Wir - die Fundamentalisten?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Sempre
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Sempre »

LePenseur hat geschrieben:Und was die aufgeflammte Diskussion um's Bekehren-können bzw. -nicht-können betrifft: wer andere Bekehren will (egal ob er's nun kann oder nicht), ist m.E. schon einer. Den anderen über die eigenen Ansichten zu informieren ist natürlich völlig okay (wozu reden bzw. schreiben wir sonst hier). Aber "bekehren" impliziert, daß man sich sicher ist, es besser zu wissen als der andere und dieses (subjektiv) bessere Wissen auch für den anderen als notwendig oder nützlich zu erachten — und dieses sicher-sein ist wenn schon nicht Fundamentalismus so doch des Fundamentalismus verdächtig.
"Des Fundamentalismus verdächtig" :freude:

Klingt ganz so, als seiest Du ein Anti-Fundamentalisten-Fundamentalist: überzeugt, dass es besser sei, kein Fundamentalist zu sein, dass es nützlich für jeden sei, kein Fundamentalist zu sein.

Oder ringst Du Dich zu der Aussage durch: "Nein, wenn ich [LePenseur] lieber kein Fundamentalist bin, dann weiß ich ja nicht, ob es nicht vielleicht doch besser ist, einer zu sein."

Gruß
Sempre
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LePenseur
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Sempre:
Gratulation! Sie haben mein süffisantes Wortspiel in "Des Fundamentalismus verdächtig" (als Analogieblidung zu "suspectus de haeresi") erkannt :D

Und was Ihre Hoffnung betrifft, ich könnte mich dazu "durchringen" zu sagen: "Nein, wenn ich [LePenseur] lieber kein Fundamentalist bin, dann weiß ich ja nicht, ob es nicht vielleicht doch besser ist, einer zu sein."

Never say never again (um einen bekannten Titel zu zitieren) — aber ich würde sagen: es ist seeehr unwahrscheinlich, daß ich mich nach dem Ablegen diverser religiöser Scheuklappen und (letztlich selbstauferlegter) Denkverbote dazu bequemen werde. Besser, Sie hoffen darauf nicht allzu sehr ...

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Sempre
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Sempre »

LePenseur hat geschrieben:Gratulation! Sie haben mein süffisantes Wortspiel in "Des Fundamentalismus verdächtig" (als Analogieblidung zu "suspectus de haeresi") erkannt :D
So ganz ohne Dogmen kommt man halt auch schwer aus. :D

LePenseur hat geschrieben:Und was Ihre Hoffnung betrifft, ich könnte mich dazu "durchringen" zu sagen: "Nein, wenn ich [LePenseur] lieber kein Fundamentalist bin, dann weiß ich ja nicht, ob es nicht vielleicht doch besser ist, einer zu sein."
Das war eigentlich nur eine sachliche Frage. Aber, wo Du es sagst, ja ich hoffe, dass Du offen dafür bist.

LePenseur hat geschrieben:Never say never again (um einen bekannten Titel zu zitieren) — aber ich würde sagen: es ist seeehr unwahrscheinlich, daß ich mich nach dem Ablegen diverser religiöser Scheuklappen und (letztlich selbstauferlegter) Denkverbote dazu bequemen werde. Besser, Sie hoffen darauf nicht allzu sehr ...
... damit ich nicht enttäuscht werde? Diese Möglichkeit bereitet mir keine Sorgen.

LePenseur hat geschrieben:Den anderen über die eigenen Ansichten zu informieren ist natürlich völlig okay (wozu reden bzw. schreiben wir sonst hier). Aber "bekehren" impliziert, daß man sich sicher ist, es besser zu wissen als der andere und dieses (subjektiv) bessere Wissen auch für den anderen als notwendig oder nützlich zu erachten.
Was aber spricht denn nun dagegen, dass einer sich sicher sei, es besser zu wissen als der andere? Wenn ich mir vorstelle, ich lebte in dem Bewusstsein, mein grundsätzliches Verständnis von der Wirklichkeit sei so 50:50, vielleicht falsch, vielleicht richtig; daran sei prinzipiell nichts änderbar, ich könne zwar nach Laune den Standpunkt wechseln, auf diese Weise aber auch nicht der Wahrheit näher kommen; was wäre dann zu tun? Der hl. Apostel Paulus empfiehlt für solche Fälle: Party feiern. Aber manch einer zieht es dann doch vor, nach dem Motto "Es gibt keine Wahrheit und ich bin ihr Prophet" durch die Lande zu ziehen.

Ich nehme einstweilen zur Kenntnis, dass Du nicht hier bist, um jemanden von irgendetwas zu überzeugen, sondern um auf Deine Existenz und die Existenz Deiner Ansichten hinzuweisen, sowie auch darauf, dass sie vielleicht falsch, vielleicht richtig sind.

Gruß
Sempre
Zuletzt geändert von Sempre am Dienstag 29. Juni 2010, 19:26, insgesamt 1-mal geändert.
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LePenseur
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Sempre:
Was aber spricht denn nun dagegen, dass einer sich sicher sei, es besser zu wissen als der andere?
Dagegen spricht, daß genau das bereits eine Unzahl von Leuten behauptet haben, deren Ansichten miteinander jedoch wenigstens teilweise inkompatibel waren, sodaß davon auszugehen ist, daß (wenigstens) alle bis auf einen dieser Unzahl im Unrecht waren. Und vermutlich sogar alle (obgleich wir es nicht mit Sicherheit wissen können).
Wenn ich mir vorstelle, ich lebte in dem Bewusstsein, mein grundsätzliches Verständnis von der Wirklichkeit sei so 50:50, vielleicht falsch, vielleicht richtig; daran sei prinzipiell nichts änderbar, ich könne zwar nach Laune den Standpunkt wechseln, auf diese Weise aber auch nicht der Wahrheit näher kommen; was wäre dann zu tun? Der hl. Apostel Paulus empfiehlt für solche Fälle: Party feiern.
Gegen Party (mit Maßen) ist nicht wirklich was einzuwenden. Für diese Zwecke empfiehlt es sich, Epikur zu lesen (z.B. hier: http://wiki.epicurus.info/Main_Page, oder auch hier: http://oriensexalto.blogspot.com/2007/0 ... ikurs.html, oder in Rev. Brown's Blog »Caute« http://andrewjbrown.blogspot.com/2009/0 ... -with.html, http://andrewjbrown.blogspot.com/2009/0 ... -with.html und http://andrewjbrown.blogspot.com/2009/0 ... -with.html) und dabei draufzukommen, daß die landläufige Vorstellung von "Epikureismus" als Abfeiern bis zum Abwinken nun nicht wirklich ein fundamentum in re in seinen Werken hat.
Aber manch einer zieht es dann doch vor, nach dem Motto "Es gibt keine Wahrheit und ich bin ihr Prophet" durch die Lande zu ziehen.
Das ist schon einmal ein wichtiger erster Schritt, stimmt! Die Relativität unserer Erkenntnis zu erkennen ist die Voraussetzung, neue Erkenntnis überhaupt erst einmal als solche an sich ranzulassen
Ich nehme einstweilen zur Kenntnis, dass Du nicht hier bist, um jemanden von irgendetwas zu überzeugen, sondern um auf Deine Existenz und die Existenz Deiner Ansichten hinzuweisen, sowie auch darauf, dass sie vielleicht falsch, vielleicht richtig sind.
Exakt! Mein Missionsdrang hält sich wirklich in Grenzen— ich denk' mir halt: wenn ich etwas erkannt habe, was andere nicht erkennen wollen oder können, dann gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten:
1. Ich bin derjenige auf dem Holzweg. Nun, dann ist das Kennenlernen anderer Ansichten die beste Methode, auf einen zielführenderen Weg zu kommen. Aber gehen muß ich ihn eben selbst, was ich aber nur tun werde, wenn es mir erfolgversprechend aussieht.
2. Die anderen sind am Holzweg. Nun, dann habe ich mit dem Aufzeigen meiner Ansichten alles getan, was ich tun kann. Compelle intrare liegt mir nicht, also nehme ich zur Kenntnis, daß andere Menschen eben auf anderen Wegen gehen wollen (ihr Problem, nicht meines), oder sie kommen irgendwann doch zur selben Erkenntnis wie ich, dann freut mich das natürlich.

P.S.: Kann mir jemand verraten, wie man in diesem Forum die Links unsichtbar hinter dem Link-Titel oder einem "hier" hinterlegen kann?
Zuletzt geändert von LePenseur am Dienstag 29. Juni 2010, 19:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Clemens
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Clemens »

Sorry, bin erst jetzt wieder hier:
Gamaliel hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:Wenn es nichts Gefährlicheres als Irrlehrer gibt, müssten doch auch die "unzulässigen" Mittel geringere Übel sein?
„Non faciamus mala ut veniant bona.“ (Röm 3, 8)
Der Zusammenhang dortselbst ist aber doch ein anderer.
Inwiefern meinst Du?
Bei Paulus geht es darum, dass man (nach Meinung der Irrlehrer) Böses tun soll, damit das Gute Gottes auf der dunklen Folie unserer Sündhaftigkeit umso strahlender leuchte.
Das sei (natürlich) ferne!

Es geht nicht um die Frage, ob der gute Zweck böse Mittel rechtfertigt.

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Marion
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Marion »

Clemens hat geschrieben:Sorry, bin erst jetzt wieder hier:
Gamaliel hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:Wenn es nichts Gefährlicheres als Irrlehrer gibt, müssten doch auch die "unzulässigen" Mittel geringere Übel sein?
„Non faciamus mala ut veniant bona.“ (Röm 3, 8)
Der Zusammenhang dortselbst ist aber doch ein anderer.
Inwiefern meinst Du?
Bei Paulus geht es darum, dass man (nach Meinung der Irrlehrer) Böses tun soll, damit das Gute Gottes auf der dunklen Folie unserer Sündhaftigkeit umso strahlender leuchte.
Das sei (natürlich) ferne!

Es geht nicht um die Frage, ob der gute Zweck böse Mittel rechtfertigt.
http://kreuzgang.org/viewtopic.php?p=389983#p389983
Gamaliel hat geschrieben:Zum eigentlichen Thema des Threads: Der Zweck heiligt nicht die Mittel!
(I-II, q.18)

1. Aus welchen „Zutaten“ ergibt sich die Moralität der Handlung?

a) aus dem Objekt der Handlung
Es handelt sich hier nicht um das physische Objekt, sondern um das moralische Objekt, d.h. den durch den freien Willen vernunftgemäß gewählten Gegenstand (I-II, q.1, a.3, ad 3).

b) aus den Umständen einer Handlung

c) aus der Absicht des Handelnden

2. Mögliche Einflußweisen der Absicht auf die Moralität der Handlung

Der Zweck des Handelnden kann:

- eine indifferente Handlung gut oder schlecht machen;
- eine gute Handlung mehr oder weniger gut, oder sogar schlecht machen;
- eine schlechte Handlung mehr oder weniger schlecht, aber nie gut.

3. Was ist zum Fall der Anwendung schlechter Mittel (= angestrebter Gegenstand), bei gleichzeitig guter Absicht zu sagen?

Der Zweck heiligt nicht die Mittel: „Non faciamus mala ut veniant bona.“ (Röm 3, 8)

Vernunftargument: Die gute Absicht (finis operantis), kann die im angestrebten Gegenstand begründete innere und wesentliche Schlechtigkeit des Aktes (finis operis) nicht aufheben, da die wesentliche Moralität einer Handlung aus dem angestrebten Gegenstand kommt und der Zweck nur etwas der Handlung Äußerliches ist.

Außerdem gilt das Prinzip: „Bonum ex integra causa, malum ex quolibet defectu“ => Gut ist nur das, bei dem alle „Zutaten“ selbst gut sind, schlecht ist etwas aber bereits dann, wenn auch nur eine einzige „Zutat“ schlecht ist.
Christus vincit - Christus regnat - Christus imperat

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Gamaliel
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Gamaliel »

Clemens hat geschrieben:Sorry, bin erst jetzt wieder hier:
Macht nichts, wir haben ja keine Eile. :neinfreu:
Clemens hat geschrieben:Es geht nicht um die Frage, ob der gute Zweck böse Mittel rechtfertigt.
Abgesehen davon, daß die Kirche diese Stelle in von ihr approbierten Büchern genau in diesem Sinn auslegt, sehe ich keinen Unterschied zwischen obigem Prinzip und Deiner nachstehenden Erklärung. :achselzuck:
Clemens hat geschrieben:Bei Paulus geht es darum, dass man (nach Meinung der Irrlehrer) Böses tun soll, damit das Gute Gottes auf der dunklen Folie unserer Sündhaftigkeit umso strahlender leuchte.

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Sempre
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Sempre »

LePenseur hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Was aber spricht denn nun dagegen, dass einer sich sicher sei, es besser zu wissen als der andere?
Dagegen spricht, daß genau das bereits eine Unzahl von Leuten behauptet haben, deren Ansichten miteinander jedoch wenigstens teilweise inkompatibel waren, sodaß davon auszugehen ist, daß (wenigstens) alle bis auf einen dieser Unzahl im Unrecht waren. Und vermutlich sogar alle (obgleich wir es nicht mit Sicherheit wissen können).
Das ist kein überzeugendes Argument: Man sollte keine Überzeugungen pflegen, weil man davon ausgehen muss, dass viele Menschen irrige Überzeugungen pflegen bzw. gepflegt haben.

Wenn ich sehe, dass viele Menschen irren, dass auch ich herumgeirrt bin und immer wieder mal irre, dann nehme ich das als Ansporn, etwas dagegen zu tun. Wenn Du behauptest, mein Fundament (die Kirche) sei im Irrtum, dann bitte ich um Vorlage geeigneter Nachweise. Inzwischen lebe ich in dem Bewusstsein, dass die Kirche die Kirche Gottes ist, die er -wie auch sonst alles in dieser Welt- lenkt. Ich weiß, dass ich "nur" glauben kann, dass es so ist. Ich kann auch "nur" glauben, dass meine Frau mich liebt. Ich kann zwar sehen, dass sie tut, was man von einer liebenden Ehefrau erwartet, aber ich kann nicht wirklich sicherstellen, dass sie mich nicht zu irgendeinem Zwecke täuscht.

Warum traust Du Deinem eigenen gesunden Menschenverstand nicht über den Weg? Du unterstellst ihm den Irrtum anderer. Es mag ja schwierig sein, im Geplapper der Welt, der Philosophen und der Religionen einen Anknüpfpunkt zu finden, wo man sagen kann: Ja, das ist gut, wahr und schön. Robert Spaemann findet ihn z.B. so: Wir haben gelegentlich Durst. Folglich gibt es Wasser (ja, ja, Joseph: Bier). Denn man kann ja nicht Mangel an nicht-Existentem leiden. Man muss aber schon leugnen, dass wir tatsächlich erkennen können, gelegentlich unter Durst zu leiden, um die Wahrheit und unsere prinzipielle Erkenntnisfähigkeit abzulehnen.

Gruß
Sempre

LePenseur hat geschrieben:P.S.: Kann mir jemand verraten, wie man in diesem Forum die Links unsichtbar hinter dem Link-Titel oder einem "hier" hinterlegen kann?

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[url=http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?p=405413#p405413]hier[/url]
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Zuletzt geändert von Sempre am Dienstag 29. Juni 2010, 20:48, insgesamt 1-mal geändert.
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ad-fontes
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von ad-fontes »

Wenn Weltverachtung fundamentalistisch ist, dann ist es christliche Existenz auch.

Ach ja, und bevor ich's vergesse: kannibalistisch sind wir auch, denn wenn wir das Fleisch unseres Herrn, Gottes und Erlösers nicht essen noch sein Blut trinken, sind wir nur Schatten unserer selbst, sind abgeschnitten vom Leben, das in ihm ist und von ihm her kommt.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Linus
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Linus »

Nassos hat geschrieben:Also, wir sind Fundamentalisten?
Žižek, Slavoj: Fundamentalisten gegen den Glauben in Meineke: Ratzinger Funktion hat geschrieben: In der aufgeklärten Gesellschaft, sagen wir des revolutionären Terrors, wird ein Mann ins Gefängnis gesteckt, weil er an Gott glaubt. Mit verschiedenen Maßnahmen, vor allem aber mit einer aufgeklärten Belehrung wird er zur Einsicht gebracht, daß Gott nicht existiert. Nachdem er entlassen worden ist, kehrt er zurück und erklärt, daß er sich schrecklich fürchte, von Gott bestraft zu werden. Natürlich weiß er daß Gott nicht existiert. Aber weiß Gott das auch?“
[...]
Ein Fundamentalist glaubt nicht, er weiß unmittelbar. […]Der liberal-skeptische Zynismus und der Fundamentalismus haben einen elementaren, grundlegenden Zug gemein: Den Verlust der Fähigkeit zu Glauben im eigentlichen Sinn des Wortes. Für beide sind religiöse Statements quasi empirische Statements unmittelbaren Wissens, wobei die Fundamentalisten sie als solche akzeptieren, während die skeptischen Zyniker sich über sie lustig machen. Skeptische Zyniker und Fundamentalisten akzeptieren nicht, dass authentischer Glaube durch einen absurden Akt der Entscheidung entsteht. Für Fundamentalisten sind religiöse Akte und Äußerungen positives WISSEN. Demnach ist der Fundamentalismus in erster Linie eine Gefahr für den authentischen Glauben.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

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lutherbeck
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von lutherbeck »

overkott hat geschrieben:Jeder mag sich selbst aus formalen Gründen als Fundamentalist bezeichen nach dem Motto: "Fundament heißt Grundlage. Ich stehe auf einer Grundlage. Deshalb bin ich Fundamentalist." Das scheint aber nicht empfehlenswert. Denn der Begriff steht in einem historischen Kontext des 19. und 20. Jahrhunderts und ist deshalb mit bestimmten Wertungen verbunden. Wer sich in die fundamentalistische Ecke stellt, muss auch damit rechnen, entsprechend bewertet zu werden. Die Einordnung als radikal intolerant oder sogar extrem gewaltbereit, führt zu einer Ausgrenzung. Wer aber möchte aus oberflächlich formalen Gründen diese Ausgrenzung in Kauf nehmen?

Bezeichnet euch als christlich oder katholisch, aber nicht als fundamentalistisch. Und pflegt vor allem eine offene Haltung gegenüber Andersdenkenden, die der Nächstenliebe entspricht.
Genau dies ist aber doch das Problem - auch hier im Forum!

:dudu:
"Ich bin nur ein einfacher demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn".

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Nassos
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Nassos »

LePenseur hat geschrieben:@ (nahezu) all:
Irgendwie finde ich die Debatte unter euch Fundis ja recht putzig! Die einen sagen, sie seien keine, die anderen sind stolz drauf, den dritten ist's piepegal ...
Genau darum geht es ja, um ein bißchen Selbstreflexion.
Kann man als nutzlos und überflüssig auffassen - damit wäre der Strang aber nicht alleine :breitgrins:

Bekehren <=> Meinung aufdrücken: also das ist Zwangsbekehrung. Die ist fürn Arsch.

Ich denke, das Element der Liebe, das oben genannt wird ist ein sehr wesentliches Element. Ein richtiger christlicher Fundi hätte es eigentlich gleich zu Anfang bringen sollen. Was nützen die besten Bekehrungselemente, was ist eine Bekehrung wert, wenn ihr keine Liebe innewohnt? Habe ich dann wirklcih bekehrt oder hamma zwei blinde Hühner? (Ich glaube ich weiche ab, aber das wollte ich doch loswerden).
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Sempre
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Sempre »

Nassos hat geschrieben:was ist eine Bekehrung wert, wenn ihr keine Liebe innewohnt?
Der Kausalzusammenhang ist folgender: die Liebe ist Frucht der Bekehrung.

Gruß
Sempre
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LePenseur
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Sempre:
Das ist kein überzeugendes Argument: Man sollte keine Überzeugungen pflegen, weil man davon ausgehen muss, dass viele Menschen irrige Überzeugungen pflegen bzw. gepflegt haben.
Ich glaube, Sie übertreiben hier etwas. Ich meinte damit nicht, daß meine keine Überzeugungen haben sollte, wohl aber, daß man seine Überzeugungen immer unter dem Vorbehalt sehen sollte, daß sie möglicherweise irrig sind, und daher davon absehen, sie anderen "reindrücken" zu wollen.

Ich bin für meinen Teil durchaus überzeugt, daß es ein "Göttliches Wesen" bzw. "Oberstes Prinzip" gibt und scheue mich auch nicht, das kundzutun. Wenn jemand anderer eine davon abweichende Ansicht hat, werde ich ggf. meine Ansicht darlegen, aber nicht versuchen, ihn zu der meinen zu "bekehren", weil ich genau weiß, daß auch ich nicht gerne von anderen "bekehrt" werde.

Und über allem steht als Wahlspruch bei mir (und ohne jetzt missionieren zu wollen ;) — ihn sollten m.E. alle beherzigen) ein Satz des guten alten Epicharm*) :
Bleib nüchtern und vergiß nicht, skeptisch zu sein.

*) Danke für den Hinweis mit dem Hinterlegen von Links.

Ralf

Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Ralf »

LePenseur hat geschrieben:Ich meinte damit nicht, daß meine keine Überzeugungen haben sollte, wohl aber, daß man seine Überzeugungen immer unter dem Vorbehalt sehen sollte, daß sie möglicherweise irrig sind, und daher davon absehen, sie anderen "reindrücken" zu wollen.
Ich fand hier keienn hinweis darauf, daß jemand seine Übereugungen "Reindrücken" wollte.

Natürlich kann ich mich irren. Ich glaube es aber nicht ;D .

Die Mission mit Worten ist bei den allermeisten Kirchenfernen soweiso zum Scheitern verurteilt, da sie aufgrund der weltlichen und Kirchengeschichte nur durch ein kohärentes Lebenszeugnis die Freude am Evangelium zu erkennen vermögen.

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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Ralf:
"Reindrücken" geht unter Internet-Bedingungen halt nicht so richtig (da sonst "wegklicken" angesagt wird). Insofern also findet das hier im Forum nicht statt. Aber ich erinnere mich daran, daß einige Foris lebhaft für die Wiedereinführung der Inquisition plädierten bzw. wenigstens ihre Abschaffung bedauerten. Und bei der Inquisition würde ich schon (milde gesagt!) von "reindrücken" reden ...

Thomas_de_Austria
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Ich meinte damit nicht, daß meine keine Überzeugungen haben sollte, wohl aber, daß man seine Überzeugungen immer unter dem Vorbehalt sehen sollte, daß sie möglicherweise irrig sind, und daher davon absehen, sie anderen "reindrücken" zu wollen.
Das ist der übliche Blödsinn, den man von gewissen "Kritischen" ("kritisch" sind sie ja wirklich, aber in einem ganz anderen Sinne) öfters hört, aber irgendwas stimmt hier nicht so ganz, denn: Das Falsche wird so oder so ausgesondert, denn die Ansicht, die ich "jemanden reindrücke" ist entweder wahr oder sie ist falsch. Wenn sie wahr ist, dann erleidet derjenige, dem ich sie "reindrücke" gewiss keinen Schaden dadurch, da ihm ja nichts Falsches "reingedrückt" wird (gerade eben, wenn dessen Ansicht, die von - jetzt angenommen - der richtigen Ansicht "verdrängt" wird, dieser widersprochen hat und somit falsch war). Wenn sie falsch ist, kann sie m. E. eben nur dadurch, dass ich sie jemanden "reindrücke", der mehr davon versteht als ich, der ich ja überzeugt von der Richtigkeit der Ansicht bin (ansonsten würde ich der Ansicht ja gar nicht anhängen), als falsch erwiesen werden, insofern, als ich nicht zuvor selbst zur Erkenntnis gekommen bin, dass sie falsch ist, aber dann verbreite ich sie gar nicht erst, es sei denn, ich bin ein Provokateur o. ä. Es kann der Sache also tatsächlich nur förderlich sein, mit Ansichten "hausieren" zu gehen (und dazu muss man natürlich von der Wahrheit der vertretenen Ansicht überzeugt sein, alles andere wäre ja ohnehin ein schlichter Witz, ein zynisches Spiel das man nicht ernst nehmen kann und das auf gar keinen Fall, mehr mit "Wahrheitsliebe" zu schaffen hat, als der böse Fundamentalismus) - der Wahrheit dienlicher ist es auf jeden Fall, eine Ansicht anderen näher zu bringen, als sie alleine im stillen Kämmerlein sitzend, vor mich hin zu murmeln, paralysiert von der Möglichkeit, dass ich mich auch geirrt haben könnte. Wäre es anders, wären Sie wohl auch gar nicht hier - es sei denn, Sie sind ein Troll ... - Das echte Problem scheinen nicht die Ansichten und die Überzeugung von deren Wahrheit zu sein, sondern vielmahr die Art der Vermittlung, aber das haben hier wohl so ziemlich alle, ohnehin von Anfang an gewusst ...

Es ist übrigens auch nicht so, dass dadurch, dass man mit seinen Ansichten nicht hausieren geht, die Anzahl der falschen Ansichten abnehmen würde und das gänzlich unabhängig von dem klar zu Tage liegenden Grund, dass es noch immer genügend Personen gibt, die jeweils ihre Ansichten verbreiten - da kommt es auf eine einzelne Person auch nicht mehr an. Es würden die verkehrten Ansichten auch speziell deswegen nicht abnehmen, da trotzdem jeder weiterhin seinen eigenen Ansichten frönen würde, die eben auch möglicherweise falsch, möglicherweise richtig sind, aber die Falschheit bleibt gerade deswegen auch weiterhin bestehen und die Wahrheit kommt nicht unter die Leute. So eine Haltung trägt nicht das Geringste, zu irgendeiner Änderung bei, sondern wohl eher zu einer zynischen Resignation, die sich durch die "kritische" Verbrämung noch besonders erhaben vorkommt ...
Zuletzt geändert von Thomas_de_Austria am Donnerstag 1. Juli 2010, 00:06, insgesamt 5-mal geändert.

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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Sempre »

LePenseur hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Das ist kein überzeugendes Argument: Man sollte keine Überzeugungen pflegen, weil man davon ausgehen muss, dass viele Menschen irrige Überzeugungen pflegen bzw. gepflegt haben.
Ich glaube, Sie übertreiben hier etwas. Ich meinte damit nicht, daß meine keine Überzeugungen haben sollte, wohl aber, daß man seine Überzeugungen immer unter dem Vorbehalt sehen sollte, daß sie möglicherweise irrig sind, und daher davon absehen, sie anderen "reindrücken" zu wollen.
Was immer Du hier mit "reindrücken" meinen magst. Ich empfehle jedem, seine Überzeugungen möglichst oft, möglichst vielen, möglichst deutlich unter die Nase zu reiben (natürlich nicht ohne Anstand und Klugheit zu vergessen). Dann den Kommentaren und der Kritik gut zuhören. Das hilft dabei, die eigene Auffassung zu überprüfen, sowie auch dabei, diejenigen aufzuspüren, die sich mühen, der Wahrheit zu dienen.

LePenseur hat geschrieben:Ich bin für meinen Teil durchaus überzeugt, daß es ein "Göttliches Wesen" bzw. "Oberstes Prinzip" gibt und scheue mich auch nicht, das kundzutun. Wenn jemand anderer eine davon abweichende Ansicht hat, werde ich ggf. meine Ansicht darlegen, aber nicht versuchen, ihn zu der meinen zu "bekehren", weil ich genau weiß, daß auch ich nicht gerne von anderen "bekehrt" werde.
Ich danke allen, die mir geholfen haben, mich zu bekehren, und die mir immer wieder neu helfen, auf den schmalen und geraden Weg zurückzukehren. Mein Bemühen, andere zu bekehren ist gleichzeitig meine Chance bekehrt zu werden.

LePenseur hat geschrieben:Und über allem steht als Wahlspruch bei mir (und ohne jetzt missionieren zu wollen ;) — ihn sollten m.E. alle beherzigen) ein Satz des guten alten Epicharm*) :
Bleib nüchtern und vergiß nicht, skeptisch zu sein.
Ja, skeptisch gegenüber allem Unsicheren. Nicht aber skeptisch gegenüber der erkannten Wahrheit. Mit dieser sollte man hausieren gehen, wie Thomas_de_Austria oben ausführt. Sollte sich die erkannte Wahrheit dann als bloß vermeintlich erkannte Wahrheit entpuppen, dann erfährt man das schneller, wenn man mit ihr hausieren ging.

Gruß
Sempre
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Sempre »

LePenseur hat geschrieben:Und über allem steht als Wahlspruch bei mir (und ohne jetzt missionieren zu wollen ;) — ihn sollten m.E. alle beherzigen) ein Satz des guten alten Epicharm*) :
Bleib nüchtern und vergiß nicht, skeptisch zu sein.
(Meine Färbung)

Mit Deinem netten Smiley zeigst Du nichts anderes an, als dass Du Dich selbst gerne belügst. Gib es doch zu: Du bist ein Missionar, ein Prophet der Wahrheit, die wir gemäß der Lehre des Propheten nicht erkennen können.

Ein schlechter Witzbold. Einer jener drei Affen. Ein Kreter, ein Epimenides (*).

Gruß
Sempre

(*) Wobei der zwar das "dumme Volk" verar***t hat, Du hingegen erklärtermaßen zuerst Dich selbst.
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Thomas_de_Austria:
Das Falsche wird so oder so ausgesondert, denn die Ansicht, die ich "jemanden reindrücke" ist entweder wahr oder sie ist falsch. Wenn sie wahr ist, dann erleidet derjenige, dem ich sie "reindrücke" gewiss keinen Schaden dadurch, da ihm ja nichts Falsches "reingedrückt" wird (gerade eben, wenn dessen Ansicht, die von - jetzt angenommen - der richtigen Ansicht "verdrängt" wird, dieser widersprochen hat und somit falsch war).
Ich mag es aber auch nicht, gegen meinen Willen etwas "Richtiges" (bzw. das, was ein anderer dafür hält) reingedrückt zu bekommen. Das war schon als Kind so: gesunder ("so eisenhältig! wichtig für die Blutbildung!") Spinat gewaltsam eingeflößt schmeckte einfach nicht. Und mittlerweile wissen wir auch, daß die angebliche Gesundheit dieses grünen Zeugs nicht so toll ist, sondern auf einem immer wieder abgeschriebenen Druckfehler in einer Inhaltsstoffanalyse von vor hundert Jahren beruht ...
Wenn sie falsch ist, kann sie m. E. eben nur dadurch, dass ich sie jemanden "reindrücke", der mehr davon versteht als ich, der ich ja überzeugt von der Richtigkeit der Ansicht bin (ansonsten würde ich der Ansicht ja gar nicht anhängen), als falsch erwiesen werden, insofern, als ich nicht zuvor selbst zur Erkenntnis gekommen bin, dass sie falsch ist, aber dann verbreite ich sie gar nicht erst, es sei denn, ich bin ein Provokateur o. ä.
Oder ein "Inquisiteur". Einer, der seine aufkeimenden Selbstzweifel dadurch erstickt, daß er dafür andere verbrennt. Und derer gibt's mehr, als man glaubt (wobei das Verbrennen heute natürlich nicht mehr real, sondern symbolisch geschieht. Man sehe sich nur z.B. den Hexenzirkus um Eva Hermans angebliche Nazi-Äußerungen an. Herman ist zwar nicht körperlich tot, aber den "bürgerlichen Tod" hat sie erlitten ...)

@Sempre:
Gib es doch zu: Du bist ein Missionar, ein Prophet der Wahrheit, die wir gemäß der Lehre des Propheten nicht erkennen können.
Ach, lassen Sie mal. Fühlen Sie sich einfach nicht missioniert, sondern bleiben Sie weiter unskeptisch. Falls Sie's einmal ändern wollen, dann lesen Sie halt Sir Karl Popper. Oder David Hume. Nur als Information, nicht als Mission gedacht ...

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Marion
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Marion »

LePenseur hat geschrieben:Aber ich erinnere mich daran, daß einige Foris lebhaft für die Wiedereinführung der Inquisition plädierten bzw. wenigstens ihre Abschaffung bedauerten. Und bei der Inquisition würde ich schon (milde gesagt!) von "reindrücken" reden ...
Nee, nicht reindrücken, sondern rausdrücken.

Es geht nicht an, daß einer so tut als ob er in der Kirche wäre und falsches predigt. Ihn muss man (zum wohle der Schäfchen in der Kirche), wenn er nicht den Glauben der Kirche verbreiten will, sondern irgendetwas anderes aus der Kirche rausdrücken!
Geistig hat er sich ja selber (durch die nichtannahme des wahren Glaubens) schon rausgedrückt. Die Inquisition muss da nun etwas nachhelfen, daß der Körper auch außerhalb steht, damit das auch für jeden sichtbar ist.

Das alles hat gar nichts mein Meinung reindrücken zu tun, sondern nur mit Ordnung schaffen.
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LePenseur
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Marion:
Solange sich das "Rausdrücken" darauf beschränkt, jemandem wegen seiner abweichenden Ansichten die Mitgliedschaft im Verband "Katholische Kirche" zu kündigen, könnte ich damit problemlos leben.

Nur: bei "Inquisition" ging's halt nicht nur darum!

Da wurde man zumindest (!) aus der Gesellschaft "rausgedrückt", indem man im Gefängnis saß und das Vermögen konfisziert wurde, oder manbeim Autodafe in deklassierender Büßergewandung dem öffentlichen Spott und Hohn preisgegeben wurde (und davon ausgehen konnte: das hing einem den Rest des Lebens nach — und über den Tod hinaus den engeren Angehörigen).

Und schließlich gab es noch die nicht allzu seltenen Fälle, wo man via Scheiterhaufen aus dem Leben "rausgedrückt" wurde — und zwar auf höchst unschöne Art, wie jeder nachvollziehen kann, der sich nur einmal einen Finger am Kochtopf verbrannte ...

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Marion
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Marion »

Das hat doch nun aber nichts speziell mit Inquisition und Kirche zutun.

Das macht ein jeder Staat um für Ordnung zu sorgen. Verbrecher, Betrüger, Verleumder, Volksverhetzer usf einsperren (vom Volk wegsperren), Strafe zahlen (Vermögen konfisziert), bishin mit Todesstrafe verurteilen.

Selbstverständlich, kann die Kirche heute keine Leute verbrennen! Da müsste sie die Aufgaben des Staates mitübernehmen. Und das sieht ja nirgendwo so aus als ob das geschehen könnte.
Du brauchst also vor der Kirche und ihrer Inquisition (falls die wieder eingeführt wird) keine Angst haben ;) Nimm dich vor dem Staat in acht und pass auf, daß du schön den Mainstream verbreitest, dann passiert dir nichts
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Marion:
Das macht ein jeder Staat um für Ordnung zu sorgen. Verbrecher, Betrüger, Verleumder, Volksverhetzer usf einsperren (vom Volk wegsperren), Strafe zahlen (Vermögen konfisziert), bishin mit Todesstrafe verurteilen.
Mal ganz davon abgesehen, daß ich kein Freund der Todesstrafe bin: sobald ein Staat bloße Meinungen (und seien sie noch so "anstößig" und "ärgerniserregend") als Verbrechen zu bestrafen beginnt, überschreitet er die Grenze zur Gesinnungsdikatur. Und dagegen kämpfe ich mit all meinen (zugegeben: bescheidenen) Möglichkeiten, und werde ich bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen ...

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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von HeGe »

Dann sag das mal dem deutschen Gesetzgeber. :blinker:
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@HeGe:
Dann sag das mal dem deutschen Gesetzgeber.
Als Ösi sag' ich's nur dem österreichischen Gesetzgeber. Aber da auch Piefkes :breitgrins: auf meinem Blog mitlesen dürfen, sollen die's doch ihrem Gesetzgeber ausrichten ...

HeGe
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von HeGe »

LePenseur hat geschrieben:@HeGe:
Dann sag das mal dem deutschen Gesetzgeber.
Als Ösi sag' ich's nur dem österreichischen Gesetzgeber. Aber da auch Piefkes :breitgrins: auf meinem Blog mitlesen dürfen, sollen die's doch ihrem Gesetzgeber ausrichten ...
Na ja, die österreichische Gesetzgebung ist was Meinungen zum Thema NS-Zeit angeht ähnlich frei wie die deutsche Gesetzgebung. Ist mir ja prinzipiell auch egal, meinetwegen sollen die alle eingesperrt werden. Es sollte ja auch nur ein Hinweis zu der bei dir offensichtlich vorhandenen Ansicht sein, Meinungsäußerungen würden in unseren heutigen "aufgeklärten" Staaten keinesfalls mehr verfolgt.
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@HeGe:

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Ist mir ja prinzipiell auch egal, meinetwegen sollen die alle eingesperrt werden.
Nein, ich halte es da mit Voltaire: "Ich mißbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen". Wenn es was gibt, was mir wichtig ist, dann die Freiheit der Meinungsäußerung!
Es sollte ja auch nur ein Hinweis zu der bei dir offensichtlich vorhandenen Ansicht sein, Meinungsäußerungen würden in unseren heutigen "aufgeklärten" Staaten keinesfalls mehr verfolgt.
Entschuldigung, aber jetzt bin ich perplex! Wann hätte ich so einen Schwachsinn je geäußert? Ich alter Anti-Etatist und Anarcho-Konservativer sicher nicht! Sie müssen mich da verwechseln.

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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von HeGe »

Ich habe diesem Beitrag
LePenseur hat geschrieben:sobald ein Staat bloße Meinungen (und seien sie noch so "anstößig" und "ärgerniserregend") als Verbrechen zu bestrafen beginnt, überschreitet er die Grenze zur Gesinnungsdikatur. Und dagegen kämpfe ich mit all meinen (zugegeben: bescheidenen) Möglichkeiten, und werde ich bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen ...
entnommen, dass du die Verfolgung von Meinungen durch den Staat als Gesinnungsdiktatur ansiehst und angenommen, dieses Merkmal würdest du nicht auf moderne westliche Staaten wie Deutschland oder Österreich beziehen. Nachdem dies offensichtlich anders zu sein scheint, nehme ich meine Annahme selbstverständlich zurück.
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@HeGe:
Rücknahme angenommen :)

Nein, im Ernst: ein kurzer Blick in meinen Blog (z.B. hier) wird Sie überzeugen: das kann ich einfach nicht meinen!

P.S.: für Nicht-Ösis sei zu dem Link dazugesagt: Adolf Schärf, 20.4.1890-28.2.1965 war österreichischer Bundespräsident.
Zuletzt geändert von LePenseur am Donnerstag 1. Juli 2010, 16:11, insgesamt 1-mal geändert.

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Marion
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von Marion »

Bist du wirklich dafür daß man alles sagen und jede Perversität verbreiten und propagieren dürfen sollte?
Fällt dir da nichts, rein gar nichts ein, wo die Grenze doch überschritten wird, und auch du Einschränkungen für angemessen hälst oder auch als richtige Gefahr für die Menschheit?
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Re: Wir - die Fundamentalisten?

Beitrag von LePenseur »

@Marion:
Ja, ich bin prinzipiell dafür, daß man alles sagen kann. Einschränkungen sind m.E. dort gegeben, wo ich durch die vorsätzliche Verbreitung nachweislich falscher Informationen andere Menschen an Leben, Gesundheit oder Vermögen schädige. Daneben mag es von mir aus noch eine nur (!) als Privatanklagedelikt verfolgbare Kategorie von Ehrenbeleidigungsdelikten geben. Und das war's dann.

Ich brauche keinen, der mich dagegen schützt, als weißer, selbständiger, heterosexueller Mann von hirnverbrannten FeministInnen, neidischen Sozialschmarotzern und frustrierten Hinterladern beschimpft zu werden. Ich will bloß nicht, daß alle die es mir gegenüber faktisch unsanktioniert dürfen, ich ihnen hingegen nicht mit gleicher Mütze heimzahlen darf, ohne in den Häf'n zu gehen.

Und den ganzen Schönsprech, der uns verbieten will, z.B. einen Neger als Neger und einen Taubstummen als Taubstummen zu bezeichnen (und uns statt dessen die Begriffe "Schwarzafrikaner" und "Gehörloser" aufs Auge drücken will), den sollen sich die Initiatoren dieses lächerlichen Zirkus, bitteschön, rektal applizieren (habe ich das jetzt "schön" genug gesagt?)

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