Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
max72
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Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von max72 »

Hallo,

was ist eigentlich der offizielle Status von Meister Eckhart in der katholischen kirche? Einige seiner Lehraussagen wurden ja verworfen, die er auch widerrief. Bernard McGinn schreibt in einem Buch, Meister Eckhart haette danach immer grossen Einfluss ausgeuebt, selbst der Papst haette ihn zitiert, weswegen er als "akzeptiert" gelten koenne.

Kann man das so sagen? Oder ist das so eine Grauzone?

Das was ich von ihm gelesen habe, hat mich sehr beeindruckt muss ich sagen.

Gruesse

Max

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Hallo, Max,

da ein Zitat von ihm Einzug in den Schott gehalten hat (ich weiß bloß nicht mehr, wo - letztes oder dieses Lesejahr), nehme ich an, dass die Berührungsängste nicht mehr so massiv sind.

Geronimo

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ohne Zweifel zählt der Magister Eckhart zu den umstrittensten philosophischen Denkern des Mittelalters. Man hat ihn als orthodoxen Thomisten hinstellen wollen. Alfred Rosenberg hat ihn für seine Idee vom germanischen Menschen reklamiert; Kolbenheyer will mit seiner litterarisch-fiktionalen Bearbeitung (Das gottgelobte Herz, 1938) letztlich nichts anderes sagen (doch immerhin in ungleich eindrucksvollerer Weise).

Auch die marxistische Forschung nimmt Eckhart für sich in Anspruch, wenn sie bei ihm etwa eine »theologisch verschlüsselte Ethik der Begründung eines neuen Menschentums durch die Aufhebung der Entfremdung vom Gattungswesen des Menschen, dem gottgleichen Sein« zu finden meint (Hans-Ulrich Wöhler, Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, Berlin 1990).

Der Religionsphilosoph Bernhard Welte wiederum (Meister Eckhart. Gedanken zu seinen Gedanken, Freiburg i. Br. 1979) scheint den Meister Eckhart mit einer Art sublimierter „New-Age“-Lehre in Verbindung bringen zu wollen. – Beispiele unterschiedlichster Auslegung ließen sich noch viele bringen. Doch lesen die Interpreten da immer bloß ihre jeweiligen Wunschvorstellungen in Eckarts Texte hinein, oder bieten diese Anknüpfungspunkte für derlei Vereinnahmung?

Die gängige Bezeichnung Eckharts als „Mystiker“ führt in die Irre. Eckhart ging es nicht um „Mystik“ (was immer das sei): Er wollte Philosophie betreiben, christlich-theologische Aussagen durch eine autonome Philosophie begründen. Eckhart focht dabei vor allem die am Ende des 13. Jahrhunderts stark aristotelisch geprägte scholastische Theologie an, nicht zuletzt seinen Ordensbruder Thomas selbst, der ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod im Begriff war, autoritative Geltung zu erlangen.

Von besonderem Einfluß auf Eckhart waren neben seinem unmittelbaren Vorläufer Dietrich von Freiberg und neben Avicenna und Moses Maimonides – die freilich schon von Albert und Thomas beackert worden waren – vor allem die neuplatonische Tradition des Liber de causis – und darum insbesondere Proclus – und jener gnostisierende „hermetische“ Traditionsstrang, für den der Liber XXIV philosophorum steht, wie ihn später Marsiglio Ficino herausgab (und der im übrigen auch Luther nachhaltig beeinflußt hat).

Eckhart griff also zur Abwehr eines überzogenen Aristotelismus nicht etwa auf die patristische Tradition zurück, vor allem nicht auf Augustin,sondern auf die spekulative Philosophie neuplatonisch-gnostischer Prägung, wie sie aus der heidnischen Spätantike aufs abendländische Mittelalter gekommen war.

Dies ist von einem immanentistischen Pantheismus klar abzugrenzen. Eckhart hieß weder Spinoza noch Hegel. Er ist vielmehr (wie auch noch Luther) beeinflußt vom Dualismus der antiken Gnosis, vom Widerstreit von Geist und Materie; freilich in neuer, origineller Begrifflichkeit: Für ihn ist das Sein an sich Gott (»esse est Deus« – »Deus igitur et esse idem«); das Sein der Geschöpfe, das Dies-oder-jenes-Sein (»esse hoc aut hoc«), ist nur abgeleitetes, teilhabendes Sein. Da klingt wieder der alte, anaximandrische Mythus vom Sündenfall der Begrenzung, der Vereinzelung aus dem ἄπειρον nach.

Den Intellekt definiert Eckhart als das »non ens hoc et hoc«,als Ablösung vom Begrenzten, als denkende Erhebung zum einen Sein. Der Immanentismus eines Herrn Georg W. F. Weltgeist, eines Teilhard de Chardin oder aktueller „New-Age“- und „Mutter-Erde“-Kulte liegt Eckhart tatsächlich fern. Bei ihm klingt die antike Gnosis nach, noch nicht kontaminiert durch die Idee einer immanent gedachten säkularisierten Heilsgeschichte.

Durch die päpstliche Konstitution In agro dominico vom 27. März 1329 wurden siebzehn Aussagen Eckharts als häretisch und elf weitere als »malesonantes, temerari(i) et suspect(i) de hæresi« (»übelklingend, leichtsinnig und ketzereiverdächtig«), verurteilt – unter der ausdrücklichen Erklärung, daß »Ekardus in fine vitæ suæ fidem catholicam profitens prædictos … articulos, quos se prædicasse confessus exstitit, … revocavit ac etiam reprobavit« (daß »er am Ende seines Lebens [1328] den katholischen Glauben bekannt und seine zuvor genannten Thesen, welche vertreten zu haben er bekannte, widerrufen und sogar verworfen« habe, cf. DS 950-980). Aber lesen wir einige dieser verurteilten Sätze des Meisters aus dem Predigerorden nach.

»Nos transformamur totaliter in Deum et convertimur in eum; simili modo sicut in sacramento panis convertitur in corpus Christi, sic ego convertor in eum, quod ipse operatur me suum esse unum, non simile. per viventem Deum verum est, quod ibi nulla est distinctio – Wir werden gänzlich zu Gott umgestaltet und verwandeln uns in ihn; auf ähnliche Weise, wie im Sakrament das Brot in den Leib Christi verwandelt wird, so werde ich verwandelt in ihn, weil er es wirkt, daß ich sein Eines bin, kein Ähnliches. Bei dem lebendigen Gott ist wahr, daß es da keine Unterscheidung gibt« (DS 960).

»Quidquid Deus Pater dedit Filio suo unigenito in humana natura, hoc totum dedit mihi. Hic nihil excipio, nec unionem nec sanctitatem, sed totum dedit mihi sicut sibi – Was immer Gott Vater seinem eingeborenen Sohn in der menschlichen Natur gab, das alles gab er mir. Hier nehme ich nichts aus, weder die Einheit noch die Heiligkeit, sondern das Ganze gab er mir wie ihm« (DS 961).

»Quidquid dicit sacra scriptura de Christo, hoc etiam totum verificatur de omni bono et divino homine – Was immer die heilige Schrift von Christo sagt, das alles erweist sich auch als die Wahrheit über einen jeden guten und heiligen Menschen« (DS 962).

»Quidquid proprium est divinæ naturæ, hoc totum proprium est homini justo et divino; propter hoc iste homo operatur, quidquid Deus operatur, et creavit una cum Deo cælum et terram, et est generator Verbi æterni, et Deus sine tali homine nesciret quidquam facere – Was immer der göttlichen Natur eigen ist, das ist gänzlich dem gerechten und göttlichen Menschen eigen; deswegen wirkt dieser Mensch, was immer Gott wirkt: Wie er, eins mit Gott, Himmel und Erde erschuf, so ist er auch Zeuger des ewigen Worts, so wüßte auch Gott ohne solchen Menschen gar nichts zu tun« (DS 963).

Eckhart selber hat diese Thesen widerrufen und starb als treuer Sohn der Kirche. Das sollte man ernst nehmen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

anselm
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Beitrag von anselm »

Ketelhohn hat geschrieben:.....
Eckhart selber hat diese Thesen widerrufen und starb als treuer Sohn der Kirche. Das sollte man ernst nehmen.[/color]
Wie aber interpretiert man einen Widerruf, bei dem man nicht weiss, ob er aus Angst vor einer kirchlichen Verurteilung/Bestrafung oder aus eigener Überzeugung vollzogen wurde?
Könnte es nicht sein, dass Eckart einfach zu klug war, sich den Folgen einer kirchlichen Verurteilung zu stellen?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das kann man vermuten. Aber wenn man ihm damit Unrecht täte?
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Robert hat geschrieben:Wir werden gänzlich zu Gott umgestaltet und verwandeln uns in ihn; auf ähnliche Weise, wie im Sakrament das Brot in den Leib Christi verwandelt wird, so werde ich verwandelt in ihn, weil er es wirkt, daß ich sein Eines bin, kein Ähnliches. Bei dem lebendigen Gott ist wahr, daß es da keine Unterscheidung gibt« (DS 960).
Ich bräuchte mal eine Abgrenzung dieser als häretisch verurteilten These zu folgenden Dingen:
2 Kor 3,18; 2 Petr 1,3f ("...Teilhaber der göttlichen Natur..."); 1 Kor 15,49; Eph 3,19; Joh 17,11, 21-23; u.v.a.m., z.B. "Gott wurde Mensch, damit der Mensch zu Gott werden kann" (Hl. Athanasios der Große); cf. ähnliches bei Irenäus von Lyon, Hilarius von Poitiers ("De Trinitate", IX, 38, etc.) - und weiterhin v.a.m..

Ich hab' extra versucht, westliche Väter dazu zu finden. Bei den östlichen hätte ich weniger Mühe gehabt.

N

max72
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Beitrag von max72 »

Hei Robert,

herzlichen Dank fuer Deine ausfuehrliche Antwort.

anselm hat geschrieben:
Ketelhohn hat geschrieben:.....
Eckhart selber hat diese Thesen widerrufen und starb als treuer Sohn der Kirche. Das sollte man ernst nehmen.[/color]
Wie aber interpretiert man einen Widerruf, bei dem man nicht weiss, ob er aus Angst vor einer kirchlichen Verurteilung/Bestrafung oder aus eigener Überzeugung vollzogen wurde?
Könnte es nicht sein, dass Eckart einfach zu klug war, sich den Folgen einer kirchlichen Verurteilung zu stellen?
Meister Eckhart hat in seiner Verteidigung den sehr schoenen Satz gesagt "Ich kann mich irren, aber ich kann kein Haeretiker sein. Das erste gehoert zum Intellekt, das zweite zum Willen". Ich denke das zeigt eine sehr gute Intention und auch eine gewisse Bescheidenheit. Und ich denke selbst Meiste Eckhart muss sich bewusst gewesen sein, dass seine Aussagen missverstaendlich sein koennen. Bernard McGinn zitiert in "the mystical thought of Meister Eckhart" auch einen Text, in dem Meister Eckhart das so aussagt.

Bernard McGinn argumentiert uebrigens, dass er Meister Eckhart asl Mystiker ansieht, macht aber darauf aufmerksam, dass eben der Begriff Mystiker schon sehr verschieden verstanden wird.

Gruesse

Max

Ralf

Beitrag von Ralf »

Mich würde mal interessieren, was ein Dominikaner dazu sagen würde (und habe deshalb mal einen angeschrieben).

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Das Problematische bei Meister Eckart ist, dass er auf einer spirituellen Ebene denkt, die die allermeisten Menschen verschlossen bleibt, aber diese wissen es nicht und glauben, ihn verstanden zu haben. Darin liegt eine Gefahr, die m.E. auch zu der damaligen Haltung der Kirche führte - es handelt sich weniger wirklich um die Gedanken als solche, sondern um die Gefahr, die für das "gemeine" Volk davon ausging (und ausgeht), wenn sie sie mißinterpretieren.
Man schaue sich eben auch mal an, wie der gute Eckart von allen möglichen Richtungen und Gruppierungen vereinnahmt wurde (und wird) und wie sein Werk willkürlich geplündert wird, nur um eigene Argumentation zu stützen.
Ich finde es auch problematisch, wenn die kath. Kirche jetzt Zitate von ihm einfach da und dort gebraucht - nicht weil ich ihn häretisch finde, sondern weil die Zitate willkürlich aus dem Gesamtzusammenhang seines Gedankengebäudes herausgerissen sind und durch die Zusammenhanglosigkeit etwas vorgaukeln, was gar nicht der Fall. Somit erscheint er als einfach adaptierbar für jeden.

Geronimo
Zuletzt geändert von Geronimo am Montag 3. Mai 2004, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.

max72
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Beitrag von max72 »

Hei geronimo,

das ist denke ich eine sehr gute Beschreibung. Auch wenn ich selbst Meister Eckhart sehr schaetze, aber das Problem ist wohl, dass er sich nicht in die Versetzen kann, die nicht auf seiner Ebene denken und eben daraus etwas ganz anderes machen...

Gruss

Max

IngoB
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Beitrag von IngoB »

Kurzer Auszug aus dem "Eckhart Review No. 13 Spring 2004", Beitrag "Eckhart's Standing Today" von John Orme Mills OP:
30 March 1992: The Master of the Dominican Order (Fr Damian Byrne) wrote to Cardinal Ratzinger, Prefect of the Congregation of the Doctrine of the Faith, enclosing a copy of the final report of the Eckhart Comission. In his letter he said: "[snip] Only 28 propositions were censured, but they were taken out of context and impossible to verify, since there were no manuscripts in Avignon. The Bull even uses the caution of saying `prout - verba sonet', to protect both the author and his authentic thought. [snip] I formally ask you to take into consideration the request of our General Chapter:`utrum ... aliqua abrogatio condemnationis eius a competinti auctoritate fieri possit' (`whether it might be possible for the competent authority to lift the censure') ... If there is really no need for a true rehabilitation, a word of appraisal of his doctrine would certainly be a source of great joy."

15 August 1992: The Master of the Dominican Order (by then Fr Timothy Radcliffe), in a letter to the Chairman of the Eckhart Society (Peter Talbot Willcox), said:

I wonder whether you know that we tried to have the censure lifted on Eckhart and were told that there was really no need since he had never been condemned by name, just some propositions which he was supposed to have held, and so we are perfectly free to say that he is a good and orthodox theologian. I think that Ursula would have been delighted.

[snip]

28 September 1992: The Master replies to the Chairman: Up to this moment, no reply to the letter of Fr Damian of 30 March to Cardinal Ratzinger has been received. That is not unusual. All delaings with the Vatican take a long time to go through. [snip] My understanding is [snip] he himself does not need any formal rehabilitation.

The Eckhart Society has not got on file any correspondence regarding Eckhart with the Master of the Dominican Order later than this.

[snip]

Almost certainly there would only be a new investigation by the Vatican if an initiative was taken (it would cost about $100,000!) to have Eckhart declared to be a Doctor of the Church.
Ich wuerde Eckhart jedermann empfehlen, insbesondere aber wenn derjenige oder diejenige nichts mit dem Christentum am Hut hat! Klar, man kann Eckhart "falsch verstehen". Aber das Risiko macht mir wenig Angst angesichts der Tatsache, dass die meisten Leute spirituell voellig lethargisch sind, und wenn aktiv, dann meist in Richtung New Age oder bestenfalls Daoismus/Buddhismus. Eckharts deutsche Predigen reissen mit, sind wie ein Eimer kalt Wasser ins Gesicht. Wenn ueberhaupt noch was durchkommt bei der uninteressierten Mehrheit, dann Eckhart. IMHO.

Wer Eckhart foerden will:
http://www.op.org/eckhart/default.HTM
Beste deutsche Seite:
http://www.eckhart.de/

Dieter
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Dieter »

Martin Luther wird vor allem als Reformator gesehen, seine mystischen Wurzeln wurden darüber lange vergessen. Der Kirchenhistoriker Volker Leppin öffnet diese uns fremde spätmittelalterliche Welt in seinem neuen Buch "Die fremde Reformation – Luthers mystische Wurzeln". Luther kannte die Lehren Meister Eckharts und seines Schüler Johannes Tauler. Ihre Ideen entwickelte er in seiner Theologie weiter. Ein Interview mit dem evangelischen Tübinger Kirchenhistoriker Volker Leppin über Meister Eckhart und Martin Luther.
http://www.evangelisch.de/inhalte/13281 ... mp_r=start

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Meister Eckhart - Mystiker und/oder Philosoph?

In der Wissenschaft wird offenbar die Einschätzung Meister Eckharts als Mystiker in Zweifel gezogen (prominent Kurt Flasch). Man könne wohl die "mystischen" Äußerungen durchaus auf Eckharts rationale Philosophie runterbrechen. So u. a. der Mystikforscher J. Sudbrack SJ:
Heribert Fischer hat - nach meiner Meinung unwiderlegbar - gezeigt, dass die gesamte Mystik Meister Eckharts philosophisch zu deduzieren ist; dass es sich gar nicht um Erfahrungen handeln muss, sondern um Denkprozesse.
Nach kurzer aber oberflächlicher Recherche zeigt sich, dass Meister Eckhart,
1. Theologie und Philosophie nicht wirklich getrennt wissen wollte
2. für ihn der intellectus/nous eine recht wichtige Rolle gespielt hat (Gott ist Denken/Intellekt).
Ich vermute mal, dass Eckharts "mystische Äußerungen" deutlich prominenter/populärer sind, als seine theologisch-philosophischen Arbeiten, was ihm eben den Ruf eines "Mystikers" einbrachte. Es wäre aber wohl nicht redlich, diesen einen Aspekt seines Schaffens losgelöst von der anderen Teil seiner Denkarbeit zu betrachten.
Ich denke, es ist wohl kein Widerspruch Eckhart sowohl als Mystiker als auch rationalen Theologen/Philosophen zu sehen. Es käme daher zu kurz ihn nur als einen fast an die Esoterik grenzenden Theosophen bzw. als einen spekulativen Rationalisten zu verstehen.
Was denkt ihr darüber? Wurde Meister Eckhart verzerrt dargestellt?

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Bruder Donald hat geschrieben: 1. Theologie und Philosophie nicht wirklich getrennt wissen wollte
Das ergäbe vor dem Hintergrund, vor dem er m. E. denkt, auch keinen Sinn, genauso wenig wie z. B. vor dem neuplatonischen Denkhintergrund eines Proklos‘.[*] Am Ende des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts war dieser ganze Differenzierungsprozess zwischen Theologie und Philosophie noch nicht einmal abgeschlossen. Eckhart selbst dachte bewusst nicht wie der Aquinat erst kurz vor ihm und wies gewisse der sich damals autoritativ zu etablieren beginnenden Positionen zurück. Oben im Strang wurde das ja bereits angesprochen:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Eckhart focht dabei vor allem die am Ende des 13. Jahrhunderts stark aristotelisch geprägte scholastische Theologie an, nicht zuletzt seinen Ordensbruder Thomas selbst, der ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod im Begriff war, autoritative Geltung zu erlangen.
So einiges von dem, was man heute als seine „mystischen Äußerungen“ kennt, zumal in den volkssprachlichen Texten, scheinen mir ins Praktische und Pastorale übertragene Theorieelemente und Folgerungen seines Platonismus‘ zu sein. Wie dieser Platonismus – unter Absehung gewissen Sonderguts – konkret ausgestaltet war, ist dabei nicht ganz einfach zu sagen. Grob gesprochen gibt es zwei Interpretationslinien, die sich m. E. durch die gesamte Platonrezeption zieht: War Meister Eckhart ein a) "Seins-/Immanenzplatoniker" oder ein b) "Einheits-/Transzendenzplatoniker?"

M. E. stellt er sich z. B. im „Prologus generalis in opus tripartitum“ eher als Seins-Platoniker heraus, in seinem „Buch der göttlichen Tröstung“, in Teilen seiner Schriftauslegung sowie volkssprachlichen Predigten eher als Einheits-Platoniker. Allerdings lässt sich das auch nicht ganz so eindeutig aufdröseln, was die Sache noch einmal erschwert. Kurt Flasch stützt sich, zumindest scheint es mir so, bei seiner Deutung verstärkt auf die Aspekte in Meister Eckharts Denken, die ihn quasi als "Seins-Platoniker" ausweisen. Alternativlos ist das aber gerade nicht.

---
[*] Obwohl Meister Eckhart inhaltlich weniger von Proklos abhängig ist als z. B. Ps.-Dionysios Areopagita, ist der Vergleich angesichts der in seinen Texten auffindbaren Bezüge auch nicht einfach aus der Luft gegriffen:
Dinzelbacher, Peter: Deutsche und niederländische Mystik des Mittelalters. Ein Studienbuch. Berlin, Boston: De Gruyter 2012, 179. hat geschrieben:Doch fühlte sich Eckhart, wie schon die große Zahl der Zitate zeigt, mehr von Augustinus angezogen, ebenso von neuplatonischen Gedanken, wie sie ihm aus Pseudo-Dionysius, dem Liber de causis, dem Liber XXIV philosophorum, Maimonides und Proklos-Kommentaren bekannt waren die auch andere dominikanische Gelehrte wie Dietrich von Freiberg († um 1318/1320) und Berthold von Moosburg († nach 1360) schätzten.
Das ist aber sicher nicht alles, natürlich war Eckhart auch mit Avicenna/Ibn Sina und dem jüdischen Neuplatoniker Avicebron/Ibn Gabirol vertraut.

Trisagion
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Trisagion »

Es bestand nie ein Zweifel daran, daß Eckhart ein "richtiger" akademischer Theologe war. Er hat an der damals wichtigsten Universität des Abendlandes zum Magister promoviert, und hatte anschließend dort den reservierten Lehrstuhl der Dominikaner (einer der zwei führenden Orden in der Theologie) für Nicht-Franzosen inne. In heutiger Zeit wäre das mit jemandem zu vergleichen, der auf eine Professur in Oxford oder Harvard berufen wird, und zwar auf einen Lehrstuhl mit Titel. Selbstverständlich hat er "scholastisch" (also philosophisch-theologisch) gearbeitet, er hatte eine der absoluten Spitzenpositionen der akademischen Scholastik inne.

Es besteht auch keinerlei Zweifel an seinem mystischen Wirken im Sinne einer Inspiration durch seine Werke. Wer Eckharts Predigten mystisch liest ist keineswegs alleine, oder einem modernen Trend aufgesessen. Heinrich Seuse (von Suso) und Johannes Tauler etwa sind unzweifelhaft deutsche Mystiker die von Eckhart gelernt haben und/oder beeinflußt waren.

Meister Eckhart war sicher kein Mystiker im modernen Larifari-Esoteriker-Sinne, wo sich alles um Gefühle dreht. Er ist ziemlich trocken, ziemlich kompromißlos, geradezu hart im Angang und Ausdruck, anspruchsvoll sogar wenn er versuchte "volksnah" zu reden... eindeutig ein "Kopfmensch". Aber es gibt eben auch solche Mystik(er), und ich empfehle hier mal einfach Dogens "Shobogenzo" aus dem Bereich des Zen.

Aber zu der Idee, daß Meister Eckhart nur ein falsch verstandener Scholastiker war dessen Philosophie in Mystik verdreht wurde sage ich nur eins: Akademiker in den nicht-naturwissenschaftlichen Fächern erzählen verdammt viel, wenn der Tag lang ist, weil ihre universitäre Karriere leider teils vom Verkaufen gewagter Thesen abhängt die dem jeweiligen Status Quo widersprechen...

Es gibt leider kaum "praktische" Anweisungen von Eckhart, aber ich erinnere mich an mindestens an eine "verräterische" Schilderung typisch für die Ergriffenheit in Kontemplation. Wenn ich dazu komme, das Material nochmal durchzulesen, finde ich sie vermutlich wieder und werde mich mit einem entsprechenden Hinweis melden.

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 14:50
Meister Eckhart war sicher kein Mystiker im modernen Larifari-Esoteriker-Sinne, wo sich alles um Gefühle dreht. Er ist ziemlich trocken, ziemlich kompromißlos, geradezu hart im Angang und Ausdruck, anspruchsvoll sogar wenn er versuchte "volksnah" zu reden... eindeutig ein "Kopfmensch".
Wie kann man sich das Vorstellen? Mystik und "verkopft" klingt auf den ersten Blick etwas widersprüchlich. Was nicht bedeutet, jeder Mystik geht jegliche Logik und Vernunft ab.
Man findet im Internet leider nur einen kurzen Auschnitt eines Artikels, der von "Eckharts intellektueller Mystik" spricht. Würde mich schon echt interessieren, was der Autor damit genau meint.
Aber es wundert mich jetzt nicht wirklich (mehr), wenn Nikolaus Cusanus meinte, Eckharts Denken wäre nicht für das gemeine Volk geeignet. :D

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 13:40
Das ergäbe vor dem Hintergrund, vor dem er m. E. denkt, auch keinen Sinn, genauso wenig wie z. B. vor dem neuplatonischen Denkhintergrund eines Proklos‘.[*] Am Ende des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts war dieser ganze Differenzierungsprozess zwischen Theologie und Philosophie noch nicht einmal abgeschlossen.
Das ist richtig, aber hat Thomas eben Theologie und Philosophie zu unterscheiden bzw. die Arbeitsfelder abzustecken versucht, während es bei Eckhart so klingt, dass er da nicht streng unterscheiden wollte (jetzt beides mal lapidar ausgedrückt und nur soweit ich verstanden habe).
Man muss wahrscheinlich auch berücksichtigen, was zu deren Zeiten unter Theologie und Philosophie verstanden wurde und was wir heute darunter verstehen.
Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 13:40
War Meister Eckhart ein a) "Seins-/Immanenzplatoniker" oder ein b) "Einheits-/Transzendenzplatoniker?"
Wäre es möglich kurz und knapp, stichpunkartig zu skizzieren, was unter diesen Begriffen zu verstehen ist bzw. was die Unterschiede sind?

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Nun, auch Dinzelbacher spricht im Falle Meister Eckharts von „Denkmystik“ und man kann sicherlich zwischen unterschiedlichen Arten der Mystik unterscheiden.

Unterscheiden könnte man z. B.

(1) das individuelle oder auch soziologisch erfassbare Subjekt der Mystik (z. B. Dominikanermystik, Frauenmystik, …),
(2) ferner das Objekt der Mystik (z. B. der personale Gott, das All-Eine, …),
(3) ferner der Aspekt oder die Thematik, unter dem/der das Objekt intendiert wird (z. B. Geburtsmystik, Passionsmystik, …)
(4) sowie die menschlichen Grundvermögen/Seelenkraft, durch die die mystische Erfahrung vornehmlich vollzogen wird (z. B. Willensmystik (als Liebesmystik); Denkmystik (als intellektuelle Mystik) …).

Das alles findet sich in unterschiedlichen Kombinationen überall auf der Welt bei unterschiedlichen Religionen. So findet sich auch irgendeine Art von Mystik, die man im obigen Sinne als „Denkmystik“ beschreiben könnte, überall auf der Welt. Für den europäischen Bereich wäre z. B. Plotin zu nennen, für den indischen Shankara, für den japanischen eventuell Meister Dōgen usw.

Was Karl Albert angeht, so meint er wohl Folgendes: Meister Eckhart geht von diesem Satz aus: „Et ideo deus, qui est creator et non creabilis, est intellectus et intelligere et non ens vel esse.“[1] Dies widerspricht Eckharts erster These aus seinem „Prologus generalis in opus tripartitum“, wo es noch unter Berufung auf den „Liber de causis“ heißt, dass Gott das Sein ist. Einmal lehrt Eckhart: „Esse est deus“, einmal lehrt er: „Deo ergo non competit esse, nisi talem puritatem voces esse.“[2] Das ist aber bloß ein scheinbarer Widerspruch, wenn man sich an den platonischen „χωρισμός“ erinnert. Gott ist nämlich kein Seiendes wie wir So-oder-so-Seiendes sind und er ist auch nicht das „ens commune“, ihr gemeinsames oder allgemeines Sein als immanentes. Dieses Sein ist aber nicht Gott, von dem die Seienden per Teilhabe ihr immanentes Sein haben. Gott ist das höhere, transzendente Sein.[3] Für sich betrachtet sind die Geschöpfe nichtig, ohne ihr Bezogensein auf Gott, durch den sie erst sind. Dieses transzendente Sein wird nun als Intellekt bestimmt und zwar ganz aristotelisch als νόησις νοήσεως, als Denken seiner selbst, reiner Akt.

Wenn man das einmal so weit verstanden hat, folgt der eigentlich wichtige Punkt: „Et si tu intelligere velis vocare esse, placet mihi. Dico nihilominus quod, si in deo est aliquid, quod velis vocare esse, sibi competit per intelligere.“[4] Der Intellekt bzw. das Denken ist bei Eckhart, ganz wie bei den Dominikanern und gegen die Franziskaner (bei denen es die Liebe oder der Wille ist), die höher(wertig)e Seelenkraft. Intellektuelle Mystik bedeutet nun eine „erfahrungsmäßige[…] Erkenntnis der Vereinigung der Seele mit Gott“ (S. 232). Eine solche Vereinigung oder Gottförmigkeit lässt sich allerdings – da gilt: „Deus est intelligere“ – so verstehen und erreichen, wie Eckhart schreibt: „Ipsum intelligere quaedam deiformitas vel deiformatio, quia ipse deus est ipsum intelligere et non est esse.“[5]

Das heißt: Intellektuelles Erkennen ist gleichsam Gottförmigkeit und Gottwerdung, denn Gott selbst ist das intellektuelle Erkennen selbst. Wie Eckhart auch in einer seiner Predigten schreibt, ist jemand je mehr Intellekt oder Intellekthaftes er hat bzw. ihm eigen ist, umso mehr eins mit Gott. Im und durch den Intellekt besteht die unmittelbare Einigung mit Gott. Denn das Denken kommt im menschlichen Inneren vor, ist das Innerste, der Seelengrund. Der Intellekt ist einerseits göttlich-transzendent, andererseits kreatürlich-immanent.[6] Der Punkt, um des es Meister Eckhart also in Auseinandersetzung mit den Franziskanern geht, ist wirklich der, dass Gott als transzendentes Sein, vom Intellekt erfahren wird, dass es nur durch und über den Intellekt zu einer Einigung mit Gott kommen kann.

---
[1] Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 4.
[2] Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 9.
[3] „Wenn ich aber gesagt habe, Gott sei kein Sein und sei über dem Sein, so habe ich ihm damit nicht das Sein abgesprochen, vielmehr habe ich es in ihm erhöht.“ (obigen verlinter Text, S. 233)
[4] Quaestiones Parisienses, q. 1, n. 8.
[5] Quaestiones Parisienses, q. 3.
[6] Wahrscheinlich bezieht sich Eckhart dabei auf den aristotelischen νοῦς ποιητικός/intellectus agens, allerdings in weniger orthodoxer Form.
Zuletzt geändert von Agricola am Montag 12. April 2021, 18:10, insgesamt 1-mal geändert.

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Bruder Donald hat geschrieben:Man muss wahrscheinlich auch berücksichtigen, was zu deren Zeiten unter Theologie und Philosophie verstanden wurde und was wir heute darunter verstehen.
Das ist ja genau der Punkt, aber dazu dann später noch etwas.
Zuletzt geändert von Agricola am Montag 12. April 2021, 18:20, insgesamt 1-mal geändert.

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:09
Donald Duck hat geschrieben:Man muss wahrscheinlich auch berücksichtigen, was zu deren Zeiten unter Theologie und Philosophie verstanden wurde und was wir heute darunter verstehen.
Das ist ja genau der Punkt, aber dazu dann später noch etwas.
Du musst die Namen derer die du zitierst nicht händisch eingeben... Es sei denn, du veränderst sie absichtlich....

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:13
Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:09
Donald Duck hat geschrieben:Man muss wahrscheinlich auch berücksichtigen, was zu deren Zeiten unter Theologie und Philosophie verstanden wurde und was wir heute darunter verstehen.
Das ist ja genau der Punkt, aber dazu dann später noch etwas.
Du musst die Namen derer die du zitierst nicht händisch eingeben... Es sei denn, du veränderst sie absichtlich....
Pardon, mein Fehler! Habe es bereits korrigiert. :patsch:

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:20
Pardon, mein Fehler! Habe es bereits korrigiert.
Alles gut. :)
Falls du noch Hilfe beim Umgang der Forumstechnik brauchst, wir helfen gerne weiter. :huhu:
Zuletzt geändert von Bruder Donald am Montag 12. April 2021, 18:25, insgesamt 1-mal geändert.

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Bruder Donald hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:22
Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:20
Pardon, mein Fehler! Habe es bereits korrigiert.
Alles gut. :)
Falls du noch Hilfe beim Umgang der Forumstechnik brauchst, wie helfen gerne weiter. :huhu:
Danke, ja, es gibt sicher noch ein, zwei Dinge, aber das wäre eher was für eine PN oder einen andern Thread.

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:08
Unterscheiden könnte man z. B. [...]
Ich bin u. a. in diesem Forum um etwas zu lernen. Ich bin mir auch sehr sicher, dass ich eher weniger ein Niveau erreichen werde, etwas gehobener über theologische oder philosophische Themen (mit-)diskutieren zu können. Ich habe weder eines dieser Fächer studiert, noch sind meine Lateinkenntnisse besonders gut ausgeprägt.
Ich finde deine Ausführungen sehr interessant und spannend, lese es gerne und freue mich dadurch mein Wissen erweitern zu können!
Es würde aber mir (und ich spreche wohl nicht nur für mich) das Verständnis sehr erleichtern, wenn man die Original-Zitate der Gelehrten auf Deutsch nachvollziehen könnte. Es sind hier ja nicht nur gebildete Katholiken, sondern auch Gemeine unterwegs. :tuete:
Ich wäre sehr dankbar, wenn die kundigen unter euch, uns ungebildeteren da etwas entgegenkommen und nicht so gängige Sätze übersetzen könntet. Klar, dass das nicht bei allen Diskussionen möglich oder sinnvoll ist. Die Übersetzungen in Fußnoten zu setzen empfinde ich als gut und hilfreich.
Agricola hat geschrieben:
Montag 12. April 2021, 18:08
[...]denn Gott selbst ist das intellektuelle Erkennen selbst.
Was genau ist hiermit gemeint? Was genau ist überhaupt in diesem Kontext mit intellectus/nous gemeint? Wohl eher weniger ein kognitives Verstehen von Sachverhalten oder Wissen, sondern mehr Weisheit oder Vernunft?

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Was den Unterschied zwischen Thomas‘ und Eckharts Verständnis von Theologie und Philosophie angeht, so möchte ich noch Theo Kobusch verweisen:
Kobusch, Theo: Die Philosophie des Hoch- und Spätmittelalters. Geschichte der Philosophie. Band V. München: C. H. Beck 2011, 372-373. hat geschrieben:Das Werk Meister Eckharts atmet den Geist der patristischen Philosophie. Damit ist nicht nur die Philosophie Augustins gemeint. Vielmehr erscheint als Hintergrund des Eckhartschen Denkens jener allgemeine Charakter des Denkens, der von Justin an die christliche Philosophie bis ins 12. Jahrhundert durchzieht. Die Mediävisten vom Fach, die diese Tradition vielfach nicht kennen und deswegen auch Eckharts Rückgriff auf die Patristik nicht erkennen, sind oft geneigt, Eckharts andersartigen Denkansätzen (im Vergleich zu Thomas von Aquin z. B.) als revolutionäre Neuerung zu verstehen. Dazu gehört allen voran das Philosophieverständnis. […] Es kann kein Zweifel sein: Meister Eckhart nimmt, indem er das Thema der Trinität und der Inkarnation philosophisch behandelt, den patristischen Philosophiebegriff auf, zu dessen charakteristischen Merkmalen gehört, daß er nicht im Gegensatz zum Begriff der Theologie steht. Bis zum 12. Jahrhundert gibt es überhaupt keine von der Philosophie unterschiedene Theologie. Auch bei Meister Eckhart sind alle Einzeldisziplinen unter dem Dach der einen Philosophie vereinigt, die in patristischer Zeit ausdrücklich „christliche Philosophie“ genannt worden war. Durch die Rezeption dieser Tradition hat Meister Eckhart seine deutlichste Kritik an Thomas und dem am aristotelischen Wissenschaftsbegriff orientierten Theologieverständnis seiner Zeit zum Ausdruck gebracht.
Theologie als eine "Theologik" war seit Aristoteles die höchste Disziplin der theoretischen Philosophie, Spitze und Abschluss der Metaphysik, was sich so auch z. B. im Mittel- und Neuplatonismus durch deren Aristotelesrezeption beibehalten wurde. Das ist auch das Verständnis, das wir bei den Vätern, nicht zuletzt auch bei Augustinus finden. (Bei Platon selbst findet man ohnehin ein noch viel stärkeres Verständnis der Einheit des Wissens bzw. der Wissenschaft.)
Bruder Donald hat geschrieben:Ich wäre sehr dankbar, wenn die kundigen unter euch, uns ungebildeteren da etwas entgegenkommen könntet und nicht so gängige Sätze übersetzen könntet. Klar, dass das nicht bei allen Diskussionen möglich oder sinnvoll ist.
Beim nächsten Mal dann.

(Zum Rest später noch, falls nicht jemand anderes dazu etwas beiträgt.)

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Bruder Donald hat geschrieben:Was genau ist hiermit gemeint?
Die Erkenntnis des Denkens durch sich selbst (s. Met. XII,9 1074b 34). Wenn sich in einem aristotelischen Kontext „νόησις νοήσεως“ findet, will das normalerweise besagen, dass sich das Denken denkt bzw. die (göttliche) Intellektaktualität Intellektaktualität ihrer Intellektaktualität ist.

Der Begriff νόησις/intelligentia bei Aristoteles bedeutet, im Gegensatz zu διάνοια, die intuitive Tätigkeit des Intellekts. Der göttliche Intellekt hat sich selbst zum Objekt, seine Erkenntnis ist Selbsterkenntnis in einem intuitiven, ununterbrochenen Akt bzw. die göttliche Erkenntnis ist zugleich reiner Seinsakt. In Gott fallen Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt in eins zusammen, sind miteinander identisch. Das ist gerade auch ontologisch zu verstehen: Die erkennende Intellektaktualität (Denken) ist eins mit der ursächlichen Seinsaktualität (Sein) (s. Parmenides) und schließt darüber auch alles andere ein. Indem Gott etwas denkt, ist es (so oder so) oder eben nicht.

(Dass Derartiges bei Meister Eckhart auftaucht, mit seinem doch platonischeren Denken, ist dabei auch gar nicht ungewöhnlich. Die Lehre vom sich selbst denkenden νοῦς wurde bereits in den Mittel- und Neuplatonismus integriert. Generell ist so gut wie kein mittelalterlicher Denker ein Purist, sondern allesamt sind eher auf einer Skala angesiedelt, die vom einen idealtypischen Pol zum andern reicht. Abgesehen davon gehörte genuin aristotelische Terminologie und Theorien zu dieser Zeit natürlich zum festen Bestandteil des universitären Lehrbetriebs, ohne sie kam man nicht mehr aus.)

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Agricola hat geschrieben:
Dienstag 13. April 2021, 11:20
Der göttliche Intellekt hat sich selbst zum Objekt, seine Erkenntnis ist Selbsterkenntnis in einem intuitiven, ununterbrochenen Akt bzw. die göttliche Erkenntnis ist zugleich reiner Seinsakt.
Und wie ist das nun auf den menschlichen Intellekt anwendbar? Erkennt der Mensch Gott, sich selbst oder gar beides?

Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist das nicht mit "ratio" oder rationalem Denken zu verwechseln, wenn man nun von "intellektueller Mystik" bzw. Denkmystik spricht? Es ist mehr ein "Einsicht gewinnen" oder "Bewusst werden"? Es geht eben nicht darum etwas rational/logisch mit dem Verstand nachvollziehen zu können, wie z. B. die Existenz Gottes anhand von apriorischen der aposteriorischen Gottesbeweisen?

Trisagion
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Dienstag 13. April 2021, 12:52
Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist das nicht mit "ratio" oder rationalem Denken zu verwechseln, wenn man nun von "intellektueller Mystik" bzw. Denkmystik spricht? Es ist mehr ein "Einsicht gewinnen" oder "Bewusst werden"? Es geht eben nicht darum etwas rational/logisch mit dem Verstand nachvollziehen zu können, wie z. B. die Existenz Gottes anhand von apriorischen der aposteriorischen Gottesbeweisen?
Mystik ist immer ein Sprung ins Ungewisse, über normale Geistestätigkeit hinaus. Die Frage ist, wie holst du Anlauf für den Absprung? Und letztlich viel wichtiger: wenn Du wieder landest, wie genau läufst Du Deinen Schwung aus? Was stellst Du mit dem "mystischen Impuls" konkret an? (Der Auslauf ist wichtiger als der Anlauf für die auftretenden Varationen insofern als es starke praktische Begrenzungen der Anlaufsmöglichkeiten gibt, aber nicht so viele für den Auslauf...) Wenn Eckhart schreibt oder predigt, schreibt oder predigt er eben als Eckhart - mittelalterlicher Christ, Ausnahme-Akademiker, Star-Theologe, dominikanischer Prediger. Ich lese Eckhart gerne. Ich lese auch Rumi gerne. Beides m.E. nach mystisch inspirierte Literatur, aber doch schon ziemlich unterschiedlich...

Nur weil Eckhart andere intellektuelle Traditionen vorgezogen hat als sagen wir mal Thomas, bedeutet das keineswegs, daß er nicht intellektuell (auch im Sinne von "rationalem Denken") unterwegs war. Plato etwa war ja auch ein Philosoph, der auf seine Weise argumentiert hat.

Agricola
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Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Agricola »

Bruder Donald hat geschrieben:Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, ist das nicht mit "ratio" oder rationalem Denken zu verwechseln, wenn man nun von "intellektueller Mystik" bzw. Denkmystik spricht? […] Es geht eben nicht darum etwas rational/logisch mit dem Verstand nachvollziehen zu können, wie z. B. die Existenz Gottes anhand von apriorischen der aposteriorischen Gottesbeweisen?
Genau, das wäre gerade unser gewöhnliches diskursiv-rationales Denken (διάνοια bzw. λογισμός), worum es hier geht, ist gerade dieses spezielle Form des intuitiven Denkens, der intuitiven Intellekttätigkeit als einfache Einsicht, die nicht vom Begriff A zum Begriff B fortschreitet.
Bruder Donald hat geschrieben:Und wie ist das nun auf den menschlichen Intellekt anwendbar?
An diesem Punkt wird es schwierig. Aber vielleicht ein paar eher allgemein gehaltene Anmerkungen und davor ein wenig Kontext zur damaligen Intellektdebatte:

Bei Aristoteles sowie in seiner Auslegung durch die antiken und arabischen Kommentatoren (zumindest von Alexander von Aphrodisias an) ist das Denkvermögen, der Intellekt, nicht individuiert, sondern ein einziges. Es gibt, so könnte man dieser Ansicht nach sagen, so etwas wie eine "verborgene Identität" des Intellekts.

Systematisch ergab sich diese Ansicht, die man polemisch und unpräzise als „Monopsychismus“ bezeichnete, u. a. aus dem zu klärenden Umstand, dass wir alle intersubjektiv im (wissenden) Besitz identischer Bedeutungen sind. Der Intellekt ist gemäß dieser Konzeption eine Vereinigungsinstanz der unterschiedlichen Bedeutungen und da man, gemäß dem klassischen platonisch-aristotelischen Wissensbegriff, nur im strikten Sinne Notwendiges und daher Ewiges wissen kann, muss er auch notwendig und ewig sein. Aus dieser Annahme ergibt sich ferner, ganz im Sinne einer „revisionären Metaphysik“ (Strawson), dass man nicht selbst denkt, sondern es denkt gewissermaßen der Intellekt in einem. Als höchster Seelenteil ist der Intellekt auch unsterblich (da notwendig und ewig), aber nur dieser allein. Abgesehen davon stirbt die individuelle Seele, einzig der Intellekt besteht ewig überindividuell fort.

Besonders durch Averroës/Ibn Ruschd sowie gewisse sogenannte „radikale Aristoteliker“ (z. B. Siger von Brabant) setzte man sich im 13. Jahrhundert verstärkt mit dieser Intellekttheorie auseinander. Thomas interpretierte Aristoteles natürlich, in Übereinstimmung mit der rechtgläubigen Lehrmeinung, anders – manche würden auch sagen: im christlichen Sinne um – und bemühte sich sehr, diese Ansicht zu widerlegen.

Was nun Meister Eckhart angeht, so war er zwar gewiss kein radikaler Aristoteliker, sondern hatte ein Programm mit einem ganz eigenen Profil, das man mit Theo Kobusch (oder meinetwegen auch Kurt Flasch) zu Recht als „christliche Philosophie“ im Sinne des patristischen Verständnisses bezeichnen kann. Zu diesem Programm gehörten auch ganz bestimmte aristotelische Theorieelemente: Die Einheit von Erkennendem und Erkanntem im Intellekt wird von ihm nämlich im Anschluss an Aristoteles und seine Kommentatoren im „Liber parabolarum Genesis“ betont und bleibt z. B. als Grundthema in seinem Johanneskommentar sowie in seiner Predigt 48 bestimmend. In Letzterer heißt es z. B.:
Meister Eckhart, Predigt 48 hat geschrieben:Ich habe zuweilen von einem Licht gesprochen, das in der Seele ist, das ungeschaffen und unerschaffbar ist. Dieses selbe Licht pflege ich immer in meinen Predigten zu berühren, und dieses Licht nimmt Gott unmittelbar und unbedeckt und entblößt auf, so wie er in sich selbst ist.
Dieses Licht, das hier m. E. als der Intellekt zu verstehen ist, ist ungeschaffen, ewig, und unerschaffbar, da kein kontingentes Etwas, sondern notwendig. Die Lichtmetaphorik stammt wahrscheinlich aus der platonischen Tradition, nicht zuletzt wohl vom hl. Augustinus.[*] Diese aristotelisch-averroistischen Einflüsse sind aber einer ganz bestimmten Theorie geschuldet, die von Dietrich von Freiberg entwickelt wurde. Dieser ist ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Eckhart und Aristoteles/Averroës. Dietrich von Freiberg, dessen Vikar in der Ordensprovinz Teutonia Eckhart zeitweilig war, ging es um eine neue nicht-thomistische Theoriesynthese von Aristoteles, Averroës und Augustinus. Eckhart verwendete Dietrichs „Intellectus agens“-Theorie untergeordnet in seiner eigenen.

Man muss nun verstehen: Eckhart ging es nicht speziell um Platon, Aristoteles, Averroës, Proklos usw. usf. oder um die Wahrheit ihrer Theorien um ihrer selbst willen. Er meinte vielmehr, wenn wir unsern Geist, unsern Intellekt richtig begreifen, begreifen wir die Trinität, begreifen wir z. B. was es bedeutet, dass der Vater mit dem Sohn eins ist und Dergleichen mehr. Eckhart versucht, das, was uns sonst einfach als geoffenbarte Lehre positiv gegeben ist, einsehbar zu machen. Das ist uns heute fremd, weil wir heutzutage im Westen allesamt zumindest insofern in einer Linie mit dem Aquinaten stehen, als wir zwischen dem unterscheiden, was wir mit Hilfe unserer natürlichen Vernunft einsehen, und dem, was wir nur durch die Gnade Gottes glauben können. Meister Eckhart dagegen war es nicht um diese Differenz und infolge auch nicht um irgendeine abstrakt-theoretische Einsicht zu tun, ebenso wenig um irgendein bloß begriffliches Einholen von Offenbarungsinhalten, sondern um Einheit. Einsehen und das Eingesehene sind nicht voneinander zu trennen, sondern eins in ihrem Vollzug. Gerade in diesem Einsehen, in diesem Akt, vollzieht sich im „Seelengrund“ das, was in ihm eingesehen wird durch diese Einsicht. Seiner Meinung nach lässt sich das eben auch begrifflich explizieren, was er in seiner Lehrtätigkeit auch versuchte. Unabhängig von der konkreten Explikation sind wir an diesem Punkt bei Eckhart dem Mystiker angelangt: Eckhart der Mystiker ist jedoch kein anderer als Eckhart der Philosoph. Beide sind eins.

---
[*] Ganz allgemein ist bezüglich der obigen Intellektthematik z. B. auch Augustinus‘ „Magister interior“-Konzept anschlussfähig – der „innere Lehrer“ als das göttliche Wort. Eckhart arbeitet die ganze Sache auch auf diese Weise aus bzw. schöpft auch hier aus Dietrichs Synthese.

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Dienstag 13. April 2021, 14:39
Mystik ist immer ein Sprung ins Ungewisse, über normale Geistestätigkeit hinaus.
Diese Frage beschäftigt mich in diesem Thread nicht.
Ich möchte hier Meister Eckhart (rudimentär) verstehen. Auf der einen Seite Mystiker, aber kein affektiv-emotionaler, sondern intellektueller (was ist damit gemeint?), auf der anderen Seite wiederum rationaler Philosoph. Finde ich interessant, da er mir eben anfangs als pantheistischer Schwurbeller "begegnet" (offenbar esoterisch-populär verfälscht) ist.
Agricola hat geschrieben:
Dienstag 13. April 2021, 16:47
An diesem Punkt wird es schwierig.
Treffende Worte! Ich bedanke mich erstmal ganz herzlich für deine Darstellung und die Mühe. :hutab:
Ich muss das alles genau durchlesen und sacken lassen. Werde dann gerne weitere Fragen dazu stellen.

Trisagion
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Registriert: Donnerstag 26. Dezember 2019, 03:59

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Trisagion »

Bruder Donald hat geschrieben:
Mittwoch 14. April 2021, 02:12
Diese Frage beschäftigt mich in diesem Thread nicht. Ich möchte hier Meister Eckhart (rudimentär) verstehen. Auf der einen Seite Mystiker, aber kein affektiv-emotionaler, sondern intellektueller (was ist damit gemeint?), auf der anderen Seite wiederum rationaler Philosoph.
Ich habe durchaus Deine Frage beantwortet, was mit einem "intellektuellen" Mystiker gemeint ist...

Die (deutschen) Predigten und Unterweisungen Eckharts waren genau das, Predigten und Unterweisungen. Man kann selbstverständlich ihren theologischen und philosophischen Hintergrund analysieren, und Eckhart und seine Werke klassifizieren und einordnen. Das ist eine prima Sache, für eine historisch-theologische Abhandlung.

Hat Eckhart seine Predigten und Unterweisungen aber zu diesem Zweck abgeliefert? Nein, keineswegs. Er wollte mit seinen Worten Leute auf den rechten Weg bringen. Ein anderer Zugang zu seinen Werken ist ihm zuzuhören, als ob man Teil des Publikums gewesen wäre. Gelegentlich muß man da ein bißchen Wissen mitbringen, damit man Dinge aus einer doch recht anderen Zeit nicht falsch versteht. Aber das hält sich in Grenzen, denn dies waren eben keine akademischen Veranstaltungen an der Universität von Paris.

Bruder Donald

Re: Meister Eckhart heute - Immer noch Haeretiker?

Beitrag von Bruder Donald »

Trisagion hat geschrieben:
Mittwoch 14. April 2021, 04:55
Ich habe durchaus Deine Frage beantwortet, was mit einem "intellektuellen" Mystiker gemeint ist...
Das kam bei mir jetzt nicht so an... :tuete:

Im gewissen Sinne ist jede Mystik auf gewisse weiße "intellektuell", wenn man damit meint, in etwas "einsichtig" zu werden. Was ist dann bei Eckhart so speziell, wenn man seinem "Stil" das Prädikat "intellektuell", verpasst? Was ist damit gemeint?
Wenn ich was damit anfangen kann, werde ich mich gerne näher mit Eckharts Schriften befassen.

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