Die katholische Kirche und der Hang zur politischen Macht

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Konrad
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Die katholische Kirche und der Hang zur politischen Macht

Beitrag von Konrad »

Deutschland: Marx, Reformen müssen weh tun

Die Koalitionsverhandlungen in Deutschland gehen von einer Runde in die nächste. Nach Auffassung von Bischof Reinhard Marx blockiert vor allem der Streit um Reformen seit der Bundestagswahl die Parteien. Reformen sind nötig - und sie werden weh tun, daran hat der Trierer Bischof keinen Zweifel. In der Deutschen Bischofskonferenz ist Marx für soziale Fragen zuständig. Katholische Soziallehre gehört für ihn zur Verkündigung: "Man hat jetzt den Eindruck, manche sagen, ´Ja, wir brauchen Reformen, aber es wird nicht so weh tun.´ Es wird schon einschneidend sein. Und trotzdem wird es sozial gerecht sein und es wird langfristig eine Perspektive entfaltet werden können, die dann auch für alle gerecht ist und sozial verträglicher ist als das, was wir jetzt haben. Das müsste vermittelt werden. Wir wollen nicht einen platten Kapitalismus, wo es nur um Profit geht. Wir wollen auch eine Beteiligung der Menschen, Tarifautonomie, Mitbestimmung, wir wollen Sozialgesetzgebung. Wir sind der Meinung, dass ein System wo die Menschen mitgehen können, wo es nicht nur um die Profite geh, - die Profite muss man auch haben, die Gewinne - dass das wettbewerbsfähiger und zukunftsfähiger ist, als eine andere Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft." (rv)


www.vaticanradio.org - Newsletter von Radio Vatikan - 28.09.05


Ganz recht Herr Bischof, aber wirkliche Reformen müssen allen weh tun.

Nicht nur den Armen und Rechtlosen, nicht nur den Arbeitslosen und den Kranken, nicht nur den Rentnern und den Arbeitnehmern.

Wem tun die neoliberalen Reformen nicht weh?

Politikern, Journalisten, Professoren, Unternehmer, Best- und Besserverdiener.

Ich bin in großer Sorge. Ich fürchte viele deutsche Bischöfe schätzen die Lage des Landes und der Wirtschaft völlig falsch ein.
Die Neoliberalen erzielen gigantisch hohe Einkommen und Gewinne, während große Teile der deutschen Bevölkerung in Armut versinken. Die Kinderarmut steigt exorbitant an. Bei schmerzhaften neoliberalen Reformen die, die Armen und Rechtlosen, die Arbeitslosen und Kranken, die Rentner und die Arbeitnehmer schmerzhaft treffen, könnte die soziale Lage in D endgültig außer Kontrolle geraten.

Kinderarmut in Deutschland

Krach schlagen gegen die Kinderarmut

Nein die neoliberalen Reformen sind nicht der Weg in eine gerechte Zukunft, ich fürchte das ist der Weg in eine neue Tyrannei, die Tyrannei der Neoliberalen.

Wie wäre die Verkündigung folgender Schriftsstelle:

An die Politiker, Journalisten, Professoren, Unternehmer, Best- und Besserverdiener?


(Mk 10,17-30)

In jener Zeit lief ein Mann auf Jesus zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich. (Mk 10,17-30)


Das Kamel kann sich drehen und wenden, das Ergebnis ist immer das gleiche: Es geht halt nicht durch.

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Nikodemus
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Re: Die katholische Kirche und der Hang zur politischen Mach

Beitrag von Nikodemus »

Hallo Konrad,

ich würde das eine oder andere in ein etwas anderes Licht setzen.

Bischof Marx geht mit seinem Votum genau in die richtige Richtung. Das es Reformen geben muss sieht jeder, der einen Blick auf die Haushaltspläne von Bund und Ländern wirft.
Der Bischof hat nun keineswegs sog. "neoliberalen" Reformen das Wort geredet (was immer das auch sein mag), sondern geradezu entgegen dem Streben nach nur noch "shareholder-value" den sozialen Zusammenhalt und die Ausrichtung auf den Menschen angemahnt.

Das es eine Ungleichverteilung der Einkommen gibt ist keine neue Entwicklung und scheint mir aber per se auch nicht Gegenstand kirchlicher Verkündigung werden zu müssen. Es ist nicht Aufgabe der Kirche den Politikern ihre Mittel und Wege vorzuschreiben, sondern vom Evangelium aus das Handeln der Politiker zu reflektieren und ggf. dann die Stimme zu erheben. Aber jetzt lassen wir die zukünftige Regierung vielleicht erstmal anfangen, ehe wir sie gleich in eine Ecke stellen und den Bischöfen eine Fehleinschätzung der Lage unterstellen.

Beste Grüße,

Nikodemus
Veritas liberabit vos - Die Wahrheit wird euch frei machen (Joh 8,32)

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Da hat mal ein Mann gesagt:
Was du dem Geringsten deiner Brüder tust,
das hast du mir getan...

wer war das noch,
helft mir mal...

Es ist Verpflichtung aller,
die G''TT ihren HERREN nennen,
soziale Ungerechtigkeit und Armut und Chancenlosigkeit zu beseitigen!
Das hat Thomas Müntzer schon erkannt,
als seine Gegner nur an ihr persönliche Bereicherung dachten.

Hier Gold die Fülle zu horten,
und sei es als Aktien,
zum Entlassen der Arbeiterschaft,
und Ersetzen durch Maschinen,
ist wider SEINEM Worte.

Ob ein Kanzler ein "Soziiieh-aal-demon-krat",
oder eine "Kriest(dunichtgenug)demokra(ur)tin" wäre,
das ändert nix.

Solange Schulden
(und da sind auch kirchlich nicht von aussenvor)
den Glauben an den Neoliberalismus schüren,
wird der Glaube an G''TTes Sinn des Lebens nicht Fussgreifen können.

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spectator
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Beitrag von spectator »

Ragnar hat geschrieben:Da hat mal ein Mann gesagt:
Was du dem Geringsten deiner Brüder tust,
das hast du mir getan...

wer war das noch,
helft mir mal...
keine Ahnung.

Sir Lancelot vielleicht... ?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nikodemus hat geschrieben:Bischof Marx geht mit seinem Votum genau in die richtige Richtung. Das es Reformen geben muss sieht jeder, der einen Blick auf die Haushaltspläne von Bund und Ländern wirft.
Nein, daß ist grundfalsch, und darum natürlich auch dies:
Konrad hat geschrieben:Ganz recht Herr Bischof, aber wirkliche Reformen müssen allen weh tun.
Das Reformgerede ist ein Selbstläufer geworden. Jeder plappert es nach, es geht allem selbständigen Denken voraus. »Reformen müssen sein« – den Satz sollte jeder aus seinem Denken eliminieren, denn er ist als Axiom unsinnig und falsch.

Der Begriff der Reform kann an sich vielerlei meinen. Er ist im derzeitigen öffentlich Diskurs aber völlig auf die Umsetzung der Forderungen und Interessen der herrschenden – vor allem Finanz und Medien beherrschenden – Klasse eingeengt. Darum sollte ihn, wer ernsthaft reden will, besser ganz meiden und konkret sagen, was er will.

Über mancherlei, was gegenwärtig heiß diskutiert wird, kann man durchaus legitim streiten. Stichwort: »Senkung der Staatsquote«. Daß die Steuersätze bei weitem zu hoch sind, würde ich zum Beispiel sofort unterschreiben. Auch, daß das Steuersystem zu komplziert ist und vereinfacht werden sollte. Ebenso, daß überhaupt viel zu viele Aufgabe der Staat an sich gezogen hat – und obendrein zentralisiert und immer weiter zentralisiert.

Andererseits widerspreche ich entschieden dem Privatisierungswahn. Aufgaben der öffentlichen Infrastruktur – wie beispielshalber Energie- und Wasserversorgung und -entsorgung, Verkehrswege und Finanzwesen – sind beim anonymen, international fluktuierenden Kapital in denkbar schlechten Händen. Wenn hier überhaupt private Hand, dann eine inländische, dem Gemeinwohl unbedingt verpflichtete private Hand.

Die gegenwärtig diskutierten „Reform“-Themen sind allesamt praktisch irrelevant für die Lösung der schweren wirtschaftlichen Probleme, wenn sie nicht sogar selbst diese Probleme herbeigeführt haben oder noch verschärfen. Austeritätspolitik war noch nie in der Geschichte erfolgreich – höchstens vielleicht lukrativ für solche, die selbst an den furchtbarsten Kriegen noch verdienen und überall aus den Not der Menschen ihren Reibach machen.

Falsche Sparpolitik kürzt Investitionen: zuerst Investitionen in neue Projekte, dann in die Erhaltung des Bestehenden. Sie führt zu Verfall und Niedergang. Es ist ein Irrtum, man könne einen Staat nach betriebswirtschaftlichen oder gar rein buchhalterischen Gesichtspunkten regieren. Nötig sind Investitionen, die Werte schaffen, die auf mittel- und langfristige Rendite ausgerichtet sind.

Und hierin läge die Lösung des Problems. Auch nicht etwa bloß im sturen Beharren auf „sozialen Errungenschaften“. Nein, wenn die tatsächlich nicht finanzierbar sind, dann ist auch nicht geholfen, wenn ich kurzfristig ein paar Reiche schröpfe. Denn dies erschröpfte Geld ist bald auch verbraucht – und was dann? – Nein, in produktive Investitionen – statt in spekulative und destruktive, wie jetzt – ist das Kapital zu leiten.

Die Mittel, die der öffentlichen Hand heute fehlen, können nur wieder fließen aus einem „nachhaltigen“ Wiederaufbau, aus einem fundamentalen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft, weg vom kurzfristigen Gewinnstreben, hin zu langfristiger Wertschöpfung. Wer die Mentalität, die heute in den Führungsetagen der Wirtschaft mit deren gesamtem kaufmännischen Unterbau kennt – im Gegensatz zum weithin resignierten technisch-produktiven Unterbau –, der weiß auch, daß das nicht von allein kommt, sondern nur durch staatliche Lenkung.

Dazu muß der Staat wieder freie Hand bekommen. Das heißt: Wen mit den Maastrichter Fesseln. Weg mit der pseudounabhängigen europäischen Zentralbank. Umbau der deutschen Bundesbank von einer monetaristischen Vertretung der Interessen der internationalen Finanzoligarchie zu einer echten Nationalbank, zu einem währungs- und wirtschaftspolitischen Instrument in der Hand der Regierung. (Oder wenigstens, hilfsweise, Ausbau der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu einem solchen Werkzeug.)

Weg mit dem tausend Möglichkeiten grüner Ideologen, konkrete Wiederaufbauprojekte jahrzehntelang zu blockieren. Sperren der Kanäle des internationalen Spekulationskapitals. Nein, wir brauchen keine ausländischen oder heimatlosen Pseudoinvestoren, die hier Betriebe aufkaufen, die Hälfte des Personals „freisetzen“, die Betriebe zerschlagen, Teile gewinnbringend verkaufen und nach wenigen Jahren mit ihrem Reibach abziehen und hier nichts als verbrannte Erde hinterlassen.

Wir brauchen auch nicht die Freiheit inländischer Kapitalseigner, das inländische Kapital ins Ausland zu überführen und der heimischen Volkswirtschaft zu entziehen. Solche Freiheit ist von Übel. Ebenso ist von Übel, wenn ausländische Billigprodukte ungehindert die heimischen Märkte überschwemmen dürfen. Kurz, die inländische Wirtschaft muß auch durch Devisenkontrollen und moderate Protektion geschützt werden.

Um dies zu ermöglichen, bedarf die Regierung auch entsprechender Handlungskompetenz. Das ist derzeit nicht gegeben. Darum müssen auch die Kompetenzen der europäischen Zentralbehörden eingeschränkt werden. Denn dort wird alles andere vertreten, nur nicht die Interessen der nationalen Volkswirtschaften.

Und was hat nun die Kirche dazu zu sagen, vorgestern Lehmann, gestern Marx und heut’ ich weiß nicht wer? – Nachplappern, nachplappern, nachplappern. Ach, ihr Hirten! Wenn man keine Ahnung hat …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Umbau der deutschen Bundesbank von einer monetaristischen Vertretung der Interessen der internationalen Finanzoligarchie zu einer echten Nationalbank, zu einem währungs- und wirtschaftspolitischen Instrument in der Hand der Regierung. (Oder wenigstens, hilfsweise, Ausbau der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu einem solchen Werkzeug.)

Weg mit dem tausend Möglichkeiten grüner Ideologen, konkrete Wiederaufbauprojekte jahrzehntelang zu blockieren.
Naja,
wenn kein Vertrauen in Europa
(soll ja auch was mit der christlich-abendländischen Kultur zu tun haben)
vorhanden ist,
dann stimmt das mit der National Bank, möglicherweise...

Die Grünen haben den Wiederaufbau verhindert?
der Mega-Flughafen Frankfurt ist Wiederaufbau?
Atomkraft ist Wiederaufbau?


Ich denke mal,
die Entgiftung der Schöpfung G''TTes,
SEINER Grundlage,
die Lebensmittel,

die ER uns gab,
ist wichtiger als das sich verrennen in eine
strahlende Zukunft...

Stefan

Beitrag von Stefan »

Das Reformgerede ist ein Selbstläufer geworden. Jeder plappert es nach, es geht allem selbständigen Denken voraus. »Reformen müssen sein« – den Satz sollte jeder aus seinem Denken eliminieren, denn er ist als Axiom unsinnig und falsch.
Der Begriff ist nicht falsch und nicht richtig. Er ist abgenutzt, und wird für jede -notwendige- Anpassung im staatlichen Gesetzeswerk gleichermaßen verwendet. Wer behauptet, Veränderungen seien nicht mehr notwendig, entzieht der Legislative die Berechtigung; das will ernsthaft niemand.
Worauf kommt es an? Die derzeitige Diskussion ist hat ihren Ausgangspunkt aus den Augen verloren. Es geht um die Tatsache, daß unser Land ohne Veränderung der Rahmenbedingungen auf lange Sicht destabilisiert wird, was zu materiellem und personellen Schäden führen wird. Es gibt drei Hauptproblemfelder:

a) Eine Staatsverschuldung, die aus dem Ruder läuft
b) Eine Sozialversicherung, die nicht mehr zur demographischen Entwicklung paßt
c) Seit Jahren wachsende Arbeitslosigkeit, die die o.g. Probleme verschärft.

Es besteht weitgehender politischer Konsens, daß es Lösungen für die o.g. Probleme geben muß. Über die Lösungsansätze besteht naturgemäß Dissens, die Lösungsansätze bezeichnet man als "Reformen".
Der Begriff der Reform kann an sich vielerlei meinen. Er ist im derzeitigen öffentlich Diskurs aber völlig auf die Umsetzung der Forderungen und Interessen der herrschenden – vor allem Finanz und Medien beherrschenden – Klasse eingeengt.
Es ist ein weiteres Kennzeichen, daß in der politischen Auseinandersetzung umgehend die Aufgabenstellung vergessen wird. Ausweichstrategien sind: Identifikation eines Schuldigen (Herrschende Klasse), Verharmlosung (Man rede den Leuten aus Eigennutz Angst ein), Zerstörung von Lösungsansätzen durch gnadenlose Konkretisierung (Modell SPD bei Kirchhof), Emotionalisierung (Montagsdemonstrationen, Linke Opposition)
Eine nüchtern-sachliche Auseinandersetzung darüber, welche Lösung zum Problem paßt, findet weitestgehend nicht statt.
Andererseits widerspreche ich entschieden dem Privatisierungswahn. Aufgaben der öffentlichen Infrastruktur – wie beispielshalber Energie- und Wasserversorgung und -entsorgung, Verkehrswege und Finanzwesen – sind beim anonymen, international fluktuierenden Kapital in denkbar schlechten Händen. Wenn hier überhaupt private Hand, dann eine inländische, dem Gemeinwohl unbedingt verpflichtete private Hand.
Ach, immer diese Kampfformeln. Vorgestern habe ich einen Vortrag von Hengsbach, jenem Professor aus Frankfurt, gehört. Er sprach vom "Reformspektakel", eine polemische und manipulative Darstellung der ökonomischen Diskussion. Er ist ja bekanntermaßen ein extremer Vertreter der Kapitalismuskritik. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn sie sachlich erfolgen würde.
Was bedeutet denn Privatisierung? Ist das automatisch etwas Schlechtes? Nein, es kann nützlich sein und mißbraucht werden. Das ist aber in einem staatlichen System ebenso. Wer die Wirklichkeit kennt, weiß, daß Vorteilsstrategien auf beiden Seiten erfolgen könnten.
Eine Privatisierung ohne staatliche Rahmenvorgabe und Kontrolle würde Mißbrauch begünstigen. Eine Verstaatlichung ohne private Initiative und Kontrolle würde eine lahme und unfähige Ente werden. Das, was hier als Privatisierungswahn diffamiert wird, nennt sich eigentlich Subsidiaritätsprinzip, welches in der katholischen Soziallehre fest verankert ist. Das eigentlich Problem wird aber beim Namen genannt: Die Auswirkungen der Globalisierung! Internationale Investoren können im Inland tätig werden, ohne das Gemeinwohl in irgendeiner Form zu berücksichtigen. Wie sehr dies ans Ehrgefühl geht, konnte man bei der Fusion zwischen Daimler und Chrysler sehen. Es hat den Anschein, als müssten hier Einschränkungen erfolgen; eine Diskussion über die Bedeutung eines patriotischen Nationalgefühls auf solidarisches Handeln und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Gloablisierung tut Not.
Falsche Sparpolitik kürzt Investitionen: zuerst Investitionen in neue Projekte, dann in die Erhaltung des Bestehenden. Sie führt zu Verfall und Niedergang. Es ist ein Irrtum, man könne einen Staat nach betriebswirtschaftlichen oder gar rein buchhalterischen Gesichtspunkten regieren. Nötig sind Investitionen, die Werte schaffen, die auf mittel- und langfristige Rendite ausgerichtet sind.
So ist das nicht richtig. Die Investitionen werden ja nicht durch eine falsche Sparpolitik gekürzt, sondern durch den stark wachsenden Anteil an Zinszahlungen (wegen der Staatsverschuldung) und der Sozialausgaben (wegen der Arbeitlosigkeit und der nicht mehr zur demographischen Entwicklung passenden Sozialversicherung). Die Sparpolitik setzt konsequenterweise an den Ursachen an, und versucht diese beiden Investitionsabwürger zu zähmen. Werden keine Reformen durchgeführt, steht in wenigen Jahren kein Geld mehr für Investitionen bereit. Eine Erhöhung der Abgaben zur Deckung des Zins- und Sozialausgaben wird aber unweigerlich zu weniger privaten Investitionen führen, die wohl immer noch im Vordergrund vor staatlichen Investitionen stehen. Dieses Problem ist strukturell und kann nur durch einen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik gelöst werden.
Wer die Mentalität, die heute in den Führungsetagen der Wirtschaft mit deren gesamtem kaufmännischen Unterbau kennt – im Gegensatz zum weithin resignierten technisch-produktiven Unterbau –, der weiß auch, daß das nicht von allein kommt, sondern nur durch staatliche Lenkung.
Der Staat muß immer dort eingreifen, wo sich die Bürger nicht von alleine benehmen können. Man sollte einmal überlegen, warum sich die Führungsetagen so verhalten - und warum dies in anderen Ländern offenbar ein geringeres Problem darstellt. Vielleicht eine Folge der in Deutschland gepflegten klassenkämpferischen Attitüde? Die Haßprediger gegen "die Reichen" (wir haben es just im Wahlkampf wieder erlebt) verhalten sich jedenfalls auch nicht anders als die "Führungsetagen". Zumindest einige. Der deutschen Gesellschaft fehlt es eben an der gegenseitigen Solidarität. Stattdessen fordert sie diese nur von den anderen ein - und pflegt das Feindbild, gegen das man sich solidarisieren muß.
Dazu muß der Staat wieder freie Hand bekommen. Das heißt: Wen mit den Maastrichter Fesseln. Weg mit der pseudounabhängigen europäischen Zentralbank. Umbau der deutschen Bundesbank von einer monetaristischen Vertretung der Interessen der internationalen Finanzoligarchie zu einer echten Nationalbank, zu einem währungs- und wirtschaftspolitischen Instrument in der Hand der Regierung. (Oder wenigstens, hilfsweise, Ausbau der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu einem solchen Werkzeug.)
Entweder das oder eine zügige und endgültige Vereinheitlichung des supranationalen Wirtschafts- und Steuerrechts. Schon beim einfachsten Mittel (Mehrwertsteuer) scheitern diese Bemühungen. Ich will noch nicht von der europäischen Idee abrücken, aber so wie sie zur Zeit eingerichtet ist, wäre es besser auf sie zu verzichten.
Weg mit dem tausend Möglichkeiten grüner Ideologen, konkrete Wiederaufbauprojekte jahrzehntelang zu blockieren. Sperren der Kanäle des internationalen Spekulationskapitals. Nein, wir brauchen keine ausländischen oder heimatlosen Pseudoinvestoren, die hier Betriebe aufkaufen, die Hälfte des Personals „freisetzen“, die Betriebe zerschlagen, Teile gewinnbringend verkaufen und nach wenigen Jahren mit ihrem Reibach abziehen und hier nichts als verbrannte Erde hinterlassen.
Das ist undifferenzierter Unfug. Es reicht nicht aus, ein paar Parolen nachzuplappern.
Wir brauchen auch nicht die Freiheit inländischer Kapitalseigner, das inländische Kapital ins Ausland zu überführen und der heimischen Volkswirtschaft zu entziehen. Solche Freiheit ist von Übel. Ebenso ist von Übel, wenn ausländische Billigprodukte ungehindert die heimischen Märkte überschwemmen dürfen. Kurz, die inländische Wirtschaft muß auch durch Devisenkontrollen und moderate Protektion geschützt werden.
So hat es die DDR gelöst, die genau dieses Problem hatte. Die Spitze des Eisberges ist der Umtauschzwang. Mit neomarxistischen Methoden konnte man nie und wird man nie diese Art von Problemen lösen.
Um dies zu ermöglichen, bedarf die Regierung auch entsprechender Handlungskompetenz. ...
Eine Art Ermächtigungsgesetz?

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Nikodemus
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Wirtschaft

Beitrag von Nikodemus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben: Das Reformgerede ist ein Selbstläufer geworden. Jeder plappert es nach, es geht allem selbständigen Denken voraus. »Reformen müssen sein« – den Satz sollte jeder aus seinem Denken eliminieren, denn er ist als Axiom unsinnig und falsch.
Da kann ich dir soweit recht geben, als das er als Axiom tatsächlich unsinnig wäre, denn Reformen sind natürlich nur dann durchzuführen, wenn sie eine Verbesserung der Lage erbringen und durch den Überhang an positiven gegenüber negativen Effekten gerechtfertigt sind. Natürlich müssen sie auch den Bezug zur göttlichen Ordnung wahren und festigen, zu der sie in mehr oder weniger enger Verbindung steht.
Über mancherlei, was gegenwärtig heiß diskutiert wird, kann man durchaus legitim streiten. Stichwort: »Senkung der Staatsquote«. Daß die Steuersätze bei weitem zu hoch sind, würde ich zum Beispiel sofort unterschreiben. Auch, daß das Steuersystem zu komplziert ist und vereinfacht werden sollte. Ebenso, daß überhaupt viel zu viele Aufgabe der Staat an sich gezogen hat – und obendrein zentralisiert und immer weiter zentralisiert.
Nun, die Sache ist halt die, dass wir trotz zu hoher Steuern immer noch zu wenig auf der staatlichen Einnahmeseite haben. Demzufolge müsste man auf der Ausgabenseite sparen. Immer nur mehr Schulden zu machen ist keine Lösung, denn die müssen bezahlt werden - und zwar mit Zinsen! Es gibt Bundesländer, da sind die Zinstilgungen der größte Einzelposten im Landeshaushalt.
Aus solchen Verhältnissen leite ich Reformbedarf ab.
– Nein, in produktive Investitionen – statt in spekulative und destruktive, wie jetzt – ist das Kapital zu leiten.
Kapitallenkung ist ja ohnehin nur begrenzt möglich. Aber man könnte es zumindest versuchen, aber wie sollte man das machen?
Die Mittel, die der öffentlichen Hand heute fehlen, können nur wieder fließen aus einem „nachhaltigen“ Wiederaufbau, aus einem fundamentalen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft, weg vom kurzfristigen Gewinnstreben, hin zu langfristiger Wertschöpfung.
Mein Eindruck ist, dass in der ganzen Gesellschaft ein Paradigmenwechsle hin zu kurzfristigem Gewinnstreben stattgefunden hat - erinnern wir uns noch an die Aktienhysterie vor einigen Jahren und den Katzenjammer, als die Kurse wieder in der Realität ankamen.
Dazu muß der Staat wieder freie Hand bekommen. Das heißt: Wen mit den Maastrichter Fesseln. Weg mit der pseudounabhängigen europäischen Zentralbank. Umbau der deutschen Bundesbank von einer monetaristischen Vertretung der Interessen der internationalen Finanzoligarchie zu einer echten Nationalbank, zu einem währungs- und wirtschaftspolitischen Instrument in der Hand der Regierung. (Oder wenigstens, hilfsweise, Ausbau der Kreditanstalt für Wiederaufbau zu einem solchen Werkzeug.)
Mein Eindruck ist, dass die Zentralbanken das geringste Problem sind.
Weg mit dem tausend Möglichkeiten grüner Ideologen, konkrete Wiederaufbauprojekte jahrzehntelang zu blockieren. Sperren der Kanäle des internationalen Spekulationskapitals. Nein, wir brauchen keine ausländischen oder heimatlosen Pseudoinvestoren, die hier Betriebe aufkaufen, die Hälfte des Personals „freisetzen“, die Betriebe zerschlagen, Teile gewinnbringend verkaufen und nach wenigen Jahren mit ihrem Reibach abziehen und hier nichts als verbrannte Erde hinterlassen.
Das ist natürlich auch eine etwas einseitige Sichtweise ausländischer Kapitalgeber und kaum mehr machbar.
Wir brauchen auch nicht die Freiheit inländischer Kapitalseigner, das inländische Kapital ins Ausland zu überführen und der heimischen Volkswirtschaft zu entziehen. Solche Freiheit ist von Übel. Ebenso ist von Übel, wenn ausländische Billigprodukte ungehindert die heimischen Märkte überschwemmen dürfen. Kurz, die inländische Wirtschaft muß auch durch Devisenkontrollen und moderate Protektion geschützt werden.
Gerade Deutschland profitiert vom internationalen freien Handel. Japan hat versucht eine protekitonistische Politik mit einem starken Export zu verknüpfen, was ihm die Lage eingebracht hat, dass andere Länder ihre Importe gestoppt haben. Wir müssen zum nehme und geben im internationalen Handelsrahmen bereit sein.
Um dies zu ermöglichen, bedarf die Regierung auch entsprechender Handlungskompetenz. Das ist derzeit nicht gegeben. Darum müssen auch die Kompetenzen der europäischen Zentralbehörden eingeschränkt werden. Denn dort wird alles andere vertreten, nur nicht die Interessen der nationalen Volkswirtschaften.
Das die europäischen Behörden gestärkt werden müssen sehe ich auch so - bloss sehe ich nicht, was man ihnen zur Zeit vorzuwerfen hat...?

Nikodemus
Veritas liberabit vos - Die Wahrheit wird euch frei machen (Joh 8,32)

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