Ivo Matthäus hat geschrieben:Der Umgang mit risikobehafteten Wertpapieren würde ich pauschal so nicht verdammen wollen.
Bei vielen Orden dienen die Wertpapierdepots langfristigen Zwecken, zum Beispiel der Altersversorgung - Orden können aus dem staatlichen Rentenversicherung bei ihren Ordensangehörigen aussteigen. Da die früher gern genommenen Rückdeckungsversicherungen wie die handelsüblichen KLV kaum noch Ertrag bringen, weil stark anleihenhinterlegt, wird auf andere Anlageklassen wie Aktien oder Immobilien ausgewichen - entsprechend den Empfehlungen der Portfoliotheorie. Pater Anselm fährt da sicher ein schärferes Tempo als andere, um Ertrag und Werterhalt für die Altersversorgung von um die 115 (!) Mönchen sicherzustellen, da kann es durch die Risikostreuung und die Portfoliogröße durchaus stärkere Schwankungen geben, als mit den derzeit gern verwendeten Festgeldern.
My two cents
I. M.
Würde ich voll und ganz unterschreiben, sofern es sich um
eigenes Geld handelt.
Dem Pater ist aber das Vermögen der Abtei anvertraut. Es gibt sog. mündelsichere Anlagen, die "vom Gesetzgeber für von einem Vormund, Pfleger oder Betreuer verwaltete Vermögen eines Mündels vorgeschrieben" werden. Nun ist die Abtei mit Sicherheit kein Mündel und Pater Grün kein Vormund, trotzdem erscheint es mir sinnvoll, sich an dieser Anlageklasse zu orientieren, selbst wenn sie, da fast ausschließlich festverzinsliche Papiere, weniger Ertrag abwirft.
Im übrigen stellt sich mir die Frage, welche Rendite der Pater wohl in toto erzielt hat, wenn er doch Millionenverluste in Kauf nehmen mußte. Wenige Prozentpunkte mehr an Gesamt-Rendite werden aufgefressen, wenn man einen Teil des Kapital verliert. Aber davor schützt man sich meist mit der Jahresbetrachtung. Im Verlustjahr kann man das Minus erklären, im Folgejahr gibt es ein - vom verringerten Kapitalbestand aus - ein Plus. Eine Alternativrechnung wird nur in den wenigsten Fällen gemacht. Aber nur sie würde eine Aussage erlauben, ob er wirklich "erfolgreich" im Sinne der Vermögensmehrung ist.
Mit Escada- und Argentinien-Anleihen verspekulierte er sich ebenfalls, die Verluste gehen in die Millionen. Zuletzt hat er Griechenland-Bonds gekauft, manchmal ordert er sogar Aktien auf Pump. Ein Zocker im Priesterrock? Der Theologe wird nachdenklich. "Ja, ich kenne das Gefühl des Adrenalins beim Geldanlegen. Aber man darf nicht jedem Gewinn nachlaufen", sagt er schließlich.
(...)
Gott oder Gier - Anselm löst den Spagat mit einer Art Theorie des Geldverdienens mit geistlicher Gesinnung. Gern benutzt er das Wort Spiritualität: "Spekulieren ist eine spirituelle Herausforderung."
aus dem oben verlinkten Artikel der ftd, Hervorhebung von mir.
Wer im Zeitpunkt des Interviews (April 2011) in Griechenland-Bonds investiert, ist in meinen Augen kein seriöser Geldanleger, sondern ein Zocker oder Spekulant, also genau die Art von Menschen, die hier häufig verteufelt wird. Vor kreditfinanzierten Aktiengeschäften oder auch den ähnlichen Leerverkäufen wird immer wieder gewarnt, da sind schon größere Geldexperten als Pater Grün gescheitert. Ich erinnere nur an Porsche (Übernahme VW), Schäffler (Conti-Übernahme), Merckle (Spekulation mit VW) usw..
Die allererste Aufgabe des Vermögensverwalters ist es, das Vermögen der Abtei zu erhalten(!) und nicht seinen persönlichen Adrenalin-Ausstoß mit Spekulationen fremden Geldes zu erhöhen.
Eine ähnliche Geschichte kann man auch in dem Buch "Die Gier war grenzenlos - Eine deutsche Börsenhändlerin packt aus" von Anne T. nachlesen. Dort wird im 16. Kapital (Der kirchliche Segen) beschrieben, wie man dem Verwalter eines kirchlichen Versorgungswerkes (Depotvolumen 80 Mio €) zu Aktienleihgeschäften "überredet"
»Das klingt risikolos.« Die wässrigen Augen des Geistlichen fingen geradezu zu leuchten an. »Die Aktien gehen weg, die Aktien kommen wieder, und am Ende stehe ich mit demselben Aktienbestand da und habe dazu noch eine Extrarendite gemacht.«
Martin und ich nickten. Auch Geistliche schienen sich mit dem Virus Gier anstecken zu können. Hoffentlich fragte er nur nicht weiter nach, was wir in den sechs Monaten mit den Aktien aus dem kirchlichen Fonds anstellen würden. Das wäre schwerer zu erklären und könnte ihn möglicherweise am Guten in der Welt zweifeln lassen.
Ich hätte ihm, spätestens nach dem Interview, die Verfügungsmacht über das Klostervermögen entzogen.
(...)
Jetzt konnten wir nur hoffen, dass in den sechs Monaten nichts an die Wand gefahren wurde. Monsignore sollte ja seine Aktienbestände unversehrt wiedererhalten, an eine Insolvenz der beteiligten Spekulanten glaubten wir damals nicht. Und eine Pleite unserer Bank? Davon gingen wir erst recht nicht aus.
Gier - eine der sieben Hauptlaster. Auch die Verwalter kirchlicher Vermögen scheinen davor nicht gefeit - es sind auch nur Menschen.
@Pit:
Ich glaube kaum, daß die Ordensregeln etwas zur Geldanlage, z.B. in Discountzertifikaten oder kreditfinanzierten Aktiengeschäften aussagen.