazis beinhaltete die "Endlösung" und das "Tausendjährige Reich".

Aufgeweckter Gnostizismus - ein Vorgeschmack auf die Dinge, die kommen werden

Die Kritische Rassentheorie (Critical Race Theory, CRT) hat genau die gleiche Form. Der Unterschied besteht darin, dass sie im Gegensatz zum Marxismus und zum Nationalsozialismus (noch?) nicht als politisches Programm umgesetzt worden ist.  Aber das Geschwafel eines Ibram Kendi oder Robin DiAngelo offenbart dieselbe Paranoia, denselben Irrationalismus und manichäischen Fanatismus wie jede andere Form des Gnostizismus. Und die gewalttätigen Implikationen der Kritische Rassentheorie wurden bereits auf den Straßen von Washington, Portland, Seattle, Minneapolis, New York, Kenosha und anderen amerikanischen Städten während des Sommers 2020 gesehen - ein Echo der gnostischen Mobs der Vergangenheit (SA Brownshirts, junge Maoisten und dergleichen) und ein Vorgeschmack auf die Dinge, die kommen werden.

Für die Anhänger der Kritischen Rassentheorie ist die allgegenwärtige und nahezu allmächtige Quelle des Bösen in der Welt die "rassistische Macht" der "weißen Vorherrschaft", des "weißen Privilegs" und in der Tat des "Weißseins" selbst. 

Dieser Rassismus ist im Foucaultschen Sinne "systemisch" - er sickert wie eine Kapillare in jeden Winkel der Gesellschaft und in die unbewussten Annahmen eines jeden Bürgers. Besonders deutlich wird er in allen "Ungleichheiten", die aus den "impliziten Vorurteilen" resultieren, die selbst bei Menschen lauern, die sich für rassismusfrei halten, und sie findet sich selbst in den scheinbar harmlosesten Vergehen, die in Wirklichkeit "Mikro-Aggressionen" sind: selbst selbstbewusst "antirassistische" Adepten der Kritischen Rassentheorie sind nicht frei von Rassismus, sondern müssen sich ständig in einem selbstkritischen Kampf im maoistischen Stil engagieren, um immer tiefere und ungeprüfte rassistische Annahmen aufzuspüren und zu bekennen.

In der Kritischen Rassentheorie spielt diese imaginierte totalitäre "weiße Vorherrschaft" die Rolle, die der Gott des Alten Testaments in den ursprünglichen Formen des Gnostizismus spielt, die der Bourgeois in der marxistischen Theorie spielt und die die Juden in der Nazi-Mythologie spielen. Er ist die Teufelsfigur, der man jedes Unglück anlasten kann und gegen die man jeden Hass und jedes Ressentiment richten kann, der Buhmann, der unter jedem Bett und in jeder dunklen Ecke lauert und darauf wartet, zu terrorisieren. Kritiker der Kritischen Rassentheorie weisen darauf hin, dass, wenn man ein Werk der Kritischen Rassentheorie nimmt und Begriffe wie "Weißsein" und "weiße Vorherrschaft" durch "Jüdischsein" und "Judentum" ersetzt, sich das Ergebnis erschreckend wie ein Werk der Nazi-Propaganda liest.

Andere Formen des wachen Gnostizismus haben ihre eigenen Schreckgespenster - "Patriarchat", "Heteronormativität", usw. - die, wie das "Weißsein", Abstraktionen sind, von denen gesprochen wird, als seien sie konkrete dämonische Mächte.  Und gerade als man dachte, man hätte schon von jeder erdenklichen Art von "Unterdrückung" gehört, kommen die Kritischen Theoretiker mit dem Begriff der "Intersektionalität" daher, mit dem immer exotischere Formen ins Leben fantasiert werden können. Wenn man zum Beispiel eine farbige lesbische Transgender-Frau ist, leidet man unter einer besonderen Art von Unterdrückung - einer Unterdrückung, die durch die "Überschneidung" der Unterdrückungen aller Gruppen, denen man angehört, definiert wird -, die sich von der Unterdrückung unterscheidet, die z.B. ein schwuler Einwanderer mit Behinderung erleidet, d.h. wer "Woke " ist, spielt nicht die Opferkarte, sondern er spielt ein ganzes Kartenspiel mit 52 Karten.

Die Gnosis, die angeblich all diese erstickende Unterdrückung aufdeckt, findet sich in den Schriften von "Gurus" wie Kendi und DiAngelo, deren Hauptunterschied zu den Büchern Marcion und Manis in der Höhe der Tantiemen-Schecks besteht. Ihre Bücher sind fast gänzlich frei von jeder echten Argumentation. Stattdessen gibt es Seite für Seite ermüdende, tendenziöse und fragwürdige Behauptungen, wobei jede Meinungsverschiedenheit von vornherein als "rassistisch", als Ausdruck "weißer Schwäche" usw. abgetan wird. CRT-Behauptungen also Behauptungen der Kritischen Rassentheorie sind Lehrbuchbeispiele für Poppersche Unfalsifizierbarkeit: ALLES wird als Beweis DAFÜR interpretiert, und NICHTS darf als Beweis DAGEGEN gelten. 

Natürlich gibt es wirklich Rassismus in der Welt, genauso wie Kapitalisten manchmal wirklich ihre Arbeiter ausbeuten. Und ein solcher Rassismus sollte in der Tat verurteilt werden, und natürlich führen die CRT-Autoren einige konkrete Beispiele für Rassismus an, aber die Tatsache, dass es Rassisten gibt, reicht nicht annähernd aus, um die gesamte paranoide CRT-Weltanschauung zu begründen, genauso wenig wie die Existenz von ausbeuterischen Kapitalisten ausreicht, um die Wahrheit des Marxismus zu begründen.

Es ist kein Zufall, dass CRT-Adepten sich selbst als "wach" bezeichnen, denn es ist nicht die rationale Argumentation, die sie antreibt, sondern eine Art Bekehrungserlebnis, und Kendi, DiAngelo und Co. sind im Wesentlichen gnostische Prediger und keine Philosophen oder Sozialwissenschaftler. Ihr gnostischer Rückgriff auf Revoluzzer-Rhetorik, ihre präventive Abkanzelung jeglicher Kritik als rassistisch und ihr Beharren darauf, jedem Aspekt des gesellschaftlichen Lebens die unheilvollst vorstellbare Interpretation zu geben, verschaffen ihnen jene Traumwelt genau von der Art, die Voegelin beschreibt. Wie Greg Lukianoff feststellte, führt "Wokeness" zu verzerrenden und paranoiden Denkgewohnheiten von genau der Art, vor der kognitive Verhaltenstherapeuten ihre Patienten warnen.

Die gnostisch libertinistisch-puritanische Dynamik äußert sich in der schrillen Verurteilung traditioneller Institutionen und Moralvorstellungen als unterdrückerisch, als "rassistisch", "sexistisch", "homophob" usw. - hierdurch konstruieren sie sich die Erlaubnis, bestehende Normen im Namen der "sozialen Gerechtigkeit" zu verletzen und jeden, der sich dagegen wehrt, selbstgerecht zu verurteilen und "abzuschaffen". 

Das manichäische Element zeigt sich in Kendis berüchtigtem Beharren darauf, dass es keinen "nicht-rassistischen" neutralen Mittelweg gibt, denn entweder man ist "antirassistisch" in Kendis Verständnis dieses Begriffs, oder man ist eben "Rassist". 

Im Allgemeinen ist die "Woke"- oder "Social Justice Warrior"-Mentalität absolut intolerant gegenüber Nuancen oder abweichenden Meinungen. 

Entweder ist man auf ihrem Zug, oder man gehört zu den "rassistischen", "sexistischen", "homophoben" usw. Feinden. 

Das woke Eschaton

Das immanente Eschaton des Wokesters ist eine radikal egalitäre Welt, die von jeder letzten Spur von "Ungerechtigkeit", "Rassismus", "Sexismus", "Homophobie" usw. gereinigt wurde, sei es in der Tat oder in Gedanken.  Da es jedoch immer neue und immer exotischere Schichten der "Unterdrückung" gibt, die es zu identifizieren und zu bekennen gilt, ist dieses Endzeitalter noch sehr weit entfernt.

Krieg der Gnostizismen

Mit der plötzlichen Überschwemmung von Universitäten, Gymnasien, der Ärzteschaft, des Militärs, der Wirtschaft und scheinbar überall sonst, erleben wir etwas, das mit der arianischen Krise des 4. Jahrhunderts oder der albigensischen Krise des 13.  Wie bei diesen früheren Krisen gibt es viele Christen, die ohnehin schon heterodox sind und sich dem Wahnsinn gerne hingeben.  Und es gibt auch einige ansonsten orthodoxe Christen, die aus Feigheit und/oder Schlamperei versuchen, sich dem Wahnsinn anzupassen.  Im säkularen Kontext beobachten wir eine ähnliche Dynamik unter den Konservativen.

Aber die große Mehrheit der orthodoxen Christen und der Konservativen sieht den Wahnsinn als das, was er ist, und ist darüber beunruhigt. 

Die Anwendung von Voegelins Analyse, die meiner Meinung nach die wahre Natur des Phänomens offenbart, zeigt, dass sie darüber sehr beunruhigt sein sollten. Aber Voegelins Analyse zeigt auch, wie man nicht auf die Krise reagieren sollte - nämlich mit irgendeiner Art von Gegengnostizismus. Doch das bizarre QAnon-Phänomen auf der Rechten scheint genau das zu sein. Es weist alle wesentlichen Merkmale der gnostischen Denkweise auf - die Annahme unsichtbarer bösartiger Mächte, die Hermeneutik des Verdachts und das Theoretisieren einer "Traumwelt", Manichäismus und schrille Intoleranz gegenüber allen Andersdenkenden, sogar so etwas wie ein immanentes Eschaton ("Der Sturm"). 

Auf lange Sicht sind die Kritische Rassentheorie und andere Formen der "Wokeness", auch wenn sie intellektuell nicht viel substanzieller sind als der QAnon-Wahnsinn, angesichts ihres pseudoakademischen Charakters und ihres Appells an das Temperament der Mainstream-Meinung offenkundig viel gefährlicher. 

Auch hier gilt: "Woke"-Ideen durchdringen inzwischen Medien, Universitäten, Gymnasien, Kirchen, Vorstandsetagen und Personalabteilungen von Unternehmen und so weiter - die beherrschenden Höhen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mainstream-Ordnung.  QAnon hingegen hat zwar eine gewisse Massenattraktivität, ist aber unter den Menschen mit Macht und Einfluss nicht weiter oben angesiedelt als eine Handvoll verschrobener Anwälte und Kongressabgeordneter, und im Gegensatz zu CRT und den anderen Elementen der Wokeness hat es keine intellektuelle Abstammung oder einen kulturellen Rahmen, der ihm das Gewicht geben könnte, um viel weiter zu reichen als das. 

Hier ist der Härtetest: 

nur wenige republikanische Politiker wollen sich mit QAnon in Verbindung bringen. Aber nur wenige demokratische Politiker wagen es, sich von CRT und anderen Formen von Wokeness zu distanzieren. Das zeigt Ihnen, welcher dieser sich bekriegenden Gnostizismen die Oberhand hat.

Nichtsdestotrotz hat der QAnon-Wahnsinn in seinem kurzen Leben bereits enormen Schaden angerichtet, sowohl durch die Verrottung von Köpfen als auch durch die Rolle, die er bei der Niederlage der Republikaner bei den Senatswahlen in Georgia und beim Einbruch in das US-Kapitol spielte.  Und wie uns die Geschichte der Weimarer Republik lehrt, geht ein Krieg der Gnostizismen nicht gut aus.

Der gnostische Wahn wird nicht dadurch geheilt, dass man ihn nachahmt - im Gegenteil, mehr denn je ist in diesen Zeiten konservative Nüchternheit angesagt... UND Orthodoxie!

Häresien zielen nicht nur darauf ab, die Kirche zu unterwandern, sondern sie füllen das Vakuum, das entsteht, wenn die Kirche ihr Selbstbewusstsein, ihre Treue zu ihrer traditionellen Lehre und ihr Sendungsbewusstsein verliert - und damit auch ihre Attraktivität. 

Die Krise des Westens ist die Krise der Kirche. Der Westen wird erst dann wieder gesund werden, wenn die Kirche wieder gesund ist. Und das ist ein Projekt, das von uns verlangt, dass wir über Wahlzyklen und in der Tat über die Politik hinaus sehen.

Edward Feser"
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Jakobgutbewohner
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Jakobgutbewohner »

kukHofnarr hat geschrieben:
Freitag 26. August 2022, 12:25
Die ursprünglichen gnostischen Bewegungen betrachteten die materielle Welt als wesentlich böse.
Wobei viele heutige auch politische Ideologien ja öfters von soetwas wie der Maslowschen Bedürfnishierarchie ausgehen und davon ausgehend ihren weltgeistig-materiellen Sozialismus konstruieren?
Und sie geht davon aus, dass die Gerechten und die Bösen - der Weizen und das Unkraut - in jedem Fall in diesem Leben miteinander vermischt sein werden und erst beim Jüngsten Gericht getrennt werden.  Die gnostische Denkweise ist nicht an solchen Gemeinsamkeiten interessiert oder tolerant gegenüber solchen Unterschieden.
Dieser Kritikpunkt würde irgendwie auch viele "christliche" Gruppen treffen?
Der Gnostiker sieht überall die Manifestation böser Kräfte. Er stellt den gesunden Menschenverstand und die alltägliche Moral auf den Kopf, da er sie als Spiegelbild der bösen Ordnung der Dinge und der dahinter stehenden finsteren Kräfte betrachtet.
 
Hm.
"Selig sind ... die durch die Tore eingehen in die Stadt. Draußen aber sind die Hunde und die "Pharmazeuten" und die Buhler und die Mörder und die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut." Off 22,14+15

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Peduli »

kukHofnarr hat geschrieben:
Freitag 26. August 2022, 12:25

"Die politische Vereinnahmung der Gnosis

von Edward Feser
Brillante Einordnung! :klatsch:
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Peduli »

Die Schweden haben offenbar hinzugelernt: :unbeteiligttu:
https://www.handelsblatt.com/politik/in ... 81676.html
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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TeDeum
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von TeDeum »

Wie gut sie "das mediale Schmuddelkind" Åkesson integrieren können? Oder dieser sich durchsetzen wird bei Themen wie z.B. Bandenkriminalität?

Für viele Beobachter überraschend war der Erfolg der Nyans. In vielen Vororten größerer Städte erreichten sie 10%. Das ist eine muslimische Partei von Einwanderern mit dem Endziel der Scharia-Einführung. Mit großen Zuwächsen bei diesen Wahlen.

Die Zahl dürfte noch weiter steigen angesichts von Demographie und Wirtschaftskrise. Auch Schweden besitzt das Nord-Süd Energieproblem analog Deutschland: Viel energieintensive Wirtschaft (z.B. Papierfabriken) in der Mitte und im Süden, aber Energie kommt weitgehend aus dem menschenleeren Norrland, Norrbotten etc.

Auch in Schweden wurden Atomkraftwerke stillgelegt und nun wird aufgeregt diskutiert, sie wieder ans Netz zu bringen. Auch hier schlägt Realität die Ideologie.

Durch den NATO-Beitritt haben sie sich auch ihren Platz auf der WW3 Nuke Map gesichert. Ich erwarte nicht, dass die neue Regierung daran etwas ändern wird. Von daher sitzen da nominell nun andere Leute, aber weitgehend die alte Elite.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Peduli hat geschrieben:
Donnerstag 15. September 2022, 06:16
Die Schweden haben offenbar hinzugelernt: :unbeteiligttu:
https://www.handelsblatt.com/politik/in ... 81676.html
Nächsten Sonntag wird es spannend - dann wählt Italien und die Umfragen sehen Meloni & Co vorne.
Die Römerin hält nicht viel von der EU, schimpft regelmäßig gegen die „Bürokraten aus Brüssel” und orientiert sich in ihren Vorstellungen an Ländern wie Ungarn und dem mit ihr befreundeten Ministerpräsidenten Viktor Orban.
(...)
Mit ihr an der Spitze werde Italien wieder zuerst die eigenen Interessen verfolgen und dann erst europäisch denken.
Verwunderlich war die Ansage nicht. Meloni will Italien „risollevare”, also wieder aufrichten, wie auf den Wahlplakaten von Fratelli d'Italia steht. Erinnerungen an Donald Trumps Slogan „Make America Great Again” werden wach. Im ersten Satz des gemeinsamen Wahlprogramms kündigt Mitte-Rechts eine Außenpolitik an, „in deren Mittelpunkt das nationale Interesse steht und die Verteidigung der Heimat”. Meloni will, dass EU-Recht wieder unter nationale Gesetze rückt. Sie wünscht sich starke Nationalstaaten statt einer Union.
(...)
Meloni will die „atlantische” Verbindung zu den USA stärken - Europa ist für sie nachrangig. „Ja zur Souveränität der Völker! Nein zu den Bürokraten in Brüssel!”, rief sie im Juni bei einer Veranstaltung der rechtsextremen spanischen Partei Vox ins Mikrofon.
Wie gefährlich sind Meloni und Co. für Europa?

Im nächsten Herbst (2023) wird auch in Spanien gewählt. Dort liegt im Augenblick die europafreundliche Partido Popular (PP) in Führung. Sie wird jedoch auf die Unterstützung von VOX angewiesen sein. Diese Partei gilt als "rechtspopulistisch" und europakritisch.
Bemerkenswert ist mE vor allem, welchen Erfolg diese Parteien inzwischen in vielen Ländern der EU erzielen. Der Traum der EU, bei allen Entscheidungen, die bisher noch einstimmig getroffen werden müssen, zum Mehrheitsprinzip zu wechseln, wird daher wohl ein Traum bleiben. Selbst wenn eine Regierung von der Richtigkeit und Notwendigkeit überzeugt wäre, wird sie sich - angesichts der wachsenden Stimmen für "rechte" Parteien - zweimal überlegen, hier die eigenen Souveränitätsrechte auf Brüssel zu übertragen.

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Zeitenwende - Deutschland gibt starre Haltung gegen gemeinsame EU-Schulden auf
Scholz signalisierte am Rande des informellen EU-Gipfels in Prag letzte Woche Offenheit für eine gemeinsame Kreditaufnahme, heisst es von Personen, die mit der Haltung des Kanzlers vertraut sind. Der Sinneswandel folgt auf die Kritik anderer Staats- und Regierungschefs an dem Hilfsplan der Ampelkoalition in Höhe von 200 Milliarden Euro. Dieser könne zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der EU führen, so die Sorge einiger Partnerländer.
(...)
Die Ausgabe gemeinschaftlicher Schuldtitel wäre eine dramatische Kehrtwende für die Bundesregierung, die sich bisher zusammen mit anderen Ländern, darunter die Niederlande, gegen solche Massnahmen gewehrt hat.
Interessant sind die Gründe:
1. Man will das BVerfG nicht verägern, denn ob eine Schuldenaufnahme durch die EU mit dem GG vereinbar wäre, ist zweifelhaft.
2. Scholz will die Entwicklung bei der Regierungsbildung in Italien abwarten.

Man darf wohl getrost die Vorhersage wagen, daß wir bald ein weiteres Programm zur Schuldenaufnahme der EU haben - obwohl dies in den Verträgen nicht vorgesehen ist. Aber was interessieren Regierung und BVerfG Verträge, GG und Gesetze.... :traurigtaps:

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Edi
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
Montag 10. Oktober 2022, 21:54
Man darf wohl getrost die Vorhersage wagen, daß wir bald ein weiteres Programm zur Schuldenaufnahme der EU haben - obwohl dies in den Verträgen nicht vorgesehen ist. Aber was interessieren Regierung und BVerfG Verträge, GG und Gesetze.... :traurigtaps:
Das Ganze nennt sich dann Rechtsstaat. Den gibt es aber immer dann nicht, wenn die Herrschenden ihre Ansichten durchsetzen wollen, Recht hin der her. Vom Bürger verlangt man aber, daß der sich genau an das geltende Recht hält.
Je älter ich werde, desto weniger sehe ich das ein, besonders dann, wenn das gesetzte Recht sinnlos und ein Unfug ist, was wir ja schon oft gesehen haben. Einerseits ist es gut, daß der Staat gar nicht genug Beamte hat, um alles, was er verlangt, kontrollieren zu können. Andererseits sind die Behörden nicht einmal imstande da Recht durchzusetzen, wo der Verbraucher durch Firmen geschädigt wird, indem die in ihre Produktpackungen absichtlich zu wenig abfüllen. Ich kenne da einen Fall aus Baden-Württemberg der den Behörden seit über einem Jahr bekannt ist, wo sich aber grundsätzlich kaum etwas geändert hat.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von kukHofnarr »

Jakobgutbewohner hat geschrieben:
Freitag 26. August 2022, 12:58
kukHofnarr hat geschrieben:
Freitag 26. August 2022, 12:25
(...) Der Gnostiker sieht überall die Manifestation böser Kräfte. Er stellt den gesunden Menschenverstand und die alltägliche Moral auf den Kopf, da er sie als Spiegelbild der bösen Ordnung der Dinge und der dahinter stehenden finsteren Kräfte betrachtet.
 
Hm.
...hm. Danke. Ich sollte wohl den Terminus "alltägliche Moral" etwas zurechtgerücken...
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kukHofnarr
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von kukHofnarr »

Der Begriff Moralismus zitiert aus dem k.u.k. Eulenspiegelglossar:

+

Moralismus = [Soziologischer Begriff, Ideologie] Liberal-bürgerliche Trotzhaltung als Ausdruck der Revolte gegen die natürliche Ordnung im Naturrecht mithin gegen die Dogmen der katholischen Kirche und ihrer sakramentalen Wirklichkeit in der Überzeugung, dass ein »anständiger« und »ordentlicher« Mensch, der »seine Pflicht tue«, einzig auf Grund seiner persönlichen sittlichen »Leistung« sowohl »vor den Menschen« als auch »vor dem Gericht Gottes bestehen« könne...

+
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TeDeum
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von TeDeum »

"Während Europa in eine Rezession abgleitet, klettert Russland heraus" - Economist

Englisches Original hier, Zugang nötig: https://www.economist.com/finance-and-e ... climbs-out

Es zeigt das Dilemma dieses ganzen Sanktionswahnsinns der EU auf. Und keiner hat den Mut den Fehler zuzugeben und die Entscheidungen zurück zu nehmen. Abwechselnd sind dann mal Merkel oder Putin (oder beide) an der Misere Schuld. Mit Deutschland als Netto-Zahler aus dem Rennen, wird es in Brüssel bald düster werden. Vorher vermute ich aber noch den Versuch, ein undemokratisches autoritätes EU-Regime zu errichten. Dann wären wir endgültig in sehr düsteren Zeiten angekommen.

Die nächsten Monate werden spannend.

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

TeDeum hat geschrieben:
Freitag 14. Oktober 2022, 10:59
Mit Deutschland als Netto-Zahler aus dem Rennen, wird es in Brüssel bald düster werden. Vorher vermute ich aber noch den Versuch, ein undemokratisches autoritätes EU-Regime zu errichten. Dann wären wir endgültig in sehr düsteren Zeiten angekommen.

Die nächsten Monate werden spannend.
Das Problem ist doch seit einem Jahr gelöst. Nicht mehr Deutschland zahlt, sondern die EU als Institution nimmt Schulden auf. Begonnen hat es mit dem Corona-Fond iHv 700 Milliarden € und - ein wenig verdeckter - mit SURE, der praktisch vergemeinschafteten europäischen Arbeitslosenversicherung iHv 100 Mrden €.
Weil Deutschland ein Konjunkturprogramm von 200 Mrden € auflegt, schreien die anderen Ländern jetzt nach einem Programm der EU, finanziert durch Schulden, die die EU aufnehmen soll. Die Größenordnung dürfte sich in Höhe des Corona-Programms bewegen und eine Ablehnung durch die Bundesregierung ist kaum zu erwarten. Zwar darf die EU keine Schulden aufnehmen - so steht es in den Verträgen. Aber was interessieren Verträge und Abmachungen in diesen Zeiten! Not kennt kein Gebot - und Covid und die Ukraine waren bzw. sind gute Gelegenheit, die eigene Machtfülle auszuweiten.

Die Schuldscheine werden von der EZB aufgekauft. Damit sichert sie den Südländern eine Finanzierung zu günstigen Zinsen und treibt die Inflation und die Steuereinnahmen auf neue Höhen.
Wer immer noch an den Euro oder gar an ein vereintes Europa als Gegengewicht zu den USA träumt, dem ist wirklich nicht zu helfen. Die Geschichte des Euros sollte eigentlich eine ausreichende Lehre sein. Hier kann nichts zusammenwachsen, weil es nicht zusammen gehört. Die wirtschaftlichen Vorstellungen zwischen den Nordländern (ehemaliger DM-Block) und dem Süden sind so groß, daß eine gemeinsame Geld-und Fiskalpolitik für viele, viele Jahre ein Wunschtraum bleiben wird. Wie soll da eine gemeinsame Währung funktionieren?

Die USA müssen sich noch nicht einmal anstrengen, um zu profitieren. Außer dem Schweizer Franken bleibt nur noch der US-Dollar als Fluchtwährung.

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Siard
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Siard »

Caviteño hat geschrieben:
Samstag 15. Oktober 2022, 05:07
Die USA müssen sich noch nicht einmal anstrengen, um zu profitieren. Außer dem Schweizer Franken bleibt nur noch der US-Dollar als Fluchtwährung.
Manche sollen schon zu Renmimbi Yüan oder russischen Rubel fliehen. Der Dollar ist längst nicht mehr sicher.

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von kukHofnarr »

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen "Renminbi" und "Yuan"?
"Wenn die Wolke sich nicht erhob, brachen sie nicht auf bis zum Tage, da sie sich erhob."

Caviteño
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

Siard hat geschrieben:
Samstag 15. Oktober 2022, 13:32
Manche sollen schon zu Renmimbi Yüan oder russischen Rubel fliehen. Der Dollar ist längst nicht mehr sicher.
Weder Rubel noch Yuan sind frei konvertierbar, eignen sich also allenfalls zu Spekulationszwecken. Die internationalen Devisenreserven werden zu fast 60% in US-Dollar gehalten, auf den Euro entfallen 20% - auf den chinesischen Yuan nur 2,6%.

https://de.statista.com/statistik/daten ... aehrungen/

Devisenkurse werden in den meisten Fällen indirekt über den US-Dollar ermittelt. Wer also Baht aus Thailand oder Real aus Brasilien kaufen will, rechnet: Euro - USD - Baht/Real. Der Devisenhandel hatte 2019 einen Umfang von 6,6 Billionen USD - am Tag!

https://de.statista.com/statistik/daten ... isenmarkt/

Siard, ich habe in den letzten 50 Jahren viele Abgesänge auf den US-Dollar gehört und in den Zeiten der DM habe ich es auch geglaubt. Der US-Dollar wertete im Verhältnis zur DM immer weiter ab. In den Zeiten der festen Wechselkurse kostete der US-Dollar 4 DM und dann sank er immer weiter und fiel 1995 unter 1,30 DM, der tiefsten Notierung zu DM-Zeiten.
Damals mußte die deutsche Volkswirtschaft allerdings auch durch Innovationen und guten Produkten ihre Wettbewerbsfähigkeit beweisen. Heute hilft die ständige Abwertung des Euros - wie früher Italien mit der Lira.

Glaubst Du wirklich, daß die chinesische Volkswirtschaft in absehbarer Zeit so dynamisch und innovativ sein kann wie die US-Volkswirtschaft? Von der russischen reden wir besser überhaupt nicht.
Es ist doch merkwürdig: Viele Menschen schimpfen auf die USA, aber wenn es ein Wunschziel bei jungen, gut ausgebildeten und arbeitswilligen Migranten gibt, dann will man dorthin und nicht nach Russland oder China. Das muß doch einen Grund haben... :hmm: :achselzuck:

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Caviteño »

kukHofnarr hat geschrieben:
Samstag 15. Oktober 2022, 14:52
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen "Renminbi" und "Yuan"?
"Renminbi ist der offizielle Name der Währung. Der Begriff Yuan bezeichnet nur eine Einheit der Währung", sagt Jin Depin, Forscher beim Pekinger Numismatik-Museum. Der Begriff Renminbi wird also benutzt, wenn es um die Währung als solche geht, sei es an der Börse oder bei Gesprächen der G 20.

Das Wort Yuan nutzt man dagegen, um eine Summe zu beziffern. Wer in einem Pekinger Restaurant um die Rechnung bittet, wird vom Personal aufgefordert, eine entsprechende Summe Yuan zu bezahlen, nicht Renminbi. Dabei halten die Chinesen wohl an alten Gewohnheiten fest. Denn zwischen 1889 und 1949 hieß die Landeswährung tatsächlich Yuan.
https://www.sueddeutsche.de/geld/chinas ... n-1.964292

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von kukHofnarr »

Wupp :hutab: Vielen Dank!
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TeDeum
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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von TeDeum »

Schulden machen ist ungefähr das Einzige, was die europäische Elite noch drauf hat. Aber das funktioniert halt auch nicht unbegrenzt, wenn du gleichzeitig deine Industrie vernichtest und das BIP in den Gleitflug übergeht.

Die Bürger spüren jetzt schon massiv die Auswirkungen der Verschuldung in Form der Inflation. Das kann man vielleicht einige Jahre durchstehen, aber auch nur wenn du einen guten Teil der Bevölkerung hinter dir hast (a la Erdogans Türkei). Die EU ist doch überall gleichermaßen verhasst.

Ich teile ausdrücklich deine Einschätzung des Zerfalls der EU in der Zukunft. Bis das geschieht, wird es aber sicher noch Versuche geben, die Macht zu zentralisieren. Wir sehen doch jetzt schon, die Devise lautet „Kontrolle behalten um jeden Preis!“. In UK z.B. versucht man derzeit Liz Truss loszuwerden und Keir Starmer zu platzieren. Als Ex-Director of Public Prosecutions weiß der, wie man Kontrolle behält und bewies seine "Härte" schon bei den London riots.
During the 2011 England riots, Starmer prioritised rapid prosecutions of rioters over long sentences, which he later thought had helped to bring "the situation back under control".
Bis Jahresende sitzt der auf Truss Stuhl, wetten?

In Frankreich hat Macron bereits bei Aktionen gegen die Gelbwesten bewiesen, dass er keinerlei Skrupel hat, auf Demonstranten einprügeln zu lassen. Die Videos dazu kann sich jeder selbst auf YouTube ansehen.

@Siard - ich frage mich, was helfen uns Renminbi oder Rubel hierzulande, wenn niemand sie akzeptieren will und jeglicher Handel de-facto eingestellt wird, weil aus dem „feindlichen Lager“?

Ich las jetzt einige Empfehlungen zur norwegischen Krone (NOK). Norwegen besitzt Erdöl und Gas, Holz und Mineralien. Norwegen liegt außerdem an der Peripherie, weit ab „vom Schuss“. Das könnte vielleicht noch ein sinnvoller Kauf sein. Ansonsten ist eine gefüllte Speisekammer, ein stets gefüllter Tank im Auto, Brennholz und etwas Saatgut für einen Nutzgarten in meinen Augen derzeit die beste Anlage „für alle Fälle“.

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Peduli »

TeDeum hat geschrieben:
Dienstag 18. Oktober 2022, 10:11
Ich teile ausdrücklich deine Einschätzung des Zerfalls der EU in der Zukunft. Bis das geschieht, wird es aber sicher noch Versuche geben, die Macht zu zentralisieren. Wir sehen doch jetzt schon, die Devise lautet „Kontrolle behalten um jeden Preis!“. In UK z.B. versucht man derzeit Liz Truss loszuwerden und Keir Starmer zu platzieren. Als Ex-Director of Public Prosecutions weiß der, wie man Kontrolle behält und bewies seine "Härte" schon bei den London riots.
Ein Teil der Einschätzung hat sich schon 'mal bestätigt!

Fragt sich nur noch, ob es auch Neuwahlen gibt .............
Wer nicht weiß, wo er herkommt, weiß auch nicht, wo er hinwill.
Schauen wir dankbar zurück, mutig vorwärts und gläubig aufwärts!

(F.J.S.)

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Re: EU am Scheideweg - wie geht es weiter?

Beitrag von Siard »

TeDeum hat geschrieben:
Dienstag 18. Oktober 2022, 10:11
Ich teile ausdrücklich deine Einschätzung des Zerfalls der EU in der Zukunft.
Letztlich wird die EU (mehr oder weniger offen) eine Organisation der NATO – eigentlich ist sie es schon.
TeDeum hat geschrieben:
Dienstag 18. Oktober 2022, 10:11
@Siard - ich frage mich, was helfen uns Renminbi oder Rubel hierzulande, wenn niemand sie akzeptieren will und jeglicher Handel de-facto eingestellt wird, weil aus dem „feindlichen Lager“?
Nicht alle "Everywheres" sind ideologisch festgelegt, und diesen können Zukunftswährungen durchaus gefallen. :achselzuck:

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