Nassos hat geschrieben:Doch, es gibt inzwischen ein Kataster. Ich war vor einem Monat dort selbst vorstellig geworden.
Nur zur Info.
Äh ja...bei gutem Willen kann man so was ähnliches wie einen Haufen Papier erkennen:
"Auf der Suche nach dem Katasteramt"
Seit 1830, seit der Anerkennung seiner Souveränität, hat Griechenland keinen Überblick darüber, was sein ist. Größe und Wert seines Staatseigentums verlieren sich im Ungefähren. Es kennt nicht seinen Grund und Boden, nicht seine Küste, Berge, Seen, nicht seine Gebäude und auch nicht seinen Wald, obgleich die Verfassung ein Waldkataster vorschreibt. Es weiß nicht, wo sein Eigentum beginnt und wo es endet. Immer wieder wurde versucht, das Land zu kartografieren. Man vermaß Ländereien, Weinfelder, ein paar Waldgebiete. Aber immer wieder stockte die Arbeit und blieb liegen. Einzig auf den Dodekanes gibt es ein Kataster. Die Inseln waren in italienischer Hand. Die Geschichte des griechischen Katasterwesens ist die Geschichte eines Staates, der geformt wurde von Abertausenden Einzelinteressen, die sich wie Bäche zu einem Mahlstrom vereinten und alles mit sich rissen, was auf dem Weg lag.
Geschätzte 180 000 Hektar Land sind illegal in Besitz. 300 000 Gebäude sind ohne Eigentümer. Wälder verschwinden. Es wird gebaut, was das Zeug hält. Auf Bergen, in Wäldern und am Strand schießen Ferienhäuser aus dem Boden; die Kykladen ertrinken im Zement. Und das trotz oder gerade wegen der 4000 Gesetze und ministerialen Beschlüsse, die den Immobilienbesitz regeln. Auf eine Million wird die Zahl der Schwarzbauten geschätzt. Bauten, die an das staatliche Strom- und Wassernetz angeschlossen sind. Bauten, die es nicht gäbe, existierte ein Kataster. Doch für alles finden sich Lösungen. Alle Jahre wieder erlässt der Staat eine Amnestie und füllt so seine Kassen auf. Der Bürger legalisiert seinen Schwarzbau. Und wer noch nicht gebaut hat, der kann es auch weiterhin schwarz tun, denn die nächste Amnestie kommt gewiss. Besonders gewieft ist die Antragstellung auf Legalisierung von Schwarzbauten, die noch gar nicht gebaut worden sind.
Wie kommt es, dass ein Staat, der seit 182 Jahren unabhängig und seit 31 Jahren Mitglied der EU ist, sein Vermögen verwaltet wie eine Studenten- WG? Alles, was bis heute existiert, sind 400 Grundbuchämter, die so aufgebaut sind wie vor 180 Jahren.
Der neue, nach französischem Vorbild zentralisierte Staatsapparat und die importierten Ideen der Aufklärung waren nicht kompatibel mit dem jahrhundertealten Verständnis von Machtausübung und patriarchalem Klientelwesen der Bürger. Griechenland ist Heimat, Stolz, Identifikation. Der neue Staat dagegen ist ein aufoktroyiertes Konstrukt der Großmächte, des Westens, dem man schon seit Byzanz misstraut. So wurde aus dem neuen Griechenland fremdes Territorium, das man als Eroberer in der Gestalt eines Sekretärs, Bürgermeisters, Ministers betritt, es plündert und die Beute in den sicheren Hafen der Familie bringt. Ein Modus vivendi, der noch heute gilt.
Der Aufbau eines Katasters wurde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verlegt. Indem der Staat drängende Rechtsfragen unter den Teppich kehrte, hielt er seine Wähler bei Laune, und die besitzenden Schichten blieben gefügig. „Und heute zahlen wir die Zeche“, sagt Konstantinos Bibikas. „Nichts ist so, wie es sein sollte. Kaum ein Eintrag im Grundbuch entspricht der Wirklichkeit.“
Manche Einträge sind zum Schmunzeln: „Das erworbene Grundstück liegt zwischen dem von Dimitris Raptis und Janis Makridis“, „Das Grundstück erstreckt sich vom Olivenbaum an der Kirche bis zum Hügel“. Alle Grundbücher sind personenbezogen. Eine Suche nach Grundstücken oder dem Eigentümer bestimmter Grundstücke ist somit unmöglich.
Im Grunde genommen ist das griechische Grundbuchamt ein öffentliches schwarzes Brett, an das Rechte auf Eigentum gepinnt werden, deren Rechtmäßigkeit ungeprüft ist. Denn Eigentumsverhältnisse können aus dem Nichts geschaffen werden. Alles, wessen es bedarf, sind ein Notar und ein Eintrag ins Grundbuch.
„Niemand hatte ein Interesse an einem Kataster. Es fehlte der politische Wille“
2020 soll das Kataster fertiggestellt sein. Bis dahin wird um Grund und Boden geschachert, Grenzlinien werden hinund hergeschoben, und die Gerichte werden eine Fülle von Ungereimtheiten klären müssen.
Der Artikel ist aus dem Jahr 2012. Inzwischen liegt man dank der bekannten landesüblichen Effizienz wahrscheinlich fünf Jahre vor der Zeitplanung. Aber nein, welch
Überraschung:
Als Europaabgeordneter richtete Eppnik im Jahr 2011 die Anfrage an die Kommission, wie es um die griechischen Pläne steht, 3,6 Millionen Liegenschaften zu erfassen. Er erfuhr, dass gerade einmal 17% der Immobilien und 6% des Landes registriert wurden. Inzwischen sind immer noch 60% der Liegenschaften nicht offiziell erfasst.
Das Wort geht übrigens auf das griechische Wort κατάστιχον (katástichon) oder „Liste, Register, Geschäftsbuch“ zurück.
Das muss nichts heißen, auch im Italienischen gibt es ein Wort für
"Gründlichkeit" (
"profondità"), aber halt nur im Wörterbuch, zumindest südlich von Florenz.
Also gut...
...ja, in Griechenland gibt es Katasterämter. Etwa so ähnlich, wie das ein Auto ist:
Die Menschen, die sich jetzt langsam daran gewöhnen müssen, in Zukunft denselben Lebensstandard wie Slowaken und Letten zu haben, tun mir leid, ganz ehrlich. Aber dieser aufgeblasene Stolz auf einen Staat von Individuen einer im Tribalismus steckengebliebenen vorindustriellen Gesellschaft, die jede überfamiliäre Ordnung offenbar selbst verachten, ist grotesk.