Mißbrauchsanschuldigungen I

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Gamaliel
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Gamaliel »

Hubertus hat geschrieben:Zwar vmtl. hier schon allgemein bekannt, aber trotzdem:
Schon das Posting gesehen, das unmittelbar vor dem Deinigen steht? :pfeif: ;)

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Hubertus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Hubertus »

Gamaliel hat geschrieben:
Hubertus hat geschrieben:Zwar vmtl. hier schon allgemein bekannt, aber trotzdem:
Schon das Posting gesehen, das unmittelbar vor dem Deinigen steht? :pfeif: ;)
Deswegen habe ich doch schon geschrieben: "noch einmal" (Menno! :traurigtaps: )
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

civilisation
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von civilisation »

Das hat auch der Bischof von Trier, S. Ackermann vor einigen Tagen erwähnt.
Einen direkten Zusammenhang zwischen sexuellen Verfehlungen und Zölibat gebe es zwar nicht, dennoch: "Der Zölibat war nie zeitgemäß." Die eigentliche Herausforderung bestehe darin, Strukturen zu entwickeln, dass "diese von Anfang an sperrige Lebensform gut gelebt werden kann".
aus: http://www.presseportal.de/pm/7169/167 ... strundfunk

Wer sich eine TV-Sendung antun will:
Trierer Bischof Ackermann: Der Zölibat war nie zeitgemäß / "Wortwechsel - wie geht's eigentlich?" am Sonntag, 29. August, 23.2 Uhr im SWR Fernsehen mit dem Missbrauchsbeauftragten der katholischen Kirche

Ich jedenfalls nicht.

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Niels
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Niels »

Quelle hat geschrieben:Die Staatsanwaltschaft Feldkirch hat das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung gegen den Feldkircher Diözesanbischof Elmar Fischer eingestellt. Die Anschuldigungen beträfen einen Zeitraum zwischen 1963 und 1973/ 74 (...) Damit wäre eine allfällige Körperverletzung verjährt, das Verfahren sei daher eingestellt worden. (...)
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Helga-Christa
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Helga-Christa »

Ich mag das Wort "Verjährung" nicht, besonders nicht im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch!
Der Schaden, der an den Opfern ensteht, körperlich oder seelisch, verjährt schliesslich auch nicht!
ein lieber Gruß
Helga-Christa

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Peregrin
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Peregrin »

Helga-Christa hat geschrieben:Ich mag das Wort "Verjährung" nicht, besonders nicht im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch!
Dann ist's ja gut, daß es diesen Zusammenhang hier nicht gibt.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

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Gamaliel
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Gamaliel »

Helga-Christa hat geschrieben:Ich mag das Wort "Verjährung" nicht, besonders nicht im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch!
Wie würdest Du das stattdessen handhaben? Es geht ja hier um einen juristischen Begriff und die entsprechenden rechtlichen Folgen, die damit verbunden sind. Scheint es Dir 20, 30, 40 Jahre nach einer solchen Tat noch grundsätzlich möglich Zweckdienliches zu ermitteln,...?

Helga-Christa hat geschrieben:Der Schaden, der an den Opfern ensteht, körperlich oder seelisch, verjährt schliesslich auch nicht!
Das kann in der Tat so sein, jedenfalls was den seelischen Aspekt betrifft. Allerdings trifft das in gewissem Sinn für alle seelischen "Verwundungen" zu (ich denke da auch an Scheidungskinder,...).

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Helga-Christa
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Helga-Christa »

Gamaliel hat geschrieben:
Helga-Christa hat geschrieben:Ich mag das Wort "Verjährung" nicht, besonders nicht im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch!
Wie würdest Du das stattdessen handhaben? Es geht ja hier um einen juristischen Begriff und die entsprechenden rechtlichen Folgen, die damit verbunden sind. Scheint es Dir 20, 30, 40 Jahre nach einer solchen Tat noch grundsätzlich möglich Zweckdienliches zu ermitteln,...?

Helga-Christa hat geschrieben:Der Schaden, der an den Opfern ensteht, körperlich oder seelisch, verjährt schliesslich auch nicht!
Das kann in der Tat so sein, jedenfalls was den seelischen Aspekt betrifft. Allerdings trifft das in gewissem Sinn für alle seelischen "Verwundungen" zu (ich denke da auch an Scheidungskinder,...).
Ich kann es nicht genau sagen, wie man es ändern könnte. Natürlich wird es, je länger eine Tat her ist, schwieriger, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Irgendwie denke ich: Es muss doch eine Möglichkeit dafür geschaffen werden, dass die Opfer auch nach so vielen Jahren noch gehört und ernstgenommen werden!

Was das Thema "Scheidungskinder" angeht - verstehe mich bitte nicht falsch - deren seelische Verwundungen sind garantiert in vielen Fällen sehr schlimm - aber ich bin davon ausgegangen, dass es hier in diesem Thread um Missbrauchsfälle in der Kirche geht. Deswegen mein Posting. 8)
ein lieber Gruß
Helga-Christa

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Peregrin
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Peregrin »

Helga-Christa hat geschrieben: bin davon ausgegangen, dass es hier in diesem Thread um Missbrauchsfälle in der Kirche geht. Deswegen mein Posting. 8)
Wenn hier Kraut und Rüben durcheinanderfliegen, liegt das daran, daß die von der Presse so geworfen werden. Bischof Fischer war jedenfalls nicht des sexuellen Mißbrauchs beschuldigt, sondern er hätte angeblich seinerzeit einen Schüler krankenhausreif geschlagen, wovon damals anscheinend aber weder ein Krankenhaus noch sonstwer was mitbekommen hat. Und dem Schüler ist es auch erst kürzlich aufgefallen.
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Helga-Christa
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Helga-Christa »

Dann passt mein Posting allerdings nicht ganz dazu...*einseh* :pfeif:
ein lieber Gruß
Helga-Christa

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cantus planus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von cantus planus »

civilisation hat geschrieben:Das hat auch der Bischof von Trier, S. Ackermann vor einigen Tagen erwähnt.
Einen direkten Zusammenhang zwischen sexuellen Verfehlungen und Zölibat gebe es zwar nicht, dennoch: "Der Zölibat war nie zeitgemäß." Die eigentliche Herausforderung bestehe darin, Strukturen zu entwickeln, dass "diese von Anfang an sperrige Lebensform gut gelebt werden kann".
aus: http://www.presseportal.de/pm/7169/167 ... strundfunk

Wer sich eine TV-Sendung antun will:
Trierer Bischof Ackermann: Der Zölibat war nie zeitgemäß / "Wortwechsel - wie geht's eigentlich?" am Sonntag, 29. August, 23.2 Uhr im SWR Fernsehen mit dem Missbrauchsbeauftragten der katholischen Kirche

Ich jedenfalls nicht.
Ich habe kurz reingeschaltet, und rasch wieder ausgemacht. Nicht einmal wegen des Inhalts, sondern eher wegen der Art der Darstellung. Ich bitte um Nachsicht für diese Frechheit, und werde sie nicht wiederholen: aber ich muss den Mann nur angucken, und kriege schon Pickel. Allerdings dürfte er mit seinem betroffenen Hundeblick aus Sicht der weltlichen Presse die Idealbesetzung für diesen Posten sein.
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Niels
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Niels »

Verfügt die Spiegel-Redaktion über telepathische Fähigkeiten?
http://www.kath.net/detail.php?id=27934
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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cantus planus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von cantus planus »

Niels hat geschrieben:Verfügt die Spiegel-Redaktion über telepathische Fähigkeiten?
http://www.kath.net/detail.php?id=27934
Ein typisches Beispiel für bundesdeutschen Qualitätsjournalismus. Übrigens kein Einzelfall, und es betrifft auch nicht nur die Kirche.
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Gamaliel
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Gamaliel »

Die neuen Leitlinien (vom 31.8.2010) der DBK zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch:

pdf-Datei

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Juergen
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Juergen »

Wieder mal Papier für die Tonne.

Eine vernünftige Richtlinie sollte m.E. so lauten:
1. In Fällen von sex. Mißbrauch, sind die Opfer gehalten, die Polizei/Staatsanwaltschaft informieren und nicht kirchliche Stellen
2. werden kirchl. Stellen informiert, so leiten sie die Information umgehend und ungeprüft an die Polizei/Staatsanwaltschaft weiter.

Mehr ist nicht zu sagen.
Gruß Jürgen

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Pelikan
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Pelikan »

Das wäre gar nicht vernünftig. Warum sollen Opfer nicht selbst entscheiden, welcher Institution sie sich anvertrauen wollen? Es gibt genug, die aus guten Gründen mit Polizei und Staatsanwaltschaft nichts zu schaffen haben wollen.

Petra
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Petra »

Pelikan hat geschrieben:Das wäre gar nicht vernünftig. Warum sollen Opfer nicht selbst entscheiden, welcher Institution sie sich anvertrauen wollen? Es gibt genug, die aus guten Gründen mit Polizei und Staatsanwaltschaft nichts zu schaffen haben wollen.
Ja, aber wenn die Kirche es nicht an die Polizei weitergibt, dann heißt es doch gleich wieder sie würde "vertuschen".

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Torsten
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Torsten »

Gamaliel hat geschrieben:Die neuen Leitlinien (vom 31.8.2010) der DBK zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch:

pdf-Datei
15. Wenn ein mutmaßliches Opfer (ggf. seine Eltern oder Erziehungsberechtigten) über
einen Verdacht des sexuellen Missbrauchs informieren möchte, vereinbart die beauftragte
Person ein Gespräch. Der Diözesanbischof bestimmt, wer seitens der Diözese an diesem
Gespräch teilnimmt. Das mutmaßliche Opfer (ggf. seine Eltern oder Erziehungsberechtigten)
kann zu dem Gespräch eine Person des Vertrauens hinzuziehen. Zu Beginn des Gesprächs
wird auf die Möglichkeit hingewiesen, dass der Missbrauchsverdacht der
Strafverfolgungsbehörde mitgeteilt wird (vgl. Nr. 27).

27. Die Pflicht zur Weiterleitung der Informationen an die Strafverfolgungsbehörde
entfällt nur ausnahmsweise, wenn dies dem ausdrücklichen Wunsch des mutmaßlichen Opfers
(bzw. dessen Eltern oder Erziehungsberechtigten) entspricht und der Verzicht auf eine
Mitteilung rechtlich zulässig ist. In jedem Fall sind die Strafverfolgungsbehörden
einzuschalten, wenn weitere mutmaßliche Opfer ein Interesse an der strafrechtlichen
Verfolgung der Taten haben könnten.

26. Sobald tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs an
Minderjährigen vorliegen, leitet ein Vertreter des Dienstgebers die Informationen an die
staatliche Strafverfolgungsbehörde und – soweit rechtlich geboten – an andere zuständige
Behörden (z. B. Jugendamt i. S. d. § 8a SGB VIII, Schulaufsicht) weiter. Rechtliche
Verpflichtungen anderer kirchlicher Organe bleiben unberührt.
Also: Nicht jeder geäußerte Verdacht führt automatisch zur Einschaltung der Behörden. Es wird aber zu Beginn jedes Gesprächs ausdrücklich auf diese Möglichkeit seitens des mutmaßlichen Opfers hingewiesen. Sobald tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen werden die Informationen an die Behörden weitergeleitet. Bei tatsächlichen Anhaltspunkten, die aber der Verjährung unterliegen, entscheidet der Diözesanbischof über den Umgang mit dem Beschuldigten.

Heilbringend ist es nicht so richtig, sich gegenüber Staat und Gesellschaft solch ein Armutszeugnis auszustellen. Weil diese Probleme, die ja - weiß Gott - nicht nur in der Kirche auftreten, sondern in noch viel größerem Maße in der Familie, ihre Ursache - möglicherweise - in der Verkennung der Natur des Menschen haben. Diese wird nur indirekt offenbar, in Form der Sünde, zwischenmenschlicher Fehlleistungen. Die Forderung nach Zölibatsverzicht und irgendwie mehr aktiver Teilhabe der Frauen beheben das Problem auch nicht. Weil es nicht weit genug bzw. in die falsche Richtung geht. Wir können davon ausgehen, dass das, was die Natur des Menschen ist, in teils schreiendem Widerspruch zu unserem Normalempfinden, zu unserer Vorstellung von Liebe und Sexualität steht, die sich so gerne als reich empfindet und sieht. Aber auch im Widerspruch zur völligen Enthaltsamkeit, die die Armut verleugnet weil das Erbarmen ausklammert.

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Gamaliel
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Gamaliel »

Einige Überlegungen:

Mir scheinen die Leitlinien wenig brauchbar. Das Augenmerk dürfte (fast ausschließlich) darauf gerichtet gewesen zu sein "die Öffentlichkeit" (Medien) zufriedenzustellen. Ein schlechtes Kriterium.

Vieles bleibt schwammig: Wann liegen "tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verdacht" vor? Worin bestehen "Tendenzen zu sexuellem Fehlverhalten"? Was ist ein "auffälliges Verhalten"? usw.

Freuen dürfen sich ganze Heerscharen von Gutachtern und Psychiatern, denen - gestützt auf welches Menschenbild,... ? - entscheidende Aufgaben zukommen.

Offen bleiben: Wie erfolgt die die Wiederherstellung des Rufes eines fälschlich Beschuldigten? Mit welchen Konsequenzen hat ein "Opfer" zu rechen, das falsche Beschuldigungen erhebt?

Und am Wichtigsten: Das typisch Christliche, der seelsorgliche Aspekt für Beschuldiger/Opfer und Beschuldigten/Täter fehlt völlig.

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Gamaliel
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Gamaliel »

Die Medien scheinen für's Erste zufrieden zu sein, lediglich das Fehlen von finanziellen Aspekten in den neuen Leitlinien wird bemängelt. Grundsätzlich wird man freilich weiter am Ball bleiben:

Die katholische Welt ist noch lange nicht in Ordnung

Daraus:
Damit ist die katholische Welt freilich noch lange nicht wieder in Ordnung. Die Diskussion über pathogene kirchliche Strukturen, über eventuell systemische Ursachen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch Priester und Ordensangehörige wird weiter gehen, auch innerhalb der Kirche. Denn, so sagte Papst Benedikt, die Sünde komme aus der Kirche selbst. Sie habe sich einer inneren Reinigung zu stellen.

Ein Anstoß zur Reinigung, das wird in der öffentlichen Diskussion gelegentlich vergessen, ist im Januar 2010 in Deutschland gegeben worden: Die Jesuiten vom Berliner Canisius-Kolleg haben die Missbrauchsfälle in ihren Reihen schonungslos publik gemacht und eine Debatte über das christliche Menschenbild und eine den Menschen dienende Sexualmoral in Gang gesetzt. Diese Debatte kann nach vorn weisen.

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cantus planus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von cantus planus »

Die Jesuiten vom Berliner Canisius-Kolleg haben die Missbrauchsfälle in ihren Reihen schonungslos publik gemacht und eine Debatte über das christliche Menschenbild und eine den Menschen dienende Sexualmoral in Gang gesetzt.
Habe ich irgendwas verpasst? Nichts hilft in dieser Sache doch mehr, als ein Beharren auf den bisherigen Standpunkten. Hat nicht eine "dem Menschen dienende" Sexualitätsvorstelltung, die sogar öffentlich finanzierte "Verrichtungsboxen" (O-Ton Amtsdeutsch) für Prostituierte bereitstellt, erst zu diesen Perversionen beigetragen? Da hatte Bischof em. Mixa vollkommen recht.

Und ausgerechnet die Jesuiten sollen es jetzt richten! :D
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Juergen
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Juergen »

Pelikan hat geschrieben:Das wäre gar nicht vernünftig. Warum sollen Opfer nicht selbst entscheiden, welcher Institution sie sich anvertrauen wollen? Es gibt genug, die aus guten Gründen mit Polizei und Staatsanwaltschaft nichts zu schaffen haben wollen.
Was wollen die denn?
Wollen die, daß der Täter verurteilt wird? - Das kann nur die Staatsanwaltschaft versuchen durchzubringen.
Wollen die Geld? - OK, da muß man nur einen Zahlungskräftigen finden.


Stellt sich doch sowieso die Fragen, warum nicht z.B. die Bäckerinnung, ein Lehrerverband, der Arbeitgeberverband etc. ähnliche Verlautbarungen herausbringen.
Das würde freilich jeder als absurd bezeichnen.
Bei der Kirche hält man es für richtig. - Verkehrte Welt.
Petra hat geschrieben:
Pelikan hat geschrieben:Das wäre gar nicht vernünftig. Warum sollen Opfer nicht selbst entscheiden, welcher Institution sie sich anvertrauen wollen? Es gibt genug, die aus guten Gründen mit Polizei und Staatsanwaltschaft nichts zu schaffen haben wollen.
Ja, aber wenn die Kirche es nicht an die Polizei weitergibt, dann heißt es doch gleich wieder sie würde "vertuschen".
Eben.
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Torsten
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Torsten »

Gamaliel hat geschrieben:Freuen dürfen sich ganze Heerscharen von Gutachtern und Psychiatern, denen - gestützt auf welches Menschenbild,... ? - entscheidende Aufgaben zukommen.
Welches Menschenbild. Ich würde sagen, ein über die Realität Gottes hinausgewachsenes. Aber ich hab gut reden. Ich "weiß" natürlich - ich glaube, dass statt einem institutionellem Kotau gegenüber der "Öffentlichkeit", das individuelle Armutsbekenntnis vor Gott steht. Weil Gott als Vater im Himmel, auf Erden Sohn seiner selbst, Kind einer Jungfrau, die der Heilige Geist einflüsternd geschwängert, niemals die Rolle einnahm, die nicht nur die Heerscharen von Gutachtern und Psychiatern als menschlichen Maßstab nehmen.

Man kann sich nicht zu größerer Armut bekennen, als Gott sie auf Erden gelebt und durchlitten hat. Ich kann mich nicht als Kind vor Gott bekennen, weil er das größere, das Kind ist. Ich liebe das - in mir - was Gott ist. Und an den Frauen liebe ich das, von was sie erfüllt sind, was sie zum Leuchten bringt. Aber es sind so wenige. Nicht mal die Hälfte.

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Peregrin
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Peregrin »

Torsten hat geschrieben: Sobald tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen werden die Informationen an die Behörden weitergeleitet.
Priester werden also gut beraten sein, mit ihrem Generalvikar oder Bischof nur noch im Beisein eines Anwalts zur reden. Ob das dienlich ist?
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Torsten
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Torsten »

Was macht die Anwesenheit eines Anwaltes? Es hebt die Peinlichkeit der Situation auf eine abstrakte, rechtliche Ebene. Es schafft Distanz. Gegenüber dem Opfer, den Vorgesetzten, gegenüber einem selbst. Ganz ehrlich. Wäre ich ein Priester, der sich an Minderjährigen vergangen hat, dann würde ich auch den Anwalt gegenüber dem "vertrauensvollen Gespräch" mit dem Generalvikar vorziehen. Weil Justitia eine Göttin ist, wie ich mir die Kirche als Mutter wünschte.

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Juergen
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Juergen »

Niemand würde sich an die Bäckerinnung wenden, wenn er von einem Bäcker mißbraucht wurde. - Bei der Kirche scheint das anders zu sein.

Der einzige Weg, den die Opfer gehen sollen, ist der an die Justiz!

Wann sieht die Kirche das endlich ein?
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obsculta
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von obsculta »

Juergen hat geschrieben:Niemand würde sich an die Bäckerinnung wenden, wenn er von einem Bäcker mißbraucht wurde. - Bei der Kirche scheint das anders zu sein.

Der einzige Weg, den die Opfer gehen sollen, ist der an die Justiz!

Wann sieht die Kirche das endlich ein?
Die Kirche ist nicht die Bäckerinnung.

Stilus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Stilus »

...mir fällt iterumiterumque auf, daß hier am Kern des Problems nur gekratzt wird:

Es geht derzeit um die kumulative Aufarbeitung von Fällen aus den letzten 5o (fünfzig) Jahren!

Laut einer Information aus den Reihen der Pädophielenbewegung der 70/80er Jahre sind etwa 1% der erwachsenen Bevölkerung pädophil - das heißt, wenn wir dieses Schema auf die Kirche übertragen, so liegt man als Ausschnitt der Bevölkerung immer noch innerhalb der Grenzen dieser Statistik! :detektiv: Was bedeutet das? Das bedeutet u.a., daß wir als Kirche eben nicht besser sind als die Welt aus der wir kommen - und es noch ein weiter Weg ist, den wir zu gehen haben, um die Welt zu verbessern in der wir wirken. Mir ist klar, daß viele das als kindlich-idealistischen Ansatz (ab?)qualifizieren werden - aber: Mt XVIII.3 - aber welche Alternativen haben wir denn sonst?

Die Tendenz wegzusehen ist ein Überübel, weil man das Böse wachsen läßt - mein Vorwurf lautet, daß man weggesehen hat. Getreu dem Palmströmsyndrom: "...daß nicht sein kann,/was nicht sein darf." Und wenn das nicht reichte wurde versetzt und vertuscht und in Irland schlug dann das Böse zurück und schädigte massiv die Kirche! Eine (leider verstorbene) gute Freundin von mir war Traumatologin und regte sich vor Jahren in einem Telefonat darüber auf, daß der ganze Wohnblock die Fernseher lauter stellte, wenn ein Kind in der Wohnung schrie! Und als sie das Kind da rausgeholt hatten, schrie das Kind vom gemachten Video nochmal, das ein Kommisar laufen lies und in den angrenzenden Wohnungen standen Kollegen und so kam es für alle "Weggucker" zur Strafanzeige - wenigstens etwas...

Aber mir geht noch etwas durch den Kopf, was so deutlich nicht angesprochen wurde und daher bitte ich die, die einen Blick unter die Schokoladenkruste unserer Gesellschafft scheuen, ab hier nicht mehr weiter zu lesen:
_________________BEGINN_________________

Vielleicht interessant ist in diesen Zusammenhang, daß ein Großteil der Drogensüchtigen Prostituierten im Rahnem von Gesprächen über eine "präpubertäre Defloration" berichteten und ein Großteil von ihnen ist ja 24h am Tag befaßt damit, sich um Drogenbeschaffung Sorgen zu machen und wenn sie dann klar sind, dann überrollt die Schuld sie und sie fliehen wieder in die Droge! Meinen Meinung nach ist Drogensucht eine Variation von Seblstverletzendes Verhalten und ebenso die Beschaffungsprostitution eine Spiegelung der auf Belohnungsbasis erlebten Sexualität mit ihren Tabus -hüben wie drüben(damals wie heute). So nachhaltig zerstört eine derart vernichtete Kindheit das Leben eines Menschen - ein Factum, daß ich allen aus der Pädophilenbewegung entgegen halten werde, wenn sie je ihr Haupt zu erheben wagen, denn eine "gemeinsam erlebte Sexualität" zwischen Kindern und Erwachsenen kann es nicht geben! Und sie ist eine Lebenslüge der Täter, die i.m.h.o. zu feige sind, sich einem Partner auf Augenhöhe mit seinen Wünschen /Anforderungen zu stellen und wirklich körperlich zu kommunizieren - ohne daß sie die Situation beherrschen.
Es gibt gewiß noch andere Tätertypi aber dieser erscheint wohl immer wieder. Auch die Argumentation, "daß ein Kind das Unrechtsbewußtsein gerichtlicherseits erst eingeredet bekommt" ist wohl mit dem obigen Blick auf die Realität vom Tisch - vieles davon ist ja GOtt sei dank völliger Konsens - aber dieser sollte auch mal ausgesprochen sein, damit man in der Diskussion draußen gewappnet ist. Leider kann ich zu diesem Themenkomplex keine Fußnoten anbielbieten, da vieles aus persönlichen Gesprächen folgert, die ich in der Bahnhofsmission und der Suppenküche der Drogenberatung führte und das, weil ich dort etwas zu essen bekam und so den Amtsschimmel überlebte. Auffällig ist, daß viele der Betroffenen unter Borderlinestörung leiden und der psychotische Anteil ihnen eine Krankheitseinsicht und damit einen Weg aus der Drogenspirale verwehrt - einzig (frei-)kirchliche Gruppen sind bereit Hilfe zu leisten und stark genug um diese Menschen aufzufangen zum Beispiel die Heilsarmee, eine "geordnete Therapie" beginnt oft erst nach einem überlebten "Totalzusammenbruch". :erschrocken:
_______________ENDE _____________________
Es gibt also um uns herum genug Opfer dieser Täter und viele blicken auf sie herab, weil sie in Drogensucht und Prostitution gestrandet sind - da ist ein Lächeln besser als ein Straßenseite wechseln. Da ist eine Einladung auf eine Schüssel Suppe beim Viatnamesen um die Ecke eine geöffnete Türe, da ist ein Paar geschenkter Handschuhe im Winter "Werk Gottes" und wenn man uns dafür "schäl" anschaut aus der Gemeinde, weil man am Straßenstrich gesehen wurde, dem darf man einige Jesuszitate mit Genuß um die Ohren hauen! Und wenn wir auch persönlich keine Hilfe anbieten können, so haben wir die Gewißheit, daß es Hilfsangebote der Kirche gibt, die wir unterstützen in dem wir unsinnigen Austrittsaufrufen nicht Folge leisten! (In der ev. St. Marienkirche in Berlin wird nicht nur ein warmes Essen für Bedürftige angeboten, dort gibt es sogar eine "Kircheneintrittsstelle" - und ich finde, daß ist eine ermutigende Alternative!)

So kann ich mal mit etwas Positivem diesen für mich so schwierigen Artikel beschließen.

:huhu:
Stilus

Edit: Nachgewürzt
Zuletzt geändert von Stilus am Mittwoch 1. September 2010, 16:16, insgesamt 5-mal geändert.
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cantus planus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von cantus planus »

Ich hoffe doch, dass eher wenige Priester ihr Geld als drogensüchtige Prostituierte verdienen. Mit anderen Worten: was ist los?
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Stilus
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Stilus »

cantus planus hat geschrieben:Ich hoffe doch, dass eher wenige Priester ihr Geld als drogensüchtige Prostituierte verdienen. Mit anderen Worten: was ist los?
:huhu: Trugschluß! Es geht um die Dimensonen für die Opfer und die Hilfeleistungen aus dem Volk Gottes und der Kirche...
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von civilisation »

Bistum Aachen
24 Priestern wird Kindesmissbrauch vorgeworfen
http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... orfen.html
daraus:
24 Priester sollen sich im Bistum Aachen in den letzten 65 Jahren an Kindern und Jugendlichen vergangen haben. Bis zu der Aufklärungsoffensive der Kirche waren nur acht strafrechtlich relevante Fälle bekannt, wie das Bistum mitteilte.

Von den 24 Priestern leben noch acht. Diese vorläufige Bilanz teilte Bischof Heinrich Mussinghoff den Pfarren seines Bistums in einem Brief mit.

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Peregrin
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Re: Mißbrauchsanschuldigungen

Beitrag von Peregrin »

civilisation hat geschrieben:Bistum Aachen
24 Priestern wird Kindesmissbrauch vorgeworfen
...
Von den 24 Priestern leben noch acht. Diese vorläufige Bilanz teilte Bischof Heinrich Mussinghoff den Pfarren seines Bistums in einem Brief mit.
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