Es fiel mehrfach der Begriff der „Inquisition“. Unvermeidlich in solchen Diskussionen, ich weiß. Aber was hat „Inquisition“ mit den Hexenprozessen zu tun?
„Inquisition“ („Untersuchung“) ist zunächst ein Begriff des Prozeßrechts. Er bezeichnet ein Verfahren, in welchem von Amts wegen untersucht wird, im Gegensatz zum Akkusationsverfahren, das nur aufgrund einer Anklage zustandekommt und in dem Zeugen, Eide und Reinigungseide, Eideshelfer und Zweikämpfe den Ausschlag geben.
Das Inquisitionsverfahren als klarer Fortschritt gegenüber den Unzulänglichkeiten des Akkusationsverfahrens kam im Zuge der Neuentdeckung des römischen Rechts an den Universitäten auf und wurde schnell von der damaligen Gesellschaft angenommen, die Kirche eingeschlossen.
Darin ist noch nichts Vorwerfbares zu erkennen. Problematisch wurde dann jedoch die verbreitete Ansicht, niemand könne ohne Geständnis verurteilt werden, nachdem man die gerade aus Sicht des Glaubens anstößigen Zweikämpfe und Gottesurteile abschaffen wollte. Wenn nun einer praktisch überführt war, aber nicht gestehen wollte: was dann? Das römische Recht schien eine Lösung zu bieten: die peinliche Befragung, genannt Tortur oder Folter.
Man erkannte zwar schnell die Unzulänglichkeiten dieser Methode und schuf darum viele Regulierungen: Gültigkeit einer Aussage unter Folter erst bei Wiederholung fern der Folterstätte vor dem Richter, Verbot der mehrmaligen Folter und vieles mehr. Doch obgleich auch solche Regeln erkennbar zu umgehen waren und bisweilen – je später, desto häufiger – auch umgangen wurden und ohnedies keine Sicherheit gegen Mißbrauch und Falschaussagen boten, setzte sich die peinliche Befragung im profanen Strafprozeß durch.
Diese Entwicklung vollzog sich im Übergang vom hohen zum späten „Mittelalter“. Die theoretische Wiederentdeckung der Folter begann im zweiten Drittel des 12. Jht.s an der Bologneser Rechtsschule, die Praxis setzte im 13. Jht. ein. Größeres Gewicht als Mittel der Rechtsfindung gewann die Folter seit dem 14. Jht.
Obgleich es immer Stimmen gab – und zwar kirchliche Stimmen –, die daran Kritik übten, dauerte es Jahrhunderte, bis die Argumente von der Ungeignetheit und der Ungerechtigkeit der Folter so stark wurden, daß man verbreitet umdachte und die peinliche Befragung abzuschaffen begann.
Inwiefern aber hat das nun endlich mit den Hexenprozessen zu tun? – Insofern, als dies Verfahren, also der Inquisitions- oder Untersuchungsprozeß, einschließlich der in ihm damals angewandten peinlichen Befragung, wie im ganzen profanen Strafwesen, so auch in den Hexenprozessen Anwendung fand.
Mit den kirchlichen Inquisitionsgerichten, die der Bekämpfung der Häresien dienten, wohl gar mit der »Heiligen Inquisition« (nämlich der römischen), oder mit der (staatlichen) spanischen Inquisition haben die Hexenprozesse herzlich wenig zu tun. Richtig ist, daß auch die Kirche das Inquisitionsverfahren zur Untersuchung von Glaubenssachen eingeführt hat – und im übrigen, wie vielerorts auch das profane Recht, bis heute beibehält (freilich längst ohne peinliche Befragung). Doch die Ketzerproblematik ist ein ganz anderes Thema, auf das gesondert einzugehen ist.