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Stichwort: "Unterschicht" - und wer gehört dazu ?
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 17:16
von Pit
Hallo "Kreuzgangster",
Da hier und auch in den Medien immer wieder das Stichwort fällt, stelle ich die Fragen mal in den (virtuellen) Raum:
Was ist die "Unterschicht" und wer gehört eurer Meinung nach dazu?
" " " "Oberschicht" " " " " " " " ?
Gruß, Pit
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 18:25
von Ecce Homo
Es gibt keine "Schichten" - es gibt nur Menschen. Alles andere ist Schubladendenken und Aburteilen von Personen.
Meine bescheidene Meinung.

Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 18:32
von asderrix
kenne nur Früh-, Mittel- und Nachtschicht.

Schade
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 18:41
von sofaklecks
Schade, dass ich hier keine Bilder reinstellen kann, sonst tät ich eine der letzten Marunde-Karikaturen aus der Hör-Zu reinsetzen.
Zu sehen war eine fein saubere Schweinemama mit ebensolchem Ferkel, welchletzteres sehr interessiert einer Schweinefamilie zusieht, die sich ausserhalb des Zauns um den Hof in einem Dreckloch suhlt.
"Sieh nicht hin," warnt die Mama. "Das sind Leute mit bildungsfernem Hintergrund!"
Meinst du sowas?
sofaklecks
Schichten?
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 19:04
von Hypatia
Genial! Eure Fragen und Antworten. Und im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarn sind wir inzwischen auch zu einem Volk ohne Schichten - (Klassen) geworden. Von anderen Kulturen will ich gar nicht erst berichten, die würden uns für verrückt erklären!
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 19:17
von Pit
Das ist auch meine Meinung, und das Urteilen über Menschen bestimmter "Schichten", wie es an anderer Stelle Uwe Schmidt getan hat, halte ich für sehr fragwürdig, schon deshalb, weil es Menschen auf ein Verhalten festnagelt, nur, weil diese in einer bestimmten Situation leben.
Gruß, Pit
Ecce Homo hat geschrieben:Es gibt keine "Schichten" - es gibt nur Menschen. Alles andere ist Schubladendenken und Aburteilen von Personen.
Meine bescheidene Meinung.

Schichten?
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 19:30
von Hypatia
Pit, das sehe ich wie Du!
Verfasst: Mittwoch 7. Februar 2007, 20:24
von Linus
Festgefügte Schichten gibt's nicht mehr in der postindustrialisierten/~modernen/~sekularisierten Welt. Ich denke heutzutage hängt die Differenz an der conspicious consumption um einen Begriff Thorstein Veblens zu verwenden. Man verwendet ganz bestimmte Dinge (nicht) um Zugehörigkeit/Nicht-Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu demonstrieren.
Wiewohl ich in den alten adeligen Schichten - auch bei zunehmender Verbürgerlichung - immernoch eine wohl von erzieherischer Sozialisation herrüherende Distanzdifferenz wahrzunehmen vermeine.
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 02:21
von Uwe Schmidt
Also der große deutsch-britische Soziologe (und nebenbei Doktorvater von Gabriele Kuby) Dahrendorf ist jedenfalls der Meinung, das jeder Mensch einer bestimmten Gruppe zugehört und versucht, sich an der Gruppenerwartungen anzupassen. Also fährt man als Proll eben typischerweise Opel Mazda und als Reicher Mercedes Benz. Als Unterschichtler wird man unter sich in der Kneipe verkehren, der gehobene Mittelstand geht aber ins Theater und Restaurant. Mittlerweile ist die Frankfurter Schule und ihr Indvidualismus ja durch die ganzen Türken in Deutschland längst zurückgedrängt und es herrscht eiserner Gruppenzwang, bis hinein in die Kleidung (wehe, du hast das falsche Kettchen an - schon wirst du aus dem Rudel ausgeschlossen).
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 08:49
von Inabikari
@Uwe Schmidt
Was ist bitte ein "Opel Mazda"?
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 08:54
von Linus
hat wohl den Schrägstrich / vergessen.
Im übrigen verwehre ich mich dass Mazda ein Unterschichtauto sein soll. Meine Eltern waren immer verarmende Mittelschicht, was anderes ging nicht
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 09:11
von Stephen Dedalus
Ecce Homo hat geschrieben:Es gibt keine "Schichten" - es gibt nur Menschen. Alles andere ist Schubladendenken und Aburteilen von Personen.
Meine bescheidene Meinung.

Dann lade ich Dich mal zu einem Besuch in England ein, wo das Klassensystem fröhlich Urständ feiert...
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 09:47
von Maria Magdalena
Oh, nun ist dies hübsch häßliche Wort auch hier gelandet!
Also diese Worterfindung ist eins der neuen Spielmöglichkeiten besimmter Kreise. Wobei viele Leute dieser sogenannten" Untersicht"
nur das Lachen bekommen wegen der Dummheit der Gelehrten bzw. nur den Kopf schütteln können und sich ernsthaft Fragen "ob die tatsächlich nichts anders zu "überdenken" haben?"

Schichtkäse
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 09:57
von sofaklecks
Wir haben keine Kastengesellschaft.
Noch immer kann jemand aus armen Verhältnissen reich werden und ein Reicher arm.
Wenn man Unterscheidungen anbringen will, dann die, wie weit ein Mensch menschlich geworden ist. Ob er sich seine Würde bewahrt hat.
Das hängt weniger mit dem Geld als mit der Bildung zusammen. An dem, was man gelernt habe, trage man nicht schwer, hat meine Mutter immer gesagt, und man müsse es an keiner Grenze verzollen, ein verstorbener Mandant, Gott hab beide selig.
Es hängt mit den Manieren zusammen.
Es hängt also davon ab, ob man von seinen geistigen Fähigkeiten Gebrauch macht oder man sie verkommen lässt.
Und übrigens: Ein Opel Manta war kein billiges Auto. Vor allem nicht in der GTE-Variante.
sofaklecks
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 09:57
von Linus
Stephen Dedalus hat geschrieben:
Dann lade ich Dich mal zu einem Besuch in England ein, wo das Klassensystem fröhlich Urständ feiert...
Literaturtipp: Schwanitz Dietrich: Bildung - Alles, was man Wissen muß Goldmannverlag: Seite578 ff
Daraus: "England ist im Gegensatz zu den USA eine Klassengesellschaft. Und das Kriterium für den Unterschied zwischen oben und unten in der Gesellschaft ist die Sprache bzw. der Akzent. Weil der Akzent bei uns nicht dieselbe Rolle spielt, kann man diese englische Besonderheit nicht genug betonen. ..."
Im übrigen ein amüsantes Buch.
Sowie Wossen Asserate, Asfa: Manieren
und Schönburg Alexander von: "Die Kunst des stilvollen Verarmens"
"Unterschicht"
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 10:08
von Hypatia
Lieber Linus,
"Schule der Armen". Ein Leitfaden für Menschen mit geringem Einkommen, von Sandor Marai dürfte Dir auch gut gefallen.
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 12:02
von Stephen Dedalus
Linus hat geschrieben:Literaturtipp: Schwanitz Dietrich: Bildung - Alles, was man Wissen muß Goldmannverlag: Seite578 ff
Daraus: "England ist im Gegensatz zu den USA eine Klassengesellschaft. Und das Kriterium für den Unterschied zwischen oben und unten in der Gesellschaft ist die Sprache bzw. der Akzent. Weil der Akzent bei uns nicht dieselbe Rolle spielt, kann man diese englische Besonderheit nicht genug betonen. ..."
Das ist so eine typische Schwanitz-Platitüde. Der Mann ist wirklich so blöd, daß ihn die Schweine beißen, wie man bei uns daheim sagen würde.
An dieser Aussage stimmt nur, daß a) England eine Klassengesellschaft ist und b) der Akzent eine Rolle spielt. Der Rest ist schon von vorne bis hinten wieder Quatsch.
Sorry Linus, aber bei Schwanitz geht mir immer die Hutschnur hoch. Der Mann ist ein schlechter Wiederkäuer von Klischees, und das leider in allen Bereichen.
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 12:15
von Linus
Ach ich fand seine Plattitüdensammlung ganz nett.
Re: Schichtkäse
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 12:57
von Knecht Ruprecht
sofaklecks hat geschrieben:Wir haben keine Kastengesellschaft.
Noch immer kann jemand aus armen Verhältnissen reich werden und ein Reicher arm.
Wenn man Unterscheidungen anbringen will, dann die, wie weit ein Mensch menschlich geworden ist. Ob er sich seine Würde bewahrt hat.
Das hängt weniger mit dem Geld als mit der Bildung zusammen. An dem, was man gelernt habe, trage man nicht schwer, hat meine Mutter immer gesagt, und man müsse es an keiner Grenze verzollen, ein verstorbener Mandant, Gott hab beide selig.
Es hängt mit den Manieren zusammen.
Es hängt also davon ab, ob man von seinen geistigen Fähigkeiten Gebrauch macht oder man sie verkommen lässt.
Und übrigens: Ein Opel Manta war kein billiges Auto. Vor allem nicht in der GTE-Variante.
sofaklecks
Du scheibst zur Realität von heute über die Realität von gestern. In den Anfangsjahren der Bundesrepublik gab es hohe Löhne und Arbeitsplätze für alle. Fabrikarbeiter konnten mit ihrer Arbeit Frau und Kind unterhalten die zu Hause blieben. Heute muss Frau auch arbeiten gehen und trotzdem verdienen beide weniger als der allein arbeitende Mann in der Anfangszeit in der Bundesrepublik. So gab es zur Anfangszeit der Bundesrepublik auch eine Art Prollkultur für junge Arbeiter mit Sportwagen. Als Fabrikarbeiter konnte man gestern finanziell gut leben. Heute gibt es weder Jobs, noch eine Prollklutur mit Sportwagen für Fabrikarbeiter, weil die junge Zielgruppe mit 1€ Job und Zeitarbeit weniger Geld zum Leben hat, als die Menschen von gestern. Auch die Zeitwende ist eine völlig andere. Für die Menschen von gestern wurde es Jahr für Jahr besser und für die Menschen von heute, wird es Jahr für Jahr schlechter.
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 15:24
von Maria Magdalena
Ist denn tatsächlich nur das Geld ausschlaggeben? Du kannst arm an Geld sein und doch "bessere" Manieren als jemand, der von sich meint er gehöre zur "Oberschicht". Gut,es gibt einiges was schwerer zu erreichen ist, wie z. B. der Besuch einer Oper usw., aber dies heißt nicht, daß man völlig auf Bildung und Kultur verzichten muß! ich behaupte mal ganz einfach "jemand, der für dies sparen muß ,würdigt es um einiges mehr, als jemand für den es fast etwas alltägliches ist. Also beginnt " Unterschicht" im Denken und nicht unbedingt im Sein.
Verfasst: Donnerstag 8. Februar 2007, 18:19
von Pit
Nun, das hört sich fast so an, als wenn jeder in einer Art "Kaste" lebt und eigentlich kein wirkliches Interesse empfindet, dem zu entkommen, oder?
Gruß, Pit
Uwe Schmidt hat geschrieben:Also der große deutsch-britische Soziologe (und nebenbei Doktorvater von Gabriele Kuby) Dahrendorf ist jedenfalls der Meinung, das jeder Mensch einer bestimmten Gruppe zugehört und versucht, sich an der Gruppenerwartungen anzupassen. Also fährt man als Proll eben typischerweise Opel Mazda und als Reicher Mercedes Benz. Als Unterschichtler wird man unter sich in der Kneipe verkehren, der gehobene Mittelstand geht aber ins Theater und Restaurant.
Verfasst: Freitag 9. Februar 2007, 07:54
von Linus
Pit hat geschrieben:Nun, das hört sich fast so an, als wenn jeder in einer Art "Kaste" lebt und eigentlich kein wirkliches Interesse empfindet, dem zu entkommen, oder?
Wenige, die aber mit Gewalt.