Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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taddeo
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von taddeo »

cantus planus hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Was ich für das Hauptproblem v. a. der Neo-Scholastik halte (die ja wie alle "Neos" niemals die Qualität des Originals erreichte), ist die Gefahr der Engführung des theologischen Denkens auf eine Art "geistliche Mathematik". Glaubens- und Sittenlehre kann niemals nur im Schwarz-Weiß-Denken funktionieren, denn weder der Gott, an den wir glauben, noch die Menschen, die an ihn glauben (sollen), sind Objekte wie die heidnischen Götzen, sondern Subjekte. Wir glauben an die Person des menschgewordenen Jesus Christus, an die Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, und nicht an mathematische Axiome.
Dem stimme ich zu.
Dann hast Du schon mal gute Voraussetzungen, um Dich tatsächlich gewinnbringend mit der Scholastik zu befassen.
Eines ist sie nämlich auf jeden Fall: Eine brillante Schule des argumentativen Denkens, und gerade aus diesem Grund ist es absolut lohnenswert, sich damit intensiv zu beschäftigen.
Man sollte eben nur nicht den Fehler machen, ihr inhaltlich in die letzten Verästelungen ihrer spekulativen Spitzfindigkeiten mit naiver Gläubigkeit nachzusteigen. Wenn man auf einen Baum kraxelt, sollte man auch auf den tragfähigen Ästen bleiben, sonst endet es mit Hals- und Beinbruch.

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Berolinensis
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Berolinensis »

taddeo hat geschrieben: wie alle "Neos" niemals die Qualität des Originals erreichte
Ohne jetzt in die Diskussion dieses Strangs vertieft einsteigen zu wollen: Diese Aussage halte ich in ihrer Pauschalität für falsch. Sie erinnert mich etwa an die lange andauernde Verachtung des Historismus in der Kunstgeschichte. Man sollte sich bemühen, solche Bewegungen als eigenständige Bewegungen zu sehen und zu bewerten, und nicht als bloße Kopien des Originals und nach der 1:1-Übereinstimmung zu beurteilen.

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Berolinensis
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Berolinensis »

taddeo hat geschrieben:Glaubens- und Sittenlehre kann niemals nur im Schwarz-Weiß-Denken funktionieren,
Und auch diese Aussage halte ich in ihrer Absolutheit für falsch. Es gibt das Dogma, und was diesem widerspricht; es gibt das intrinsisch Schlechte, das immer schlecht ist.

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cantus planus
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von cantus planus »

@ taddeo: Auch diesem Beitrag stimme ich zu.

Allerdings haben wir in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass sich vor allem jene um Kopf und Kragen geredet haben, die sich am Thomismus nicht messen lassen wollten. Ich will die bekannten, alten Namen nicht aufzählen. Wir kennen die einschlägigen nachkonziliaren Theologen alle. Hätten sie den Thomismus als Korrektur und Maßstab begriffen, wären manche Absurditäten überhaupt nicht entstanden. Auch ein gewisser Mainzer Kardinal käme gar nicht auf die Idee, durchs theologische Unterholz zu kriechen, um christusfreie Heilswege zu suchen.

Daher ist Falsches eben doch immer falsch, auch wenn man Gutes damit bewirken will. Das entspricht eben der thomistischen Denkweise.

Nicht ganz recht hast du allerdings damit, dass die Neoscholastik nur ein Abklatsch der Scholastik war. Das entstand vielleicht später, als man sich mehr und mehr nicht mehr um die Scholastik sorgte, sondern um eine Abwehr der Moderne. Da wurde es teilweise problematisch. Doch verteidige ich nachdrücklich, dass auch die Neoscholastik, besondern der Neothomismus der Kirche reichen Segen brachte.

(Berolinensis war schneller.)
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taddeo
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von taddeo »

Berolinensis hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben: wie alle "Neos" niemals die Qualität des Originals erreichte
Ohne jetzt in die Diskussion dieses Strangs vertieft einsteigen zu wollen: Diese Aussage halte ich in ihrer Pauschalität für falsch. Sie erinnert mich etwa an die lange andauernde Verachtung des Historismus in der Kunstgeschichte. Man sollte sich bemühen, solche Bewegungen als eigenständige Bewegungen zu sehen und zu bewerten, und nicht als bloße Kopien des Originals und nach der 1:1-Übereinstimmung zu beurteilen.
Es gab wohl, soweit ich das beurteilen kann, auch in der Neoscholastik zwei Richtungen. Soweit mit "Neo-" nur der Versuch einer Kopie des Originals gemeint war, halte ich meine Kritik für berechtigt. Wo allerdings "Neo-" im Sinne einer Fortentwicklung auf der Grundlage des Originals gemeint ist, hast Du sicher recht.
Dasselbe Phänomen findet man ja auch in den anderen "Neo"-Stilen: In der Neoromanik und -gotik etwa, im Neo-Palestrinastil des kirchenmusikalischen Cäcilianismus oder in der derzeit aktuellen Neoromantik in der sogenannten "E-Musik". Sehr wenigen echten Meistern gelingt eine tatsächliche Weiterentwicklung, die meisten dilettieren mit einem Abklatsch herum.

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overkott
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von overkott »

cantus planus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:diese Methode fast ausschließlich angewendet
Wann?
Bis vor Vaticanum II war sie in (fast) allen Seminaren und Fakultäten die normale Arbeitsmethode, obwohl direkt vorher natürlich längst aufgeweicht. Ich will hier auch gar keine Ausschließlichkeit behaupten, sondern darauf hinweisen, dass die thomistische Methode von der Kirche als Maßstab aufgestellt wurde, an der sich andere Schulen messen lassen müssen. Dafür gibt es gute Argumente. Wenn man sich anschaut, wer und warum auf dem Konzil den Thomismus absägte, spricht das m. E. eigentlich für sich.

Das Konzilsgeist-Wischiwaschi war doch überhaupt erst möglich, indem man auf jede objektive Grundlage in der Theologie verzichtete.
Gerade die Spannung von Subjekt und Objekt ist wohl der springende Punkt. Hier kommt es häufig zu einer Verwechselung bei Theologen. Wer ist das Subjekt? Gott oder der Mensch? Ist die Schöpfung das Objekt? Was betrachten Theologen an der Schöpfung: die subjektive oder die objektive Seite? Inwiefern findet der theologische Subjektivismus in der Lehre Christi seinen objektiven Ausdruck? Inwiefern ist die katholische Verkündigung Fetischismus-Kritik? Inwieweit werden auch Fetischisten objektiv in den Leib der Kirche integriert? Was hat das mit Erlösung und Befreiung zu tun? Inwieweit stiftet die Kirche dadurch Frieden?

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Robert Ketelhohn
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

cantus planus hat geschrieben:Das kann ich nicht belegen, dazu bin ich selbst in der Materie zu wenig drin. Ich vermute, spätestens seit den 1820er Jahren wurde der Thomismus (oder die Neoscholastik im weitesten Sinne) mehr und mehr Standard. Leo XIII. hat das ja 1879 nicht aus der Luft gegriffen, sondern ist vermutlich auf einen längst fahrenden Zug aufgesprungen.

Wie gesagt: das ist jetzt reine Vermutung. Ich müsste erstmal recherchieren, und dafür habe ich gerade zu wenig Zeit.
Jedenfalls kann man sie, wenn überhaupt, nur für wenige Jahrzehnte einer zweitausendjährigen Kirchengeschichte als vorgeschrieben ansehen. Das sollte man doch bitte bedenken.
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cantus planus
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von cantus planus »

Und deshalb hat es keinen Wert? Robert, du enttäuschst mich. Der Thomismus ist nicht von heute auf morgen enstanden, und die Kirche hat immer an irgendeinem bestimmten Punkt etwas für maßgeblich erklärt, was längst da war, aber dem man mehr Geltung verschaffen wollte.
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Robert Ketelhohn
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

cantus planus hat geschrieben:@ taddeo: Auch diesem Beitrag stimme ich zu.
Gut, daß Taddeo sich immer etwas konzilianter ausdrücken kann als ich. ;D
cantus planus hat geschrieben:Allerdings haben wir in den letzten Jahrzehnten gesehen, dass sich vor allem jene um Kopf und Kragen geredet haben, die sich am Thomismus nicht messen lassen wollten. Ich will die bekannten, alten Namen nicht aufzählen. Wir kennen die einschlägigen nachkonziliaren Theologen alle. Hätten sie den Thomismus als Korrektur und Maßstab begriffen, wären manche Absurditäten überhaupt nicht entstanden. Auch ein gewisser Mainzer Kardinal käme gar nicht auf die Idee, durchs theologische Unterholz zu kriechen, um christusfreie Heilswege zu suchen.
Es würde aber ebenso schon genügen, sich an Augustin oder Basilius zu orientieren, an den drei großen Gregorii, an Athanasius, Hieronymus, Johannes Chrysostomus oder Johannes Damascenus.

Aber die Nouvelle Théologie, die angeblich gerade die Vätertheologie wiederentdecken wollte – an sich ein berechtigtes Anliegen –, ist faktisch vor allem den Irrwegen eines Origenes nachgestiegen statt der gesunden Lehre der Väter. Wo sie sich aber echte Verdienste erworben hat – wie etwa Henri de Lubac um die vorreformatorische abendländische („mittelalterliche“) Mehrheitstheologie neben Thomas, die durchaus in der Vätertradition stand und weniger aristotelisch angekränkelt war –, da ist sie auch nicht recht rezipiert worden, zumal gerade der Einfluß Karol Wojtyłas für eine Verengung auf die Winkelpfade eines Johannes Duns Scotus gesorgt hat.

Was ich sagen will: Man kann diese Schule vorziehen und jene ablehnen. Man soll sich aber vor Ausschließlichkeiten hüten und andere nicht um ihrer Methode willen verurteilen. Man kann auch mit Aristoteles auf Pfade der Wahrheit gelangen, auch wenn ich diesen Weg ungern gehe und er mir insgesamt eher unfruchtbar erscheint. Aber ohne das logische Werkzeug des Mannes kamen schon Platoniker wie Boethius und Porphyr nicht aus, und die abendländischen Christen nicht ohne die Erklärungen des Christenverfolgers Porphyrius.

Leos XIII. Einseitigkeit hinsichtlich der bevorzugten Methode oder Schule erscheint mir jedoch schädlich, ebenso diejenige Johannes Pauls II.

Was heute am passendsten sei, darüber kann und darf (!) man trefflich streiten. Mit dem Thomismus kommt man i. d. R. ganz schlecht an, will sagen: findet weder offenes Ohr noch Verständnis. Bernado hat das hier oft genug dargelegt. Platonisierend scheint man besser anzukommen, erliegt aber allzuoft der Gefahr, sich selber in gnostischem Wortnebel zu verlieren, wie sich von Jean Daniélou bis Christoph Overkott immer wieder zeigt.

Ich persönlich setze primär auf die Väter, und zwar nach dem Vorbild, das Joseph Ratzinger in seiner Dissertation gegeben hat. Sodann empfehle ich den Hauptstrom der vorscholastischen abendländischen Theologie: Petrus Lombardus, Bernhard. Aus der Scholastik niemals nur Thomas, sondern den ganzen Strom samt Bonaventura und so weiter, aber auch und gerade die parallelen nicht-scholastischen Ansätze, wie etwa Catharina von Siena.
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Robert Ketelhohn
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

cantus planus hat geschrieben:Und deshalb hat es keinen Wert?
Wer sagt denn das? – Aber solchen Absolutierungen fehlt das rechte Maß. Eine zweitausendjährige Kirchen- und Theologiegeschichte insgesamt zu betrachten sollte helfen, dies Maß zu entdecken.
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Marion
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Marion »

http://www.kathpedia.com/index.php?title=Thomismus
Das Lehramt der Kirche gewährt am Ende des im Hinblick auf die Philosophie, die die Theologen zur spekulativen Entfaltung ihrer Wissenschaft benutzen sollen, eine gewisse Freiheit, hat über all die letzten Jahrhunderte jedoch den Thomismus favorisiert, teilweise sogar mit einer Vorliebe für den strikten Thomismus (so die Studienkongregation unter Papst Pius X. mit ihren XXIV Thesen der thomistischen Philosophie).
Ist der Eintrag in Kathpedia falsch?

Ich finde in den Schreiben der Päpste auch nicht, daß man nur den Thomas studieren dürfe (und nicht die du Robert persönlich favorisierst), sondern ihn eben auf jeden Fall muss.
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overkott
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von overkott »

Im Bibelstudium sehe ich schon eine Notwendigkeit für einen katholischen Theologen und aus praktischen Gründen auch das Studium der Konzilstexte, aber darüber hinaus kann es höchstens Empfehlungen geben. Thomas gehört sicher zur theologischen Heimatkunde.

Thomas_de_Austria
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Was heute am passendsten sei, darüber kann und darf (!) man trefflich streiten.
Gewöhnlicher Streitereien bzw. Ablehnung (im Sinne der Verwerfung) scheint er (womit gesagt ist: Die Methode, Begrifflichkeit und seine Grundlagen der Philosophie und Theologie) doch entzogen zu sein (wie m. E. aus "Doctoris angelici", "Aeterni patris" oder auch DH 3601 usw. ersehen kann). Zum Maß scheint mir auch jeweils der letzte Stand der (röm.-kath.) Lehrverkündigung, wenn es die Tradition berücksichtigt, zu gehören. Die Väter haben gerade auch mit Bezug auf das, was St. Thomas ausarbeitete, schon auch "Mängel", in dem Sinne, dass sie keine Antworten geben, in Fällen, die dann notwendig wurden, so wie der mittelalterliche Thomas für sich alleine genommen, auch keine Antworten auf, sagen wir, Fragen zur Ethik der künstl. Befruchtung oder des "Medienzeitalters" bietet. Trotzdem sind die Väter und der hl. Thomas verbindlich.
Die scholastische (was eigentlich fast trefflicher ist, als die "thomistische") Methode war auch so ziemlich das gesamte zweite Jahrtausend Usus und sehr geschätzt; dass der Thomismus unter den verschiedenen Strömungen der Scholastik eine herausragende Rolle einnahm, wird man auch kaum leugnen können - S. Hl. Papst Leo XIII. hat da nicht einfach irgendetwas für verbindlich erklärt.

Dass man überhaupt nicht verstanden werden würde, ist so eine Sache. Von wem wird man nicht verstanden? Von der "Welt" als solcher, wird man ohnehin nicht verstanden. Die Laien, die weder Ahnung von Theologie noch Philosophie haben, verstehen die Väter oder sonst was, genauso wenig. Trotzdem ist es nicht so, dass es in dieser Zeit nicht möglich wäre, mit dem (aristotelischen) Thomismus gar nicht und von niemanden verstanden zu werden. Robert Spaemann hat starke Einflüsse aus dieser Richtung, Lukasiewicz hat seine mehrwertige Logik aus dem Studium des Aristoteles gewonnen, bei Joachim Ritter in der polit. Philosophie, Chaim Perelman, Theodor Viehweg und Wilhelm Hennis greifen bei der Differenzierung der Methoden der Rechts- und Naturwissenschaft auf die Topik und Rhetorik des Aristoteles zurück, s. Peter F. Strawson brachte die Substanz-Metaphysik des Aristoteles wieder in die analytische Philosophie ein usw. Dass dbzgl. grundsätzlich auch der (aristotelische) Thomismus etwas zu sagen hat, zeigen Strömungen wie der analytische Thomismus, mit diversen Vertretern, die St. Thomas gegenwärtig sehr wohl in diesen Diskurs einzubinden verstehen.
Das sind jetzt natürlich nur gewisse "Stichproben", aber so pauschal gesagt: "Der Thomismus gibt gegenwärtig nichts her" und "er wird nicht verstanden", ist wirklich nicht richtig ...

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Robert Ketelhohn
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Marion hat geschrieben:http://www.kathpedia.com/index.php?title=Thomismus
Ich finde in den Schreiben der Päpste auch nicht, daß man nur den Thomas studieren dürfe (und nicht die du Robert persönlich favorisierst), sondern ihn eben auf jeden Fall muss.
Daß man im Westen beim Studium der Theologie nicht an Thomas vorbeikommen können sollte, unterschreibe ich sofort. Das gilt aber auch für Irenæus, Augustin, Johannes Chrysostomus, Gregor von Nazianz, Petrus Lombardus, Bernhard von Clairvaux, Bonaventura und manch anderen. (Und darin hätte Thomas mir gewiß zugestimmt.)
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Marion
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Marion »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Daß man im Westen beim Studium ...
Musst du nun dein einmalig komisches Kirchenverständnis in jeden Strang bringen? Wir sind hier in der Sakramentskapelle :blinker:
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cantus planus
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von cantus planus »

Der Ketelhohn kann eben nicht aus seiner Haut raus. Es sei denn, er fährt aus derselben. Das ist dann aber die Ausnahme von der Regel. :breitgrins:
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Robert Ketelhohn
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Marion hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Daß man im Westen beim Studium ...
Musst du nun dein einmalig komisches Kirchenverständnis in jeden Strang bringen? Wir sind hier in der Sakramentskapelle :blinker:
Pawlowsche Hunde bellen manchmal auch wirklich an den absonderlichsten Stellen. :achselzuck: Der Satz hat mit dem, was du mir absurderweise vorwirfst, aber auch gar nichts zu tun, sondern trägt schlicht dem je andern Kanon des Theologietreibens im Osten und im Westen Rechnung. Wobei ich selbst möglichst weitgehende Studien der „andern“ empfehlen würde (was eigentlich auch bekannt sein dürfte). Aber was als Minimum zu gelten hat (aber heute leider nicht gilt, jedenfalls hier nicht), das sieht im Westen selbstverständlich anders aus als im Osten. Das ist eine Banalität.

Ich will dir jetzt aber – etwa im Sinne eines Kennenlernens der „andern“ – gar keine östlichen Theologen empfehlen. Warum nämlich hast du nicht gefragt: »Wer ist denn Petrus Lombardus?« – Und dann: »Warum wußte ich bisher nichts von dem?«
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Petrus Lombardus ist wichtig: Weiß evtl. jemand, ob seine Sentenzen irgendwo neu aufgelegt werden, in irgendeiner Sprache?

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Niels
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Niels »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:Petrus Lombardus ist wichtig: Weiß evtl. jemand, ob seine Sentenzen irgendwo neu aufgelegt werden, in irgendeiner Sprache?
Angeblich wird an einer Edition gearbeitet. Das kann aber noch lange dauern. Die beste im Internet verfügbare Ausgabe scheint mir diese hier zu sein (immerhin vollständig, trotz vieler Fehler): http://docteurangelique.free.fr/livresf ... oc83734482
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von overkott »

Niels hat geschrieben:
Thomas_de_Austria hat geschrieben:Petrus Lombardus ist wichtig: Weiß evtl. jemand, ob seine Sentenzen irgendwo neu aufgelegt werden, in irgendeiner Sprache?
Angeblich wird an einer Edition gearbeitet. Das kann aber noch lange dauern. Die beste im Internet verfügbare Ausgabe scheint mir diese hier zu sein (immerhin vollständig, trotz vieler Fehler): http://docteurangelique.free.fr/livresf ... oc83734482
Würklich lesenwert.

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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von HeGe »

overkott hat geschrieben:Würklich lesenwert.
Da ist ein Schreibfehler. Das Wort heißt "würglich". :)
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Re: Zur Neoscholastik, speziell zum Thomismus

Beitrag von Niels »

HeGe hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Würklich lesenwert.
Da ist ein Schreibfehler.
Pro Wort. :blinker:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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