Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

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Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

umusungu hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Wolfram Weimer setzt sich mit dem Absturz der sog. "Volksparteien" auseinander:

Die reversible Selbstzerstörung der Volksparteien
Zumal schon jetzt die Gefahr besteht, dass die SPD auch in Mecklenburg-Vorpommern (wo ebenfalls im September gewählt wird) von der AfD überholt wird. Dort könnte die AfD - wenn das Momentum der Rechtspopulisten weiter trägt - sogar stärkste Partei überhaupt werden.
Das wäre in der Tat ein Knaller! :punk:
Freu Dich nicht zu früh!
Verkrustete Strukturen aufzubrechen ist ganz im Sinne Jesu! :tanz:
umusungu hat geschrieben:So schnell wiederholt sich ein 30. Januar nicht.
Doch, sogar regelmäßig! :kugel: :kugel: :kugel:

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umusungu
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von umusungu »

Raphael hat geschrieben:
umusungu hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Wolfram Weimer setzt sich mit dem Absturz der sog. "Volksparteien" auseinander:

Die reversible Selbstzerstörung der Volksparteien
Zumal schon jetzt die Gefahr besteht, dass die SPD auch in Mecklenburg-Vorpommern (wo ebenfalls im September gewählt wird) von der AfD überholt wird. Dort könnte die AfD - wenn das Momentum der Rechtspopulisten weiter trägt - sogar stärkste Partei überhaupt werden.
Das wäre in der Tat ein Knaller! :punk:
Freu Dich nicht zu früh!
Verkrustete Strukturen aufzubrechen ist ganz im Sinne Jesu! :tanz:
umusungu hat geschrieben:So schnell wiederholt sich ein 30. Januar nicht.
Doch, sogar regelmäßig! :kugel: :kugel: :kugel:
Ist Dir das auch schon aufgefallen?

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

taddeo hat geschrieben:Nach dem Wortlaut des § 104a StGB ist das die juristisch korrekte Terminologie. :achselzuck:
Das ist zutreffend, allerdings handelte es sich nicht um das Schreiben der Bundesregierung an die zuständige Staatsanwaltschaft. Da ist die Nutzung des Begriffs notwendig.
Merkel verkündete die Entscheidung vor der Presse. Mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte man das auch anders formulieren können, insbesondere wenn man sonst auf diesem Feld (s. Papstkritik) sehr sensibel reagiert.

Lilaimmerdieselbe
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Lilaimmerdieselbe »

Hilft aber doch, um zu verdeutlichen, dass dieser Paragraph antiquiert ist.

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Edi
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:Nach dem Wortlaut des § 104a StGB ist das die juristisch korrekte Terminologie. :achselzuck:
Das ist zutreffend, allerdings handelte es sich nicht um das Schreiben der Bundesregierung an die zuständige Staatsanwaltschaft. Da ist die Nutzung des Begriffs notwendig.
Merkel verkündete die Entscheidung vor der Presse. Mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl hätte man das auch anders formulieren können, insbesondere wenn man sonst auf diesem Feld (s. Papstkritik) sehr sensibel reagiert.
Erst wenn die "Falschen" diesen Begriff gebrauchen, dann ist er unzulässig oder sie werden in die passende Ecke gestellt.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben: Erst wenn die "Falschen" diesen Begriff gebrauchen, dann ist er unzulässig oder sie werden in die passende Ecke gestellt.
:daumen-rauf:
Deswegen auch meine Frage nach der "Sprachpolizei", die sich hier sonst bei der Nutzung anderer "belasteter" Begriffe zu Wort meldet.

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Edi
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Edi »

Caviteño hat geschrieben:
Edi hat geschrieben: Erst wenn die "Falschen" diesen Begriff gebrauchen, dann ist er unzulässig oder sie werden in die passende Ecke gestellt.
:daumen-rauf:
Deswegen auch meine Frage nach der "Sprachpolizei", die sich hier sonst bei der Nutzung anderer "belasteter" Begriffe zu Wort meldet.
Ich fühle mich auf dem Gebiet als völlig freier und auch unbelasteter Mensch, der die Worte benutzt, die ihm einfallen und zwar ohne Hintergedanken, zumal ich auch nicht so gute Geschichtskenntnisse habe, alle die Worte zu kennen, die man angeblich nicht mehr sagen darf, weil es mal die Nazis gab. Offenbar existieren aber auch noch mehr Zeitgenossen, die da und dort auch so frei sind, das zu tun ohne daß sie in die gewisse Ecke gehören. Von dem Bundesrichter Thomas Fischer habe ich erst vor kurzem das Wort Neger gelesen und der kennt die Sachlage, was dieses Wort angeht, gewiss auch.
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
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Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Hat die CDU aus den Niederlagen der vergangenen Landtagswahlen gelernt und ändert sie ihren Kurs?
Nach einer Sitzung des Präsidiums, das sich mit einer Wahlanalyse beschäftigte, sieht es nicht so aus:
Ungeachtet der Erfolge der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) setzt die engste Parteiführung um Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel weiter darauf, den Platz in der politischen Mitte zu behaupten. Um die AfD zu bekämpfen, komme es darauf an, die Probleme etwa in der Flüchtlingspolitik zu lösen und als Union wieder geschlossen aufzutreten, hieß es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen in der Sitzung.
(...)
Aus dieser Analyse folgte nach Angaben von Teilnehmern die Konsequenz, nach wie vor hauptsächlich auf die politische Mitte zu setzen und nicht stärker als bisher auf den rechten politischen Flügel, wie von Teilen der Schwesterpartei CSU gefordert.
http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 84475.html

Fraglich ist, ob die Probleme, zu denen neben dem "Flüchtlings"problem auch demnächst wieder Griechenland gehören dürfte, nachhaltig gelöst werden können - ohne Fehler einzugestehen bzw. grundlegende Positionen aufzugeben. Ob der "Kampf um die Mitte" erfolgreich sein wird ist ebenfalls ungewiß. Erstens scheint sich ein nicht geringer Teil der Wähler von der Mitte nach "rechts" zu bewegen und zweitens wollen dort alle Parteien hinzugewinnen. Wird aber der "rechte" Seitenstreifen nicht bearbeitet, wächst dort - mehr oder weniger unkontrolliert - etwas anderes heran. Bieten alle Parteien bei bestimmten Problemen die gleiche Lösung an, wird derjenige, der damit nicht zufrieden ist oder nicht glaubt, daß diese Lösung erfolgreich sein wird, einer anderen Partei seine Stimme geben.

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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Deutschland steckt im Reformstau - Gedanken von Wolfram Weimer:
Die Bilanz der Großen Koalition besteht im Wesentlichen aus einem Zurückdrehen der erfolgreichen Agenda-Politik und einem wilden Großexperiment in der Migrationsfrage. Am Ende dieser Koalition wird Deutschland deutlich weniger wettbewerbsfähig sein und seine politische Stabilität beträchtlich beschädigt haben.
Diese Legislaturperiode wird in die Geschichte eingehen als die Phase, in der Rechtspopulisten die politische Architektur der Republik ins Wanken brachten, die SPD auf Zwergengröße geschrumpft und die Polarisierungen in der Gesellschaft dramatisch zugenommen haben.
Besonders ärgerlich an der schlechten Bilanz ist die Tatsache, dass die Große Koalition ausgerechnet dort versagt hat, wofür man Große Koalitionen eigentlich braucht: den Zusammenhalt der Gesellschaft sichern und große Reformprojekte realisieren. Merkel III hat das Gegenteil getan.
Mit den gewaltigen parlamentarischen Mehrheiten wurden die so erfolgreichen und international bewunderten Erfolge der Agenda-Reformen kleinkariert zurückgedreht und wie ein im Kühlschrank Berlin übrig gebliebener Pudding Gerhard Schröders verputzt. Kleiner war eine Große Koalition nie.
Im Rückblick wächst die Leistung des seinerzeit als Hallodri verrufenen Kanzlers Schröders zur historischen Großtat. Er hatte knappe Mehrheiten und dürftigen Rückhalt in der SPD, aber er erkannte das für das Land nötige Öffnen der Wettbewerbsfenster – und opferte darob sogar seine Kanzlerschaft.
Die heutige Regierung schaut umgekehrt nur nach Rettung ihrer Posten und opfert lieber die mühsam errungene Wettbewerbsfähigkeit. Von den Rente mit 63 bis über eine verfahrene Energiewende bis zum Rollback der Zeit- und Leiharbeitsliberalisierungen schrauben sie Reformen zurück anstatt sie voran zu treiben.
Man kann es allerdings auch positiv sehen: D. paßt sich dem niedrigeren Standard i.S. Wettbewerbsfähigkeit den übrigen Euroländer an und verhilft ihnen so, nicht noch weiter zurückzufallen. Ob das allerdings angesichts der Globalisierung der richtige Weg ist, darf bezweifelt werden.

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Torsten
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Torsten »

Was sind denn die "so erfolgreichen und international bewunderten Erfolge der Agenda-Reformen"?

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

Torsten hat geschrieben:Was sind denn die "so erfolgreichen und international bewunderten Erfolge der Agenda-Reformen"?
  • Historisch hohe Anzahl von Beschäftigten,
    Überschüsse der Sozialkassen,
    internationale Wettbewerbsfähigkeit,
    to be completed

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

und "international bewundert": da muß man sich nur die südlichen Partner der Eurogruppe ansehen.

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Torsten
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Torsten »

spon hat geschrieben:Absturz der Sozialdemokraten: Wo SPD und Deutschland ohne Agenda 2010 heute stünden
Eine Kolumne von Thomas Fricke
[...]
Das kam heute zufällig auf Spon online.

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Niemand wird bestreiten, daß die Agenda 21 einer der Gründe war/ist, der zum Absturz der SPD in der Wählergunst geführt hat. Ein anderer war der Wechsel von Lafontaine zur "Linken", die dadurch auch für frühere SPD-Anhänger im Westen wählbar wurde. Die SPD verlor damals 4,7%, die PDS (später: Linke) gewann 4,3%. Ohne diesen Verlust an Wählern wäre die SPD wohl stärkste Fraktion im Bundestag geworden und Schröder wäre weiter Kanzler geblieben - ob mit der CDU als Juniorpartner oder weiter mit den Grünen.

Ob ein Verzicht auf die Agenda 21 für die SPD besser gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Schröder hatte damals aber kaum eine andere Möglichkeit als zu versuchen, sich durch Neuwahlen eine neue Vertrauensbasis zu schaffen. Durch die Landtagswahl in NRW 25 hatte das bürgerliche Lager im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit erreicht:
Allerdings könnte sich der Unionssieg im Zusammenhang mit den bisMai 25 anstehenden fünf Landtagswahlen brisant auswirken. Denn das bürgerliche Lager der Länder mit Unions-Alleinregierung oder CDU/FDP-Bündnis hat die Chance, im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit zuerreichen. Nach dem Grundgesetz könnte es dann jeden Gesetzentwurfder rot-grünen Bundeskoalition zu Fall bringen - auch jene vom Bundestag beschlossenen Gesetze, die eigentlich nicht der Zustimmung der Länderkammer bedürfen.
Die Zweidrittelmehrheit liegt bei 46 Stimmen. Für die Union würdees mit einer Alleinregierung in Thüringen daher reichen, die Wahl imMai 25 in Nordrhein-Westfalen (SPD/Grüne - 6 Stimmen) für sich zuentscheiden - oder ersatzweise die beiden Wahlen im September inBrandenburg (SPD/CDU-Regierung - 4 Stimmen) und im Februar 25 inSchleswig-Holstein (SPD/Grüne - 4 Stimmen). Sie müsste zudem imSeptember ihre Alleinregierungen im Saarland und in Sachsenverteidigen, was aber nach bisherigen Umfragen als wahrscheinlich gilt.
http://www.mz-web.de/politik/hintergrun ... at-994315

Schröder hatte überhaupt nicht mehr regieren können, da der Bundesrag jedes Gesetz des Bundestages mit einer Zweidrittelmehrheit abgelehnen konnte. Dieses Votum hätte der Bundestag dann auch mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen müssen.

Im übrigen rührt der Autor alles in den großen Brei "Agenda 21", was seiner Meinung nach in einem "rot-grünen Paradies" (O-Ton) nichts zu suchen hat: Riester-Rente (bereits 21 und nicht verpflichtend), Abitur nach 8 Jahren, Abgeltungssteuer (eingeführt 29) und ob die Abschaffung der Praxisgebühr zu einem Boom bei den Konsumausgaben geführt hätte, weil das Geld jetzt nicht von den Ärzten bzw. Krankenkassen sondern von den Bürgern ausgegeben würde, kann bezweifelt werden.

Aber was soll's - träumen ist halt schön, hat aber nichts mit der Realität zu tun.
Ach so - vor einer Woche hat der gleiche Autor geschrieben, das so viele "Flüchtlinge" nach D. strömen, weil die "wirtschaftliche Lage recht gut" ist und "die Lage am Arbeitsmarkt von 26 an besser wurde". :breitgrins:


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Niels
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Niels »

Zur Ergänzung die Umfrageergebnisse von Allensbach und INSA vom selben Tag: http://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Das Verwelken der Sozialdemokratie
Die Krise der Sozialdemokratie ist nicht bloss eine vorübergehende Laune der Geschichte. Mit dem dramatischen, hochinnovativen Strukturwandel der Wirtschaft, die in den meisten Ländern nur noch 10 bis 20 Prozent ihrer Leistung in der Industrie erbringt, ist der Sozialdemokratie die Arbeiterschaft und damit das soziale Milieu ihrer Anhängerschaft abhandengekommen. Mit dem Ende des Kalten Kriegs haben sich auch linke ideologische Überbauten und sozialistische Utopien weitgehend verflüchtigt. Mit Slogans wie Klassenkampf und Überwindung des Kapitalismus ist heute keine Volkspartei mehr zu begründen. Den Sozialdemokraten ist es nicht gelungen, ihre wegbrechenden Existenzgrundlagen durch neue Ideen und Projekte mit ähnlicher Anziehungskraft zu ersetzen. Die Folge ist die stete Erosion ihrer Wählerschaft und ihrer Machtbasis.
Statt sich dieser Tatsache zu stellen und neue identitätsstiftende Ziele zu suchen, verbeissen sich führende europäische Sozialdemokraten in die muffigen Rezepte der Vergangenheit. Die SPD kapriziert sich derzeit unter ihrem erfolglosen Vorsitzenden Gabriel wider alle Vernunft auf eine Rücknahme der im letzten Jahrzehnt mit Müh und Not durchgesetzten Rentenreformen. Ein bürokratischer Mindestlohn, die monströs teure Energiewende, nutzlose Umweltmassnahmen und epische Gerechtigkeitsdiskurse gehören zu den jüngeren Prioritäten der Partei.
Was sollen die sozialdemokratischen Parteien machen?
Dabei gäbe es viel zu tun für eine moderne Sozialdemokratie. Stichworte sind die Wiederbelebung des lethargischen Wirtschaftswachstums durch marktwirtschaftliche Politik. Oder die glaubwürdige, nachhaltige Sicherung des Sozialstaats, was bei rasch alternder Bevölkerung nicht ohne Einschnitte geht. Die Garantie von Frieden und Sicherheit hat in einer Zeit zunehmender autoritärer Bestrebungen der Grossmächte China und Russland, der Kriege im Nahen Osten und des islamistischen Terrors an Bedeutung gewonnen. Nationale Identitäten und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind unter dem Druck der starken Wanderbewegungen, des globalen Konkurrenzkampfs und wachsender sozialer Gegensätze für viele Bürger zum Problem geworden. Gesunde Staatsfinanzen könnten Ängste vor dem wirtschaftlichen Kollaps verringern. Lebenschancen und soziale Mobilität liessen sich durch gute Bildungssysteme, einen fairen Zugang zu flexiblen Arbeitsmärkten und moderate Abgabenbelastungen fördern.
Dafür wäre aber eine andere SPD nötig. Mit Nahles, Gabriel und Stegner wird es weiter auf dem Weg zu Steuererhöhungen und Schulden gehen. Eine Kehrtwende erscheint hier ausgeschlossen, zumal die Merkel-CDU der SPD auf ihrem Weg folgt. Zwar langsamer - aber in die gleiche Richtung.

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

Zufällig kam mir dieser Tage ein Text unter die Augen, der einen bzw. zwei zwanzig Jahre alte (sehr) erfolgreiche deutsche Romane beschreibt:
Schwanitz ist Autor des 1995 veröffentlichten Romans Der Campus, in dem es um politische Intrigen und die Instrumentalisierung des Vorwurfs sexueller Belästigung am Beispiel einer in der Hamburger Universität angesiedelten Romanhandlung (mit durchaus erkennbaren Ähnlichkeiten zu real existierenden Personen) geht. Das Buch, in dessen Romanhandlung auch die soziologisch bedeutsame Unterscheidung zwischen „formellen“ und „informellen“ Organisationsbereichen und ihren unterschiedlichen Machtkomponenten aufscheint, wurde zum Bestseller, insbesondere nachdem es von Regisseur Sönke Wortmann mit Heiner Lauterbach und Sandra Speichert verfilmt wurde und im Februar 1998 in die deutschen Kinos kam.

Ebenfalls an der Uni Hamburg angesiedelt und als Fortsetzung dem Roman Der Campus folgend, freilich mit anderen Protagonisten, ist Schwanitz’ Krimikomödie Der Zirkel (1998), eine Satire auf den gegenwartsdeutschen Wissenschaftsbetrieb und seine gesamtdeutsche Hochschulpolitik. Die deutsche Universität wird als verfilzt, versifft, verstunken, grotesk bürokratisch, prinzipbedingt mittelmäßig und damit auch grundsätzlich unreformierbar dargestellt, ihr „desolater Zustand“ könne von den neuen deutschen Machteliten „nur noch mit Mühe verschleiert“ werden. In der Krimihandlung des Buches werden, wie schon im Campus, Besonderheiten und angebliche Fehlentwicklungen aus den Hochschulsystemen Westdeutschlands und der DDR (vor und nach der Wiedervereinigung) dargestellt. Kontrastiv dazu lobt der Autor in gelegentlichen Anspielungen angloamerikanische Universitäten ob „ihrer kulturellen Betriebsamkeit und optimistischen Atmosphäre“.
(Quelle)
Cum grano salis kann man diese Beschreibungen auf die derzeitigen Zustände im politischen System der Bundesrepublik Deutschland beziehen. Lediglich die angloamerikanische Universitäten als leuchtendes Vorbild zu bezeichnen, paßt nicht so ganz ins Bild. :D :D :D

Wehe, wehe, dreimal wehe, wenn ich auf das Ende sehe ..........

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overkott
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von overkott »

Lokale CDU-Politiker wollen die AfD klein reden. Sie sehen sie auf Dauer bei 5 Prozent. Begründet wird die Einschätzung nicht.

Meinungsinstitute sehen das anders. Als Konkurrenz zu den Regierungsparteien sehen sie AfD und Grüne gleichauf bei etwa 13 Prozent. Damit einhergeht ein Verlust der Mitte. Die CDU liegt heute wieder bei ihrem Wahlergebnis von 2009 als Ergebnis der Großen Koalition des Kabinetts Merkel II. Die SPD ist noch härter getroffen. Sie liegt zur Zeit noch 3 Prozent unter ihrem Krisenergebnis von 2009. Mit nur noch 20 Prozent der Wählerstimmen könnte sie den Status als Volkspartei verlieren.

Das Strukturproblem Große Koalition ist nicht neu. Schon vor 2009 war zu beobachten, dass Große Koalitionen politische Randparteien anschwellen lassen. In der Weimarer Republik wuchs das Problem Große Koalition zur Systemkrise.

Eine Erklärung dafür liegt darin, dass Große Koalitionen wenig Raum lassen für demokratische Opposition. Wenn auch Sozialdemokraten Opposition Mist finden, gilt dies nur für den Egoismus der Funktionäre. Das politische System dagegen ist dringend auf demokratische Opposition angewiesen. Sollte diese zu schwach werden, droht die Gefahr von Extremismus und Terrorismus.

Seehofer hat zurecht darauf hingewiesen, dass vor der Millenniumswende die Asylfrage den rechten Rand anschwellen ließ. Aber diese Sichtweise greift zu kurz. Das Problem Große Koalition entscheidet über die Größe der AfD maßgeblich mit.

Die Kanzlerin hat mit Ursula von der Leyen eine politische Altlast. Das Problem ist bisher ungelöst. Auch Freisprüche zweiter Klasse tragen zur Lösung nicht bei. In der Vergangenheit war die Kanzlerin überzeugender.

Der Finanzminister hat mit seiner Aussicht auf Steuersenkung ein wichtiges Signal gesetzt. 25 Jahre nach dem Beitritt sind die kleinen, teuren Bundesländer etabliert, der Soli kann durch einen angemessenen Länderfinanzausgleich ersetzt werden.

Die CDU sollte einmal auf den Anfang der Bonner Republik zurückschauen und sich fragen, wie Adenauer die CDU von 31 Prozent auf 50 Prozent hochgefahren hat. Offenbar hat er nicht auf Große Koalitionen gesetzt. Auch hat er sich Koalitionen mit der DP und dem BHE nicht verschlossen. Eine überzeugende Lösung der Rentenfrage vom Sparmodell zum Umlagemodell hat den Durchbruch gebracht.

Wenn heute die CDU die entscheidenden Erfolgsfaktoren umdreht, braucht sie sich über ihre mickrigen Wahlergebnisse nicht zu wundern. Auch die SPD muss sich fragen, warum sie sich in den letzten 50 Jahren halbiert hat.

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

overkott hat geschrieben: Das politische System dagegen ist dringend auf demokratische Opposition angewiesen. Sollte diese zu schwach werden, droht die Gefahr von Extremismus und Terrorismus.
:klatsch:
Ja, diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch:
Bekommt der Deutsche Bundestag EINE Partei, die eine wirkliche Opposition bildet? Mag deren Gegenmeinung in vielem nicht auf meiner Linie liegen, aber ist es nicht viel wichtiger, dass eine klare Gegenposition im Bundestag überhaupt zur Sprache kommt?
Eine geistige Entwicklung kann nur über der Auseinandersetzung mit einer Antithese funktionieren. Eine Heiligsprechung Merkels zementiert eine absolute Gesellschaft, in der von der ersten bis zur vierten Gewalt alle das Gleiche wollen. Wenn die Antithese fehlt, wird die Argumentation legendär autoritär: Was brauchen wir eine oppositionelle Meinung? Es sind sich doch alle Parteien inklusive der Medien darin einig, dass unsere Betrachtungsweise die einzig vernünftige ist. Das bedeutet eigentlich nur, dass wir im Besitz der Wahrheit sind.
(...)
Während in der CDU die Merkel’sche Meinung alternativlos herrscht, haben bei der SPD die „modernen“ political-correctness-gender-mainstreamigen Bosse das Sagen. Da wo sie sind, stehen aber schon Merkel und die Grünen, die von der besser verdienenden Ökobourgeoisie beherrscht werden. Und die Linken, ja die Linken wählt noch ein DDR-Rest-Potenzial. Die FDP als alte Systempartei hing schon immer ihr Fähnchen in den Wind und will wieder aufs gleiche Treppchen wie die SPD-Merkel-Grünen. So eng ist das „moderne“ Denken inzwischen geworden.
(...)
Wo hat der Bürger heute die Möglichkeit, tabuisierte Meinungen in die Politik einzubringen? Hier bleibt, ob es einem gefällt oder nicht, nur die AfD. Und es ist schon erstaunlich, dass es eine Partei gegen den gesamten Widerstand der Medien und der Kultur zu einer solch hohen Zustimmung bringen kann.
http://www.rolandtichy.de/kolumnen/aus- ... in-modell/

In wichtigen Fragen (EU - Euro - Europa, Energiewende, "Flüchtlings" (besser: Migrations-)politik) herrscht eine große Koalition aller Altparteien. Eine parlamentarische Opposition dagegen gibt es nicht, obwohl all diese Themen in der Bevölkerung nicht unumstritten sind. Die Einwendungen und Sorgen der Bevölkerung werden von den Altparteien - trotz gegenteiliger Beteuerung - nicht zur Kenntnis genommen - die Menschen sollen "zu ihrem Glück gezwungen werden", koste es, was es wolle.
Das erinnert mehr an Sozialismus als an eine freiheitliche Gesellschaft.

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Implosion durch Dekadenz - Europa. Großes Kino. Ein zynischer Abgesang
Zu lange hieß es: höher, schneller, weiter. Übermut, wohin man blickte, naive Zuversicht, dass es hinter der nächsten Kurve noch schöner, noch besser wird. Wie langweilig, das Erreichte bewahren zu wollen. Die D-Mark, eine der härtesten Währungen der Welt: hinfort damit. Eine weltweit einmalige Infrastruktur und beispielhafte Verkehrswege: eine Selbstverständlichkeit, die ewig hält. 12.000 marode Brücken in diesem Land zeugen von der Ignoranz und Dummheit der Verantwortlichen. Ebenso wie allerorten zerfallende Schulen, augenfälliges Zeichen für das Zerbröseln eines Bildungssystems, um das uns mal die Welt beneidete. Man könnte endlos fortfahren mit der Bestandsaufnahme dieser verwahrlosten Republik. Die Bundeswehr: eine Lachnummer. Die Industrie: Anschluss an die Weltspitze in fast allen Zukunftstechnologien verloren. Großprojekte wie der Berliner Flughafen: eine göttliche Komödie. Energiewende: schlicht verzockt. Staatsfinanzen oder Renten: ein Desaster.
(...)
Das Kopfschütteln und die Fassungslosigkeit nachfolgender Generation muss man sich hart verdienen.
Zwei Millionen aufgenommene Flüchtlinge 2015, – das ist mal eine Hausnummer, über die sich die Welt noch lange den Kopf zerbrechen wird. Die üblichen Entschuldigungen wie Bequemlichkeit oder Ignoranz greifen da nicht mehr. Da muss mehr dahinter stecken. Hier kann man sie fast spüren, die Überdrüssigkeit einer dekadenten Gesellschaft, den latenten Willen zum Untergang, der sich noch einmal in einem infantilen Freudentaumel Luft macht. Fast hört man wieder die Begeisterungsschreie von 1914 oder 1939, als man loszog, alles leichtfertig zu riskieren und der eigenen Vernichtung höhnisch entgegenlachte. Heute heißt es nicht mehr „Für Volk und Vaterland“, sondern „Refugees welcome“.
(...)
Aber was rede ich? Gesellschaft? Komplett fragmentiert. Eine Orientierung ist schon nicht mehr möglich. Vieles, was gestern unmöglich erschien, ist bereits traurige Realität. Mögen Null- oder Negativzinsen mit ihren noch nicht absehbaren katastrophalen Folgen ein sichtbares Symbol für die „Umkehr aller Werte“ sein, so wiegt die Unberechenbarkeit von Haltungen weit schwerer. Sie verunsichert nachhaltig und schafft der Anarchie Raum. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass die CDU sich anschickt, grüner als die Grünen zu werden? Wer konnte sich Tierschützer vorstellen, die angesichts der grausamen Halal-Schlachtung schweigen. Wer vermochte sich Frauenrechtler vorzustellen, die nach zahlreichen Übergriffen überwiegend muslimischer Täter, Verständnis für die Täter fordern. Und wer hätte gedacht, dass Kirchenfürsten angesichts brutaler Verfolgung ihrer Gläubigen durch Muslims im Nahen Osten und sogar in deutschen Asylantenheimen nicht etwa um Unterstützung für die drangsalierten Christen bitten, sondern um mehr Verständnis für Muslims?
Man kann es schon knistern hören, im Kern dieser Gesellschaft und des Staates. Die Auflösung der zentralen Strukturen ist nicht mehr weit. Es hat wenig mehr als zwei Jahrzehnte linksgrünen Kulturrelativismus und naiver Sorglosigkeit der Bürger gebraucht, um das zu erreichen. Nichts ist mehr gesetzt. Nicht mal das Geschlecht eines Menschen.

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

dap hat geschrieben:Linksautonome bekennen sich zu Verwüstungen in Berlin-Mitte

Linksautonome haben sich zu Verwüstungen in einer Straße in Berlin-Mitte bekannt. Die «Aktion» habe auf einen Luxusneubau mit Eigentumswohnungen, ein Immobilienbüro, ein Umspannwerk eines Energiekonzerns, teure Autos, ein Hotel und einen Supermarkt gezielt, heißt es in einem Bekennerschreiben auf einer linksradikalen Internetseite. Die schwarz gekleideten Autonomen waren in der Nacht zum Sonntag durch eine Straße nahe der Bezirksgrenze zu Kreuzberg gezogen, hatten angezündet und Brandsätze geworfen.
...........

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

Neues von der Trendforschung: :emil:
Koalition rutscht unter 50 Prozent

Die große Koalition verliert weiter Zustimmung in der deutschen Bevölkerung. Sowohl CDU/CSU als auch SPD büßen einem Medienbericht zufolge Ansehen ein. Zusammen erreichen sie nicht einmal mehr die 50-Prozent-Marke.
(Quelle)

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:Neues von der Trendforschung: :emil:
Koalition rutscht unter 5 Prozent

Die große Koalition verliert weiter Zustimmung in der deutschen Bevölkerung. Sowohl CDU/CSU als auch SPD büßen einem Medienbericht zufolge Ansehen ein. Zusammen erreichen sie nicht einmal mehr die 5-Prozent-Marke.
(Quelle)
Das war zu erwarten.
ME kann man das Aufkommen der AfD gut mit dem Werdegang der "Linken" vergleichen. Beide Parteien profitier(t)en davon, daß ein Teil der Wähler mit der Politik der CDU bzw. SPD unzufrieden sind bzw. waren. Die SPD-Wähler lehnten die Agenda-Reformen der Schröder-Regierung ab und die später von Müntefering eingeführte "Rente mit 67" hat diese Distanz noch vergrößert. Davon hat sich die SPD nie wieder erholt - zumal auch kein überzeugendes Führungspersonal mehr aufgestellt wurde bzw. werden konnte.
Bei der CDU ist es der - mit Gesetzesbrüchen garnierte - Linksschwenk, um "in der Mitte" weitere Stimmen zu sammeln. Damit gab man das weite Feld rechts der Mitte frei und dort bietet sich inzwischen eine/die "Alternative" an. Angesichts der Superkoalition der Altparteien in bestimmten, mE entscheidenden Fragen (Euro, Europa, Zuwanderung) handelt es sich bei der AfD um die einzige Partei, die in diesen Fragen in grundsätzlicher Opposition zum politischen mainstream in Parteien und Medien steht und die Aussicht hat, dies auch ab 217 im Bundestag zu artikulieren.

Die Stimmverluste von CDU und SPD werden sich mE noch fortsetzen, denn wie sollte eine Lösung der Migrationsfrage aussehen? "Merkels Gäste" werden die Innenstädte auch noch in 18 Monaten "bereichern". Sie bis zur Bundestagswahl in Arbeit zu bringen ist Utopie. Daher werden die Kosten steigen und solche Zeitungsberichte wird es immer wieder neu geben. Das wird dem Bürger nicht verborgen bleiben, er wird nach den Kosten fragen und künftige Steuererhöhungen (oder ausbleibende Steuererleichterung) Merkels "Advent-" und "Rettungspolitik" zuordnen. Richtig! Denn das ist der Grund.

Bzgl. der AfD-Wähler hat Forsa (die haben die AfD bisher in ihren Umfragen immer kleingerechnet) folgendes herausgefunden:
Im Vergleich zur restlichen Bevölkerung zeichnet AfD-Wähler eine Eigenschaft besonders aus: Sie sind misstrauisch, insbesondere gegenüber offiziellen Stellen. AfD-Wähler liegen in ihren Vertrauenswerten fast immer unter denen der Gesamtbevölkerung: Da ist es egal, ob es um Parteien, Unternehmen oder den Papst geht. Nur bei Universitäten machen AfD-Wähler eine Ausnahme und vertrauen ihnen ein klein wenig mehr als der Rest Deutschlands. Das dürfte ein Relikt aus der Zeit sein, als die AfD noch Professorenpartei genannt und von einem Ökonomieprofessor gelenkt wurde.
Im Vergleich zur restlichen Bevölkerung stehen AfD-Anhänger insbesondere politischen Institutionen kritisch gegenüber, etwa der EU, der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten. Aber auch Meinungsforschungsinstituten, Sparkassen oder der Polizei vertrauen sie weniger. Mit dem eigenen Arbeitgeber – immer oben im Vertrauensranking – sind die AfD-Anhänger auch nicht ganz so glücklich. Zu ihm haben zwar 85 Prozent der Deutschen großes Vertrauen, aber nur 71 Prozent der AfD-Anhänger.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/w ... 57584.html

Egal ob "mißtrauisch" oder "kritisch" - wie will man solche Wähler zurückgewinnen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Diskussion über die Äußerung zu einem Fußballspieler da ein generelles Umdenken bei den Wählern bewirken wird. Sie "trauen" den Medien ja nicht - warum sollte das bei dieser Meldung anders sein? :breitgrins:

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

Ich finde das Umfrageergebnis auf dem Hintergrund, daß die GroKo derzeit ca. 80% der Sitze im Bundestag innehat, schon dramatisch. :pfeif:

Und so wie die Kartellparteien sich derzeit verhalten, werden sie den Trend wohl nicht wenden: Nur Streit allerorten, die Linke genügt sich selber und die Grünen würden das Chaos am Liebsten noch steigern! :ikb_wallbash:

Um mit Roman Herzog zu sprechen: Es wird Zeit, daß ein Ruck durch dieses Land geht! 8)

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:Ich finde das Umfrageergebnis auf dem Hintergrund, daß die GroKo derzeit ca. 80% der Sitze im Bundestag innehat, schon dramatisch. :pfeif:

Und so wie die Kartellparteien sich derzeit verhalten, werden sie den Trend wohl nicht wenden: Nur Streit allerorten, die Linke genügt sich selber und die Grünen würden das Chaos am Liebsten noch steigern! :ikb_wallbash:
Es ist schon bemerkenswert, das diesmal die GroKo nicht nur zu einem Verlust beim kleineren Koalitionspartner zu führen scheint, sondern auch die CDU davon noch massiver betroffen ist. Ein Absturz von über 40% auf 30% - wann hat es das einmal gegeben? :achselzuck:
Gäbe es keine CSU in Bayern sähe das Ergebnis noch desaströser aus. Insofern sollte Merkel Herrn Seehofer dankbar sein, daß er ihre Fehler offen thematisiert und er (bisher) nur in Bayern zur Wahl steht.

Durch welche Verhaltensänderung könnten die Altparteien denn eine Änderung herbeiführen? Das sie ihren Fehler bei der "Flüchtlings"politik eingestehen und hier zu einer deutlichen Änderung (massive Abschiebungen, nur temporäres Aufenthaltsrecht für anerkannte Flüchtlinge) kommen, ist nicht nur unwahrscheinlich, es würde auch die Gesinnungsethiker in die Arme der Grünen und Linken treiben. Außerdem ist zweifelhaft, ob diese "Wendung" von den AfD-Wählern goutiert würde, sie gelten - wie oben verlinkt - als "mißtrauisch" und könnten hier ein abgekartetes Spiel der Kanzlerin vermuten.

Merkel kann froh sein, wenn sie den gegenwärtigen Status quo halten kann. Am Horizont zeichnen sich mit der Brexit-Abstimmung, der Wahl in Spanien, dem immer noch andauernden GR-Theater sowie der Präsidentenwahl in F und den Wahlen in den NL im Frühjahr nächsten Jahres noch viele Hindernisse ab, von denen jedes das Potential hat, wahlbeeinflussend zu sein. Wenn da etwas "kippen" sollte, können die mühsam ausgehandelten Kompromisse bei Euro und "Flüchtlingen" wertlos sein.

Ein Artikel zu den Schwierigkeiten der CDU:

Das Ende einer Volkspartei
Der Vertrauensverlust ist da, deswegen werden auch Wohlstandsvernichtungsprogramme wie die Energiewende nicht mehr als ökologisches Heilsversprechen angenommen, sondern zunehmend kritisch hinterfragt – das Kartenhaus droht zusammenzubrechen. „Sie kennen mich“: Mit diesem Wahlkampfslogan wird die Bundeskanzlerin nicht noch einmal ins Rennen gehen können. Denn der Satz würde nach ihren Einlassungen in der Causa Böhmermann und angesichts der regelmäßigen Pilgerfahrten an den Sultanspalast in Ankara mittlerweile wie eine Drohung klingen.
Die CDU ist nicht mit sich im Reinen – und keiner weiß das besser als deren Abgeordnete, denen es immer schwerer fällt, die inhaltliche Kluft zwischen der Elite im Adenauer-Haus und der Basis im Wahlkreis zu überbrücken. Eine Volkspartei kann so nicht funktionieren. Und es spricht wenig dafür, dass es der Union auf Dauer anders ergehen sollte als der SPD. Die Sozialdemokraten sind da, wie es sich für eine Fortschrittspartei gehört, einfach nur schon einen Schritt weiter. Also am Abgrund.

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overkott
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von overkott »

Bei der Wahl zum Bundespräsidenten geht es um die Aufhebung der Immunität. Kann das Staatsoberhaupt schon mit einer Falschmeldung in der Boulevardpresse vertrieben werden? Schmeißt ihm zur Abfindung die Bundesrepublik Ehrensold hin und dreht dann das Personalkarussell wieder wie ein Glücksrad? Es wäre fatal, über den Mann am Bosporus zu schimpfen und mit der Immunität des Staatsoberhauptes selbst nicht besser umzugehen. Wenn die Bundesrepublik als Demokratie funktionieren will, wird sie sagen: Wulff wird wieder unser Bundespräsident. Eine Heiligsprechung kann allerdings erst die Nachwelt vornehmen.

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overkott
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von overkott »

Hat der Bundestag das Recht mit dem Finger auf die bösen Deutschen von 1916 zu zeigen, die sich der Vertreibung mit gebilligter Todesfolge von über 30.000 und sehr viel mehr Armeniern nicht in den Weg gestellt haben? Israel hält sich tendenziell bedeckt. Wäre nicht schon der Mord an 3.000 Armeniern ein Verbrechen im Sinne der Völkerrechtskonvention gewesen, die von der Türkei 1950 gebilligt wurde? Welches Blut fließt in den Adern des Mannes am Bosporus, dass er vor zwei Jahren den Armeniern sein Beileid aussprach? Wo bleibt seine Menschlichkeit heute? Möchte er die Türkei international an den Pranger gestellt sehen, weil sie sich von einer unrühmlichen Geschichte nicht angemessen distanzieren kann? Die Kirche hatte damals schon nicht geschwiegen und die Armenier nicht allein gelassen. Mehrfach intervenierte Papst Benedikt letztlich erfolglos. Auch heute verurteilt die Kirche Genozid als Völkermord und lässt sich von ihrer Solidarität mit den Armeniern im Dialog mit der Türkei nicht abbringen.

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

AFP hat geschrieben:AfD zwei Monate vor Mecklenburg-Wahl bei 19 Prozent
- Laut NDR-Umfrage CDU derzeit knapp stärkste Partei vor SPD

Zwei Monate vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern liegt die rechtspopulistische AfD einer Umfrage zufolge bei 19 Prozent. Im Vergleich zum April habe sich die AfD laut der repräsentativen Umfrage von Infratest dimap damit nochmals leicht verbessert, berichtete der NDR am Donnerstagabend.
SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering muss demnach um seine Regierung fürchten. Die Sozialdemokraten liegen der Umfrage zufolge derzeit bei 22 Prozent und damit deutlich unter den 35,6 Prozent bei der Landtagswahl 2011. Stärkste Partei ist laut NDR derzeit die CDU mit 25 Prozent, was gegenüber 2011 ein Plus von zwei Prozent bedeuten würde.
.........

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Raphael hat geschrieben:
AFP hat geschrieben:AfD zwei Monate vor Mecklenburg-Wahl bei 19 Prozent

Zwei Monate vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern liegt die rechtspopulistische AfD einer Umfrage zufolge bei 19 Prozent. Im Vergleich zum April habe sich die AfD laut der repräsentativen Umfrage von Infratest dimap damit nochmals leicht verbessert, berichtete der NDR am Donnerstagabend.
Warum erinnert mich das nur an die Vorhersagen von Sachsen-Anhalt? :hmm:

Ah ja - auch dort wurde die AfD konsequent in allen Vorhersagen unter 20% gehalten. Der Hinweis, daß sie sich seit April "leicht verbessert" hat, könnte darauf hindeuten, daß man mit einem höheren Ergebnis rechnet.
Warten wir mal ab.

Aber sag mal, Raphael, warum postest Du das im Strang "Bundesrepublik in der Krise"?

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

Caviteño hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
AFP hat geschrieben:AfD zwei Monate vor Mecklenburg-Wahl bei 19 Prozent

Zwei Monate vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern liegt die rechtspopulistische AfD einer Umfrage zufolge bei 19 Prozent. Im Vergleich zum April habe sich die AfD laut der repräsentativen Umfrage von Infratest dimap damit nochmals leicht verbessert, berichtete der NDR am Donnerstagabend.
Warum erinnert mich das nur an die Vorhersagen von Sachsen-Anhalt? :hmm:

Ah ja - auch dort wurde die AfD konsequent in allen Vorhersagen unter 20% gehalten. Der Hinweis, daß sie sich seit April "leicht verbessert" hat, könnte darauf hindeuten, daß man mit einem höheren Ergebnis rechnet.
Warten wir mal ab.

Aber sag mal, Raphael, warum postest Du das im Strang "Bundesrepublik in der Krise"?
Weil ich weiter oben auch schon ein paar Wahlforschungsergebnisse gepostet hatte. :ja:

Meines Erachtens ist ein Erstarken der AfD ja kein Anzeichen für eine Krise, sondern eher ein Anzeichen für ein Restbestand an Immunsystem in der deutschen Demokratie.
Aus Sicht der Kartellparteien jedoch ist das "natürlich" vollkommen anders: Gäbe es keine AfD, gäbe es auch keine Krise! :D :D :D

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overkott
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von overkott »

Die Absicht des Bundesjustizministeriums einer Rehabilitation von Homosexuellen hat eine lebhafte Debatte ausgelöst über die Rehabilitation der Opfer der vermeintlichen Gleichstellungspolitik zugunsten von Frauen. Da es sich bei Art. 3 GG um ein Individualrecht handelt und nicht um einen Artikel zur Aufarbeitung frauenpolitischer Anliegen, ist ein Gesetz zur Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation grundgesetzwidrig, weil Männer dadurch aufgrund ihres Geschlechtes gesetzlich diskriminiert werden.

Der Art. 3 GG wurde 1994 in Absatz 2 ergänzt. Die Forderung nach Gleichberechtigung wurde zur Staatszielbestimmung aufgewertet und die Tatsächlichkeit betont. Im Hinblick auf die Staatszielbestimmungen ist die Bundesrepublik Deutschland heute nicht nur ein demokratischer, förderaler und sozialer Rechtsstaat, sondern auch Umwelt-, Tierschutz- und Gleichberechtigungsstaat. Die Überfrachtung des Grundgesetzes mit Staatszielbestimmungen verwässerte die Systematik des Rechtsstaates und ist der Versuch, das Grundgesetz an ein externes Konzept von Tatsächlichkeit zu binden, also die Normativität der Normen aufzuheben und das Grundgesetz zur Beschreibung der Harmonie von Wunsch und Wirklichkeit zu machen. Systematisch steht der Abs. 2 natürlich hinter dem Abs. 1 zurück. Man darf also gemäß Grundgesetz den einzelnen Mann nicht seines Individualrechts berauben, weil es in der Vergangenheit eine Frau weniger im Gremium gab. Der Mann darf auch heute bei einer ceteris-paribus-Entscheidung nicht gesetzlich diskriminiert werden.

Wir rechnen auf Vorschlag der CDU mit Christine Langenfeld als Expertin für Gleichberechtigung und Migration als neuer Richterin im 2. Senat des BVerfG. Der 2. Senat ist zuständig für Beziehungen staatlicher und nichtstaatlicher politischer Institutionen. Als Tochter des verstorbenen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Wagner, ist Frau Langenfeld ein Beispiel für Elitenzirkulation in der Bundesrepublik Deutschland.

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