Hallo in die Runde und vielen Dank allen für die teilweise sehr hilfreichen Beiträge rund um AL.
Ich habe noch weitere Fragen zu dem Dokument und beginne mal mit folgenden drei:
AL 27 hat geschrieben:Auf dieser Linie ist die Szene sehr bezeichnend, die eine Ehebrecherin auf dem Tempelplatz von Jerusalem zeigt, umgeben von ihren Anklägern und später mit Jesus allein, der sie nicht verurteilt und sie zu einem würdigeren Leben auffordert (vgl. Joh 8,1-11).
In den gängigen Bibelübersetzungen lese ich an dieser Stelle allerdings "fortan nicht mehr zu sündigen".
Zwar hat Franziskus diese Bibelstelle in AL streng genommen nicht als Zitat eingearbeitet. Doch halte ich seine Wiedergabe der Bibelstelle für entstellend. Denn natürlich ist jedes "nicht mehr sündigen" gleichzeitig ein "würdigerer Lebenswandel als zuvor". Doch nicht nicht von jedem "würdigeren Lebenswandel als zuvor" kann doch angenommen werden, daß er sogleich dem Anspruch genügt "nicht mehr zu sündigen".
Seht Ihr das ebenso? Falls ja, wieso macht er das und was sind die Folgen für uns Leser daraus? Falls nein, wieso sehe ich das falsch?
AL 298 hat geschrieben:Es gibt den Fall einer zweiten, im Laufe der Zeit gefestigten Verbindung, mit neuen Kindern, mit erwiesener Treue, großherziger Hingabe, christlichem Engagement, mit dem Bewusstsein der Irregularität der eigenen Situation und großer Schwierigkeit, diese zurückzudrehen, ohne im Gewissen zu spüren, dass man in neue Schuld fällt. Die Kirche weiß um Situationen, in denen » die beiden Partner aus ernsthaften Gründen – zum Beispiel wegen der Erziehung der Kinder – der Verpflichtung zur Trennung nicht nachkommen können «. Es gibt auch den Fall derer, die große Anstrengungen unternommen haben, um die erste Ehe zu retten, und darunter gelitten haben, zu Unrecht verlassen worden zu sein, oder den Fall derer, die »eine neue Verbindung eingegangen [sind] im Hinblick auf die Erziehung der Kinder und […] manchmal die subjektive Gewissensüberzeugung [haben], dass die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war «. Etwas anderes ist jedoch eine neue Verbindung, die kurz nach einer Scheidung eingegangen wird, mit allen Folgen an Leiden und Verwirrung, welche die Kinder und ganze Familien in Mitleidenschaft ziehen, oder die Situation von jemandem, der wiederholt seinen familiären Verpflichtungen gegenüber versagt hat. Es muss ganz klar sein, dass dies nicht das Ideal ist, welches das Evangelium für Ehe und Familie vor Augen stellt.
Heißt das demnach, daß zu Unrecht Verlassene, die eine neue Verbindung (mit allem "drum und dran") eingegangen sind, nicht - wie jene aus dem ersten Beispiel des Papstes - auch im Bewußtsein der Irregularität der eigenen Situation sein müssen, um in den - ich sage mal bewußt wage - "Genuß der neuen Barmherzigkeit von AL" zu gelangen?
Falls ja, wieso ist dies für die zu Unrecht Verlassenen nicht notwendig? Falls nein, wie bekomme man den "gedanklichen
Beweis" hin, daß Franziskus auch von dieser Gruppe ein Bewußtsein um die Irregularität der eigenen Situation einfordert, wie er das explizit in dem ersten Fall zur Bedingung macht?
AL 301 hat geschrieben:Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, dass alle, die in irgendeiner sogenannten „irregulären“ Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben.
Ist es tatsächlich so, daß dies bisher offiziellerseits so behauptet wurde? Alle in irregulärer Situation gleichzeitig und immer im Zustand der Todsünde?
Falls nein, wann und in welchen Dokumenten hat die Kirche die in irregulären Situationen Lebenden bereits differenzierter betrachtet?
Vielen Dank für jeden Hinweis von Euch!
PigRace