Isidor_von_Sevilla hat geschrieben:
Der Kinsey-Report beschreibt jedoch lediglich vorgefundene sexuelle Verhaltensweisen des Menschen. Er will - und das ist auch gar nicht sein Anspruch - Festlegungen zum Wesen des Menschen zu machen.
Richtig. Das ist das spannende: er stellte durch seine Ergebnisse letztlich dar, dass ursprünglich angenommene Homosexuelle gar nicht in dieser Form existieren, da sie auch alle heterosexuell aktiv waren, in mehr oder minder ausgeprägter Form.
Damit bestätigt er, ungewollt, das, was die Kirche seit jeher gelehrt hat: dass Homosexuelle keine eigene "ontische Kategorie" sind, sondern genauso auf das andere Geschlecht hingeordnet.
Deine Behauptung jedoch, der Mensch seie bisexuell, ist eine solche Festlegung zur Wesenheit des Menschen, die darüber hinaus noch sehr pauschal daherkommt.
Es tut mir leid, dass Du den Punkt so falsch verstanden hast. Die Kategorien homo, hetero und bisexuell sagen überhaupt nichts über das Wesen des Menschen aus, denn die Wissenschaft ermittelt nicht das Wesen des Menschen. Die Wissenschaft kann empirisch beobachten, zu welchen Verhaltensweisen Menschen neigen und auf dieser Basis Kategorisierungen vornehmen. Du schreibst ja selbst, dass es nicht der Anspruch ist, Aussagen über das Wesen des Menschen zu machen und deshalb sagen die Begriffe auch nichts über das Wesen des Menschen aus - und deshalb schrieb ich, dass ich keinen Sinn darin sehe, dass sich die Kirche dieses Vokabular überhaupt zu eigen macht (wie es wohl hier im Strang auch schon xmal festgestellt wurde).
Sehr wohl machte der Report aber Aussagen über Verhaltensweisen von Menschen. Wenn der Kinsey-Report also zu dem Ergebnis kommt (ich weiß, dass andere Untersuchungen andere Prozentangaben machten, trotzdem bezieht man sich auch heute immer noch auf seine Ergebnisse), dass es dem Menschen generell möglich ist, sich auf beide Geschlechter zu orientieren (was im alten Griechenland ja eine ganz übliche Annahme war und auch im Islam). Wäre das nicht möglich, bräuchten wir gar keine sittliche Bewertung von Handlungen. Aber genau weil es für Menschen möglich ist, auch ihre Sexualität anders als ihrer Natur entsprechend zu orientieren, brauchen wir die sittliche Bewertung, um zu wissen, was wir tun oder lassen sollen.
Der Ausgangspunkt, um Dich nochmal daran zu erinnern, war keine Aussage über Heterosexualität (denn dieser Begriff beschreibt das, was keinen Begriff bräuchte, weil es der Normfall ist), sondern darüber, dass "wenn es stimmt, dass Homosexualität eine naturgegebene genetische Anlage ist und keine bewusste Entscheidung" wäre, das anders zu beurteilen sei. Worauf ich eingewendet habe, dass dieser Punkt schon längst überholt sei, sondern Kinsey u.a. feststellte, dass angeblich Homosexuelle auch "heterosexuell" aktiv seien. Statt aber nun einzugestehen, dass die Kategorie Homosexualität so nicht existiert, konstruierte man eine Bisexualität. Das ist kein kirchlicher Terminus, bestätigt aber in der Endkonsequenz noch einmal das, was die Kirche über das Wesen des Menschen schon immer lehrte.