Daher gehe ich davon aus, daß man sie auch komplett zitieren darf:
Quelle: https://www.facebook.com/notes/stefan-h ... 6357538699Pfarrer Dr. Stefan Hartmann
Bamberger Str. 1
D-96173 Oberhaid
Oberhaid bei Bamberg, zu Pfingsten 213
Heiliger Vater und Bruder Franziskus!
In der andauernden Zuversicht und Dankbarkeit über Ihre Wahl in das Amt des Bischofs von Rom als Nachfolger des heiligen Apostels Petrus möchte ich mich als einfacher Priester und Gemeindeseelsorger aus dem bayerischen Erzbistum Bamberg in einem „offenen Brief“ mit einigen Bitten und Vorschlägen an Sie wenden. Ich tue dies ganz in eigener Verantwortung, nicht als Mitglied einer Gruppierung oder „Pfarrer-Initiative“, wohl aber im Bewusstsein, vielen Laien und Priestern aus dem Herzen zu sprechen. Ihre demütigen Worte und Gesten seit dem denkwürdigen Abend des 13. März 213 und die Lektüre Ihres Gesprächsbuches „El Jesuita“ geben mir dazu den Mut.
Auch wenn ich einen von Pfarrern zuerst in Österreich lancierten„Aufruf zum Ungehorsam“ nicht unterschrieben habe, habe ich aufgrund der Situation von Kirche und Glaube in unseren deutschsprachigen Ländern viel Verständnis für die Ungeduld dieser Mitbrüder. Zum fünfzigsten Jahrestag des Beginns des Zweiten Vatikanischen Konzils (und zum dazu ausgerufenen „Jahr des Glaubens“) habe ich daher durchaus in Gewissensnot im Eigenverlag eine kleine Schrift „Offene Kirche für einen offenen Glauben“ publiziert, die ich Ihnen Ende März bereits zusandte. Darin habe ich einige bedrückende Blockierungen des kirchlichen Lebens beschrieben, zu denen es in der Vergangenheit gekommen ist und die einer offenen und dialogbereiten Kirche im Weg stehen.
Vor allem in folgenden Fragen erwarten viele Priester und Laien von Ihnen Schritte zur Reform und neue Lösungen:
1. Seelsorge und Amt
Der Priestermangel führt zur Zusammenlegung von immer größeren und anonymeren Seelsorgebereichen. Die pastorale und liturgische Betreuung der Gemeinden durch kompetente Frauen und Männer ist nicht gewährleistet, weil das kompromisslose Festhalten am Zölibatsgesetz viele Priester in Einsamkeit und Isolation führt, zur Aufgabe ihres Berufes zwingt und die Zahl und Auswahl der Seminaristen dramatisch sinken lässt. Der generelle Ausschluss von Frauen aus dem kirchlichen Amt ist nicht mehr verständlich oder vermittelbar. Wenigstens die Diakonatsweihe von fähigen und berufenen Frauen sollte nach Ansicht vieler, darunter auch Bischöfe und Kardinäle, als Möglichkeit erwogen und dann zügig eingeführt werden. Leider werden diese berechtigten Wünsche vom derzeitigen Präfekten der Glaubenskongregation noch zurückgewiesen.
2. Sexualmoral
Die kirchliche Sexualmoral, wie sie der Katechismus der Katholischen Kirche von 1992 vorstellt, widerspricht in einigen Punkten anthropologischen Grunderkenntnissen und ist vor allem nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen auch in deutschsprachigen Ländern unter starkem Rechtfertigungsdruck. Dazu gehört etwa die generelle Verurteilung der homosexuellen Lebensweise als „in keinem Fall zu billigen“ (KKK 2357) und die generelle Verweigerung des Kommunionempfangs für wiederverheiratete in ihrer ersten Ehe geschiedene Katholiken. Der von der Glaubenskongregation in Rom damals leider abgelehnte Vorschlag der damaligen oberrheinischen Bischöfe Oskar Saier, Karl Lehmann und Walter Kasper von 1993 wäre neu zu würdigen und zu gewichten. Auch in der Frage der Empfängnisregelung könnte eine von Ihnen vorgenommene Anerkennung der Bischofsworte von Königstein (D) und Mariatrost (A) nach der Krise um die Enzyklika „Humanae vitae“ hilfreich sein.
3. Ökumene
Es ist für viele Gläubige in unseren Gemeinden unverständlich, dass getaufte evangelische Christen, die den Glauben an die Präsenz des Herrn im Altarssakrament teilen, nicht zur Eucharistie eingeladen und zugelassen sind. Besonders schmerzlich ist dies für konfessionsverschiedene Ehepaare: sie teilen Tisch und Bett, aber nicht den Altar der Eucharistie. Widerspricht dieser Rigorismus nicht diametral der Botschaft des Evangeliums? Es wäre schön, wenn der römische Papst, auch im Zuge des für 217 geplanten Reformationsjubiläums und wie 1999 in der Augsburger gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, Worte der Anerkennung für die berechtigten Anliegen Martin Luthers finden könnte – ohne in allen Punkten theologisch zustimmen zu müssen.
4. Liturgie
In Fragen der Liturgie hat der seit Jahren zu beobachtende Zentralismus der Gottesdienstkongregation zu vielen Irritationen geführt. Streng wörtliche Übersetzungen aus dem Lateinischen treffen oft nicht das Sprach- und Gebetsempfinden der uns anvertrauten Menschen. Die Anordnung, im Hochgebet statt des seit über 4 Jahren üblichen„für alle“ nun das wörtliche „für viele“ zu nehmen, birgt viel Konfliktstoff im Herzen des Gottesdienstes (das wurde kurz nach Ihrer Wahl von den Zeitschriften„Herderkorrespondenz“ und „Christ in der Gegenwart“ deutlichst aufgezeigt). Bitte ziehen Sie diese Anordnung, die auch den Worten des seligen Papstes Johannes Paul II. aus seinem letzten Gründonnerstagbrief 25 widerspricht, wieder zurück. Sicher gab und gibt es unkluge liturgische Einseitigkeiten, die sich zu sehr von den Vorgaben der Kirche lösten, aber sie sind Ausnahmen, keineswegs die Regel. Die immer wieder zu hörende Diskreditierung der von Papst Paul VI. genehmigten Praxis der Handkommunion durch einige vatikanische Prälaten ist verletzend für die Katholiken in unseren Landen.
5. Spiritualität
Diese Punkte haben schließlich auch spirituell zu Blockierungen geführt. Glaube wird oft nicht als Freiheit schenkende Gnade für die Menschen, sondern als zu hütender und zu verteidigender Besitz einer amtlichen Einrichtung verstanden. Das geistliche Haben verdrängt und übertönt das geistliche Sein. Manche können das Evangelium nicht mehr unabhängig vom Katechismusbezug verkünden, sie machen es fast zu einer Lehrideologie. Fundamentalistische, traditionalistische und antimodernistische Strömungen wurden stärker, empfanden sich nicht nur geduldet, sondern gefördert. So wurde von vielen Anhängern der alten Liturgie die Liturgiereform nach dem Konzil generell abgewertet und schlecht gemacht. Denunziation wurde vorgeschlagen und betrieben, ein Klima des Misstrauens und der Animosität hat sich unter Katholiken ausgebreitet, in manchen Bistümern stärker als in anderen. Das richtet sich gegen das geistliche Leben und die geschwisterliche Liebe.
Heiliger Vater und Bruder Franziskus, in Ihren Reden vor dem Kardinalskollegium haben Sie vor dem „theologischem Narzissmus“ und Karrierismus einer mit sich selbst beschäftigten Kirche gewarnt und wider allen Pessimismus auf das mächtige Wirken des Heiligen Geistes verwiesen. Dieses spüren viele Gläubige gerade an und in Ihnen. Versuchen Sie, auch in den hier vorgebrachten Anliegen und Sorgen die Stimme und den Ruf des Geistes zu hören. Die große Mehrheit der Katholikinnen und Katholiken im deutschsprachigen Raum, der Ihnen durch unsere Dichter und den großen Theologen Romano Guardini vertraut ist, teilen sie. Ich bin nur einer, ein schwacher (und sündhafter) Priester und Gemeindepfarrer, der sie, auch aufgrund persönlicher Erfahrungen und Entwicklungen, zu formulieren und vorzubringen wagt. So darf ich Sie im „Jahr des Glaubens“ abschließend grüßen mit dem Satz des Herrn im Johannesevangelium: „ Alle sollen eins sein... damit die Welt glaubt, dass Du mich gesandt hast“ (Joh 17, 21).
Ihr Stefan Hartmann