Papst Gregor an den Kaiser Mauritius hat geschrieben: Unser allerfrömmster und von Gott gesetzter Herr läßt sich unter den übrigen schwerwiegenden kaiserlichen Sorgen auch die Erhaltung der Liebe unter den Bischöfen mit dem Ernste geistlichen Eifers angelegen sein, in der ebenso frommen als richtigen Erwägung, daß Niemand über das Irdische zu regieren vermöge, der nicht auch das Göttliche zu behandeln versteht, und daß der Friede des Reiches vom Frieden der ganzen Kirche abhänge. Denn, durchlauchtigster Herr, welche menschliche Kraft, welcher auch noch so starke Arm von Fleisch und Blut würde es wagen, gegen den erhabenen Gipfel Eures allerchristlichsten Kaiferthums die gottlosen Hände zu erheben, wenn das Herz der Bischöfe in Eintracht mit dem Munde und mit den gehörigen Verdiensten für Euch zum Erlöser stehen würde? Oder wie könnte das Schwert eines überaus wilden Volkes mit solcher Grausamkeit unter den Gläubigen den Tod verbreiten, wenn nicht das Leben von uns, die wir Bischöfe heissen, es aber nicht sind, mit sehr großen Sünden belastet wäre? Da wir aber das uns Zustehende vemachlässigen und auf Das denken, was uns nicht zusteht, so verbünden sich unsre Sünden mit den Streitkräften der Barbaren, unsre Schuld schärft die Schwerter der Feinde, und die Kräfte des Reiches schwinden dahin. Wie werden Wir es verantworten, daß wir das Volk, dessen unwürdige Vorsteher wir sind, auch noch durch die Last unsrer Sünden bedrücken? daß wir durch unser Beispiel wieder zerstören, was wir mit der Zunge predigen? daß wir durch unsre Werke Ungerechtigkeit lehren und mit der Zunge allein der Gerechtigkeit Zeugniß geben?. Die Gebeine werden durch Fasten gequält, im Herzen aber sind wir voll Hochmuth. Der Leib hüllt sich in's Bettlerkleid, der Hochmuth des Herzens aber übertrifft den Purpur. Wir liegen in der Asche und das Höchste ist uns nicht gut genug. Wir sind die Lehrer der Demuth und die Muster des Stolzes und verbergen unter dem Schafspelz den Wolfszahn.1Aber wohin führt Dieß, als daß wir zwar die Menschen überreden, vor Gott aber unverhüllt dastehen? Deßhalb verlangt der allerfrömmste Kaiser, um die Kriegserschütterungen in Schranken zu weisen, mit großer Weisheit nach dem Frieden der Kirche und würdigt sich, die Herzen der Bischöfe mit dessen Banden zu umschließen. Ich bin damit ganz einverstanden, und so viel an mir liegt, leiste ich den durchlauchtigsten Besehen Gehorsam. Weil es sich aber nicht um meine, sondern um Gottes Sache handelt, weil nicht ich allein, sondern die ganze Kirche betrübt wird, wenn heilige Gesetze, ehrwürdige Synoden, ja selbst die Vorschriften unsers Herrn Jesus Christus durch die Erfindung eines stolzen und pomphaften Titels verletzt werden, — so möge der allerfrommste Kaiser die Wunde am rechten Orte aufschneiden und den widerspänstigen Kranken mit den engen Fesseln der kaiserlichen Gewalt bezähmen. Indem Ihr dieselbe anleget, befreiet Ihr das Reich, und während Ihr so Etwas abschneidet, sorget Ihr für die Dauerhaftigkeit Eurer Regierung.
Wer immer das Evangelium kennt, dem ist es klar, daß durch das Wort des Herrn dem heiligen Apostel Petrus, dem Fürsten aller Apostel, die Sorge für die ganze Kirche übertragen worden sei. Ihm wird ja gesagt: „Petrus, liebst Du mich? Weide meine Schafe!"2Ihm wird gesagt: „Siehe, der Satan hat sich ausgebeten, euch wie den Weizen zu sieben; ich aber habe für Dich, Petrus, gebetet, auf daß Dein Glaube nicht abnehme. Du aber, wenn Du Dich bekehrt haben wirst, so stärke Deine Brüder."3Ihm wird gesagt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Und Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben; was immer Du binden wirst auf Erden, das soll auch im Himmel gebunden sein; und was immer Du lösen wirst auf Erden, das soll auch im Himmel gelöset sein."4
Siehe, er empfängt die Schlüssel des Himmelreiches, es wird die Binde- und Löfegewalt ihm übertragen, die Sorge für die ganze Kirche und das Vorsteheramt über sie wird ihm anvertraut, und doch nennt man ihn keinen allgemeinen Apostel. Der sehr heilige Mann, mein Mitbischof Johannes aber will allgemeiner Bischof genannt sein. Ich bin gezwungen, auszurufen und zu sprechen: O Zeiten, o Sitten! .
Siehe Alles in Europa ist der Willkür der Barbaren anheimgegeben, Städte sind zerstört, feste Plätze geschleift, Provinzen entvölkert, kein Bebauer wohnt mehr im Lande; tägtich und nicht vergebens lechzen die Götzendiener nach dem Blute der Gläubigen, — und dennoch suchen sich die Priester, die mit Thränen in der Asche auf dem Boden liegen sollten, eitle Titel aus und rühmen sich neuer und ungeistlicher Benennungen.
Vertheidige ich etwa, allerfrömmster Gebieter, hierin meine eigene Sache? Räche ich mich etwa für eine persönliche Unbill? Die Sache des allmächtigen Gottes, die Sache der ganzen Kirche betrifft es.
Wer ist es, der gegen das Gebot des Evangeliums, gegen die Vorschriften der Kirchengesetze einen neuen Namen sich beizulegen wagt? Möchte es doch wenigstens ohne Herabsetzung der Übrigen geschehen können, wenn er allein allgemeiner Bischof genannt sein will!
Aber bekanntlich sind viele Bischöfe der Kirche von Konstantinopel in den Abgrund der Irrlehre gefallen und nicht bloß Irrgläubige, sondern auch Urheber der Irrlehre geworden. Von dort her war Nestorius, der in Jesus Christus, dem Mittler zwischen Gott und den Menschen, zwei Personen annahm, weil er nicht glaubte, daß Gott Mensch werden könne, und ist zuletzt bis zum Unglauben der Juden gekommen. Von dorther war Macedonius, welcher läugnete, daß der hl. Geist gleichwesentlicher Gott mit dem Vater und dem Sohne sei. Wenn sich also in dieser Kirche Jemand jenen Titel aneignet und sich dadurch zum Haupte aller Guten macht, 5— so ist die ganze Kirche, was undenkbar, aus den Fugen gekommen, wenn der sogenannte allgemeine Bischof fällt. Aber ferne sei von allen christlichen Herzen jener Lästername, durch den allen Bischöfen ihre Würde genommen wird, während sie Einer allein in widersinniger Weise sich anmaßt.
Bekanntlich hat das ehrwürdige Concilium von Chalcedon aus Ehrfurcht für den hl. Apostelfürsten Petrus diesen Titel dem römischen Papste angeboten. Aber keiner von ihnen hat sich je herbeigelassen, diesen ausschließenden Titel zu gebrauchen, damit nicht allen Bischöfen die ihnen gebührende Ehre entzogen werde, während Einem etwas Besonderes verliehen wird. Wie kommt es doch, daß Wir die Ehre dieses Titels nicht suchen, obgleich sie Uns angeboten wurde, und ein Anderer sie sich beilegt und anmaßt, obgleich sie ihm nicht angeboten worden ist?
Jener also muß vielmehr durch die Befehle der allerfrömmsten Kaiser gedemüthigt werden, der den Kirchengesetzen den Gehorsam verweigert. Jener muß in Schranken gehalten werden, der der ganzen heiligen Kirche eine Unbill zufügt, der anmaßenden Herzens ist, der sich an einem ihm ganz allein zukommenden Titel erfreuen will, der sich auch durch seinen ganz besonderen Namen über Eure Kaiserwürde erhebt.
Siehe, wir alle nehmen daran Ärgerniß. Es kehre also der Urheber des Ärgernisses zur Lebensordnung zurück, und aller Zwist unter den Bischöfen wird aufhören. Denn ich bin der Diener aller Bischöfe, insoferne sie ein bischöfliches Leben führen. Wenn aber Einer aus eitler Elhrbegierde gegen den allmächtigen Gott und gegen die Vorschriften der Väter seinen Nacken erhebt, so vertraue ich auf den allmächtigen Gott, daß er sich meinen Nacken auch mit Schwertstreichen nicht unterwerfen wird. 6
Was aber hier zu Rom vor Kurzem auf die Kunde von diesem Titel hin verhandelt worden ist, habe ich meinem Diakon und Responsalen Sabinianus genauer mitgetheilt. Möge also die Frömmigkeit der Kaiser meiner als ihres Angehörigen eingedenk sein, der von ihnen immer in besonderer Weise mehr als Andere beschützt und begünstigt wurde! Einerseits wünsche ich sehnlich Euch Gehorsam zu leisten, anderseits jedoch fürchte ich, in dem schrecklichen Gerichte Gottes einer Nachlässigkeit schuldig erfunden zu werden. Möge also der allergnädigste Gebieter entweder die Sache nach Antrag des erwähnten Diakons Sabinianus entscheiden oder den vielbesprochenen Mann bewegen, seine Absichten aufzugeben. Fügt er sich dem gerechtesten Urtheil Eurer Frömmigkeit oder Euren gütigen Verordnungen, so danken Wir dem allmächtigen Gott und freuen Uns des durch Euch der ganzen Kirche verliehenen Friedens. Sollte er aber noch länger in seinem Eigensinn verharren, so halten Wir Uns in dieser Sache an den unverrückbaren Ausspruch der ewigen Wahrheit: „Ein Jeder, der sich erhöht, wird erniedrigt werden.“7 Und ebenso stleht geschrieben: „Vor dem Fall erhebt sich das Herz."8Ich habe nun in Gehorsam gegen den kaiserlichen Befehl liebevoll und demüthig an meinen erwähnten Mitbischof geschrieben und ihn ermahnt, von dieser eitlen Ehrhegierde abzulassen. Wenn er nun auf mich hören will, so hat er an mir einen ergebenen Bruder. Wenn er aber in seinem Stolze verharrt, dann sehe ich die Folge schon voraus, weil er Denjenigen sich zum Gegner macht, von dem geschrieben steht: „Gott widersteht den Hochmüthigen, den Demüthigen aber gibt er seine Gnade.“9
1: Dieses meisterhafte Exordium gibt dem Kaiser wohl zu verstehen, er hätte eigentlich für andere Dinge zu sorgen als für diejenigen, welche in die Kompetenz des Papstes fallen. Wenn er aber deßhalb an den kirchlichen Dingen sich betheilige, weil auch das Volk für die Sünden der Priester die Strafe trage, — so sei die Heuchelei und der Hochmuth des Patriarchen seiner Kaiserstadt, der unzweideutig geschildert wirb, ein würdiger Gegenstand seines geistlichen Eifers.
2: Joh. 21, 17.
3: Luk. 22, 31.
4: Matth. 16, 18.
5: Wir lesen mit James nach englischen Handschriften „quo caput se bonorum omnium fecit," da die übrigen Lesarten keinen passenden Sinn ergeben.
6: Der Patriarch hat nicht über Schwerter zu gebieten, wohl aber der Kaiser.
7: Luk. 14, 11.
8: Sprüchw. 16, 18.
9: Jak. 4, 6.
Papst Innozenz hat geschrieben: Dem geliebtesten Bruder Rufus (entbietet) Innocentius (seinen Gruß).
1. Dem vortrefflichsten und ruhmwürdigsten Moyses übertrug der Herr bezüglich der Befreiung und Leitung Israels Alles derart, daß er ihm dennoch in deutlicher Weise befahl, dem Rathe seines Schwagers Jothor zu folgen, daß er nemlich Männer mit entsprechender richterlicher Würde ausgerüstet bestelle, welche nach dem ihnen anvertrauten Posten die Menge der Streitigkeiten unter dem Volke entscheiden sollen, damit er den wichtigsten oder auch göttlichen Angelegenheiten sich widmen könne.1 Nicht anders ist auch die Norm der Apostel verkündet worden, als daß sie, da sie selbst zu Fürsten des Evangeliums eingesetzt waren, die Sorge und Erledigung der übrigen Angelegenheiten und Bedürfnisse ihren Schülern übertrugen. So endlich übergab der durch die Erbarmung Gottes bewunderungswürdige Paulus dem Titus die ganze Sorge über Creta, dem Timotheus über Asien, wie wir es aus den heiligen Briefen2 wissen.
2. Diese von Gott ausgehende Begünstigung soll es in Bezug auf die von mir durch weite Zwischenräume entfernten Kirchen als rathsam erscheinen lassen, daß ich deiner Klugheit und Besonnenheit die Sorge und die allenfallsigen Streitigkeiten in den Kirchen von Achaja, Thessalien, Alt- und Neu-Epirus, Creta, Dacia Mediterranea, Dacia Ripensis, Mösia, Dardania und Prävali3 unter Zustimmung des Herrn Christus zu übertragen beschließe.4 Wahrhaft nach seinen heiligsten Ermahnungen legen wir der Weisheit und Tüchtigkeit deiner Unbescholtenheit diese Sorge aus, indem Dieß nicht wir zuerst anordnen, sondern in Nachahmung unserer apostolischen Vorgänger, welche den seligsten AchoIius und Anysius dieses Amt als Anerkennung ihrer Verdienste zu übertragen beschlossen haben. Denn es ist ebenso sehr gerecht, die Wohlverdienten mit Ehren auszuzeichnen, als es nothwendig ist, die Anmaßenden zu demüthigen. Den Guten also gebührt Belohnung, den minder Guten Strafe; so nemlich wird sowohl Dieser gebessert als auch Jener geehrt.
3. Ergreife demnach, geliebtester Bruder, an unser Statt die Sorge über die obengenannten Kirchen, unbeschadet ihres Primates; du seist unter den Primaten der Erste, und was immer sie an uns schicken wollen, mögen sie nicht ohne dein Gutachten begehren. Denn so wird entweder, was immer es sei, durch deine Erfahrung entschieden werden oder nach deinem Rathe an uns gelangen müssen. Wisse aber, daß es dir erlaubt und durch die Genehmigung des apostolischen Stuhles gestattet sei, daß, wenn irgend eine kirchliche Frage entweder in deiner Provinz oder in einer der genannten zu behandeln und zu entscheiden ist, Du dir als Genossen welche Bischöfe immer von welchen Kirchen immer beiziehen kannst, nach deren aufrichtigem und gemäßigtem Rathe du, was immer die Nothwendigkeit oder die Angelegenheit erheischt, als bester Schiedsrichter entscheiden und als vorzüglicher, weil von uns erwählter Vermittler anordnen mögest. Die ganzen Documente ließen wir auf Grund der Archive im Vereine mit dem Priester Senecio, einem sehr gesetzten Manne, abfassen. Daher mögest du sowohl aus unserem früheren Schreiben5 und aus diesem Documente nach genauer Durchlesung ersehen, was deines Amtes ist. Denn diesen unseren Entschluß haben wir in ganz geziemender Weise allen Provinzen brieflich kund gemacht. Gegeben am 17. Juni unter dem neunten Consulat des Honorius Augustus und dem fünften des Theodosius Augustus.6
1: Vgl. Exod. 18, 12–27.
2: Tit. 1, 5; I. Tim. 1, 8.
3: Die Provinzen des östlichen Illyriums
4: Nach Luk. Holstein; die Lesart des Coustant censeant ist wohl nur ein Druckfehler statt censeam.
5: Damit ist nicht ein früheres Schreiben des Papstes an Rufus, sondern dessen Brieef an Anysius, den Vorgänger des Rufus, gemeint.
6: D. i. das Jahr 412; gegen TilIemont, welcher unser Schreiben in das Jahr 47 verlegt und die Consulatsangabe für verfälscht erklärt, beweist Coustant deren Richtigkeit; auch Jaffe nimmt das J. 412 an.
Augustinus hat geschrieben: Dem heiligsten Herrn und in schuldiger Liebe vrehrungswürdigen heiligen Papste Cölestinus (entbietet) Augustinus Gruß im Herrn.
1. Zuerst wünsche ich dir Glück wegen deiner Verdienste, weil der Herr unser Gott, ohne alle Spaltung seines Volkes, 1 wie wir hörten, dich auf jenen Stuhl setzte. Hernach lege ich deiner Heiligkeit unsere Angelegenheiten an's Herz, damit du uns nicht bloß durch Gebet, sondern auch durch Rath und Hilfe beistehest. Denn in großer Betrübniß richte ich dieses Schreiben an deine Heiligkeit, da ich bei dem [S. 374] Willen, einigen Gliedern Christi in unserer Nachbarschaft zu nützen, ihnen durch Sorglosigkeit und Unvorsichtigkeit ein großes Unheil verursacht habe.
2. Fussala heißt ein dem Gebiete von Hippo naheliegendes Castell. Früher war dort nie ein Bischof, sondern es gehörte mit seiner Umgebung zur Paröcie der hipponensischen Kirche. Jener Landstrich hatte wenig Katholiken, die übrigen dort unter einer großen Menschenmenge befindlichen Gemeinden beherrschte zu ihrem Unglücke die Irrlehre der Donatisten, so daß in jenem Castell gar kein Katholik lebte. Man trachtete im (Vertrauen auf) Gottes Barmherzigkeit, alle jene Orte der Einheit der Kirche einzuverleiben, mit welchen Anstrengungen und Gefahren von unserer Seite, wäre zu weitläufig zu erklären; so daß daselbst die Priester, welche zuerst zu deren Wiedervereinigung von uns beauftragt waren, ausgeraubt, geschlagen, verstümmelt, geblendet, gemordet wurden; doch waren ihre Leiden nicht nutzlos und unfruchtbar, da die Einheit vollkommen gesichert wurde. Da aber genanntes Castell von Hippo vierzig Meilen entfernt ist und ich sah, daß ich mit der Leitung derselben und mit der Sammlung der noch wenigen Übrigen, welche in beiden Geschlechtern noch dem Irrthume anhiengen, jedoch nicht mehr drohten, sondern flohen, zu weit abgezogen werde, auch die hier so nothwendige Sorgfalt nicht aufbringen könne, so ließ ich daselbst einen Bischof ordiniren und bestellen.
3. Zu diesem Zwecke suchte ich nach einem für jenen Ort geeigneten und entsprechenden Manne, der auch der punischen Sprache mächtig wäre. Ich hatte auch einen mit den gedachten Eigenschaften ausgerüsteten Priester, zu dessen Ordination ich den heiligen Greise, welcher damals den Primat über Numidien hatte, brieflich bat, die weite Reise hieher zu machen. Als dieser schon zugegen war und Alle wegen der so wichtigen Angelegenheit in banger Erwartung waren, ließ uns der mir geeignet Scheinende zur Stunde [S. 375] in Stich, indem er auf alle Weise sich widersetzte. Ich aber, da ich vielmehr, wie es der Ausgang zeigte, eine so gefährliche Angelegenheit hätte hinausschieben sollen als übereilen, weil ich nicht wollte, daß der ehrwürdigste und heiligste Greis, welcher sich bis zu uns bemühte, ohne Erreichung des Zweckes, zu dem er so weit hergekommen war, nach Haus zurückkehre, schlug ihnen, ohne daß sie es begehrten, einen jungen Mann, Namens Antonius, vor, welcher damals mit mir war, allerdings von Kindheit an im Kloster von uns auferzogen worden, aber ausser des Lectoramtes durch keine Stufen und Arbeiten des Klerikates bekannt war. Jene Unglücklichen aber, weil sie die Zukunft nicht kannten, schenkten meinem Vorschlag im vollsten Gehorsam ihr Vertrauen. Was solI ich noch weiter sagen ? Es war geschehen, er wurde ihr Bischof.
4. Was soll ich nun thun? Ich will bei deiner Ehrwürdigkeit den nicht anklagen, welchen ich zur Pflege aufgenommen; ich will die nicht verlassen, welche ich, indem ich sie sammelte, unter Furcht und Schmerzen geboren; wie ich aber Beides thun könnte, weiß ich nicht. Die Sache gedieh zu solch' einem Argerniß, daß Die gegen ihn hier bei uns Klagen vorbrachten, welche uns mit der Annahme seines Episkopates, als ob sie gut berathen wären, Folge geleistet hatten. Da unter diesen Klagepuncten das Hauptverbrechen der Nothzucht, welches ihm nicht von denen, deren Bischof er war, sondern von gewissen Anderen vorgeworfen wurde, durchaus nicht nachgewiesen werden konnte und er auch von dem, was aus übergroßer Mißgunst vorgebracht wurde, frei zu sein schien, so bemitleideten wir und Andere ihn derart, daß, was immer von den Bewohnern des Castells und den Leuten jener Gegend über seine unerträgliche Herrschsucht, über Beraubungen, verschiedenartige Bedrückungen und Erpressungen geklagt wurde, wir für keinen genügenden Grunde hielten, ihn deßhalb oder wegen alles Dieses zusammen des Bischofsamtes zu entsetzen, sondern ihn nur zum Ersatze des nachweisbaren Schadens (verpflichteten). [S. 376]
5. Schließlich milderten wir unser Urtheil dahin, daß unter Wahrung seiner Bischofswürde, doch nicht gänzlich ungestraft bleibe, was weder er selbst nicht wiederholen durfte noch Andere nachahmen. Die Würde also ließen wir dem jungen Manne ungeschmälert, damit er sich bessere; zu seiner Strafe aber schmälerten wir seine Gewalt, so daß er fernerhin Jenen nicht vorstehen durfte, gegen die er so gehandelt hatte, daß sie im gerechten Schmerze ihn nicht weiter als ihren Bischof ertragen konnten, da sie auch einen solch´ ungestümen Schmerz zur Schau trugen, daß man für ihn und sie fürchten mußte, er könne in irgend ein Verbrechen ausarten. Diese ihre Stimmung zeigte sich auch damals ganz deutlich, als die Bischöfe mit ihnen über Jenen verhandelten, da doch der ansehnliche 2 Celer, 3 über dessen ihn allzusehr drückende Verwaltung er klagte, weder in Africa noch sonstwo irgend ein Amt bekleidet.
6. Allein wozu bin ich so weitläufig? Hilf uns, ich beschwöre dich, durch deine Frömmigkeit, ehrwürdiger, heiligster Herr und in schuldiger Liebe verehrungswürdiger heiliger Papst, und laß dir Alles vorlesen, was dir geschickt wurde. Sieh', wie er sein Bischofsamt verwaltete, wie er unserem Urtheile, daß er der Gemeinschaft so lange beraubt sei, bis den Fussalensern Alles ersetzt würde, soweit zustimmte, daß er nachher nach Abschluß der Verhandlung für die abgeschätzten Gegenstände Geld hinterlegte, damit er wieder in die Gemeinschaft aufgenommen werde; mit welch' verschmitzter Rede er den heiligen Greis, unseren Primas, einen so bedächtigen Mann hintergangen, daß er ihm Alles glaubte und ihn als in jeder Hinsicht Schuldlosen dem verehrungswürdigen Papste Bonifacius empfahl; wozu soll ich noch [S. 377] das Übrige wiederholen, da der erwähnte heilige Greis deiner Heiligkeit Alles berichtete?
7. Bei allen den mannigfaltigen Acten, in welchen unser Urtheil über Jenen enthalten ist, müßte ich noch mehr besorgen, daß wir als viel zu wenig strenge Richter erscheinen, als es sein durfte, wenn ich nicht wüßte, daß ihr so zur Barmherzigkeit geneigt seid, daß ihr nicht nur uns, die wir mit Jenem Schonung hatten, sondern auch ihn selbst schonen zu müssen glaubt. Jener aber sucht, was von uns aus Güte oder Nachlässigkeit geschehen, spitzfindig zu verdrehen und für sich auszunützen. Er schreit und klagt: Entweder mußte ich auf meinem Bischofsstuhle sitzen bleiben, oder ich durfte nicht Bischof sein; als ob er jetzt anderswo säße als auf seinem (Bischofsstuhle). Deßhalb wurden ihm ja jene Orte angewiesen und belassen, damit es nicht heisse, er sei gegen die Anordnungen der Väter 4 unerlaubt auf einen fremden Bischofsstuhl übersetzt worden. Oder soll man etwa, sei es Strenge oder Milde, soweit treiben, daß man gegen Solche, welche nicht der Bischofswürde entsetzt zu werden verdienen, gar keine Strafe gebrauche oder Solche, welche etwas Strafwürdiges begangen, (gleich, ihres Bischofsamtes beraube?
8. Es giebt Beispiele, wo der apostolische Stuhl selbst das Urtheil fällte oder die Urtheile Anderer bestätigte, daß Gewisse wegen gewisser Vergehen weder der Bischofswürde verlustig wurden noch ganz ungestraft ausgiengen. Um auf entfernte Zeiten nicht zurückzugreifen, will ich Neues erwähnen. Es beschwere sich Priscus, Bischof der cäsariensischen Provinz: Entweder mußte, wie den Übrigen, so auch [S. 378] mir der Primat offen stehen, oder es durfte mir das Bischofsamt (überhaupt) nicht bleiben. Es beschwere sich Victor, ein anderer Bischof derselben Provinz, mit welchem, da er dieselbe Strafe wie Priscus erhielt, kein Bischof ausser in seiner Diözese Gemeinschaft hält, er beschwere sich, sage ich: Entweder darf ich allenthalb Gemeinschaft haben, oder ich darf auch in meinen Orten keine Gemeinschaft haben. 5 Es beschwere sich auch ein dritter Bischof derselben Provinz, Laurentius, auf ganz ähnliche Weise: Entweder sollte ich auf dem Bischofsstuhle, für den ich ordinirt wurde, sitzen bleiben, oder ich durfte (gar) nicht Bischof sein. Wer aber möchte Dieß tadeln, der nur einigermassen bedenkt, daß weder Alles ungestraft bleiben noch Alles auf dieselbe Weise geahndet werden dürfe!
9. Weil also der seligste Papst Bonifacius mit wachsamer Hirtenvorsicht in seinem Schreiben, wo er vom Bischofe Antonius redet, die Worte beisetzte: „Wenn er uns den Hergang der Sache getreulich mitgetheilt hat," so erfahre nun den Hergang der Dinge, welchen Jener in seiner Klageschrift verschwieg, und was geschah, nachdem das Schreiben jenes Mannes seligen Andenkens in Africa gelesen worden, und komme jenen Leuten zu Hilfe, welche deinen Beistand viel ungestümer begehren als Jener, von dessen Beunruhigung befreit zu werden sie sehnlich verlangen. Denn mit Gerichten, öffentlichen Gewalten und militärischen An- [S. 379] griffen als Vollstreckern6 des vom apostolischen Stuhle gefällten Urtheiles droht er oder (wenigstens) sehr häufig auftauchende Gerüchte, so daß die Unglücklichen als katholische Christen größere Übel von einem katholischen Bischofe befürchten, als sie, da sie Häretiker waren, von den Gesetzen der Kaiser7 besorgten. Laß das nicht geschehen, ich beschwöre dich bei dem Blute Christi, bei dem Andenken an den Apostel Petrus, welcher die Vorsteher der christlichen Völker ermahnte,8 daß sie nicht mit Gewalt über die Brüder herrschen mögen. Ich empfehle die Katholiken von Fussala, als meine Kinder in Christus, und den Bischof Antonius, als meinen Sohn in Christus, weil ich beide liebe, auch beide der gütigen Liebe deiner Heiligkeit. Ich zürne weder den Fussalensern, weil sie sich mit Recht über mich bei dir beklagen, daß ich sie mit einem Menschen heimgesucht, den ich nicht erprobt, der noch nicht einmal durch sein Alter gekräftigt war, von dem sie soviel zu leiden hätten. Auch will ich Diesem nicht schaden, dessen böser Lust ich desto mehr mich entgegenstelle, je aufrichtiger ich ihn liebe. Beide mögen deine Barmherzigkeit erfahren, Jene, damit sie keine Übel erleiden, Dieser, damit er keine begehe; Jene, damit sie nicht die katholische (Kirche) hassen, wenn ihnen von katholischen Bischöfen, vorzüglich vom apostolischen Stuhle selbst, gegen einen katholischen Bischof nicht Hilfe geleistet wird, Dieser aber, damit er nicht das Verbrechen auf sich lade, daß er Diejenigen, welche er gegen ihren Willen zu den Seinigen zu machen strebt, Christo entfremde. [S. 38]
1. Mich quält, ich muß es deiner Heiligkeit bekennen, in dieser gefährlichen Lage beider Theile eine solche Angst und Trauer, daß ich mein Bischofsamt aufzugeben gedenke und unablässig meinen Irrthum zu beweinen, wenn ich sehe, daß durch den, zu dessen Erhebung zum Bischofsamte ich aus Unklugheit gerathen, die Kirche Gottes verwüstet wird und, was Gott selbst verhüten möge, zugleich mit dem, der sie verwüstet, zu Grunde geht. Der Worte des Apostels eingedenk: 9 „Wenn wir selbst uns richteten, würden wir nicht vom Herrn gerichtet werden," will ich selbst mich richten, daß Der meiner schone, welcher die Lebenden und Verstorbenen richten wird. Wenn du aber sowohl die Glieder Christi jener Gegend von ihrer tödtlichen Furcht und Traurigkeit befreit als auch mein Greisenalter durch diese barmherzige Gerechtigkeit getröstet haben wirst, so wird dir für das gegenwärtige und zukünftige Leben Der Gutes um Gutes vergelten, welcher in dieser Trübsal durch dich uns zu Hilfe kommt und dich auf jenem Stuhle einsetzte.
1: Zwar erhob sich auch jetzt wieder die Partei des Eulalius, aber dieser selbst blieb ruhig in seiner Einsamkeit; auch wurde sie nach Varonius durch ein kaiserliches Gesetz (Cod. Theod. XVI. 62. 5.) im Zaume gehalten.
2: Spectabilis, ein Titel der vornehmsten Officianten vom zweiten Range.
3: Ein kaiserlicher Beamte, im J. 249 Proconsul von Africa, an den der hl. Augustinus schon um das J. 4 zwei Briefe (56 u. 57) richtete, um ihn vom Donatismus zu bekehren.
4: Ist der fünfzehnte Canon von Nicäa gemeint, welcher streng verbietet, daß ein Bischof oder Priester oder Diakon von einer Stadt zur andern übergehe, welcher übrigens im Oriente bald ausser Geltung kam, im Occidente aber strenger gehandhabt wurde; vgl. n. 4 des neunten Briefes des P, Damasus in Briefe der Päpste II. S. 318.
5: Es war dieß eine eigenthümliche Art von Excommunication, welche vom 5. (od. 6.) carthaginiensischen Concil v. J. 411 im 11. (od. 1.) can. über Bischöfe verhängt wurde, welche willkürlich von der Provincialsynode ausblieben oder dieselbe eigenmächtig verließen, und darin befand, daß der Bischof seine Diöcese wie früher verwaIten, alle Funktionen vornehmen durfte, jedoch von aller Gemeinschaft und alIem persönlichen Verkehr mit den übrigen Bischöfen der Provinz ausgeschlossen war, auch keine litterae formatae ertheilen konnte; vgl. Kober, Kirchenbann S. 48 ff.
6: Executoren hießen die vom apostolischen Stuhle Beauftragten, welche den Betreffenden das Urtheil des apost. Stuhles persönlich zu intimeren (convenire) und diese, falls sie innerhalb der bestimmten Frist sich nicht unterwerfen wollten, als Rebellen zu erklären und auszuschließen hatten; vgl. n. 5 des folgenden und n. 4 des 1. Briefes des P. Cölestinus.
7: Gegen die Donatisten.
8: I. Petr. 5, 3.
9: I. Cor. 11, 31.
Papst Gregor an Eulogius hat geschrieben:
An den Bischof Eulogius von Alexandria.
Unser gemeinsamer Sohn, der Überbringer dieses Schreibens, fand mich krank, als er mir das Schreiben Eurer Heiligkeit überbrachte, und als Kranken verlässt er mich auch. So kommt es, dass der reichlichen Quelle in dem Brief Eurer [S. 418] Heiligkeit nur das geringe Wasser meines kurzen Briefes entgegenträufelt. Gnade von oben ist es gewesen, dass ich auf meinem Schmerzenslager das Schreiben Eurer Liebe und Heiligkeit empfing, welches mir durch die Nachricht über die Bekehrung der Irrgläubigen von Alexandria und die Eintracht unter den dortigen Gläubigen so große Freude bereitete, dass dadurch das Übermaß der Schmerzen gelindert wurde. Mit immer neuem Jubel freuen wir uns über Eure guten Werke, obwohl es uns keineswegs etwas Neues ist, Euch in vollkommener Weise tätig zu sehen. Denn daran haben wir nie gezweifelt, dass durch die Gnade des allmächtigen Gottes, die in Euch so reichlich wirkt, die Schar der Gläubigen wachse und die geistige Saat sich zur Ernte für den Himmel entwickle. Wir sagen also Dank dem allmächtigen Gott, weil wir das Wort der Schrift an Euch erfüllt sehen: „Wo reichliche Saat ist, da zeigt sich die Stärke der Ochsen."1Denn wenn nicht ein starker Ochse den Pflug des Wortes über die Herzen der Zuhörer gezogen hätte, so wäre nicht eine so reiche Saat von Gläubigen in die Höhe gesprossen.
Weil ich aber weiß, dass Ihr bei Euern guten Werken auch an der Freude anderer teilnehmet, so muss ich Euch doch auch etwas Erfreuliches melden, was mit Eurer Nachricht viele Ähnlichkeit hat Da das Volk der Engländer, das sich in einem Winkel der Welt befindet,2 bis jetzt noch Holz und Stein anbetete, so erwarb mir Euer Gebet den Gedanken, mit Gottes Beistand einen Mönch meines Klosters3. [S. 419] st««1) als Gl zu ihnen zu senden. Mit meiner Genehmigung wurde er von den Bischöfen Deutschlands zum Bischof geweiht, und mit Unterstützung der Letztern gelangte er auch zu jenem Volk am Ende der Welt. Schon jetzt ist uns über sein Befinden und seine Tätigkeit geschrieben worden, dass sowohl er als seine Begleiter bei jenem Volke durch so große Wunder berühmt geworden sind, dass sie durch ihre Wundertaten es den Aposteln an Macht gleich zu tun scheinen. Am hl. Weihnachtsfeste dieses Jahres aber wurde mir mitgeteilt, dass mehr als 1, Engländer von diesem unserm Bruder und Mitbischof getauft worden seien, Ich erzähle dies deshalb, damit Ihr sehet, dass Ihr nicht bloß in Alexandria durch Euer Wort, sondern auch an den Grenzen der Welt durch Euer Gebet wirksam seid. Wo Ihr nicht seid, da sind Eure Gebete, und wo Ihr seid, da sieht man Eure heiligen Werke.
Was die Person des Irrlehrers Eudoxius betrifft, von dem ich in lateinischen Schriften nichts gefunden hatte, so freue ich mich, durch Eure Heiligkeit vollständig genügenden Aufschluss erhalten zu haben.4Ihr habt ja die Zeugnisse der gewichtigsten Männer angeführt, des Basilius, Gregorius5 und Epiphanius, und wir müssen den als vollständig vernichtet erkennen, auf welchen unsre Heroen so viele Geschosse abgedrückt haben.
In Bezug auf die Irrtümer aber, welche man jetzt in der Kirche von Konstantinopel entdecken muss, habt Ihr mit aller Gelehrsamkeit auf alles Antwort gegeben, wir es sich geziemt, dass das Urteil eines so erhabenen Stuhles gefällt [S. 42] werde. Darum danken wir dem allmächtigen Gott, weil die Tafeln des Bundes noch in der Gotteslade sich befinden. 6Denn ist nicht das Herz des Bischofs eine Bundeslade, in welcher die Gesetzestafeln sich befinden, weil die geistliche Zucht in Kraft erhalten wird? Eure Heiligkeit hat die Güte, mir mitzuteilen, dass Ihr die stolzen Titel, die aus der Wurzel der Eitelkeit hervorgegangen sind, im brieflichen Verkehr mit gewissen Leuten nicht mehr anwendet, und doch sagt Ihr zu mir: „Wie Ihr befohlen habt." Ich bitte, lasst mich vom Befehlen nichts mehr hören, denn ich weiß, wer ich bin, und wer Ihr seid. Der Stellung nach seid Ihr mir Bruder, der Tugend nach Vater. Ich habe also nicht befohlen, sondern nur mitteilen wollen, was mir nützlich schien. Ich finde jedoch, dass es Eurer Heiligkeit nicht beliebt habe, vollkommen im Gedächtnis zu behalten, was ich mit Euch besprochen habe. Denn ich sagte, man solle, weder an mich noch an irgend einen andern etwas solches schreiben — und siehe da, gleich im Eingang des Briefes an mich, der ich es mir gerade verbeten hatte, ließet Ihr, den stolzen Titel setzen und nennet mich „allgemeinen Papst". Ich bitte Eure Liebe und Heiligkeit, dies in Zukunft nicht mehr zu tun; denn Euch wird entzogen, was einem andern über das rechte Maß hinaus zugewendet wird. Ich aber möchte mich nicht durch Titel, sondern durch Tugenden auszeichnen. Auch halte ich das für keine Ehre, wovon ich weiß, dass meine Brüder dadurch ihre Ehre verlieren. Meine Ehre ist ja die Ehre der ganzen Kirche. Meine Ehre besteht ja in der ungeschwächten Kraft meiner Brüder. Dann bin ich wahrhaft geehrt, wenn keinem die ihm gebührende Ehre verweigert wird. Wenn mich aber Eure Heiligkeit „allgemeiner Bischof" nennt, so sprecht Ihr Euch ab, was Ihr [S. 421] mir beilegt, nämlich die „Allgemeinheit."7 Doch dies sei ferne. Fort mit Worten, welche die Eitelkeit nähren und die Liebe verletzen.
Dass auf dem Konzil von Chalcedon und noch später von den spätern Bischöfen dieser Titel meinen Vorfahren angeboten worden sei, ist Eurer Heiligkeit nicht unbekannt. Keiner von ihnen wollte aber je diesen Titel gebrauchen. Sie wollten in dieser Welt die Ehre aller Bischöfe sich angelegen sein lassen, um bei dem allmächtigen Gott sich ihre eigene zu bewahren. Indem ich Euch also meinen schuldigen Gruß darbringe, bitte ich, dass Ihr in Euern heiligen Gebeten meiner eingedenk sein wollet, auf dass mich der Herr, weil ich es durch eigenes Verdienst nicht zuwege bringe, auf Eure Fürbitte hin von den Fesseln meiner Sünden befreie. [S. 422]
1: Spr 14:4
2: "Gens Angolorum in mundi angulo posita." Das Wortspiel von Anglus und angulus lässt sich im Deutschen nicht gut geben. Nach Beda hat Gregor, als er bei seinem Zusammentreffen mit gefangenen Engländern ihren Volksnamen erfuhr, sogleich an angeli gedacht und gerufen: Utinam angeli sitis et angelorum haeredes! (O, dass ihr doch Engel wäret und Erben der Engel1)
3: Gregor nennt das Kloster des hl. Andreas, in welchem er selbst Abt gewesen, noch immer s e i n Kloster.
4: Wie aus den schon mitgeteilten Briefen erhellt, hatte Cyriakus von Konstantinopel in seinem Synodalschreiben den Eudoxius verdammt. Gregor, dem dieser Name unter den Häretikern neu war, wandte sich um Aufschluss an Eulogius von Alexandria und Anastasius von Antiochia. Siehe VII. 34.
5: Gregor von Nazianz
6: Die Gesetze des neuen Bundes sind nicht auf steinerne Tafeln, sondern in die Herzen geschrieben. Die Kirche aber ist die Arche, in welcher diese neuen Gesetzestafeln sich finden. Zunächst ist es Sache der Bischöfe, diese lebendigen Gesetzestafeln zu repräsentieren.
7: D.h. jeder Bischof ist insofern universalis (allgemeiner), als er seine Aufgabe für die ganze Kirche zu erfüllen hat. - Dass Gregor mit diesen Worten nicht den Primat in Abrede stellen oder auch nur unter den Patriarchen gleichmäßig verteilen will, ist uns bereits aus mehreren Briefen vollständig klar geworden. Man erinnere sich besonders an die Briefe V. 4 und 41. Auch an der angeführten Stelle ist der Primat deutlich behauptet, wenn es heißt: "Meine Ehre ist die Ehre der ganzen Kirche u.s.w." Wogegen Gregor kämpft, das ist die Meinung, als ob irgend ein Bischof alle anderen überflüssig machen könne, gleich als wären sie nicht auch von Christus gesendet. Das ist es auch, was das vatikanische Concilium (Sess. IV. c. 3) abweist, nachdem es die wahrhaft bischöfliche Jurisdiktion des Papstes über die ganze Kirche ausgesprochen hat. "Weit entfernt, dass diese Gewalt des Papstes der ordentlichen und unmittelbaren bischöflichen Jurisdiktionsgewalt hinderlich sei, vermöge welcher die Bischöfe, die vom heiligen Geist gesetzt den Aposteln nachgefolgt sind, als wahre Hirten die ihnen zugewiesenen Herden weiden und regieren, wird sie vielmehr von dem obersten und allgemeinen Hirten behauptet, bekräftigt und verteidigt nach dem Wort des hl. Gregor des Großen: Meine Ehre ist die Ehre der ganzen Kirche. Meine Ehre ist die ungeschwächte Kraft meiner Brüder. Dann bin ich wahrhaft geehrt, wenn keinem die ihm gebührende Ehre verweigert wird."
Papst Gregor hat geschrieben:An den Bischof Johannes von Syrakus.
Es hat mir jemand aus Sizilien gesagt, dass einige seiner Freunde, ich weiß nicht ob es Griechen oder Lateiner sind, sich in vorgeblichem Eifer für die heilige römisches Kirche mit meinen Anordnungen unzufrieden zeigten, indem [S. 445] sie sagten: „Wie kann er sich darauf verlegen, den Einfluss der Kirche von Konstantinopel abzuschwächen, da er sich in allem nach ihren Gewohnheiten richtet?" Als ich ihm erwiderte: „Nach welchen dortigen Gewohnheiten richten wir uns?" gab er mir zur Antwort: „Ihr habt das Alleluja Bei der Messe auch außer der Pfingstzeit1 sprechen lassen. Ihr habt verordnet, dass die Subdiakonen in gewöhnlicher Kleidung an den Altar treten, dass man das „Kyrie eleison" bete, dass man das Gebet des Herrn gleich nach dem Canon spreche." Ich erwiderte ihm hierauf, dass wir in keinem dieser Punkte uns eine andere Kirche zum Vorbild genommen hätten.
Denn dass hier das „Alleluja" gesprochen wird, soll nach der Überlieferung des hl. Hieronymus zur Zeit des Papstes Damasus, seligen Andenkens, von der Kirche zu Jerusalem herüber genommen worden sein. Ja noch mehr, wir haben in dieser Beziehung die von den Griechen eingeführte Gewohnheit abgeschafft.2
Dass ich aber die Subdiakonen ohne (eigentümliches) Gewand3 an den Altar treten ließ, war alte Gewohnheit der Kirche. Aber einem unserer Päpste, ich weiß nicht welchem, gefiel [S. 446] es zu verordnen, dass sie dies in besonderer Amtskleidung tun sollten. Haben etwa Eure Kirchen ihre Überlieferung von den Griechen empfangen? Woher kommt es, dass bei ihnen gegenwärtig die Subdiakonen mit leinener Tunika4 zum Altare kommen, als weil sie diesen Gebrauch von ihrer Mutter, der römischen Kirche, angenommen haben?
Das „Kyrie eleison" aber haben wir weder gesprochen noch sprechen wir es jetzt in gleicher Weise wir die Griechen. Denn bei den Griechen wird es von allen mit einander gesprochen, bei uns aber von den Klerikern, während das Volk antwortet, und ebenso oft wird auch „Christe eleison" gesprochen, was bei den Griechen gar nicht vorkommt. Bei den täglichen Messen wird zwar einiges ausgelassen, was sonst gebetet wird, des ungeachtet sprechen wir das "Kyrie eleison" und das „Christe eleison", um uns bei diesem Ruf der Bitte etwas länger zu verweilen.
Das Gebet des Herrn aber sprechen wir deshalb sogleich nach dem Canon, weil es Sitte der Apostel war, nur allein in Verbindung mit diesem Gebet die Opfergaben zu konsekrieren. Und mir scheint es sehr unpassend, dass wir über das Opfer zwar ein Gebet verrichten sollten, welches ein gelehrter Mann zusammen gestellt hat.5 aber das vom Erlöser selbst verfasste Gebet, das uns überliefert worden ist, über seinen Leib und sein Blut nicht sprechen sollten. Aber bei den Griechen wird auch das Gebet des Herrn vom ganzenVolke gesprochen, bei uns aber vom Priester allein.
Worin also sollen wir die Gewohnheiten der Griechen [S. 447] zur Richtschnur genommen haben, da wir doch entweder unsre eigenen alten Gewohnheiten wieder zur Geltung gebracht oder, so weit es nützlich war, neue eingeführt haben, wobei man uns aber keine Nachahmung anderer nachweisen kann? Wenn sich also für Eure Liebe Gelegenheit bietet, in die Stadt Catana zu kommen oder in die Kirche von Syrakus, so suchet mit denen, von welchen Ihr glaubt oder wisset, dass sie wegen dieser Sache eine Unzufriedenheit äußern konnten, zusammen zu kommen, belehret sie und setzet auch etwa bei andern Gelegenheiten diesen Unterricht fort. Denn wenn sie von der Kirche zu Konstantinopel reden — wer zweifelt denn, dass dieselbe dem apostolischen Stuhle untergeben sei?6Auch der allerfrömmste Kaiser und unser Bruder, der Bischof jener Stadt, gestehen dies jederzeit zu. Wenn jedoch diese oder eine andere Kirche etwas Gutes hat, so bin ich samt meinen Untergebenen, die ich von Unerlaubtem abhalte,7 bereit, sie im Guten nachzuahmen. Denn der wäre ein Tor, der seinen Vorrang darin suchen würde, dass er das Gute nicht annehmen mag, sobald es ihm in die Augen fällt.
1: Schon zu Tertullians Zeit (de orat.c. 23.; de bapt. c. 19. ) hatten die fünfzig Tage (xxxxxx - Quinquagesima) von Ostern bis zum Pfingsttag den Charakter einer fortlaufenden Freuden- und Festzeit, während welcher alle Gebete stehend verrichtet werden mussten. Noch im sechsten Jahrhundert sang man in der afrikanischen Kirche nur während dieser Quinquagesima das Alleluja (Isidor. de oss. eccl. I. 13.)
2: Vielleicht sangen die Griechen damals das "Alleluja" auch in der Fasten oder bei Totenmessen. Wenigstens bezeugt der hl. Hieronymus, dass bei Exequien zu Rom früher Alleluja gesungen wurde. (Epitaphium Fabiolae.) Vielleicht war dies der von den Griechen stammende Gebrauch, welchen der hl. Gregor aufhob.
3: Spoliati sc. veste singulari; wie bis zur Stunde im Orient, so trugen auch in Rom gemäß einer Anordnung Gregors und nach altrömischem Brauch die Subdiakonen nur das Gewand der niederen Kleriker, d. i. die Albe.
4: "Tunica linea" kann nach dem Zusammenhang der Stelle nichts anderes sein als die Albe; zum altrömischem Usus zurückgehend hatte Gregor die von einem seiner Vorgänger eingeführte Tunicella wieder abgeschafft, welche Alcuin und Rhabanus Maurus noch nicht kennen.
5: Man weiß nicht, wer den Canon in seiner heutigen Gestalt, die aber jedenfalls über den hl. Gregorius hinaufreicht, zusammengestellt hat. Ganz eigentümlich erklärt unsere Stelle Probst, "Liturgie" S. 355 f.
6: Einer der vielen deutlichen Belege für den Jurisdiktionsprimat, die sich in Gregors Briefen angehäuft finden.
7: Anspielung auf den angemaßten Titel des Patriarchen von Konstantinopel.
Dazu sei noch auf die überaus klaren Belege für den Primat in den Predigten Papst Leos hingewiesen. Besonders die Predigten zu seiner Wahl und den jeweiligen Jubiläen, sowie zum Fest der Apostelfürsten, sind da mehr als deutlich.
http://www.unifr.ch/bkv/kapitel297.htm
http://www.unifr.ch/bkv/kapitel378.htm
Irenäus von Lyon hat geschrieben:Weil es aber zu weitläufig wäre, in einem Werke wie dem vorliegenden die apostolische Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, so werden wir nur die apostolische Tradition und Glaubenspredigt der größten und ältesten und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründet und gebaut ist, darlegen, wie sie durch die Nachfolge ihrer Bischöfe bis auf unsere Tage gekommen ist. So widerlegen wir alle, die wie auch immer aus Eigenliebe oder Ruhmsucht oder Blindheit oder Mißverstand Konventikel gründen. Mit der römischen Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten kommen.
Dazu dann noch ein kleiner Text in englischer Sprache:
Kenneth D. Whitehead hat geschrieben:What was the view of the Christian East in the first millennium regarding the role of the Bishop of Rome? Was he viewed merely as possessing a "primacy of honor"? Or, did the Christian East ever subscribe to the concept of a particular Petrine charism to the See of Rome? The history surrounding the Formula of St Hormisdas helps us understand how the Christian East had come to view the Roman primacy by the early sixth century. We will not here deal with church politics or the political intrigues of the Western and Eastern Roman Empires--though these are important to understanding the history of this era.
The adoption of Pope St Leo's Tome at the Council of Chalcedon in AD 451 did not mean the influence of Eutychianism and Monophysitism was extinguished. By 484 the Patriarch of Constantinople Acacius was excommunicated by Pope St Felix III for his support of Byzantine Emperor Zeno's Henoticon (which downplayed the theology in St Leo's Tome). This was the first schism between the East and Rome and was not healed until the time of Pope St Hormisdas. In AD 519 St Hormisdas was able to effect a reconciliation between East and West. He insisted upon the full acceptance of the theology in Pope St Leo's Tome. He also insisted upon the recognition of the See of Peter in Rome as the place where "the whole, true and perfect security of the Christian religion resides." The Formula was formally signed by the Eastern Emperor, the Patriarch of Constantinople (who added a gloss but did not deny the formula itself) and 25 Eastern Bishops. According to the Formula the primacy of Rome was not based upon its political situation (in fact, the Roman Empire in the West had ended over 4 years earlier) but on Christ's promise to St Peter: "You are Peter and upon this rock I will build my Church" (Matthew 16:18). The continual doctrinal orthodoxy of the See of Rome was affirmed as a fulfillment of Christ's words. (This over 15 years after Pope Liberius.) The complete text of the Formula of St Hormisdas follows:
The first condition of salvation is to keep the norm of the true faith and in no way to deviate from the established doctrine of the Fathers. For it is impossible that the words of our Lord Jesus Christ, who said, "Thou art Peter, and upon this rock I will build my Church," [Matthew 16:18], should not be verified. And their truth has been proved by the course of history, for in the Apostolic See the Catholic religion has always been kept unsullied. From this hope and faith we by no means desire to be separated and, following the doctrine of the Fathers, we declare anathema all heresies, and, especially, the heretic Nestorius, former bishop of Constantinople, who was condemned by the Council of Ephesus, by Blessed Celestine, bishop of Rome, and by the venerable Cyril, bishop of Alexandria. We likewise condemn and declare to be anathema Eutyches and Dioscoros of Alexandria, who were condemned in the holy Council of Chalcedon, which we follow and endorse. This Council followed the holy Council of Nicaea and preached the apostolic faith. And we condemn the assassin Timothy, surnamed Aelurus ["the Cat"] and also Peter [Mongos] of Alexandria, his disciple and follower in everything. We also declare anathema their helper and follower, Acacius of Constantinople, a bishop once condemned by the Apostolic See, and all those who remain in contact and company with them. Because this Acacius joined himself to their communion, he deserved to receive a judgment of condemnation similar to theirs. Furthermore, we condemn Peter ["the Fuller"] of Antioch with all his followers together together with the followers of all those mentioned above.
Following, as we have said before, the Apostolic See in all things and proclaiming all its decisions, we endorse and approve all the letters which Pope St Leo wrote concerning the Christian religion. And so I hope I may deserve to be associated with you in the one communion which the Apostolic See proclaims, in which the whole, true, and perfect security of the Christian religion resides. I promise that from now on those who are separated from the communion of the Catholic Church, that is, who are not in agreement with the Apostolic See, will not have their names read during the sacred mysteries. But if I attempt even the least deviation from my profession, I admit that, according to my own declaration, I am an accomplice to those whom I have condemned. I have signed this, my profession, with my own hand, and I have directed it to you, Hormisdas, the holy and venerable pope of Rome.