Memento mori

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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overkott
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Memento mori

Beitrag von overkott »

Gewöhnlich wird Memento mori mit Gedenke zu sterben oder ähnlich übersetzt.

Der Zusammenhang mit mos, moris = die Sitte, wird oft gesehen.

Auf jeden Fall dürfte es sich um ein Wortspiel handeln, ähnlich wie bei corrumpere, das verderben bedeutet, aber oft auch als verwesen übersetzt wird.

Immer wieder sehen wir hier den Zusammenhang von Weisheit und Tugend, Theologie als Weg zum Leben.

Fortunae donis parvum tribuisse memento:
non opibus bona fama datur, sed moribus ipsis.


Denk daran, dass an den Gaben des Glücks nicht so viel liegt; nicht für Reichtum gewinnt man einen guten Ruf, sondern für seinen guten Charakter.




4.1.2 Memento Mori
Der Ausdruck Memento mori stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "gedenke zu
sterben" [dass du sterben musst]; häufig als "gedenke des Todes" übersetzt, was
jedoch nicht sehr exakt ist, da mori als Substantiv lediglich Dativ Singular von
mos, moris (f. = Sitte, Brauch) und nicht Dativ Singular ("morti") von mors = Tod
sein kann (der Genitiv, also "des Todes" lautet mortis, liegt also noch ferner); ein
der o-Deklination entsprechender Genitiv auf -i ist inhaltlich aufgrund der in Frage
kommenden Worte auszuschließen; mori ist also der Infinitiv des Deponens morior =
sterben) bedeutet: Etwas, das uns an unsere Vergänglichkeit erinnert, z. B. eine
Ruine oder das laute Ticken einer Uhr.
Memento mori ist ein Mahnruf, der bereits in der Antike gebräuchlich war. Hinter dem
siegreichen Feldherrn im alten Rom, dem ein Triumphzug gewährt worden war, stand ein
Sklave, hielt ihm einen Lorbeerkranz oder die Jupiter-Tempel-Krone über den Kopf und
mahnte den Triumphator ununterbrochen mit den Worten:
Memento mori
Bedenke, dass du sterben musst.
Memento te hominem esse
Bedenke, dass du ein Mensch bist.
Respice post te, hominem te esse memento
Sieh dich um; denke daran, dass auch du nur ein Mensch bist.
Im (vermutlich) mittelalterlichen Mönchslatein wurde das Sprichwort Memento
moriendum esse, wörtlich: Sei eingedenk, dass zu sterben ist, durch Memento mori
verkürzt.
Ein frühe literarische Fundstelle dieses alten Mahnrufs ist ein alemannisches
Gedicht aus dem 12. Jahrhundert; es hat die lateinische Form als Überschrift. Der
Verfasser könnte ein Cluniazenser gewesen sein.
Die fernere Herkunft ist zwar ungeklärt, doch spricht einiges dafür, dass die antike
delphische "Anthropologie" Pate stand: der Mensch als "der Sterbliche".
Noch Anfang des letzten Jahrhunderts war es üblich, dass manche Männer in ihren
Hosentaschen oder an der Uhrkette einen kleinen Gegenstand mit sich herumtrugen, der
sie an ihre eigene Sterblichkeit erinnern sollte. Im Museum für Sepukralkultur in
Kassel kann man sich einige dieser Memento Moris noch heute ansehen. Es handelt sich
zum Beispiel um kleine Eieruhren, in denen die Lebenszeit wie Sand verrinnt, kleine
Nachbildungen von Totenmasken, und häufig sogar ein kleiner offener Sarg, in dem
meist sehr deftig der Verfall des menschlichen Körpers dargestellt wurde.


Cursum perficio

Cursum perficio.
Verbum sapienti:
quo plus habent,
eo plus cupiunt.
Post nubila, Phoebus
Iternum

Vergleichbar mit pax Deorum ist dieses Lied mit einem ähnlich knappen Text: Über den Begriff cursum schlägt der Text auch hier das Thema Schicksal, Lebensweg an, das Thema wird im Refrain ständig wiederholt, in einem ähnlich gleichförmigen Rhythmus wie in pax Deorum, wenn auch hier die Musik durch Klavier und Streicher weniger schwer wirkt. Auch dieser Text jedoch mündet in eine Art Orakel: Der Dativ von sapienti wirkt eigenartig, man würde sich eher einen Genitiv erwarten. Der Orakelcharakter wird auch die Nennung von Phoebus unterstrichen. Das letzte Wort gibt es in dieser Form nicht, die Bedeutung von „ewig“ ist aus dem Kontext nahe liegend, vielleicht ist es die phonetische Schreibweise eines englisch ausgesprochenen aeternum, vielleicht eine Kontraktion aus aeternum und iterum. Iterum könnte eine Rolle spielen, wenn man die letzten zwei Verse ohne Beistrich liest. In den Kommentaren auf der Enya-homepage findet sich eine weitere Interpretation: Iternum means "journey". It is related to "iter" (to journey), and the form seems to be in the genitive plural, which actually should be "itinerum", not "iternum" as written. This should be translated as journey" or perhaps "of the journeys" since the notes state that this song was inspired by an inscription found in the portico of Marilyn Monroe's last home, "My journey ends here"1.

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overkott
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Re: Memento mori

Beitrag von overkott »

Weisheit und Tugend führen zum Leben jedoch nicht erst, wenn man gestorben ist. Dann ist es für Weisheit und Tugend zu spät. Deshalb sollen Weisheit und Tugend zu einem langen Leben führen, dessen Ende wir nicht absehen können. Das Leben kommt aus dem Geheimnis Gottes und kehrt dorthin wieder zurück.

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overkott
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Re: Memento mori

Beitrag von overkott »

Aber, gut, die eigentlich Frage lautet: Was bedeutet für euch der Tod?

civilisation
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Re: Memento mori

Beitrag von civilisation »

Der Tod ist ein Zeitpunkt, an dem das irdische Leben für jede Kreatur endet. So schlimm das auch für uns Menschen in bestimmten Situationen (z.B. Tod des Vaters, der Mutter, eines Kindes) sein mag - der Tod ist nicht absolut.

"Ego sum Alpha et Omega, principium et finis. Ego sitienti dabo de fonte aquae vivae gratis.
Qui vicerit, hereditabit haec, et ero illi Deus, et ille erit mihi filius.
Timidis autem et incredulis et exsecratis et homicidis et fornicatoribus et veneficis et idololatris et omnibus mendacibus, pars illorum erit in stagno ardenti igne et sulphure, quod est mors secunda ”.

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overkott
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Re: Memento mori

Beitrag von overkott »

Also, da bin ich ja mit meiner Höllenentsorgungstheorie der Einheitsübersetzung auf den Leim gegangen.

Der hl. Hieronymus übersetzt, dass ein Teil der Furchtsamen dort landen könnte - und ein Teil der Furchtlosen.

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overkott
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Re: Memento mori

Beitrag von overkott »

Die Frage ist natürlich:

Entspricht das nicht genau der befriedenden Linie, die Johannes/Hieronymus auch in Vers 22,11 wieder aufgreifen?

qui nocet noceat adhuc et qui in sordibus est sordescat adhuc et iustus iustitiam faciat adhuc et sanctus sanctificetur adhuc

Mir scheint jedenfalls, dass die Spannung von Liebe und Gerechtigkeit dadurch nicht vor dem Jüngsten Tag aufgelöst wird.

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Robert Ketelhohn
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Re: Memento mori

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Overkott hat geschrieben:Der Zusammenhang mit mos, moris = die Sitte, wird oft gesehen.
Es soll auch Leute geben, die lila Kaninchen mit pißgelben Tupfen sehen.
Ist trotzdem hanebüchener Blödsinn. Verzeih mir die ungewohnt deutli-
che Aussprache.
Overkott hat geschrieben:Auf jeden Fall dürfte es sich um ein Wortspiel handeln …
Nein.
Overkott hat geschrieben:… ähnlich wie bei corrumpere, das verderben bedeutet, aber oft auch als verwesen übersetzt wird.
Und wo soll da das Wortspiel liegen? – Die Bedeutung ist doch dieselbe.
Ein und derselbe Begriff. (Aktivisches corrumpere ist deutsch transitives
„verderben“, medial-passivisches corrumpi auf deutsch intransitives „ver-
derben, verwesen“ u. ä.)
Overkott hat geschrieben:Immer wieder sehen wir hier den Zusammenhang von Weisheit und Tugend, Theologie als Weg zum Leben.
Ja ja. Spielen wir doch: »Ich sehe was, was du nicht siehst.«
Overkott hat geschrieben:Fórtunaé donís parvúm tribuísse meménto:
nón opibús bona fáma datúr, sed móribus ípsis.


Denk daran, dass an den Gaben des Glücks nicht so viel liegt; nicht für Reichtum gewinnt man einen guten Ruf, sondern für seinen guten Charakter.
Übersetzungshilfe:
Zu des Geschickes Gaben wenig beigetragen zu haben gedenke:
nicht durch Reichtum wird guter Ruf gegeben, sondern durch die Sitten selbst.


Freier, aber noch korrekt (und halbwegs dem Metrum folgend):
Dénk daran, dáß zu den Gáben des Schícksals du wénig getán hast:
Für deine Sítten, nicht Güter, erlángst du tréfflichen Leúmund.
Overkott hat geschrieben:häufig als "gedenke des Todes" übersetzt, was
jedoch nicht sehr exakt ist, da mori als Substantiv lediglich Dativ Singular von
mos, moris (f. = Sitte, Brauch) und nicht Dativ Singular ("morti") von mors = Tod
sein kann (der Genitiv, also "des Todes" lautet mortis, liegt also noch ferner); ein
der o-Deklination entsprechender Genitiv auf -i ist inhaltlich aufgrund der in Frage
kommenden Worte auszuschließen
Leicht überflüssige Erörterungen, denn die Form mori ist ohnedies völlig
klar. Das Verb „sterben“ mit dem Substantiv „Tod“ zu übersetzen ist auch
ganz unproblematisch.

Was noch? – Vinum bibe melius! nam scias quod vates vatum cecinit:

  • Tales versus facio quale vinum bibo,
    nihil possum facere nisi sumpto cibo.
    nihil valent penitus quæ jejunus scribo:
    Nasonem post calicem carmine præibo.
[/color]
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Re: Memento mori

Beitrag von Robert Ketelhohn »

overkott hat geschrieben:Aber, gut, die eigentlich Frage lautet: Was bedeutet für euch der Tod?
Ah ja! Ebenso knapp geantwortet: Zu wenig.
Er liegt zu sehr außerhalb des Blickfelds.
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