Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

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Edi
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
Montag 8. Juni 2020, 21:06
Offensichtlich glaubt man wohl, durch die gewaltige Höhe der "Investitionen" das Virus bekämpfesen zu können
Das Virus lacht sich eins und die nächsten Viren werden auch irgendwann kommen. Dann geht das Spiel von vorne los. Viren und andere Krankheitserreger bekämpft man am besten mit den Mitteln, die der Organismus dafür vorsieht.
Warum werden dafür nicht auch mal Milliarden für die weitere Forschung zur Verfügung gestellt? An den Ursachen muss man weitmöglichst ansetzen und nicht nur an den Symptomen herumkurieren. Dem Drosten habe ich das auch geschrieben, aber da kommt keine Antwort. Diese Leute sind blind und sehen vor lauter Einzelheiten das Ganze nicht.
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ar26
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von ar26 »

Dann noch mal ein Bericht aus der Praxis zur geplanten Umsatzsteuersenkung. Heute nachmittag rief ein guter Mandant an. Es handelt sich um ein kommunales Energieversorgungsunternehmen einer mittleren Großstadt. Die wollten wissen, ob sie die USt-Senkung an ihre Tarifkunden (ca. 150.000) weitergeben müssen und wie die Modalitäten sind.

Ergebnis: In jedem Fall muss die Senkung sowie die erneute Erhöhung in 6 Monaten allen Tarifkunden schriftlich mitgeteilt werden. Das verlangt die sog. StromGVV. Schätzt man, dass die Erstellung und Versendung eines Schreibens € 0,50 kostet, sind das also € 150.000,00. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss die Senkung durch den Energieversorger nicht an die Kunden weiter gegeben werden. § 29 UStG ist da zwar nicht ganz klar, aber es handelt sich bei den Strompreisen um Brutto-Fixpreise. Allerdings muss eben, wie zuvor beschrieben, die faktische Erhöhung sowie die spätere Senkung des Netto-Anteils den Kunden schriftlich mitgeteilt werden.

Kurze Rede, langer Sinn. Der Energieversorger wird mit der einbehaltenen USt-Senkung erstmal seine Extrakosten bedienen und den Rest einheimsen. Die Post freut sich. Der Kunde hat nix davon. So ist das halt, wenn man von Leuten regiert wird, die nie einen Beruf ausgeübt und teilweise noch nicht einmal einen solchen erlernt haben.
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Caviteño
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Das müßte nach § 29 UStG für alle Dauerschuldverhältnisse gelten, also z.B. auch für Dauerkarten, Abos ÖPNV oder Zeitungen usw. usf.. Ob eine gesetzliche Informationspflicht besteht, ist dann wohl zweitrangig.

Natürlich haben die Spitzenpolitiker, die im kleinen Kreis die Umsatzsteuersenkung für sechs Monaten beschlossen haben, so etwas nicht auf dem Radar gehabt und vermutlich auch die im HIntergrund arbeitenden Staatssekretäre haben nicht daran gedacht. So etwas ist das Ergebnis, wenn Gesetzesentwürfe "schnell, schnell" erstellt werden und es nicht zu einer Prüfung durch die Ressorts kommt.

Eine Möglichkeit wäre natürlich, den § 29 UStG in diesem Fall auszusetzen - allerdings würde dann auch die Vorstellung, der Bevölkerung zusätzliche Kaufkraft zu verschaffen, konterkariert.

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Edi
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Edi »

ar26 hat geschrieben:
Montag 8. Juni 2020, 23:38
Kurze Rede, langer Sinn. Der Energieversorger wird mit der einbehaltenen USt-Senkung erstmal seine Extrakosten bedienen und den Rest einheimsen. Die Post freut sich. Der Kunde hat nix davon. So ist das halt, wenn man von Leuten regiert wird, die nie einen Beruf ausgeübt und teilweise noch nicht einmal einen solchen erlernt haben.
Ich plädiere schon seit Jahren dafür, daß mindestens ein Teil der sich um ein Bundestagsmandat Bewerbenden mal so etwa ein Jahr lang in einer kleinen Firma arbeiten müsste, damit sie sehen welche Folgen und Schäden durch ihre Gesetze entstehen können. Aber ich habe als einfacher Bürger ja nichts zu melden.

In Baden-Württemberg hat der MP Kretschmann auch so ein unsinniges Gesetz wegen möglicher regenerativer Energiererzeugung durchgesetzt, das nur Kosten verursacht und weitgehend nichts bringt. Man muss ein teures Gutachten machen lassen, das dann in der Schublade verschwindet, sobald man eine neue Heizung installiert. Umgesetzt muss das Gutachten nicht werden, falls es überhaupt ein positives Ergebnis bringen würde. Es sieht aber bisher so aus, daß keine Kontrolle von seiten einer Behörde erfolgt, ob das Gutachten auch in Auftrag gegeben wurde. Vielleicht haben die nicht genug Beamte, mir soll es recht sein. Dem Kretsch habe ich drei Mal deswegen geschrieben, aber der hat nie geantwortet. Wir Bürger sind für die Politiker meist nur gut als 4-Jahresstimmvieh.
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ar26
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von ar26 »

Caviteño hat geschrieben:
Dienstag 9. Juni 2020, 00:33
Das müßte nach § 29 UStG für alle Dauerschuldverhältnisse gelten, also z.B. auch für Dauerkarten, Abos ÖPNV oder Zeitungen usw. usf.. Ob eine gesetzliche Informationspflicht besteht, ist dann wohl zweitrangig.
Ja. Man hofft in den Branchen, dass die USt-Senkung am Ende nicht für Dauerschuldverhältnisse gelten wird sondern nur für den Einzelhandel.
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Caviteño
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Kein Geschenk für die Verbraucher

Man könnte auch sagen: Eine Mogelpackung....
Und auch die Regierung hofft offenbar schlicht darauf, dass die Konsumenten von der Senkungsmaßnahme zum Kauf gereizt werden, obwohl die Ersparnis bei den Produkten minimal ist. Sie muss insbesondere darauf hoffen, dass den Verbrauchern nicht auffällt, dass viele Branchen, wie etwa die Gastronomie, die Senkung kaum weitergeben dürften. Denn die sogenannten Menü-Kosten, die es bedeuten würde, eine Speisekarte innerhalb von drei Wochen für sechs Monate umzustellen, um sie dann voraussichtlich erneut umstellen zu müssen, dürfte kaum ein Wirt auf sich nehmen.
So ist es...

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Irmgard hat geschrieben:
Samstag 6. Juni 2020, 12:04
So schlimm ist das nicht. Die meisten Kassensysteme und Firmen-Finanzsoftwares enthalten die MwSt als Variable. Das lässt sich schnell anpassen. .
Änderungen an den Steuerdaten der Kassensysteme sind nur durch zertifizierte Experten zulässig:
Obendrein verursachen die Kassenumstellungen vielen kleinen Geschäften Probleme und Ausgaben. „Wir haben bereits ein modernes TSE zertifiziertes Kassensystem für erhebliche Kosten angeschafft“, berichtet Yvonne Reichelt. Da ginge die digitale Umstellung etwas leichter. Aber wer so ein modernes System nicht besitzt, sei vor Ort auf die Umstellung einer Kassenfirma angewiesen, wenn ihre Kollegen überhaupt jetzt einen Termin dafür bekämen.
(...)
„Weil die Steuerdaten der Kassen für Händler und Gastronomen nur durch einen zertifizierten Experten der Kassenherstellerbranche geändert werden können“, erklärt Gutachter Brinck. Das Problem: Die meisten Standard-Kassen für kleine Händler seien von vorherein nur mit den fixen Steuersätzen sieben und 19 Prozent versehen. Im Schnitt könne die Umstellung für Artikel in einer Warengruppe jeweils 49 Cent kosten, wissen Branchenexperten wie Brinck.
Viel Aufwand für wenig Ertrag

Im Artikel wird auch ausgeführt, daß die Steuersenkung wohl kaum beim Endverbraucher ankommen wird.

Ergebnis: Zusätzliche Bürokratie, viel Lärm um nichts.

Marcus, der mit dem C
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Marcus, der mit dem C »

Was beim Fakturieren (=Rechnungsstellung) noch einfach sein mag, wird aber bei der Kreditorenbuchführung (= das Buchen von Eingangsrechnungen) schon problematisch. Die Buchführungssoftware, die ich kennengelernt habe, arbeiten mit Steuerschlüsseln, die den Satz vorgeben. Das Problem dabei, hat man eine Rechnung mit zwei oder bei einer wie jetzt geplanten Änderung mit vier Steuersätzen und einem möglichen fünften, wenn steuerfreie Umsätze noch hinzukommen, dann funktioniert das nicht, da nur ein Steuerschlüssel pro Buchung vorgesehen ist. Man bucht den Bruttobetrag ein und den Steuerschlüssel und wenn man verschiedene Aufwandskonten bebucht, hat man nur den Nettobetrag, von der Software errechnet, den man verteilen kann. Wenn aber mehr als ein Steuersatz Verwendung findet, muß man den Rechnungsbruttobetrag aufspalten in quasi soviel Rechnungsbruttobeträge, wie es Steuersätze gibt und dann die jeweiligen Nettobeträge entsprechend aufgeteilt verbuchen. Das ist ein Scheunentor für Rundungsprobleme. Vorsteuer und Mehrwertsteuerkonten dürfen meist nicht direkt angebucht werden, weil das die automatisierte Abstimmung durch die Finanzbuchhaltungssoftware beeinträchtig und daher von der Software unterbunden wird.

Wer sich die Buchhalter so richtig zum Feind machen will, beschließt die Änderungen am besten rückwirkend, so daß alle Belege, die das betrifft, rausgesucht, storniert und neu eingebucht werden müssen.
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Juergen
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Juergen »

Marcus, der mit dem C hat geschrieben:
Mittwoch 10. Juni 2020, 15:55
Was beim Fakturieren (=Rechnungsstellung) noch einfach sein mag, wird aber bei der Kreditorenbuchführung (= das Buchen von Eingangsrechnungen) schon problematisch. Die Buchführungssoftware, die ich kennengelernt habe, arbeiten mit Steuerschlüsseln, die den Satz vorgeben. Das Problem dabei, hat man eine Rechnung mit zwei oder bei einer wie jetzt geplanten Änderung mit vier Steuersätzen und einem möglichen fünften, wenn steuerfreie Umsätze noch hinzukommen, dann funktioniert das nicht, da nur ein Steuerschlüssel pro Buchung vorgesehen ist…
Es kann Dir doch jetzt schon passieren, daß Du Belege hast, die zwei Steuersätze beinhalten. Da muß doch nur z.B. auf der Rechnung ein Kinder-Malbuch (7%) und ein Kinder-Bastelbuch (19%) drauf sein.
Gruß Jürgen

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Marcus, der mit dem C
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Marcus, der mit dem C »

Lieber Jürgen,

wenn Du genau liest, habe ich von zwei (voll und ermäßigt), mit der Änderung von vier Steuersätzen (je unverändert und der geänderte Satz ) geschrieben. Daher hatte ich das schon berücksichtigt ;D

Selbst ohne Änderung könnte in extremis fünf Steuersätze in einer Rechnung stecken:

1) voller Satz (19%)
2) ermäßigter Satz (7%)
3) ohne Steuer (0%)
4) nichtoptierte Landwirte (10,7%)
5) nichtoptierte Forstwirte (5,5%)

Zur Erläuterung für 4+5:
Die Betreffenden führen keine Umsatzsteuer ab, dürfen aber o.g. Prozentsatz aufschlagen und ausweisen. Dafür ist ihnen der Vorsteuerabzug verwehrt. Der Empfänger der Rechnung kann Vorsteuer in ausgewiesener Höhe geltend machen.
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Irmgard
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Irmgard »

Ich bleibe dabei: ja, es ist Aufwand, der ist aber hinzubekommen. Guten Willen braucht es natürlich schon und tatsächlich eine Finanzsoftware, die die MwSt eben als Variable und nicht Fixum führt. Das Steuerbüro hat die Firma, in der ich arbeite bereits ausführlich informiert, da gibt es eine Checklistenanleitung und das wird schon werden. Ist ja eh die Frage, ob das zum 1.1.21 wirklich wieder abgeschafft wird.

Ob das bei den Verbrauchern ankommt, ist demgegenüber eine ganz andere Frage. Es sollte da ankommen. Punkt. Jeder Unternehmer, der das nicht weitergibt, hat da etwas nicht verstanden über Solidarität in der Krise.

Gruß

Irmgard

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Juergen
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Juergen »

Marcus, der mit dem C hat geschrieben:
Mittwoch 10. Juni 2020, 19:32
wenn Du genau liest, habe ich von zwei (voll und ermäßigt), mit der Änderung von vier Steuersätzen (je unverändert und der geänderte Satz ) geschrieben. Daher hatte ich das schon berücksichtigt ;D
Ich verstehe das Problem nicht. Wenn ich jetzt mit zwei Sätzen keine Probleme habe, wieso sollte es mit vier oder mehr Sätzen Probleme geben?

Blöd wird es im Einzelhandel mit dem Umtauschen von Ware. Da muß genau geguckt werden zu welchem Zeitpunkt die Ware gekauft wurde. Wenn ein Kassenbon vorhanden ist, dann ist das kein Problem. Wenn aus Kulanz ohne Kassenbon umgetauscht wird, dann hat man den Salat.
Gruß Jürgen

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Siard
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Siard »

Irmgard hat geschrieben:
Mittwoch 10. Juni 2020, 20:01
Ob das bei den Verbrauchern ankommt, ist demgegenüber eine ganz andere Frage. Es sollte da ankommen. Punkt. Jeder Unternehmer, der das nicht weitergibt, hat da etwas nicht verstanden über Solidarität in der Krise.
Wenn man die Menschen wirklich unterstützen wollte, sollte man nicht Steuersätze vorübergehnd senken. Man sollte jedem 1000,– € als Gutschein zur Verrechnung zukommen lassen.

Caviteño
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Siard hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 01:24
Wenn man die Menschen wirklich unterstützen wollte, sollte man nicht Steuersätze vorübergehnd senken. Man sollte jedem 1000,– € als Gutschein zur Verrechnung zukommen lassen.
Siard, bis zur kurzem hätte ich bei einem solchen Vorschlag noch aufgestöhnt. Inzwischen wurde mir die Größenordnung bewußt und ich habe meine Meinung aus folgenden Gründen korrigiert:

1. Es wäre billiger. Bei 83 Mio Einwohnern würde es 83 Mrden € kosten, die Summe des Corona-Pakets der Bundesregierung beläuft sich auf 130 Mrden €.

2. Es wäre einfacher. Keine Beantragung, keine Prüfung, keine Mitnahme-Effekte, keine Streuverluste - jeder bekommt einmalig 1.000 €. Die ganzen fruchtlosen Diskussionen bzgl. Verwaltungsaufwand, Weitergabe usw. entfielen.

3. Der Bürger und nicht der Fiskus weiß, was notwendig ist. Während die einen das Geld für den Konsum ausgeben, würden andere das Geld auf die Seite legen und erst dann ausgeben, wenn sie Vertrauen haben. Statt eines einmaligen Strohfeuers könnte der Effekt auf einen längeren Zeitraum verteilt werden.

4. Der Vorwurf des "Helikoptergeldes" trifft zwar bei dieser Maßnahme zu. Die damit verbundene Vorstellung der "Zerrüttung der Staatsfinanzen" liegt aber in jedem Fall vor, weil ein höherer Betrag ausgegeben wird. Allerdings ist es nicht so auffällig, weil das Geld auf viele Töpfe verteilt wird und jeder Lobbyvertreter seine Wünsche erfüllt bekam.

Statt des einfachen und preiswertere Weges also mehr Planwirtschaft und staatliche Einflußnahme. Aber was soll man schon von einer Kanzlerin erwarten, die im Osten aufgewachsen ist und offensichtlich noch immer mit der Marktwirtschaft fremdelt; der offensichtlich südeuropäische Wirtschaftsvorstellungen näher stehen als angelsächsische Modelle.

Im Grunde ist es vollkommen egal, wie das gegenwärtige FIAT-Geldsystem zusammenbricht. Beim Helikoptergeld hätte man aber etwas in der Tasche und könnte es nach Lust und Laune verwenden.

Es ist aber schon traurig, wenn man bedenkt, wo das Land und seine Währung inzwischen gelandet sind. Welch ein Unterschied zu den Zeiten, als die Währung "DM" hieß und die Bundesbank die Geldpolitik bestimmte. Kann man es jemanden verdenken, wenn der kein Vertrauen mehr in die Gelddruckorgie der südländisch dominierten EZB hat und den Euro ablehnt - mit allen Konsequenzen bei einer Wahl? :nein:

Raphael

Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Raphael »

Siard hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 01:24
Irmgard hat geschrieben:
Mittwoch 10. Juni 2020, 20:01
Ob das bei den Verbrauchern ankommt, ist demgegenüber eine ganz andere Frage. Es sollte da ankommen. Punkt. Jeder Unternehmer, der das nicht weitergibt, hat da etwas nicht verstanden über Solidarität in der Krise.
Wenn man die Menschen wirklich unterstützen wollte, sollte man nicht Steuersätze vorübergehnd senken. Man sollte jedem 1000,– € als Gutschein zur Verrechnung zukommen lassen.
Das ist auch reine Symbolpolitik der Regierung in D'land! :/

Den vorstehenden Ausführungen von Cavi ist 100% zuzustimmen. Das "Rettungspaket" erweckt durch hohe Komplexität den Anschein von Zielgenauigkeit und verdeckt damit die Planlosigkeit der handelnden Personen.

Ökonomisch ist festzustellen:
Kritik ist bei der Vielzahl der Maßnahmen erschwert, weil man jeder Kritik an einer falschen Maßnahme mit dem Hinweis auf eine richtige Maßnahme begegnen kann.
  • So ist bspw. ein Senkung der MwSt. prinzipiell richtig, wenn man die Konjunktur ankurbeln will. Die Maßnahme wird jedoch falsch, wenn sie - wie jetzt geplant - auf die zweite Jahreshälfte von 2020 begrenzt wird.
  • Die Zahlung von 300 € je Kind, welches kindergeldberechtigt ist, ist richtig. Die Höhe des Betrages reicht jedoch nicht aus, um einer Familie einen wirklichen relevanten Vorteil zu verschaffen.
to be completed

Caviteño
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 07:40
Das ist auch reine Symbolpolitik der Regierung in D'land! :/
Vor allem scheint man zu glauben, daß man die Wirtschaft "lenken" könne und handelt nach dem Motto "viel hilft viel!".
Unter dreistelligen Mrd-Beträgen faßt man inzwischen nichts mehr an. Das Rechenbeispiel von Siard zeigt es deutlich: Pro Kopf könnten 1.000 € (bei dem angedachten Volumen auch 1.500 €) verschenkt werden - die spiegelbildlich auch wieder zurückgezahlt werden müssen. MaW: Für die gegenwärtigen, mit der Gießkanne verteilten Maßnahmen wird künftig jeder um 1.500 € ärmer...

In dem obigen Betrag nicht enthalten sind die "Rettungs"pakete der EU, die sich irgendwo zwischen 500 Mrden (Merkel/Macron) und 750 Mrden € belaufen sollen. Der deutsche Anteil beträgt ca. 27% - also noch einmal mindestens die gleiche Größenordnung. Dabei hat das alles nichts mehr mit Corona zu tun. Die EU will die "Wiederaufbauhilfen" (was ist denn eigentlich zerstört worden?) in den Jahren 2023 und 2024 auszahlen. Natürlich müßte es sofort ausgezahlt werden, aber da es um eine neue Art der Finanzierung geht, müssen erst die vertraglichen Grundlagen geschaffen werden. Schließlich soll die Kreditaufnahme über die EU erfolgen mit beschränkter Haftung der Mitgliedsstaaten und auch die Vergabekriterien sind noch vollkommen unklar. Schwierige Vertragsabfassungen sind da vorprogrammiert.

Wenn aber die Gelder nicht sofort bereit stehen, warum sollen sie dann später auch noch fließen? Ab 2022 soll es doch wieder kräftig aufwärts gehen - oder soll nur die Insolvenz der Südstaaten verhindert werden?

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Marcus, der mit dem C »

Juergen hat geschrieben:
Mittwoch 10. Juni 2020, 20:08
(...)Ich verstehe das Problem nicht. Wenn ich jetzt mit zwei Sätzen keine Probleme habe, wieso sollte es mit vier oder mehr Sätzen Probleme geben?
(...)
Das Problem hierbei ist, ein mathematisches. Pro Steuersatz wird bei der Rechnungslegung eine Nettosumme gebildet, für die dann der Steuerbetrag errechnet wird. Da aber der Aufwand teilweise gerade zB bei Handelswaren pro Ware auf bis zu drei Konten gebucht werden muß (Aufwand für Ware, Warenbeschaffungskosten wie Fracht u.ä., und Preisminderungen wie Skonti o.ä.) dann kommt man schnell an den Punkt, wo durch die Aufteilerei Rundungsdifferenzen sich kumulieren können.

Wenn eine "normale" Rechnung je nach Komplexität einen Kontierungsaufwand von 30 Sekunden bis 2 Minuten hat, konnte meiner Arbeitserfahrung nach solche wie von mir beschriebenen Rechnungen ein Kontierungsaufwand von 30 Minuten zuzüglich der Kontrolle nach dem Buchen, ob auch wirklich alles so auf den Konten gelandet ist, wie erwartet. Jeder neue Steuersatz multipliziert die potentiellen Fehlerquellen.

Ein kleiner Hinweis, was da passieren kann:
Wir haben einen Rechnungsbetrag von 139,01€ bei einem Steuersatz von 19%.
Der Nettobetrag = 139,01 /1,19 = 116,82 gerundet auf 2 Nachkommastellen
Der Mehrwertsteuerbetrag aus dem Nettobetrag errechnet:
116,82 * 0,19 auf zwei Stellen gerundet = 22,20
Netto 116,82 + Steuer 22,20 = 139,02

Was ich hier noch gar nicht einkalkuliert habe ist, daß eine Kostenstellen/Kostenträgerrechnung eine noch spezifiziertere Buchung erfordern kann. Dann fängt man an DinA4 Seite zum Kontieren an den Beleg zu heften.
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Juergen »

Eine seltsame Rechnung machst Du da auf.

Rechnungsbetrag brutto: 139,01 (Verbindlichkeiten)
Rechnungsbetrag netto: 116,82 (Wareneingang)
Zu verteilender Rest: 22,19 (Vorsteuer)
Gruß Jürgen

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Marcus, der mit dem C
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Marcus, der mit dem C »

Leider lieber Jürgen,

wird die Steuer nicht als zu verteilender Rest ermittelt, sondern von der Buchhaltungssoftware anhand des Steuerschlüssels errechnet. Dadurch eröffnet sich automatisch die Tür für die von mir beschriebenen Rundungsdifferenzen.
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Juergen »

Marcus, der mit dem C hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 12:25
wird die Steuer nicht als zu verteilender Rest ermittelt, sondern von der Buchhaltungssoftware anhand des Steuerschlüssels errechnet. Dadurch eröffnet sich automatisch die Tür für die von mir beschriebenen Rundungsdifferenzen.
Das ist dann allerdings ein Problem der Software und keines der Rechnungsstellung.

Gruß Jürgen

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Marcus, der mit dem C
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Marcus, der mit dem C »

Ja, und durch eine Vervielfältigung der Steuersätze wird dieses Problem im gleichen Maße vervielfältigt.

Wenn Du Dich noch weiter in Buchhaltungswahnsinn vertiefen willst, sollten wir uns mal treffen und ich erläutere Dir die Pflegebuchführungsverordnung. Zwangsjacke kann ich leider keine stellen, die müßte selbst mitgebracht werden. :pfeif:
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Juergen »

Marcus, der mit dem C hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 12:46
Wenn Du Dich noch weiter in Buchhaltungswahnsinn vertiefen willst, sollten wir uns mal treffen und ich erläutere Dir die Pflegebuchführungsverordnung. Zwangsjacke kann ich leider keine stellen, die müßte selbst mitgebracht werden. :pfeif:
Außer meine privaten Buchungen per GnuCash, bei denen ich freilich keine MwSt getrennt buchen muß, sondern nur eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung doppisch mache, habe ich seit 1994 nichts mehr mit Buchhaltung zu tun. Aber das Grundprinzip ändert sich ja nicht.
Gruß Jürgen

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Hubertus »

Caviteño hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 06:11
Siard hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 01:24
Wenn man die Menschen wirklich unterstützen wollte, sollte man nicht Steuersätze vorübergehnd senken. Man sollte jedem 1000,– € als Gutschein zur Verrechnung zukommen lassen.
Siard, bis zur kurzem hätte ich bei einem solchen Vorschlag noch aufgestöhnt. Inzwischen wurde mir die Größenordnung bewußt und ich habe meine Meinung aus folgenden Gründen korrigiert:

1. Es wäre billiger. Bei 83 Mio Einwohnern würde es 83 Mrden € kosten, die Summe des Corona-Pakets der Bundesregierung beläuft sich auf 130 Mrden €.

2. Es wäre einfacher. Keine Beantragung, keine Prüfung, keine Mitnahme-Effekte, keine Streuverluste - jeder bekommt einmalig 1.000 €. Die ganzen fruchtlosen Diskussionen bzgl. Verwaltungsaufwand, Weitergabe usw. entfielen.

3. Der Bürger und nicht der Fiskus weiß, was notwendig ist. Während die einen das Geld für den Konsum ausgeben, würden andere das Geld auf die Seite legen und erst dann ausgeben, wenn sie Vertrauen haben. Statt eines einmaligen Strohfeuers könnte der Effekt auf einen längeren Zeitraum verteilt werden.

4. Der Vorwurf des "Helikoptergeldes" trifft zwar bei dieser Maßnahme zu. Die damit verbundene Vorstellung der "Zerrüttung der Staatsfinanzen" liegt aber in jedem Fall vor, weil ein höherer Betrag ausgegeben wird. Allerdings ist es nicht so auffällig, weil das Geld auf viele Töpfe verteilt wird und jeder Lobbyvertreter seine Wünsche erfüllt bekam.

Statt des einfachen und preiswertere Weges also mehr Planwirtschaft und staatliche Einflußnahme. Aber was soll man schon von einer Kanzlerin erwarten, die im Osten aufgewachsen ist und offensichtlich noch immer mit der Marktwirtschaft fremdelt; der offensichtlich südeuropäische Wirtschaftsvorstellungen näher stehen als angelsächsische Modelle.

Im Grunde ist es vollkommen egal, wie das gegenwärtige FIAT-Geldsystem zusammenbricht. Beim Helikoptergeld hätte man aber etwas in der Tasche und könnte es nach Lust und Laune verwenden.

Es ist aber schon traurig, wenn man bedenkt, wo das Land und seine Währung inzwischen gelandet sind. Welch ein Unterschied zu den Zeiten, als die Währung "DM" hieß und die Bundesbank die Geldpolitik bestimmte. Kann man es jemanden verdenken, wenn der kein Vertrauen mehr in die Gelddruckorgie der südländisch dominierten EZB hat und den Euro ablehnt - mit allen Konsequenzen bei einer Wahl? :nein:
Ja, für den Vorschlag könnte ich mich auch erwärmen, insbesondere Punkt 1 ist zu bachten.

Zumal der Staat ja durch Steuern (z.B. MwSt) automatisch bereits einen Teil sofort wieder hereinbekäme. Zudem könnte es wirklich als Wirtschaftsstimulans dienen, wenn bspw. eine Familie mit drei Kindern auf einmal 5000,- cash erhält. Ggf. ließe sich nun doch ein neues Auto anschaffen, ein weiteres Badezimmer einbauen oder ein anderer schon lange gehegter Wunsch erfüllen.

Darüber hinaus wäre dafür gesorgt, daß das Geld nicht wieder bei Internetriesen landet, die sich nach lateinamerikanischen Flüssen benennen, sondern vor Ort ausgegeben wird, was die heimische Wirtschaft stützt (die ja durch Steuerzahlungen wiederum Geld an den Fiskus abführt).
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Siard »

Caviteño hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 06:11
Siard, bis zur kurzem hätte ich bei einem solchen Vorschlag noch aufgestöhnt. […]
Danke! :ja:
Caviteño hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 06:11
Statt des einfachen und preiswertere Weges also mehr Planwirtschaft und staatliche Einflußnahme.
Mir scheint es mehr um Geschenke an spätere potezielle Finanziers zu gehe.
Die Unterstützung der Lufthasa soll(te ?) den Wert des Konzerns bei weitem übersteigen, ohne sich auch nur eine Sperrminorität zu sichern.

Caviteño
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Die Hilfe für die Lufthansa (LH) ist mE ein Paradebeispiel für (geplante) staatliche Einflußnahme. Bei den Verhandlungen hieß es ua., daß die LH ihre Kaufoptionen auf Airbus-Flugzeuge ausüben müsse. Dagegen hatte die LH schon bekanntgegeben, sich von 100 Flugzeugen zu trennen, während der Staat mit der Hilfe für die LH auch gleichzeitig den Flugzeughersteller unterstützen wollte.

https://www.handelsblatt.com/unternehme ... 55674.html

Die LH hat auch Befürchtungen geäußert, daß durch einen großen Staatseinfluß in das laufende Geschäft eingegriffen würde. Man hatte wohl aus der Zeit, als es noch eine größere Staatsbeteiligung gab, die Erfahrung gemacht, daß Abgeordnete darauf drängten, bestimmte Strecken (in ihre Heimatregion) zu bedienen, obwohl dies wirtschaftlich nicht vertretbar war.

ME wäre ein Schutzschirmverfahren die sauberere Alternative gewesen. Alle (vor allem: Tarif-)Verträge hätten neu ausgehandelt werden können; Zahlungen - insbesondere für stornierte Reisen - wären entfallen bzw. weit in die Zukunft verschoben worden. Aber der Druck von Regierung und Gewerkschaften war wohl zu stark.
Ich bin einmal gespannt, ob die Hauptversammlung dem "Rettungs"paket zustimmt, ob Herr Thiele mit einer Verwässerung seines Anteils einverstanden ist.

Lufthansa fürchtet das Veto des Patriarchen

Caviteño
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Hubertus hat geschrieben:
Donnerstag 11. Juni 2020, 19:26
Ja, für den Vorschlag könnte ich mich auch erwärmen, insbesondere Punkt 1 ist zu bachten.

Zumal der Staat ja durch Steuern (z.B. MwSt) automatisch bereits einen Teil sofort wieder hereinbekäme. Zudem könnte es wirklich als Wirtschaftsstimulans dienen, wenn bspw. eine Familie mit drei Kindern auf einmal 5000,- cash erhält. Ggf. ließe sich nun doch ein neues Auto anschaffen, ein weiteres Badezimmer einbauen oder ein anderer schon lange gehegter Wunsch erfüllen.

Darüber hinaus wäre dafür gesorgt, daß das Geld nicht wieder bei Internetriesen landet, die sich nach lateinamerikanischen Flüssen benennen, sondern vor Ort ausgegeben wird, was die heimische Wirtschaft stützt (die ja durch Steuerzahlungen wiederum Geld an den Fiskus abführt).
Hinzu kommt mE ein weiterer wichtiger Punkt:

Wie ich bereits hier verlinkt hatte, entfällt ein großer Teil des Programms auf Aufwendungen, die nichts mit dem gegenwärtigen Nachfrageeinbruch zu tun haben.

Warum wird z.B. das sog. "online-Zugangsgesetz" unter dem Rubrum "Corona" angegangen? Wenn die Aufwendungen so notwendig ist, wie die Bundesregierung behauptet, hätte man die 3 Mrden auch schon früher als Kredit aufnehmen können. Das gilt auch für andere Digitalisierungsvorhaben, wie z.B. Digitaliserungsschub = 1 Mrde, künstl. Intelligenz = 2 Mrden, Quantentechnologie = 2 Mrden, 5G = 2 Mrden, flächendeckendes 5G-Netz = 5 Mrden. In Summe sind das 15 Mrden €, die plötzlich vorhanden sind - während es vor wenigen Wochen noch "am Geld fehlte" und diese Vorhaben angeblich nicht realisiert werden konnten.

Hier werden Branchen gefördert, die sich aufgrund des lockdowns bereits in einer Boomphase befinden. Durch die zusätzliche Nachfrage werden die Preise steigen; es wird teurer für den Steuerzahler als wenn man kontinuierlich investiert hätte.

Die Politik erfüllt sich ihre Wünsche und bittet dann den Bürger zur Kasse. Beim von Siard vorgeschlagenen Helikoptergeld hätten die Bürger (und Steuerzahler) wenigstens einen Vorteil gehabt und selbst entschieden, wie das Geld verwendet wird.

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Ein kritischer Blick auf die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie von Eric Gujer in der NZZ:

Die Warnung vor Seuchen-Sozialismus war berechtigt – mit der lockeren Schuldenpolitik baut der deutsche Staat seine Macht aus

Gujer warnt davor, daß die Schulden von heute die Steuern von morgen sind. Ob die Annahme zutrifft, daß die Bürger nun nach Monaten der erzwungenen Abstinenz in einen Konsumrausch verfallen, kann wohl bezweifelt werden:
Die Regierung glaubt, sie könne Wohlstand kaufen. Wenn sie nur genügend Geld ausgebe, so scheint sie zu hoffen, werde Deutschland die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie schnell hinter sich lassen.
(...)
So wie die Deutschen (und die Schweizer) ticken, kaufen sie keine langlebigen Gebrauchsgüter wie ein Auto, nur weil der Staat ihnen drei Prozentpunkte schenken will. Sie pflegen im Umgang mit Geld einen weit weniger frivolen Umgang als ihre Regierung. Die 300 Euro Kinderbonus werden aus demselben Grund vermutlich aufs Sparkonto wandern und so wenig zur Belebung der Nachfrage beitragen.
Dazu kommt, daß die Regierung alles andere als Zuversicht verbreitet. Wenn die Kanzlerin sagt, es sei noch lange nicht vorbei und Lockerungen als "Öffnungsorgien" diskreditiert - wie sollen die Konsumenten da Vertrauen in die Zukunft fassen?
Die Dimensionen der "Rettung" sind atemberaubend, wie Gujer ausführt: Im März wurden Maßnahmen iHv 1,8 Billionen € verabschiedet, jetzt kommen vom Merkel-Macron-Paket noch einmal 500 (oder 750 Mrden) hinzu (für "Europa") sowie noch einmal 130 Mrden zur Ankurbelung des Konsums in D.

Daß die Bürger da skeptisch werden und zunächst nicht konsumieren, das sollte eigentlich jedem einleuchten.

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 13:47
Die Dimensionen der "Rettung" sind atemberaubend, wie Gujer ausführt: Im März wurden Maßnahmen iHv 1,8 Billionen € verabschiedet, jetzt kommen vom Merkel-Macron-Paket noch einmal 500 (oder 750 Mrden) hinzu (für "Europa") sowie noch einmal 130 Mrden zur Ankurbelung des Konsums in D.

Daß die Bürger da skeptisch werden und zunächst nicht konsumieren, das sollte eigentlich jedem einleuchten.
Ein österreichischer EU-Abgeordneter der, der ÖVP angehört und die Zahlungen der EU befürwortet im Gegensatz zu Kurz, der nur Kredite gegeben will, hat doch schon spätere Steuererhöhungen ins Auge gefasst. Das EU-Parlament sei auch schon lange für eine eigene Steuer der EU.
Ich glaube auch nicht, daß die geringere Umsatzsteuer zu erhöhten Käufen führt, wenn sie überhaupt vom Handel weitergegeben wird. Heute hat mir ein Ladeninhaber (Lebensmittel) gesagt, er könne gar nicht alle seine Produkte umetikettieren, da es einige tausend sind. Wie er das mit der Kasse mache, wisse er noch nicht.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Siard »

Edi hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 15:07
Ein österreichischer EU-Abgeordneter der, der ÖVP angehört und die Zahlungen der EU befürwortet im Gegensatz zu Kurz, der nur Kredite gegeben will, hat doch schon spätere Steuererhöhungen ins Auge gefasst. Das EU-Parlament sei auch schon lange für eine eigene Steuer der EU.
Ich glaube auch nicht, daß die geringere Umsatzsteuer zu erhöhten Käufen führt, wenn sie überhaupt vom Handel weitergegeben wird. Heute hat mir ein Ladeninhaber (Lebensmittel) gesagt, er könne gar nicht alle seine Produkte umetikettieren, da es einige tausend sind. Wie er das mit der Kasse mache, wisse er noch nicht.
Die ÖVP wird demnächst vermutlich noch ganz andere Probleme haben. Die Beihilfen sind bei sehr vielen kleinen Betrieben nicht angekommen. Die Kredite führen nur zu einer Verschiebung der Zahlungsunfähigkeit.
Meiner Meinung nach haben die Regierungen die Krise nicht gemeistert, sondern letztlich verschlimmert.

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Siard hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 15:50
Meiner Meinung nach haben die Regierungen die Krise nicht gemeistert, sondern letztlich verschlimmert.
Sie hatten keinen Plan - obwohl ein entsprechendes Szenario dargestellt wurde. Man gab dem Drängen der Medien nach harten Einschnitten nach und glaubt noch immer, daß man diese Krise mit viel, viel Geld "bekämpfen" könne.

Es fehlt aber am Vertrauen der Konsumenten, am optimistischen Blick in die Zukunft und damit der Grundlage für jeden Zuwachs an Nachfrage.
Jeder kann selbst die Frage beantworten, was er mit 1.000 € machen würde, die vom Staat als Geschenk auf sein Konto gebucht werden. Nur wenige würden sie vermutlich sofort für Konsumzwecke ausgeben. Solange noch immer von einer schlimmeren zweiten Welle gewarnt wird und einkaufen nur mit Maske möglich ist, ist ein solches Verhalten auch nachvollziehbar.

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Siard »

Caviteño hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 23:18
Sie hatten keinen Plan - obwohl ein entsprechendes Szenario dargestellt wurde. Man gab dem Drängen der Medien nach harten Einschnitten nach und glaubt noch immer, daß man diese Krise mit viel, viel Geld "bekämpfen" könne.
Das halte ich für Schönrederei. Das Handeln war Absicht und die Medien schreiben was die Politiker wollen – nicht umgekehrt.
Caviteño hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 23:18
Es fehlt aber am Vertrauen der Konsumenten, am optimistischen Blick in die Zukunft und damit der Grundlage für jeden Zuwachs an Nachfrage.
Das ist nicht von der Hand zu weisen.
Caviteño hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 23:18
Jeder kann selbst die Frage beantworten, was er mit 1.000 € machen würde, die vom Staat als Geschenk auf sein Konto gebucht werden. Nur wenige würden sie vermutlich sofort für Konsumzwecke ausgeben.
Ausgeben. Es gibt genug Menschen, die kaum eine andere Wahl haben. Beschenkt werden aber nicht die, sondern die, die es nicht wirklich brauchen. Dieses Handeln der Politiker ist ja nicht neu. Bei den Armen wird das Geschenk woanders wieder abgezogen, die Besssergestellten können damit machen, was sie wollen.
Ein Gutschein über 1000€, der auf sechs Monate befristet ist (und evtl. auf wichtige Dinge beschränkt), könnte anregender wirken, als Bargeld.
Caviteño hat geschrieben:
Freitag 19. Juni 2020, 23:18
Solange noch immer von einer schlimmeren zweiten Welle gewarnt wird und einkaufen nur mit Maske möglich ist, ist ein solches Verhalten auch nachvollziehbar.
Die Warnungen dienen einem politischen Zweck, keinem gesundheitlichen.
Hier gilt beim Einkauf bereits seit Anfang der Woche keine Maskenpflicht mehr, aber trotzdem ist der Unterschied zur letzten Woche gering.

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Re: Umsatzsteuersenkung der Bundesregierung

Beitrag von Caviteño »

Wenn die Maskenpflicht sich nicht deutlich auf das Einkaufsverhalten auswirkt, so wie es bei Euch der Fall ist, bringt allerdings auch ein Gutschein nicht viel. Ein befristeter Gutschein, beschränkt auf wichtige Dinge (welche sollen das sein?) wäre auch nicht leicht umsetzbar und könnte zu einem Strohfeuer führen. Es bestände außerdem die Möglichkeit, die Aufwendungen des täglichen Bedarfs mit dem Gutschein zu bezahlen und sie so "einzusparen". Offensichtlich ist die Angst vor der Zukunft wohl so groß, daß alle aufschiebbaren Konsumwünsche zunächst in weiten Kreisen der Bevölkerung zurückgestellt werden.

Ich bin im Augenblick nicht in D. und kann daher die Stimmung nur anhand der Äußerungen in den sozialen Medien einschätzen. Da wird allerdings häufig vor Lockerungen gewarnt und daß die Teilnehmer an den "Anti-Masken- oder -Corona-Demonstrationen" als "räächts" und "Coronaleugner" verunglimpft werden, kann man immer wieder lesen - twitter ist da schon ziemlich aufschlußreich....

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