Eine interessante Frage.
Es stimmt, es fällt auf, daß die Anfangseuphorie einen gehörigen Dämpfer erlitten hat. Die "tridentinische Gemeinde", die ich überblicken kann, wächst kaum. Sie ist allerdings andererseits stabil unds - und vor allem - vom Alter her deutlich heterogener. Während die NOM-Messen bei uns durch die Bank fast völlige Rentner-Veranstaltungen sind, sieht man hier eigentlich einen "normalen" Altersdurchschnitt - gerade auch Familien mit kleinen Kindern und rel. viele junge Erwachsene (noch alleinstehend und kinderlos) fallen im Vergleich richtig auf.
Ansonsten fallen mir spontan folgende Punkte ein, die ich hier mal thesenartig zur Diskussion stelle:
1. Einen Quellgrund hat sicher die
Krise des Religiösen im Allgemeinen. Es wird zwar immer wieder betont, daß der Mensch sich nach Sinn im Leben sehne und das die Chance der Religion(en) sei. Wenn ich in mein persönliches Umfeld schaue, muß das jedoch stark relativiert werden:
- Zwar stellen sich viele Menschen immer wieder die Frage z.B. nach dem Sinn des Lebens, diese Sinnsuche bleibt aber oft diffus und oberflächlich. Ein
wirkliches, existenzielles Bedürfnis scheint es bei vielen denn doch nicht zu sein. Zu groß ist der Markt der Ablenkungen, der Ersatzreligionen, zu gewaltig sind die Einflüsterungen von außen, die Suche sei letztlich doch zum Scheitern verurteilt. Viele Menschen heutzutage haben beklagenswerterweise eine Technik entwickelt, sich von diesen Fragen abzukapseln und sie zu verdrängen. Nicht, daß sie dadurch glücklicher werden. Aber es reicht auch nicht, um sich
wirklich und konsequent auf die Sinnsuche zu begeben.
- Dazu kommt, daß es praktisch keinen Menschen mehr gibt, der nicht mehr oder weniger ausgeprägt synkretistisch denkt (vgl. auch Punkt 2). Religiöse Elemente gehören zwar für viele in irgeneiner Weise dazu, aber sie werden selbst konstruiert und subjektiv bewertet. Dabei gibt man dann häufig unumwunden zu, daß einem dieser "religiöse" Hang selbst nicht ganz geheuer ist und man sich irgendwie davon distanziert: "Ja mei, irgendwas braucht halt jeder ..." Pluspunkte können da religiöse "Sinnstiftungsangebote" sammeln, wenn sie irgendwie einserseits exotisch und andererseits unverbindlich rüberkommen. Das Christentum ist da als viel zu spießig und zu "altbacken" verschrieen. Deswegen suchen viele Menschen dort gar nicht mehr.
2. Näherhin spielt sicher allgemein die
Krise des Christentums, ja insbesondere
der katholischen Kirche mit. Sie hat sich, das habe ich ja schon häufiger hier im Forum ausgeführt, in den letzten Jahrzehnten in unvorstellbarer Weise selbst montiert (offenbar immer noch nicht abschließend). Sie wird heute irgendwie als unerträglich lau wahrgenommen. Sie will kein Ärgernis mehr sein, sondern sucht ihr Heil in der Anbiederung an den Zeitgeist. Dabei kann sie aber nicht ausreichend mit den "exotischen und unverbindlichen" Wettbewerbern mithalten. Und selbst denen, die drinnen sind, vermag sie noch ausreichend Bindungskraft zu vermitteln. Sie sendet starke synkretistische Signale aus (Assisi!) und hat sich insofern selbst ihrer Relevanz für den Menschen beraubt.
Wer dementsprechend etwas von "katholischer Messe" hört, denkt normalerweise all dies mit und verliert häufig schon das Interesse, bevor er überhaupt begreifen könnte, daß da ein Unterschied besteht.
3. Die überwiegende Mehrheit ist mittlerweile dieser Meßform
entfremdet. Das bezieht sich sowohl auf Kirchgänger als auch auf Neulinge (die haben es vllt. sogar etwas leichter). Zwar gibt es immer wieder Fälle, in denen die Erstbegnung mit der heiligen Messe in ihrer überlieferten Gestalt ein "Bekehrungserlebnis" auslöst (vgl. z.B., was lifestylekatholik hier geschrieben hat). Ansonsten muß man zugeben, daß die alte Messe zunächst eher einen "herben Charme" hat. Auch auf mich hat meine erste Begnung mit der überlieferten Form zunächst keinen großen Eindruck gemacht. Ich war viel zu sehr Kind des Novus Ordo, ich hatte Mühe, der heiligen Messe überhaupt zu folgen und hatte irgendwie das Gefühl des "Fremdelns". Mich hat auch - erst rd. zehn Jahre später - zunächst nicht die Sehnsucht nach der Alten Messe dorthin getrieben, sondern die allüberall um sich greifenden liturgischen Mißbräuche im NO, vor denen ich mich allein in der Alten Messe sicher fühlte. Heute freilich ist sie mir in ihrer tiefen Frömmigkeit und stillen Beschaulichkeit so dermaßen ans Herz gewachsen, daß ich sie um nichts in der Welt mehr missen möchte. Aber das braucht in der Regel Zeit, zumal es ja auch praktische Gründe gibt, die soetwas erschweren können.
4. Die Teilnahme an der aoF wird vielerorten durch
praktische Gründe erschwert. Ich sehe das ja an unserer Gemeidne: viele müssen lange Anfahrtswege in Kauf nehmen, um wenigstens sonntags die heilige Messe in der überlieferten Form besuchen zu können. Für viele andere ist dies überhaupt nicht jeden Sonntag möglich. Teilweise unattraktive Meßzeiten (und -orte) kommen noch hinzu; außerdem wird nicht selten ein Geheimnis darum gemacht, daß es an einem Ort eine heilige Messe in der aoF gibt - sie darf nicht im Pfarrblatt abgedruckt werden u.ä.
Und daß in Verwaltung und Leitung der Kirche nicht selten Gegner der Alten Messe sitzen, trägt auch nicht zur Erleichterung der Situation bei.
Was vergessen?
Bestimmt. Aber es werden hoffentlich auch noch andere sich äußern.