Historisch-kritische Exegese auf dem Petersplatz

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Pit
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Registriert: Freitag 23. April 2004, 17:57

Beitrag von Pit »

Dann spinne ich den Gedanken einmal in die andere Richtung weiter.
Wer der User dieses Forums warv dabei, als Jesus geboren wurde, als er getauft wurde, als er gekreuzigt wurde?
Wer kann es bezeugen?
Richtig, niemand.
Die Evangelien stellen mehr da, als einen rein (!) historischen Bericht.
Sie wollen nicht erzählen, wann Jesus aus dem Haus ging, welche Kleidung er trug etc. Bis heute wissen wir - trotz Manopello - nicht definitiv, wie Jesus aussah. Und für die Evangelisten war es wohl auch nicht wichtig, sonst hätten sie wohl darüber berichtet.
Auch ist es so, daß sie deutlich auf Bilder, Motive etc. zurückgriffen, die die "angepeilten" Leser verstanden.
Demnach findet man in den evangelischen (!) Texten, die für Heidenchristen gedacht waren, keine Aussagen über jüdische Gewohnheiten, da sie die kaum verstanden hätten, während z.B. das Johannesevangelium stark hellenistisch geprägt ist.
Ich möchte damit keineswegs sagen, daß die Evangelien im Wesentlichen nicht die Historie - nämlich eben Leben,Tod udn Auferstehung Jesu - darstellen, das läge mir fern, aber die Evangelien stellen kein - wie es z.B. die Zeugen Jehovas oft glauben - Geschichtsbuch dar.

Gruß,Pit
Raphaela hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:Raphaela. Auch Flavius berichtete nur Gehörtes.
Aber, darum geht es mir nicht. Mir geht es um die inneren Zweifel, die, hat man einmal damit begonnen, ihre Kreise ziehen.
Wer also an Jesus glaubt, der glaubt auch, dass er in Bethlehem und nicht in Nazareth geboren ist.

Gruß, ad_hoc
Wenn du dich darauf berufst, dass Flavius nur Gehörtes berichtet, dann kann ich ja diesen Gedanken weiterspinnen.
Paulus berichtet nur Gehörtesüber Jesus.
Die Evangelisten berichten auch nur Gehörtes! - Es ist nicht erwiesen, dass die Verfasser des Matthäus- und Johannesevangeliums wirklich die Apostel waren.
Fast noch schlimmer, als dass sie nur Gehörtes berichten: Sie haben anderes Texte abgeschrieben!
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Linus
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Beitrag von Linus »

Pit hat geschrieben:Bis heute wissen wir - trotz Manopello - nicht definitiv, wie Jesus aussah.
Würde deinem Glauben etwas abgehen oder hinzugefügt werden, wenn du Jesu Aussehen/DNA/Schuhgröße wüsstest?
(Das sind die nun wirklich irrelevanten Dinge, da ist jedenfalls von höherem Interesse ob Er nun in Bethlehem geboren wurde oder nicht.)
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Pit hat geschrieben: Ich möchte damit keineswegs sagen, daß die Evangelien im Wesentlichen nicht die Historie - nämlich eben Leben,Tod udn Auferstehung Jesu - darstellen, das läge mir fern, aber die Evangelien stellen kein - wie es z.B. die Zeugen Jehovas oft glauben - Geschichtsbuch dar.
Hallo Pit,

hier gehst Du einer modernen "Bibelwissenschaft" auf den Leim. Die Evangelien sind genau das: Sie sind historische Berichte. Lies einmal die Anfänge von Mt oder Lk. Das Bemühen, die Ereignisse geografisch und vor allem historisch genau zu lokalisieren, ist doch unübersehbar. Es werden sogar zum Teil mehrere historische Angaben verschränkt, um möglichst genau zu datieren, wann sich etwas zugetragen hat ("zur Zeit des Kaisers Augustus, als Quirinius Statthalter in Syrien war"). Das ist nicht die Schreibweise religiöser Texte, das ist das Mittel des Historikers.

Daß Jesus in Bethlehem geboren wurde, ist weder eine Fußnote der Geschichte, noch "egal". Es ist Teil des Heilsplanes Gottes, durch seinen Propheten bereits Jahrhunderte zuvor angekündigt. Die Evangelien legen darauf großen Wert, sogar die Weltgeschichte wird bemüht, um die Geburt Jesu in Bethlehem und eben nicht Nazareth stattfinden zu lassen (eine Volkszählung durch Augustus). Dies ist die Mitte der Zeit.
If only closed minds came with closed mouths.

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Walter
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Die Krippe von... Nazareth

Beitrag von Walter »

Die Vatikan liefer jetzt die biblische Begründung für die »Krippe von Nazareth« nach:
Radio Vatikan hat geschrieben:Vatikan: Die Krippe von... Nazareth

Die Krippe auf dem Petersplatz macht von sich reden. Medien in aller Welt interessieren sich dafür, dass die Szene der Geburt Jesu dieses Jahr nicht in Bethlehem angesiedelt scheint, sondern in Nazareth – in der Schreinerwerkstatt des heiligen Joseph. Folgende Stelle aus dem Matthäusevangelium lieferte dazu den Anstoß: „Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar. Und er gab ihm den Namen Jesus“ (Mt1,24-25).

Aber das ist nicht der einzige biblische „Hintergedanke“ bei der Vatikan-Krippe, die am 24. Dezember eröffnet wird. Kardinal Giovanni Lajolo, der Gouverneur der Vatikanstadt, erklärt:
„Krippen versuchen ja das Geheimnis der Menschwerdung Gottes zu zeigen, indem sie es in ein sprechendes Szenario hineinbetten. Die Krippe von Sankt Peter zeigt dieses Jahr ein felsiges Umfeld. Schließlich hat ja der Apostel Jakobus nach Angaben der Apostelgeschichte während des Konzils von Jerusalem auf Jesus einen Passus des Propheten Amos bezogen. Darin heißt es, der Messias werde ,die Breschen reparieren und die Ruinen des Hauses David wieder aufrichten’.“

Um die Petersplatz-Krippe schwirren dieses Jahr außerdem – eine kleine, internationale Premiere – vier lebensgroße Engelsfiguren eines mexikanischen Künstlers.

(rv 19.12.2007 sk)
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Protagoras
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Beitrag von Protagoras »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Daß Jesus in Bethlehem geboren wurde, ist weder eine Fußnote der Geschichte, noch "egal". Es ist Teil des Heilsplanes Gottes, durch seinen Propheten bereits Jahrhunderte zuvor angekündigt. Die Evangelien legen darauf großen Wert, sogar die Weltgeschichte wird bemüht, um die Geburt Jesu in Bethlehem und eben nicht Nazareth stattfinden zu lassen (eine Volkszählung durch Augustus). Dies ist die Mitte der Zeit.
Na ja, Markus und Johannes legen wohl nicht so großen Wert darauf. Und Matthäus scheint ja, wenn man Radio Vatikan hört, nicht so ganz eindeutig zu sein.
Da Markus und Johannes schweigen, Matthäus und Lukas zwar Bethlehem nennen, aber einen widersprüchlichen Geschehensablauf schildern, sieht es für einen unbefangenen Betrachter eher so aus, als sei die Bethlehemgeschichte nachträglich hineingeschrieben worden, damit die Prophezeiung sich als erfüllt darstelle.
Zuletzt geändert von Protagoras am Mittwoch 19. Dezember 2007, 18:35, insgesamt 1-mal geändert.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Protagoras hat geschrieben: Na ja, Markus und Johannes legen wohl nicht so großen Wert darauf. Und Matthäus scheint ja, wenn man Radio Vatikan hört, nicht so ganz eindeutig zu sein.
Ach so. Dann sind also Ereignisse, die nur in zweien der Evangelien berichtet werden, in Zukunft als "zweifelhaft" einzustufen? Was Radio Vatikan da von sich gibt, ist mir eigentlich wurscht. Gott sei Dank hängt mein Glaube weder vom Radio noch vom Vatikan ab. :D
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Protagoras
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Beitrag von Protagoras »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Protagoras hat geschrieben: Na ja, Markus und Johannes legen wohl nicht so großen Wert darauf. Und Matthäus scheint ja, wenn man Radio Vatikan hört, nicht so ganz eindeutig zu sein.
Ach so. Dann sind also Ereignisse, die nur in zweien der Evangelien berichtet werden, in Zukunft als "zweifelhaft" einzustufen? Was Radio Vatikan da von sich gibt, ist mir eigentlich wurscht. Gott sei Dank hängt mein Glaube weder vom Radio noch vom Vatikan ab. :D
Das habe ich nicht gesagt. Mein Einwand war, dass man nicht sagen kann, "die Evangelien" legten auf eine bestimme Tatsache "großen Wert", wenn die Hälfte der Evangelien die Tatsache gar nicht erwähnt.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Protagoras hat geschrieben: Das habe ich nicht gesagt. Mein Einwand war, dass man nicht sagen kann, "die Evangelien" legten auf eine bestimme Tatsache "großen Wert", wenn die Hälfte der Evangelien die Tatsache gar nicht erwähnt.
Nun, ich sehe die "Evangelien" hier durchaus als Einheit, und die Kirche hat dies auch immer so gesehen.
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Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Protagoras hat geschrieben: Das habe ich nicht gesagt. Mein Einwand war, dass man nicht sagen kann, "die Evangelien" legten auf eine bestimme Tatsache "großen Wert", wenn die Hälfte der Evangelien die Tatsache gar nicht erwähnt.
Nun, ich sehe die "Evangelien" hier durchaus als Einheit, und die Kirche hat dies auch immer so gesehen.
Markus hat von den vier Evangelisiten das este und das kürzeste Evangelium geschrieben. Ihm war wichtig zu berichten, was Jesus während seiner drei Jahre des öffentlichen Wirkens vollbrachte und die Passion und die Auferstehung. Dies erkennt man auch an den Ablauf von drei Jahren.
Johannes war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Jesus der Messias ist, der den neuen Bund spendet. Darum stibt bei ihm Jesus zur gleichen Zeit, als die Pascha-Lämmer geschlachtet werden.
Es ist beides kein Widerspruch sondern ergänzt sich.

Die Frage ist dann immer auch noch, wen die Evangelisten vor sich hatten, z. B. Judenchristen oder Heidenchristen und was sie damit dem damals lebenden Personen sagen wollten.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Abgeklärt und nach fast 15 Jahren immer noch lesenswert:

http://www.christusrex.org/www1/overkott/bibel.htm

Protagoras
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Beitrag von Protagoras »

overkott hat geschrieben:Abgeklärt und nach fast 15 Jahren immer noch lesenswert:

http://www.christusrex.org/www1/overkott/bibel.htm
Danke Dir für diesen Hinweis. Das sieht nach einer sehr lehrreichen, kompakten Darstellung aus, die ich mir nach und nach zu Gemüte führen werde.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Gerne.

Hinweisen möchte ich im Anschluss an das Hexaemeron des zweiten Gründers der Franziskaner auch auf den betenden Zugang zur Heiligen Schrift.

Wer sich bewusst macht, dass er in der Bibel dem Wort Gottes begegnet, erlebt sich im Gebet nicht als derjenige der zuerst redet, sondern als derjenige, der zuerst hört.

Die Lectio divina hat in der Frömmigkeit vor allem der Mönche und Ordensleute eine lange Tradition, die gerade nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu neuem Leben erwacht ist.

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