Der Prozess Jesu - Was geschah damals wirklich ?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
ad_hoc
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Re: Bibelverfilmungen

Beitrag von ad_hoc »

Danke für den Hinweis.
Ich bin schon seit gestern auf der Suche nach der Quelle. Allerdings glaube ich nicht, dass diese Quelle bereits so alt ist. Meines Wissens bezieht sie sich auf griechische und römische Aussagen aus dieser Zeit.

San Marco hat geschrieben:
Wären die Juden (wie du fälschlicherweise behauptest) von allen so verachtet worden wären die RÖMER (die nach deiner Theorie die Juden auch so verachteten) wohl kaum so scharf darauf gewesen, dem Hohen Rat einen so bedeutenden Gefallen zu tun.
Wer sagt denn, dass die Römer scharf darauf waren, dem Hohen Rat einen so bedeutenden Gefallen zu tun?

Tatsächlich ist es so gewesen, dass die Juden zur Zeit der römischen Besatzung keine Todesurteile fällen durften. Hatten die Juden also einen solchen Delinquenten, der ihrer Auffassung nach unbedingt der Todesstrafe zugeführt werden sollte, so mussten sie diesen Fall der römischen Gerichtsbarkeit vor Ort vortragen.
Den Juden und vor allem dem jüdischen Hohen Rat hat dies natürlich gewaltig gestunken - und die Römer drängten sich keineswegs danach, sich mit jüdischen Angelegenheiten mehr als notwendig beschäftigen zu müssen.

So dass ich Dir, lieber San Marco ebenfalls einen Rat zur Beachtung geben möchte:
Nicht die aktuellen 'Erkenntnisse' sind unbedingt "richtiger"; es muss auch bei diesen auf die notwendige Seriosität der Hinweise geachtet werden, die letztendlich der Beweisführung einer neuen These dienen sollen. So sollte unbedingt darauf gesehen werden, woher diese neuen Erkenntnisse kommen.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Pilgerer
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Re: Bibelverfilmungen

Beitrag von Pilgerer »

San Marco hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:
Die Römer selbst hatten gegen Jesus nichts einzuwenden. Für sie war er ein jüdischer Prediger, von dem für das römische Weltreich keine Gefahr ausging.
Das ist so sicherlich nicht richtig. Das kannst du durch einfaches Überlegen selbst herausfinden. Wären die Juden (wie du fälschlicherweise behauptest) von allen so verachtet worden wären die RÖMER (die nach deiner Theorie die Juden auch so verachteten) wohl kaum so scharf darauf gewesen, dem Hohen Rat einen so bedeutenden Gefallen zu tun.
Dein Bild des Judentums in der Zeit der julisch-claudischen Dynastie ist völlig veraltet und dürfte auf dem Forschungsstand von etwa 1850 sein.
Ich empfehle dir, Erkenntnisse der Forschung der Zeit sein 1970 zur Kenntnis zu nehmen.

Beschäftige dich auch mit Leben und Geschichte des Jesus ben Ananias. Hier wird römische Ordnungspolitik vor Ort eindringlich deutlich.
Johannes 11 zeigt gut, wie die Situation war: Der Hohe Rat fürchtete, dass Jesus sich als König der Juden/Sohn Davids gegen die römische Herrschaft aufheben könnte, wie es andere radikale Juden vor ihm und später erneut taten (und was zur Zerstörung Jerusalems 70n.Chr. führte). Die jüdischen Führer konnten nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass Jesus unpolitische Ziele hatte. Daher kamen sie den Römern im Gehorsam zuvor, indem sie einen potentiellen Widerständler auslieferten.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Soulfly
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Re: Bibelverfilmungen

Beitrag von Soulfly »

Der Gedanke gefällt mir gut!
Jesus als (potentieller) Rebell gegen die Besitzstandswahrung.
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ad_hoc
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Re: Bibelverfilmungen

Beitrag von ad_hoc »

Pilgerer schreibt:
Johannes 11 zeigt gut, wie die Situation war: Der Hohe Rat fürchtete, dass Jesus sich als König der Juden/Sohn Davids gegen die römische Herrschaft aufheben könnte, wie es andere radikale Juden vor ihm und später erneut taten (und was zur Zerstörung Jerusalems 70n.Chr. führte). Die jüdischen Führer konnten nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass Jesus unpolitische Ziele hatte. Daher kamen sie den Römern im Gehorsam zuvor, indem sie einen potentiellen Widerständler auslieferten.
Nicht so ganz damit einverstanden.

Die Stelle aus Johannes 11 müsstest Du mir schon mal vorlegen, worauf Deine Aussage wohl aufbaut.

Es ist anders:
Die Juden mussten natürlich einen Grund herbei zwingen, damit die Römer die erhoffte Todesstrafe über Jesus aussprechen konnten. Nichts von wegen, in vorauseilendem Gehorsam Jesus als "Aufrührer" den Römern vorzuführen. Wäre Jesus den Römern als solcher aufgefallen, hätten sie schon, ohne die Juden hiervon zu konsultieren, ihn unschädlich gemacht.

Auch fürchtete der Hohe Rat der Juden nicht die Auflehnung Jesu gegenüber der römischen Besatzungsmacht (dies taten sie schon selbst, wo dies irgendwie möglich war), und Jesus war (wie angedeutet) den Römern nach Aktenlage schon gar nicht als potentieller Widerständler aufgefallen. Sagte Pilatus doch selbst: "Ich finde keine Schuld an ihm."
Anstatt ihn nun freizulassen, fürchtete Pilatus die Drohung der Juden, ihn beim Kaiser zu denunzieren, und so übergab er Jesus, eben aufgrund dieser Drohung, der Kreuzigung.

Gruß, ad_hoc
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Pilgerer
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Re: Bibelverfilmungen

Beitrag von Pilgerer »

ad_hoc hat geschrieben:Pilgerer schreibt:
Johannes 11 zeigt gut, wie die Situation war: Der Hohe Rat fürchtete, dass Jesus sich als König der Juden/Sohn Davids gegen die römische Herrschaft aufheben könnte, wie es andere radikale Juden vor ihm und später erneut taten (und was zur Zerstörung Jerusalems 7n.Chr. führte). Die jüdischen Führer konnten nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass Jesus unpolitische Ziele hatte. Daher kamen sie den Römern im Gehorsam zuvor, indem sie einen potentiellen Widerständler auslieferten.
Nicht so ganz damit einverstanden.

Die Stelle aus Johannes 11 müsstest Du mir schon mal vorlegen, worauf Deine Aussage wohl aufbaut.

Gruß, ad_hoc
Johannes 11,47-48 (direkt nach der Lazarus-Wiedererweckung):
"47 Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen.
48 Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute."

Es gab in der Zeit Jesu eine starke zelotische Bewegung: https://www.bibelwissenschaft.de/bibelk ... n/zeloten/
Innerhalb des Judentums gab es viele Gottestreue oder Nationalisten, die die romtreuen Priester in Jerusalem kritisierten und Aufstände gegen die römische Besatzungsmacht versuchten. Aus der Sicht der jüdischen Führungsschicht konnte es daher wohl nicht ausgeschlossen werden, dass ein charismatischer Führer (wie Jesus einer hätte werden können) die Juden vereint und gegen die römische Herrschaft mobilisiert. Bei der Speisung der 5 sehen wir, wie die Leute kommen, um Jesus zum König zu machen. Es ging den Hohenpriestern darum, Jerusalem und den Tempel vor einer weiteren Zestörung zu bewahren. Schließlich kam es 66 gar zur Ermordung des traditionell gemäßigten Hohepriesters durch radikale Juden.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

ad_hoc
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Re: Bibelverfilmungen

Beitrag von ad_hoc »

48 Lassen wir ihn so, dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute."
Wem hätten die Römer, nach Ansicht der Hohepriester und Schriftgelehrten, denn Land und Leute nehmen können?
Ist es nicht so, dass hierbei die Hohepriester und die Pharisäer die Befürchtung hatten, durch die Predigten Jesu könnten ihnen ihre Macht und Pfründe abhanden kommen?


Dass viele Juden mit Jesus die Vorstellung verbanden, dieser werde sie vom Besatzungsjoch der Römer befreien und das jüdische Volk 'groß' machen, war nur eine von mehreren jüdischen Vorstellungen und Wünschen, die aber in Wirklichkeit keine reale Basis hatten und zudem hatte Jesus nie erkennen lassen, dass er vor hatte, ein großjüdisches Reich zu gründen. Selbst die Römer waren davon nicht überzeugt.

So bleibt nur übrig:
Sowohl der Hohepriester als auch die Pharisäer wussten sich von Jesus in ihren niederen Gesinnungen erkannt. Darüber hinaus fürchteten sie, aufgrund der Predigten Jesu früher oder später ihren Einfluss über die jüdischen Gläubigen zu verlieren.
Dies war der Grund, Jesus endgültig als Gefahr für ihre Umtriebigkeiten zu beseitigen. Dass hierbei von ihnen andere Beweggründe angegeben worden sind, als die tatsächlichen niederen Beweggründe, ist wohl einleuchtend.

Gruß, ad_hoc
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Pilgerer
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Re: Der Prozess Jesu - Was geschah damals wirklich ?

Beitrag von Pilgerer »

aad_hoc hat geschrieben:Wem hätten die Römer, nach Ansicht der Hohepriester und Schriftgelehrten, denn Land und Leute nehmen können?
Ist es nicht so, dass hierbei die Hohepriester und die Pharisäer die Befürchtung hatten, durch die Predigten Jesu könnten ihnen ihre Macht und Pfründe abhanden kommen?
Die Juden hatten erst dreihundert Jahre vor Jesus durchgemacht, was es heißt, wenn eine fremde Macht über das Land Israel regiert. Nach Alexander dem Großen kam jene Schreckensherrschaft, die in den Makkabäerbüchern beschrieben wird. Nur knapp hundert Jahre waren die Juden nach der hellenistischen Fremdherrschaft frei, bevor die Römer das Land in einen Satelliten-Staat ihres Imperiums verwandelten. Die Jerusalemer Hohepriester hatten Furcht, dass die Römer den Juden die religiöse Selbständigkeit, die sie vor 70n.Chr. immerhin besaßen, wegnehmen könnten. Darum versuchten sie, die Römer zu beschwichtigen. Es gab in der Zeit von Jesu Kindheit bereits jüdische Aufstände gegen die römische Herrschaft. Die Hohepriester wollten durch Beschwichtigung den "Status quo" erhalten, die Radikalen (evtl. war Judas Iskarioth einer von ihnen) wollten hingegen Israel befreien.

Man sieht die Romfreundlichkeit der Hohepriester besonders daran, dass sie in der Verhandlung bei Pilatus sagen: "Wir haben keinen König als den Kaiser". Damit verwarfen sie wie zur Zeit Samuels Gott als ihren König. Denn Gott war immer Israels wahrer König, und die Könige von Saul bis Zedekia waren eine Art Strafe, weil das Volk es nicht besser wollte. Das heutige Judentum sieht Gott tatsächlich als seinen König an und ist im Vergleich zu den Hohepriestern geistlich sehr geläutert. Auch für das christliche Israel als Erbe des alten Israels ist Gott der wahre König, nämlich in Jesus. In Jesus hat gleichzeitig ein Sohn Davids und Gott das Königtum wiedererlangt, in dieser Herrschaft leben wir Christen. Die Hohepriester zogen nun sogar einen heidnischen König gegenüber Gott vor. Kein Wunder also, dass Gott den Segen von ihnen nahm und die Römer den Tempel später zerstören konnten.

Darüber hinaus war wohl die Sünde in den Hohepriestern, Pharisäern, aber auch in den Römern Ursache der Kreuzigung. Wir alle haben durch unsere Sünden Jesus die Wunden zugefügt. Es gibt da keine Ausnahme. Die Hohepriester waren blind, vielleicht neidisch oder eifersüchtig wie Kain. Den Pharisäern war Jesus vielleicht nicht fromm genug nach ihren Maßstäben. Pilatus handelte nicht gerecht, sondern ließ sich zu einem Urteil bewegen, von dessen Unrecht er genau wusste. Die Jünger waren voller Angst und Kleinglauben, was ebenfalls Arten von Sünden sind.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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