overkott hat geschrieben:Hauptsache, bürgerliche Mehrheit. Hauptsache, Kanzlerin. Die liberalste aller Kandidatinnen hatte vor vier Jahren das Herz ihrer Partei getroffen und damit bei der Wahl für die Union das schlechteste Ergebnis der Geschichte eingefahren. Doch das Glück war mit ihr. Sie erkannte, was die Stunde geschlagen hatte, und ließ sich von den Sozialdemokraten zur Kanzlerin krönen. Weiter so, Deutschland? Die Kanzlerin hat gelernt. Diesmal will sie vorsichtiger sein, will für ihre Partei mehr Prozentpunkte holen als bei der Europawahl. Das will auch Horst Seehofer. Für ihn ist Lächeln die freundlichste Art, Zähne zu zeigen. Der Ingolstädter hat vergrätzte Wirte wieder ins Boot geholt und weiß, wie der Enzian blüht. Deshalb setzt er auf ein eigenes Profil der CSU und verspricht Entlastung konkret: "So stellen wir uns das vor. Und dann wollen wir es umsetzen", lautet seine Botschaft. Wie werden die Wähler ihm glauben? Und was passiert, wenn die Ergebnisse für CDU und CSU höchst unterschiedlich ausfallen?
Die Kanzlerin profitiert vor allem von Erfolgen der umstrittenen Agenda 2010, für die die SPD noch immer abgestraft wird. Außerdem erweist sie sich als perfekte Kohl-Schülerin. Sie zeigt sich vorsichtig, wartet erstmal ab, was die Umfragen sagen, und "entscheidet" dann, was die Mehrheit erwartet. Außerdem hat sie keine Skrupel, anderer Leute gute Ideen zu adoptieren und sich dann für den Erfolg beglückwünschen zu lassen.
Viele "schwarze" Wähler durchschauen aber das Spiel. Sie sehen auch, dass die Wahlversprechen nicht realisierbar sind und der Wortbruch nach der Wahl vorprogrammiert ist. Gleiches gilt allerdings auch für die SPD.
Die FDP profitiert vom Frust der bürgerlichen Wähler und vom Kurzzeitgedächtnis der Wähler. Die jahrelange Abwesenheit von der Regierungsverantwortung macht sie stark. Anders ist der Erfolg nicht zu erklären: die Spaßkampagne, Kanzlerkandidatur und andere Eskapaden, mit denen sich die FDP-Führung vollkommen lächerlich gemacht hat, spielen komischerweise keine Rolle mehr.