Titulus Crucis

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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taddeo
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von taddeo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Credo quia absurdum est dürfte auch beim Titulus Crucis die einzig sinnvolle Handhabung sein, auch wenn ich niemandem das Hobby streitig machen will, sich in die philologischen Probleme der Inschrift zu vertiefen. Zweifelhaft würde die Echtheit für mich erst, wenn KEINE Fehler drin wären.
Grüß Gott, Marion! Schon wach?
*PLONKUS [Punkt]* :angewidert:

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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
lifestylekatholik hat geschrieben:
Thomas_de_Austria hat geschrieben:Was für eine Erklärung soll ich haben? Ich habe den Titel nie anständig gesehen und hoffe stark, dass es keines ist, aber falls es eines sein sollte, spricht es nicht gerade für die Echtheit des Titels, was mir persönlich weniger behagt.
Es ist einwandfrei ein I. Aber warum sollte es gegen die Echtheit des Titels sprechen? Du müsstest dann doch eine Alternativhypothese haben.
Die Hypothese habe ich ja geliefert. – Aber hast du als unser Philolog vom Dienst eine Erklärung für lateinisches I in NAZARINUS im 1. Jht.?
Der Befund ist meines Erachtens völlig uneinheitlich. Ich habe keine Hypothese, die die Widersprüche wirklich aufheben könnte.

Du sagst, die ursprüngliche Form sei Griechisch ΝΑΖΑΡΗΝΟΣ. Das sei als NAZARENUS schon früh in’s Latein übernommen worden.

Auf dem Titulo steht aber NAZARINUS. Das deutest du als Reflex des Itazismus (frühestens spätes 2. Jhd.). Das heißt, du nimmst an, der Schreiber sei mit dem im Latein bereits eingeführten Wort NAZARENUS nicht vertraut gewesen und habe es quasi neu aus dem Griechischen, das er gehört, als NAZARINUS übernommen.

Dem kann ich folgen. Demnach hat der Schreiber das Wort offensichtlich aus dem gehörten Griechischen übernommen, d. h. die Grundform muss für ihn das Griechische gewesen sein. Dann stellen sich mir allerdings zwei Probleme:
  1. Warum endet dann die griechische Entsprechung von NAZARINUS auf -ΟΥΣ statt auf -ΟΣ?
  2. Warum steht dann in der griechischen Entsprechung ausgerechnet ein Ε und kein Η oder meinswegen auch ein Ι?
Genau. Das habe ich ja oben alles ausgeführt. (Sagt mal, drücke ich mich wirklich derart unverständlich aus?)
Dazu eine Anekdote: Ich habe mal, als ich Sprachassistent auf Island war, mit meinen Schülern Galgenmännchen gespielt. Sie hatten sich auf ein Wort geeinigt, das ich erraten musste. Ich wollte ein E raten. Meine Schüler haben mein gesprochenes E nicht verstanden und als I interpretiert, obwohl wir ja sonst auch deutsch sprachen.
Analoges hat ja Taddeo schon berichtet, worauf ich auch geantwortet habe. Denk mal nach: Dieser Schreiber eurer Theorie hätte dann niemals in der griechischen Version Ε schreiben können.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:Ist da eine relativ unbedeutende Abweichung E zu I (wohlgemerkt, im lateinischen Text, nicht im griechischen) nicht vielleicht einfach nur Hintergrundrauschen?
Ist das unbedeutetend? Kann so was „schon mal vorkommen“? – Dann zeig mir Beispiele. Ich finde keine – Null im CIL –, außer sehr spät mit byzantinischem oder humanistisch-gräzisierendem Hintergrund.
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lifestylekatholik
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Das Problem ist doch: Wenn der Itazismus schon konsequent eingetreten wäre, dann hätte er in der griechischen Fassung niemals Ε schreiben können. Deshalb scheidet der übliche Itazismus als Erklärung für das I aus.

Das I kann sich meiner Vermutung nach – übrigens vielleicht ebenso das -ΟΥΣ – daraus erklären, dass der Schreiber Schwierigkeiten hatte, zwischen E/I und O/U zu unterscheiden. Das hat übrigens nichts mit Ziegen und Schafen zu tun, sondern mit dem sprachlichen Hintergrund des Schreibers. Wir haben es doch hier weder mit einem klassisch Gebildeten zu tun, noch mit einem Muttersprachler, und erst recht ist der Titulus keine in Stein gemeißelte, sorgfältig ausgeführte und gut bezahlte Inschrift. Man müsste sie vielleicht eher mit den Graffiti in Pompeji vergleichen, die allerdings eben von echten Römern bzw. Griechen gekritzelt wurden und nicht von aramäisch Sprechenden.

Um es noch mal deutlich zu sagen: Du nimmst an, die Inschrift sei zur Zeit nach Eintritt des Itazismus abgefasst. Das Ε kannst du damit nicht erklären. Du baust also die Hypothese, der Titulus sei eine nochmal später verfertigte Kopie des bereits gefälschten Originals, bei der der Kopist dann Η (gesprochen: i) mit Ε (gesprochen: e) verwechselt hätte. Das erscheint mir nun wirklich nicht wahrscheinlich.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:Das Problem ist doch: Wenn der Itazismus schon konsequent eingetreten wäre, dann hätte er in der griechischen Fassung niemals Ε schreiben können. Deshalb scheidet der übliche Itazismus als Erklärung für das I aus.
Nein, dafür gibt es überhaupt keine Erklärung – wenn beide „Fehler“ von ein und demselben Schreiber stammen sollen. Daher ja meine Hypothese: 1. Ersteller der Vorlage unseres Tituli zu konstantinischer Zeit, 2. (etwas) späterer Kopist.
lifestylekatholik hat geschrieben:Das I kann sich meiner Vermutung nach – übrigens vielleicht ebenso das -ΟΥΣ – daraus erklären, dass der Schreiber Schwierigkeiten hatte, zwischen E/I und O/U zu unterscheiden.
Aber er hat doch die Buchstaben nicht ausgewürfelt. Wenn er „mit den Vokalen Schwierigkeiten“ hatte, dann haben diese Schwierigkeiten eine Tendenz, die sozusagen phonetisch begründet ist. Genau die exakt gegensätzlichen „Fehler“ lat. I und gr. Ε kannst du so niemals begründen.
lifestylekatholik hat geschrieben:… ist der Titulus keine in Stein gemeißelte, sorgfältig ausgeführte und gut bezahlte Inschrift. Man müsste sie vielleicht eher mit den Graffiti in Pompeji vergleichen, die allerdings eben von echten Römern bzw. Griechen gekritzelt wurden und nicht von aramäisch Sprechenden.
Nicht in Stein, aber private Graffiti nun auch nicht. Immerhin war der Auftraggeber der römische Statthalter als oberste Autorität im Land.
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lifestylekatholik
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Genau die exakt gegensätzlichen „Fehler“ lat. I und gr. Ε kannst du so niemals begründen.
Wieso nicht? Ich sehe darin kein großes Problem. Schau dir an, wie Polen oder Türken oder Libanesen im Wedding deutsch schreiben.

Wenn du Beispiele aus älterer Zeit willst: Schau dir die Runeninschriften auf Stein, Holz oder Brakteaten an. Gerade die Brakteateninschriften bieten hervorragendes Material, um zu studieren, was alles in Zeiten und Regionen schwacher Schriftlichkeit möglich ist.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Von schwacher Schriftlichkeit kann dort und damals überhaupt keine Rede sein. Die Schriften der Hebräer, Griechen und Römer haben auch nichts mit Runeninschriften zu tun. Das sollte dir klar sein, daß das ein völlig unzulässiger Vergleich ist.
:roll:
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lifestylekatholik
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Von schwacher Schriftlichkeit kann dort und damals überhaupt keine Rede sein.
Klar. Deshalb ist die Inschrift ja auch linksläufig. Hilf mir, wie viele Inschriften aus dieser Zeit auf Latein oder Griechisch sind linksläufig?
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Schriften der Hebräer, Griechen und Römer haben auch nichts mit Runeninschriften zu tun. Das sollte dir klar sein, daß das ein völlig unzulässiger Vergleich ist.
Vielleicht ist dir die Anwendungsbreite der Runen nicht ganz klar, und du verwechselst sie mit magischen Zeichen?
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Von schwacher Schriftlichkeit kann dort und damals überhaupt keine Rede sein.
Klar. Deshalb ist die Inschrift ja auch linksläufig. Hilf mir, wie viele Inschriften aus dieser Zeit auf Latein oder Griechisch sind linksläufig?
Bild
;D Na gut, ich gebe zu, das stammt aus einer andern Zeit. Aber begonnen haben sie linksläufig, nach phönizischem Vorbild, um dann über die Furchenmethode (hin und her) endlich bei rechtsläufiger Schrift anzulangen. Vereinzelte Fälle von Linksläufigkeit kommen dennoch weiter vor, aber selten; übrigens auch kaum aus Dummheit der Schreiber, sondern aus irgendwelchen Gründen, z. B. kryptographischer Art.

Solch ein Fall liegt hier nun aber keineswegs vor. Unser Schreiber war Hebräer, schrieb in seiner Mutter(- und, wenn wer’s konnte, Sakral-)sprache regulär linksläufig und begann so auch ganz normal unsere Tafel. Nun hatte er zwei weitere fremdsprachige Zeilen drunterzusetzen, die an sich rechtsläufig zu schreiben waren. Vielleicht hat er, aus Gewohnheit oder weil er gerade so schön im Schwung war, einfach den griechischen Text auf der falschen Seite begonnen – und dann einfach so weitergemacht und sich gedacht, es werde schon keiner Anstoß nehmen, und Zeit, ein neues Brett zu besorgen, habe er sowieso nicht.

Vielleicht hat er’s auch absichtlich gemacht, weil er dachte, es störe das Gesamtbild, wenn auf ein und derselben Tafel einmal nach links und zweimal nach recht geschrieben würde. Wir wissen es nicht.

Jedenfalls, und darum ging es, haben wir es bei Römern, Griechen und Hebräern mit alten Buchkulturen mit hohem Alphabetisierungsgrad zu tun. Vor diesem Hintergrund von „schwacher Schriftlichkeit“ zu reden, geht an der Sache völlig vorbei.
lifestylekatholik hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Schriften der Hebräer, Griechen und Römer haben auch nichts mit Runeninschriften zu tun. Das sollte dir klar sein, daß das ein völlig unzulässiger Vergleich ist.
Vielleicht ist dir die Anwendungsbreite der Runen nicht ganz klar, und du verwechselst sie mit magischen Zeichen?
Sei mir nicht böse, aber ich glaube, ich habe mich schon mit Runen befaßt, als du noch dem Klapperstorch die Leviten lasest. Natürlich sind Runen magische Zeichen, und natürlich sind sie mehr. Aber sie sind keine Buchschrift – abgesehen selbstverständlich von der Runenedda des Schnorri Runarson und dem sog. Codex legum runicarum Erichs des Roten von Vandlitsaeyar –, sie dienten nicht zu alltäglichen Kommunikationszwecken und sie waren überhaupt nur einem geringen Bevölkerungsanteil vertraut. Kurz, es gibt da nichts weiter zu vergleichen.
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Peregrin
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
lifestylekatholik hat geschrieben:… ist der Titulus keine in Stein gemeißelte, sorgfältig ausgeführte und gut bezahlte Inschrift. Man müsste sie vielleicht eher mit den Graffiti in Pompeji vergleichen, die allerdings eben von echten Römern bzw. Griechen gekritzelt wurden und nicht von aramäisch Sprechenden.
Nicht in Stein, aber private Graffiti nun auch nicht. Immerhin war der Auftraggeber der römische Statthalter als oberste Autorität im Land.
Die Frage, was für eine Art Mensch das durchgeführt hat, ist aber schon ganz zentral. Sowas ist doch sicher nicht extra kommissioniert worden, und Pilatus hat vermutlich auch nicht seinen Privatsekretär dafür abgestellt.

Ich denke mir, daß es da vielleicht so eine Art Truppenfaktotum gegeben hat, einen Hebräer niederen Standes, der kaum Griechisch, aber leidlich Latein konnte, vielleicht ein ehemaliger Sklave in Rom, oder sonst wer, der da halt seine Geschäftslücke gefunden hat. Der wird mit den normalen Soldaten verkehrt haben, ihnen diverse Besorgungen und Schreibarbeiten gemacht und beim Kontakt mit den Einheimischen auch als Dolmetscher fungiert haben - das reichte wohl, um bei denen als Intellektueller zu gelten. Solche Leute rennen ja auch heute noch im Orient massenhaft herum. Wenn's dann von oben hieß: "da soll noch so eine Tafel dran", wird man geantwortet haben: "geht klar, das macht uns der Dings", das war ja nicht für die Ewigkeit gedacht.

Der könnte sich dann zunächst einmal "Nazarinus" aus dem Aramäischen gebildet haben (wie Du das oben auch angesprochen hast). Das Griechisch haben sie sich dann zusammengestoppelt, vielleicht hat er sich das überhaupt bei einem Dritten buchstabieren lassen. Und wie jenen amerikanischen second amendment-Unterstützern, die sich stolz "ΜΩΛΩΝ ΛΑΒΕ" auf den Oberarm tätowieren lassen, waren seiner Freundesgruppe die Möglichkeiten des griechischen Alphabets vielleicht nicht so geläufig.
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lifestylekatholik
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
sie dienten nicht zu alltäglichen Kommunikationszwecken und sie waren überhaupt nur einem geringen Bevölkerungsanteil vertraut.
Das ist grundfalsch. Ebenso hast du meine Bemerkung über schwache Schriftlichkeit (in Bezug auf Latein/Griechisch) im Umfeld des Schreibers offensichtlich missverstanden.

PS: Ich wäre immer noch interessiert an Beispielen linksläufiger griechischer oder lateinischer Inschriften aus der Zeit um 30 n. Chr. Geb.
Zuletzt geändert von lifestylekatholik am Donnerstag 15. Dezember 2011, 09:27, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Peregrin hat geschrieben:Und wie jenen amerikanischen second amendment-Unterstützern, die sich stolz "ΜΩΛΩΝ ΛΑΒΕ" auf den Oberarm tätowieren lassen, waren seiner Freundesgruppe die Möglichkeiten des griechischen Alphabets vielleicht nicht so geläufig.
So ist das.
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Niels
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Niels »

Es könnte aber auch sein, dass es absichtlich zu der hebraisierenden Schreibweise des lateinischen und griechischen Textes durch einen der beteiligten Römer gekommen ist, nämlich um sich so über den "König der Juden" lustig zu machen. Nicht umsonst hat man ja dem "König" den Ehrenplatz in der Mitte zugewiesen und die beiden latrones rechts und links neben ihm gekreuzigt.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:sie dienten nicht zu alltäglichen Kommunikationszwecken und sie waren überhaupt nur einem geringen Bevölkerungsanteil vertraut.
Das ist grundfalsch. Ebenso hast du meine Bemerkung über schwache Schriftlichkeit (in Bezug auf Latein/Griechisch) im Umfeld des Schreibers offensichtlich mißverstanden.

PS: Ich wäre immer noch interessiert an Beispielen linksläufiger griechischer oder lateinischer Inschriften aus der Zeit um 30 n. Chr. Geb.
1. Das ist keineswegs falsch. Aber dazu mach ggf. bitte nebenan eine Runenschule oder so auf.
2. Solltest du mit „schwacher Schriftlichkeit“ individuelle Schwäche gemeint haben, meinetwegen daß der Schreiber Legastheniker gewesen sei, dann sag das halt deutlich. Allerdings ist schwerlich denkbar, daß Pilatus so einen beauftragt habe. Oder meinst du jetzt mit dem „Umfeld“ des Schreibers Pilatus? Erklär dich klarer.
3. Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß du als Spezialist meinen Punkt nicht verstehst. Augenscheinlich denkst du vom dir notwendig erscheinenden Ergebnis her. Ich bitte dich: Mach doch hier nicht einen auf Sempre. Ich geb’ dir auch noch einen weiteren Hinweis: Schreibanfänger (oder im Schreiben Ungeübte) begehen Fehler hinsichtlich der Umsetzung des Vokalismus keineswegs nach dem Zufallsprinzip, sondern sondern aus phonetischen Gründen („nach Gehör schreiben). Dasselbe wäre auch hier vorauszusetzen (was aber mit den gegensätzlichen Fehlern des Schreibers unmöglich zusammengeht), wenn Pilatus einen derart „Schreibschwachen“ beauftragt hätte, was aber eine unsinnige Annahme ist.
4. Ich werde ganz sicher nicht in die UB rennen und Inschriftencorpora wälzen, um dir Spiegelschrift zu zeigen.
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Peregrin hat geschrieben:Die Frage, was für eine Art Mensch das durchgeführt hat, ist aber schon ganz zentral. Sowas ist doch sicher nicht extra kommissioniert worden, und Pilatus hat vermutlich auch nicht seinen Privatsekretär dafür abgestellt.

Ich denke mir, daß es da vielleicht so eine Art Truppenfaktotum gegeben hat, einen Hebräer niederen Standes, der kaum Griechisch, aber leidlich Latein konnte, vielleicht ein ehemaliger Sklave in Rom, oder sonst wer, der da halt seine Geschäftslücke gefunden hat. Der wird mit den normalen Soldaten verkehrt haben, ihnen diverse Besorgungen und Schreibarbeiten gemacht und beim Kontakt mit den Einheimischen auch als Dolmetscher fungiert haben - das reichte wohl, um bei denen als Intellektueller zu gelten. Solche Leute rennen ja auch heute noch im Orient massenhaft herum. Wenn's dann von oben hieß: "da soll noch so eine Tafel dran", wird man geantwortet haben: "geht klar, das macht uns der Dings", das war ja nicht für die Ewigkeit gedacht.

Der könnte sich dann zunächst einmal "Nazarinus" aus dem Aramäischen gebildet haben (wie Du das oben auch angesprochen hast). Das Griechisch haben sie sich dann zusammengestoppelt, vielleicht hat er sich das überhaupt bei einem Dritten buchstabieren lassen. Und wie jenen amerikanischen second amendment-Unterstützern, die sich stolz "ΜΩΛΩΝ ΛΑΒΕ" auf den Oberarm tätowieren lassen, waren seiner Freundesgruppe die Möglichkeiten des griechischen Alphabets vielleicht nicht so geläufig.
1. Ein solches „Faktotum“ pflegt in allen benötigten Sprachen zu Hause zu sein, gerade bei solcher Herkunft. Darum wird er nebenbei auch zur Größe auf dem Schwarzmarkt etc. Die Idee, Pilatus habe da einen legasthenischen Schwachkopf als Schreiber angestellt, ist, gelinde gesagt, abstrus.
2. Eine Bildung von NAZARINUS aus einer semitischen Sprache ist absurd, wie schon dargelegt (nebenbei käme überhaupt bloß Aramäisch in Betracht, da müßte es dann NOZRINUS heißen, was freilich aus denselben Gründen auszuschließen ist).
3. Eine lateinische Neubildung erfolgte in jedem Fall aus dem Toponomasticon (Nazareth, Nazara) und einem Suffix zur Bildung einer Herkunftsbezeichnung (-anus, -ensis). Die Form mit -enus (-inus) ist eine Entlehnung aus dem Griechischen.
4. Überhaupt ist auszuschließen, daß der Schreiber das Wort erdacht habe. Mindestens den lateinischen Text hat er selbstverständlich vorgegeben bekommen. Seit wenigstens einer Woche redete auch ganz Jerusalem über diesen Nazarener. Nicht bloß auf aramäisch, in zweiter Linie allenthalben auch auf griechisch, waren doch auch in Palästina viele Juden „Hellenisten“ (in Jerusalem zwar generell weniger, aber gerade in dieser Woche auch da verstärkt). Spätestens im Rahmen des Prozesses Jesu vor Pilato mußte auch dort natürlich eine lateinische Herkunftsangabe für Jesum gebraucht und notfalls geschaffen werden, natürlicherweise am ehesten durch Entlehnung aus dem Griechischen.

Damit ist’s allmählich genug mit der Philologie in dieser Sache. Ich bin es auch, ehrlich gesagt, leid, ständig auf immer neue, immer abwegigere Verweiflungsideen eingehen zu müssen, mit denen ihr dem Titulum retten wollt. Wenn einer es schafft nachzuweisen, daß in Palästina Anfang bis Mitte des 1. Jht.s der Itazismus bereits statthatte: Hut ab und großen Dank, dann ist alles neu zu überdenken. Wo nicht, schluckt die Kröte und seht euch – wozu ich oben schon aufgerufen hatte – einmal die archäologischen und historischen Befunde näher an.
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Niels hat geschrieben:Es könnte aber auch sein, dass es absichtlich zu der hebraisierenden Schreibweise des lateinischen und griechischen Textes durch einen der beteiligten Römer gekommen ist, nämlich um sich so über den "König der Juden" lustig zu machen.
Genau. Etwa durch entsprechende Anweisung an den Schreiber.
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Marion
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Marion »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Grüß Gott, Marion! Schon wach?
Ja klar :breitgrins:
Eine nette Anekdote von Johann Peter Hebel die mir dazu einfällt:
Die Arche Noah

Einmal saß eine Gesellschaft beieinander, Alte und Halberwachsene. Unter den letzteren war einer, ein Herr von Osten, der das goldene Sprüchlein, das im Buche Sirachs steht, nicht beherzigte: »Ein Jüngling mag reden, einmal oder zweimal, so man ihn fragt. Und wenn er redet, soll er's kurz machen«, sondern er sprach viel und fuhr einem alten Herrn mit seiner grünen Weisheit über den Mund.

So kamen sie von ungefähr auf die Sintflut und Noahs Arche zu sprechen. Da meinte der junge Herr: das sei kurios, dass in einen solchen Kasten, der nur dreihundert Ellen lang, fünfzig breit und dreißig hoch gewesen sei, so viel Tiere hinein gekonnt hätten. Und nun gar das Futter für sie alle! Er sei auf Schulen gewesen und glaube so was nicht, und was dergleichen Reden mehr waren.

Die Gesellschaft hörte eine Weile zu, da erhob sich ein alter Herr, tat einige Züge aus seiner Pfeife und sagte: »Junger Herr von Osten, ich will Euch was erzählen. Als Noah die Arche auf Gottes Befehl gebaut, da versammelte er die Tiere, Männlein und Fräulein. Er rief dem Kamel vom Süden: 'Kamel, komm!' und es kam und wanderte hinein. Er rief dem Bär von Norden: 'Bär, komm!' und ohne Brummen ging er hinein. Und dem Tiger vom Westen: 'Tiger, komm!' und ohne Widerstand ging er hinein. Da rief er auch dem Esel vom Osten, aus der Tartarei: 'Esel, komm!' aber der Esel war stutzig und sagte: 'Das ist mir eine kuriose Sache mit diesem Kasten. Nur dreihundert Ellen lang und fünfzig breit und dreißig hoch – dazu all das Futter für uns alle. Ja, das Kamel, der Bär, der Tiger – das sind dumme Tiere, aber für unsereinen, der studiert hat, ist das unglaublich.'

Da stand Noah auf (und der alte Herr auch) und ging hin zum Esel (und der alte Herr zum Junker) und nahm ihn an seinem schönsten Ohr und zupfte ihn dreimal (und so tat der alte Herr auch) und sagte: 'Esel, räsoniere Er nicht, sondern marschiere Er nur hinein.' So kam's, dass alle Tiere Platz fanden – und die Esel sind nicht mit ersoffen, sondern sie leben heute noch und fressen Disteln.«

Darauf wurde der Junker still und er war bald im Stillen fortgeschlichen.
Christus vincit - Christus regnat - Christus imperat

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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
1. Das ist keineswegs falsch. Aber dazu mach ggf. bitte nebenan eine Runenschule oder so auf.
Meine abweichende Meinung habe ich zu Protokoll gegeben.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
2. Solltest du mit „schwacher Schriftlichkeit“ individuelle Schwäche gemeint haben, meinetwegen daß der Schreiber Legastheniker gewesen sei, dann sag das halt deutlich. Allerdings ist schwerlich denkbar, daß Pilatus so einen beauftragt habe. Oder meinst du jetzt mit dem „Umfeld“ des Schreibers Pilatus? Erklär dich klarer.
Dazu habe ich oben ausreichend ausgeführt. Weitere Erläuterungen scheinen mir nicht notwendig.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
3. Ich kann mir nicht recht vorstellen, daß du als Spezialist meinen Punkt nicht verstehst. ... Schreibanfänger (oder im Schreiben Ungeübte) begehen Fehler hinsichtlich der Umsetzung des Vokalismus keineswegs nach dem Zufallsprinzip, sondern sondern aus phonetischen Gründen („nach Gehör schreiben).
Klar. Hier geht es aber um einen nicht muttersprachlichen Schreiber. Das Vokalsystem der semitischen Sprachen unterscheidet sich radikal von dem des Griechischen und des Latein. Ich sehe nach wie vor kein wirkliches Problem in einer e/i-Vertauschung. Ja gerade die auseinanderstrebende Richtung, hie I, dort Epsilon, zeigt das doch.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
4. Ich werde ganz sicher nicht in die UB rennen und Inschriftencorpora wälzen, um dir Spiegelschrift zu zeigen.
Schade.

Ich verstehe auch nicht, was dir so große Schwierigkeiten macht. In deiner Hypothese, dass es sich um eine Kopie einer Fälschung handelt, brauchst du doch auch einen Idioten, der das postulierte Eta (gesprochen i) der Vorlage mit Epsilon (gesprochen e) verwechselt, der sogar eine vor im liegende Originaltafel hat, und es trotzdem hinkriegt, das zu verwechselt. Das ist doch wirklich wesentlich unwahrscheinlicher, als nur eine Tafel anzunehmen.
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich schlage vor, wir brechen den philologischen Teil der Debatte an dieser Stelle ab. Ich habe alles Nötige ausführlich dargelegt, und zwar mehrfach. Die Sache ist klar. Im Jahr 30 konnte keiner NAZARINUS mit I schreiben, ebenso wie in einer offiziellen Inschrift des römischen Statthalters im griechischen Text das Epsilon statt Eta und ein Omikron-Ypsilon als u-Laut (statt des korrekten Omikron) undenkbar ist.

Gegenargumente habe ich keine gehört. Die verzweifelten Einwände klingen, als bezögt ihr euer Geschichtsbild aus im Übermaß konsumierten Monty-Python-Filmen.

Wie ich schon wiederholt andeutete, möchte ich endlich zum historischen Teil kommen, zu dem also, was berichtende und ggf. urkundliche Quellen sagen. Dazu bitte ich zunächst einmal um Hilfe. Gestern abend, auf der Heimfahrt nach Berlin, sortierte ich mir nämlich im Geiste, was ich von solchen Quellen weiß. Zu Hause griff ich dann nach der einschlägigen Arbeit von Thiede (mit Matthew D’Ancona) und blätterte schnell, ob ich noch etwas Interessantes fände. Prompt blieb ich an der Aussage hängen, Ambrosius habe bereits vom Titulo in Rom gewußt, ja diesen wohl sogar gesehen.

Ich wurde hellhörig. Mit einiger Mühe fand ich in den reichlich unzureichenden Noten endlich den Hinweis, das stehe in des Ambrosii Leichenrede auf Kaiser Theodosium. Aha. Der Text also, in welchem der Kirchenvater die Geschichte von der Auffindung des Heiligsten Kreuzes durch Helena berichtet. Und da sollte erwähnt sein, daß die Kreuzestafel bereits in Rom sei?

Das war mir völlig neu, wäre aber ein höchst wichtiger Umstand für die Chronologie des ganzen. Also griff ich mir die PL, suchte die ambrosianische De obitu Theodosii oratio heraus und las. Inzwischen dreimal. Ich finde nichts, was eine Kenntnis des Ambrosii vom Titulo in Rom auch nur leise andeuten könnte.

Aber man übersieht ja manchmal etwas. Darum, bevor ich mich zu vorschnellem Urteil hinreißen lasse, meine Bitte: Lest bitte einmal mit. Ich füge die Seiten aus der PL als Anhang bei. Wer des Lateinischen weniger mächtig ist, kann sich auch auf deutsch versuchen: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel2212.htm
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Re: Titulus Crucis

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Robert Ketelhohn hat geschrieben:Gegenargumente habe ich keine gehört.
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Peregrin
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
käme überhaupt bloß Aramäisch in Betracht, da müßte es dann NOZRINUS heißen,
...
3. ... Form mit -enus (-inus) ist eine Entlehnung aus dem Griechischen.
4. ... Mindestens den lateinischen Text hat er selbstverständlich vorgegeben bekommen. ... mußte auch dort natürlich eine lateinische Herkunftsangabe für Jesum gebraucht und notfalls geschaffen werden, natürlicherweise am ehesten durch Entlehnung aus dem Griechischen.
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Naja, das paßt doch bestens zusammen: Der lateinische Text kam aus der Oberschicht, daher griechische Bildung. Verschriftlicht hat er sich's selber, der ausführende Unterschichtaramäer, daher -inus. Von da zum griechischen Text, s.o.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Jung, das -inus ist im Jahr 30 aus lautgeschichtlichen Gründen nicht möglich.

Ich sehe ja, daß ihr auf die Echtheit fixiert seid und darum den kritischen Ver-
stand an der Garderobe abgegeben hat. Ersparen wir uns, das immer wieder
selbe dutzendfach wiederzukäuen.

Kommt einer meiner obigen Bitte um Hilfe entgegen und liest Ambrosius?
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Gegenargumente habe ich keine gehört.
Bild
Ja, dies Verhalten kenn’ ich von meiner Brut. In der Tat, ihr seid da ähnlich.
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lifestylekatholik
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von lifestylekatholik »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Jung, das -inus ist im Jahr 30 aus lautgeschichtlichen Gründen nicht möglich.
:vogel:
Ja doch! Bei einem griechischen oder meinswegen römischen Schreiber wird das wohl so sein. Hier is aber nix Schreiber. Hier Schildermaler mit Sprache was hat drei Vokalqualitäten: a - i - u!

Deine am I aufgehängte These wäre wesentlich überzeugender, wenn im Griechischen da ein H und kein E stünde, ach ja, und wenn da auch noch ein -OS statt des abstrusen -OUS wäre. Is aber nich. Die Tafel ist chaotisch, weil eben kein ausgebildeter Schreiber, zumindest nicht für Griechisch und Latein.

Ich rede gegen ne Wand. :achselzuck:
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Sempre
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:[@lifestylekatholik] Mach doch hier nicht einen auf Sempre.
Danke. lifestylekatholik bringt stichhaltige Einwände.
Multi venient in nomine meo, id est in nomine corporis mei. (Tichonius Africanus)
———
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich finde nichts, was eine Kenntnis des Ambrosii
vom Titulo in Rom auch nur leise andeuten könnte.
Die markierte lat. Stelle gibt das zumindest nicht her.

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Niels
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Niels »

Das sehe ich genauso.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

lifestylekatholik hat geschrieben:Ich rede gegen ne Wand. :achselzuck:
Nein, du bist die Wand. :nein:

Wir befinden uns mit dem Prozeß Jesu in Palästina, in Jerusalem. Viele Juden in Palästina sprachen Griechisch als Muttersprache. In Jerusalem sicher nur eine Minderheit (zu der Philippus gehörte, vielleicht auch Thomas), aber praktisch jeder konnte irgendwie Griechisch. Latein sicher vergleichsweise wenige, namentlich aber die mit den Römern im Land und der Legion zu tun hatten.

Noch einmal: Wir befinden uns mit dem Prozeß Jesu in Palästina, mitten im Gebiet jener Kultur, die aus dem Reich Alexanders erwachsen ist. Wir sind nicht bei den Papuas, Buschleuten oder Amazonasindianern. Auch nicht im Leben des Brian, obschon ich weiß, daß viele von euch diesem Schmutz unseligerweise anhangen.

Es ist undenkbar, daß Pontius Pilatus, die oberste Autorität im Land, damals einen halben Analphabeten beauftragt habe (den hätte er erst mal suchen müssen!), eine höchst amtliche Inschrift anfertigen zu lassen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ich finde nichts, was eine Kenntnis des Ambrosii vom Titulo in Rom auch nur leise andeuten könnte.
Die markierte lat. Stelle gibt das zumindest nicht her.
Niels hat geschrieben:Das sehe ich genauso.
Danke euch. Ich hab’ das ganze Ding inzwischen auch noch ein weiteres Mal gelesen. Da steht nichts von einem Titulo außerhalb Jerusalems drin. Ich bin ehrlich gesagt perplex. Zumindest auf Thiede habe ich bisher einiges gehalten. Aber damit ist sein ganzes Buch (Carsten Peter Thiede und Matthew D’Ancona, Das Jesus-Fragment, München 2000) auf Sand gebaut und im Ergebnis für den Müll. :nein:  –  Hesemanns Buch
habe ich nicht (hat’s einer und kann was sagen?), aber zum Interview mit kath.net vor
ein paar Tagen habe ich mich ja schon geäußert. Das genügt eigentlich.
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Peregrin
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Peregrin »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
lifestylekatholik hat geschrieben:Ich rede gegen ne Wand. :achselzuck:

Es ist undenkbar, daß Pontius Pilatus, die oberste Autorität im Land, damals einen
halben Analphabeten beauftragt habe (den hätte er erst mal suchen müssen!), eine
höchst amtliche Inschrift anfertigen zu lassen.
Wer hat eigentlich das höchst amtliche Kreuz konstruiert? Sein Hofbaumeister, oder ist es denkbar, daß das ein paar Knechte roh zusammengezimmert haben?
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Robert Ketelhohn
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Re: Titulus Crucis

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Kreuze hat man damals bei Ikea bestellen können. Mit Aufbauanleitung.
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Raphael

Re: Titulus Crucis

Beitrag von Raphael »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Kreuze hat man damals bei Ikea bestellen können. Mit Aufbauanleitung.
So kann man eine selbstinitiierte Diskussion auch abwürgen! :vogel:

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