Pollux hat geschrieben:Gibt es überhaupt einen Königsweg???Wir können nur kleine Schritte gehen und uns im Sinne des Popperschen piecemeal engineering vorwärtstasten.Und möge der Herr des Himmels und der Erden uns erleuchten.
Vorwärtstasten - im Nebel und ohne gemeinsames Ziel, so sieht es aus - und das kann nicht gut gehen. Die Politiker sind uneins und jeder strebt ein "Europa" nach den eigenen Vorstellungen an.
Man muß doch nur nach GB schauen, wo selbst die Regierung eine Rückübertragung von Rechten von der EU verlangt, während es der Bundesregierung mit "Europa" nicht schnell genug gehen kann. In IT und F sind die Regierungen zwar "pro-europäisch", aber ihnen läuft die Bevölkerung davon, die von einer stärkeren Vergemeinschaftung auf vielen Feldern nichts wissen will.
Die Differenzen wurden bisher mit Geld zugekleistert, wie man besonders schön am von Merkel und Sarkozy verhinderten Plebiszit in GR über den Euro sehen konnte. Die Euro-Krise der letzten zwei Jahre zeigt ganz deutlich, daß eben keine Einigkeit herrscht zwischen den großen Volkswirtschaften (von den kleineren mal ganz abgesehen). Es wurde ein (Maastricht-)Vertrag geschlossen, der nach einigen Jahren nicht mehr verbindlich war. Jetzt gibt es eine Fiskalunion und schon kommen die ersten Rufe nach einer Aufweichung - auch sie wird das Papier nicht wert sein, auf dem sie steht.
Es fehlt z.B. in der Eurogruppe an einem allgemein gültigen Ideal, welche Art von Währung man haben will. Soll es eine Weichwährung sein, wie sie früher in IT, F, E usw. üblich war (und mit denen die dortigen Völker gut leben konnten) oder eine Hartwährung wie früher in D, NL oder A? Sollen Staatsanleihen aufgekauft werden (erlaubte Geldpolitik) oder ist das als Fiskalpolitik verboten? Einige Länder verlangen die EZB politisch oder parlamentarisch zu kontrollieren, andere sehen sie bereits schon jetzt viel zu "politisch handelnd".
Noch schlimmer sieht es im Rahmen der Gesamt-EU aus - ein reiner Flickenteppich, weil nicht aller Länder bei allem mitgehen. Die einen machen bei Schengen mit, aber nicht beim Euro. Wieder andere weder Schengen noch Euro. Schweden müßte den Euro einführen, tut es aber nicht, obwohl die Voraussetzungen erfüllt sind. Großbritannien beteiligt sich nicht am Fiskalpakt und hat für die Bereiche Inneres und Justiz im Vertrag von Lissabon eine
opt-out-Regelung vereinbart. Dänemark hat Sonderregelungen bei der Familienzusammenführung durchgesetzt. Die Liste dürfte sich fortsetzen lassen.
Kleine Schritte können hilfreich sein, wenn man das Ziel kennt. Werden sie aber nur gemacht, um etwas "zu bewegen" und verlangen dann einige "Partner" sogar nach Sonderregelungen für bestimmte Bereiche, kommt man dem Ziel nicht näher und der Verdruß in anderen Staaten über die Rosinenpickerei einiger "Partner" wird nur größer.
Das Problem der EU ist auch, daß die kleinen Schritte eben nicht nach der Methode "trial and error" erfolgen, sondern man wendet eine Salamitaktik an: Sobald einmal etwas von Brüssel geregelt wird, ist eine Rückabwicklung nicht mehr möglich. Fehlentwicklungen werden nicht korrigiert, sondern dienen dazu, neue Regelungen (Kompetenzen) zu schaffen. Die Währungsunion ist ein gutes Beispiel, denn sie beschert uns auch den Fiskalpakt und demnächst die Bankenunion. Alles was von Brüssel abgegeben würde, wird als "Rückschritt" verteufelt und den darf es, nach Auffassung der Berufseuropäer, nicht geben. Durch diese Politik werden die nationalen Kompetenzen ausgehöhlt. Es wird immer mehr nach Brüssel übertragen, die eigenen Volksvertreter fungieren nur noch als Abnickorgan.
Besonders schön kann man diese Salamitaktik (das BVerfG spricht vornehmer von "schleichender Kompetenzverlagerung") bei der Fiskalpolitik sehen. Die Berufseuropäer stehen vor dem Dilemma, daß der Euro nur stabil bleiben kann, wenn alle Länder sich auf eine einheitliche Fiskal- bzw. Haushaltspolitik einigen. Da aber das Haushaltsrecht das Königsrecht des Parlamentes ist, wäre z.B. in D. eine solche europäische Vereinbarung praktisch ausgeschlossen. Jetzt legen die Nationalstaaten ihre Haushalte in Brüssel vor, wo sie "geprüft" werden und dann gibt es "Empfehlungen". Es gehört nicht viel Phantasie dazu sich vorzustellen, daß man nach einiger Zeit die Schraube anziehen wird; aus der "Prüfung" wird eine bindende "Genehmigung" und aus der "Empfehlung" eine "Vorgabe" - wobei es natürlich auch zu Zwischenschritten kommen kann. Ich habe durchaus Verständnis für eine Kontrolle aller Haushalte durch Ministerrat und Kommission, denn schließlich stehen die Euro-Mitglieder mit praktisch unbeschränkten Summen (über den ESM) in der Haftung. Nur es zeigt doch ganz deutlich, daß man beim ersten Schritt (gemeinsame Währung) nicht an den zweiten gedacht hat (oder dieser nicht durchsetzbar war/ist und das Prinzip "Hoffnung" regierte). Wenn man ganz böse ist, kann man natürlich auch glauben, daß dahinter eine ausgereifter Plan steckt - diese Weitsicht traue ich aber unseren "politischen Eliten" nicht zu.
Man müßte sich zunächst darauf einigen, was für ein Europa man will, welche Kompetenzen es haben soll und dann kann man, mit kleinen Schritten, sich auf dieses Ziel zubewegen. Ohne ein gemeinsames Ziel nutzt auch die "erleuchtete, weise Staatskunst" nicht viel - wohin soll sie denn führen, wenn jeder Partner ein anderes Ziel definiert