Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

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Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Sind Parteien einem "Markenprodukt" ähnlich und welche Fehler wurden bzw. werden gemacht, wenn dieses Produkt nicht mehr gekauft bzw. gewählt wird?

Warum argumentieren CDU und SPD so oft und so vehement gegen ihre eigenen Wähler?
Markensoziologisch lassen sich stets zwei Ursachen für erodierendes Vertrauen und schwindende Markentreue benennen:
1. Die Marke hält ihre Zusageverlässlichkeit nicht mehr ein. Die Kundschaft wird irritiert, verunsichert und erkennt ihre Marke nicht mehr. Schließlich ist sie bereit für einen Wechsel.(...)
2. Die Marke will durch die Orientierung an neuen bzw. fremden Zielgruppen wachsen. Jeder Inhaber eines Mobilfunkvertrages weiß, dass die besten Angebote nicht die Stammkunden, sondern immer die Neukunden erhalten. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern langfristig zerstörerisch.
Es ist fraglich, ob -ähnlich wie bei Strom- oder Mobilfunkverträgen- Union und SPD gewiß sein können, daß ihre alten Wähler aus Trägheit bei der Stange bleiben. Es ist auch nicht sicher, ob die angepeilte Zielgruppe die Änderung des bisherigen Parteiprogramms akzeptiert. Schließlich wurde - wie der Bericht schreibt - auch die Vegetarier nicht eifrige Kunden bei McDonald's, nur weil die einen "Veggie-Burger" anbieten...

Es ist ebenfalls zweifelhaft, ob ein anderer Gesichtspunkts - man wolle nicht mit seinen "Konsumenten"/Wählern sterben und sei deshalb gezwungen, sich "zu verjüngen" und "neue Zielgruppen" zu erschließen - erfolgreich ist. Zwar würde kurzfristig in den Medien über den Wechsel berichtet und dieser auch begrüßt (weil sie sich mit der Lebenswirklichkeit der Medienmacher deckt), langfristig könnte aber nur die Besinnung auf den alten Markenkerne eine Umkehr erwirken.
Die Frage lautet:
Was kann unsere Wählerschaft als Antwort in Hinblick auf unsere Geschichte von uns erwarten?“. Damit entzieht sich eine Partei der Beliebig- und Austauschbarkeit und entwickelt Resonanz. Denn darum geht es: Parteien bündeln nicht Lifestyle, sondern Erwartungshaltungen. Den Lohn dafür nennt man Vertrauen. Vertrauen ist übrigens keine Beschlussfindung, sondern Resultat eines Prozesses, der darauf beruht, dass man zunächst sich selbst treu ist.
Wird die Union zu einer solchen Umkehr noch in der Lage sein? :nein:

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Roland Tichy: Kollektiv lenkbar - Die Deutschen: Einzeln klug, gemeinsam dumm

Tichy macht dabei insbesondere die schreibende Zunft aus, die den Menschen hier einen Schuldkomplex an allem einredet.
Tüchtig darf der Deutsche als Mann oder Frau weiter arbeiten, seiner Tätigkeit nachgehen, und seine Pflicht als Steuer- und Abgabenpflichtiger erfüllen, mit Fleiß, Zuverlässigkeit bis hin zur Ingeniosität in technischen Dingen und anderen Sekundärtugenden, mit denen man bekanntlich, wie einst Oskar Lafontaine feststellte, auch „ein KZ betreiben“ könne. Aber aus der Hautfarbe, aus der allgegenwärtigen Schuld, aus dieser Umklammerung dürfen wir nicht entkommen, schon per Definition. So bleiben die Deutschen ein kluges Volk, das politisch dumm ist.
Er zählt Ereignisse der letzten Tage und Wochen auf, die nur Kopfschütteln hervorrufen, wie
- die Weigerung Merkels, Zurückweisungen an der deutschen Grenze vorzunehmen - was von Frankreich an der ital. u. span. Grenze gemacht wird. "Europa" zählt hier nicht.
- den Rückführung von 2 IS-Kämpferinnen gegen den Willen der örtlichen Regierung, die jetzt rund um die Uhr bewacht werden müssen;
- die Verurteilung und Inhaftierung von fünf somalischen Piraten, die - weil sie nicht abgeschoben werden - jetzt hier Sofortrente beziehen:
Wir importieren also Kriminelle und versorgen sie und ihre nachgeholten Familien bis zum jüngsten Tag. Wir retten die Welt vor Piraten, in dem wir ihnen den Schlüssel zur Sozialkasse aushändigen.
- und auch die gegenwärtige Diskussion um Kindergeldüberweisungen ins Ausland und der damit betriebene Mißbrauch....

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Wieso haben sich die beiden Unions-Parteien eigentlich vor wenigen Wochen bis zur Grenze eines Bruches gezofft? Es ging um die Zurückweisung an der Grenze.

Warum kann lt. Merkel D. nicht das Gleiche machen wie ihr Freund Macron in Frankreich? :achselzuck: :hmm:

Oftmals ganze Familien: Chaotische Zustände: Frankreich karrt Flüchtlinge in Bussen zurück zur spanischen Grenze
„Unsere Nationalpolizei wird lediglich darüber informiert, dass Migranten an der Grenze ausgesetzt werden. Teilweise sind es ganze Familien“, so Rodado. Frankreich habe mitten im Schengenraum eine unsichtbare Mauer aufgebaut. Ein ähnliches Vorgehen gebe es auch an der französisch-italienischen Grenze, dort berufe sich Frankreich auf bilaterale Abkommen aus den 90er-Jahren.
An der französisch-spanischen Grenze gelten aber die üblichen Dublin-Verträge und diese sehen einen derartigen Umgang mit Flüchtlingen nicht vor. Rodado dazu: „Wir wollen wissen, was die Grundlage für die Zurückweisung ist. Aber wir bekommen keine Erklärung.“
Doch - die Dublin-Verträge sehen vor, daß der Asylantrag im ersten Land, daß der "Flüchtling" betritt, gestellt und bearbeitet werden muß. Noch gelten diese Verträge, obwohl Merkel das ändern will. Wenn also "Flüchtlinge" an die span-frz. Grenze kommen, müssen sie registriert und als Asylant anerkannt sein. Wenn nicht, kann F. zurückweisen.

Nebenbei: Wenn der Focus sich empört, daß "oftmals ganze Familien" zurückgewiesen würden - wäre es ihm lieber, die Familien würden getrennt oder soll man hier - entgegen den vertraglichen Vereinbarungen und der Gesetzeslage anders verfahren und nur Familien weiterreisen lassen? Aufgrund welcher Rechtsgrundlage?

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Warum tickt Ostdeutschland anders? Die NZZ versucht eine Erklärung:

Alles beginnt mit Herkunft – weshalb Ostdeutschland sich zur Provokation entwickelt
Die Probleme liegen tief, und sie müssen zum Gegenstand des demokratischen Diskurses werden, will man eine Radikalisierung vermeiden. Die Bürger spüren, dass sie das, was für sie Herkunft, Heimat, Identität ist, verlieren. Sie erkennen, dass Prozesse in Gang gesetzt werden, bei denen sie keiner gefragt hat, ob sie das wollen. Die Erinnerung an die DDR kehrt mit Macht zurück, weil die Geschichte der DDR eine unerlöste ist.
Die Ostdeutschen stellen mit Erschrecken fest, dass das neue Deutschland der alten DDR immer ähnlicher wird, wenn die Eliten auf obrigkeitsstaatliche Mittel und Strukturen setzen, weil sie der Probleme nicht mehr Herr werden. Der Klassenfeind, der Rechte, der Populist, der Reaktionär ist vor allem die Gestalt des eigenen Versagens.
(...)
Die Erfahrung der Diktatur, der fehlenden Meinungsfreiheit, der fehlenden Demokratie, der Allgewalt der Propaganda, der Verteufelung und Diskriminierung des politisch Andersdenkenden wird in einer Situation aktiviert, in der die Gegenwart Züge der Vergangenheit annimmt.
Auch die Leserzuschriften sind lesenswert.

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

Caviteño hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 06:26
Warum tickt Ostdeutschland anders? Die NZZ versucht eine Erklärung:

Alles beginnt mit Herkunft – weshalb Ostdeutschland sich zur Provokation entwickelt
Die Probleme liegen tief, und sie müssen zum Gegenstand des demokratischen Diskurses werden, will man eine Radikalisierung vermeiden. Die Bürger spüren, dass sie das, was für sie Herkunft, Heimat, Identität ist, verlieren. Sie erkennen, dass Prozesse in Gang gesetzt werden, bei denen sie keiner gefragt hat, ob sie das wollen. Die Erinnerung an die DDR kehrt mit Macht zurück, weil die Geschichte der DDR eine unerlöste ist.
Die Ostdeutschen stellen mit Erschrecken fest, dass das neue Deutschland der alten DDR immer ähnlicher wird, wenn die Eliten auf obrigkeitsstaatliche Mittel und Strukturen setzen, weil sie der Probleme nicht mehr Herr werden. Der Klassenfeind, der Rechte, der Populist, der Reaktionär ist vor allem die Gestalt des eigenen Versagens.
(...)
Die Erfahrung der Diktatur, der fehlenden Meinungsfreiheit, der fehlenden Demokratie, der Allgewalt der Propaganda, der Verteufelung und Diskriminierung des politisch Andersdenkenden wird in einer Situation aktiviert, in der die Gegenwart Züge der Vergangenheit annimmt.
Auch die Leserzuschriften sind lesenswert.
Aus meiner Sicht bestanden im Osten Deutschland auch viele Illusionen in Form von Seifenblasen, die an der harten marktwirtschaftlichen Realität zerplatzt sind. Am Liebsten wäre den Menschen wohl ein Staat gewesen, der sich gluckenmäßig sorgt wie eine Mutter. Aber schon der Volksmund weiß, daß der Staat ein (gestrenger) Vater ist.
Wenn man eine Mutter will, dann sollte man in die Kirche gehen. :emil:

Der Widerspruch zeigt sich - neben den wirtschaftlichen Realitäten - wohl am Besten beim Thema Meinungsfreiheit:
Im Osten war klar, daß man Manches nicht sagen durfte, wenn man nicht Besuch von der Stasi bekommen wollte. :auweia:
Im Westen durfte man - der offiziellen Lesart nach - Alles sagen. Wenn man aber bestimmte Meinungen vertrat, wurde man sozial ausgegrenzt. Die Meinungsdiktatur war (und ist) subtiler und damit hatten die Bundesbürger aus den neuen Bundesländern im Leben nicht gerechnet. :maske:

CIC_Fan

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von CIC_Fan »

ich sage immer schon diese Wiedervereinigung im Hauruck Verfahren war ein unsäglicher Blödsinn

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

CIC_Fan hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 08:50
ich sage immer schon diese Wiedervereinigung im Hauruck Verfahren war ein unsäglicher Blödsinn
Eine Aussage, die von keinerlei Sachkenntnis getrübt wird! :roll:

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Siard
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Siard »

CIC_Fan hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 08:50
ich sage immer schon diese Wiedervereinigung im Hauruck Verfahren war ein unsäglicher Blödsinn
Stimmt, man hätte erst die Bevölkerung austauschen oder umerziehen müssen, damit sie B.R.D.-Eliten hörig werden. Selbst denken geht gar nicht! :pfeif:

CIC_Fan

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von CIC_Fan »

auf so einen Blödsinn gehe ich nicht ein das Posting zeigt nur wie die AfD freundlichen Herrschaften hier denken

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Siard
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Siard »

CIC_Fan hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 09:22
auf so einen Blödsinn gehe ich nicht ein das Posting zeigt nur wie die AfD freundlichen Herrschaften hier denken
:kugel:

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ar26
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von ar26 »

Raphael hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 06:49
Caviteño hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 06:26
Warum tickt Ostdeutschland anders? Die NZZ versucht eine Erklärung:

Alles beginnt mit Herkunft – weshalb Ostdeutschland sich zur Provokation entwickelt
Die Probleme liegen tief, und sie müssen zum Gegenstand des demokratischen Diskurses werden, will man eine Radikalisierung vermeiden. Die Bürger spüren, dass sie das, was für sie Herkunft, Heimat, Identität ist, verlieren. Sie erkennen, dass Prozesse in Gang gesetzt werden, bei denen sie keiner gefragt hat, ob sie das wollen. Die Erinnerung an die DDR kehrt mit Macht zurück, weil die Geschichte der DDR eine unerlöste ist.
Die Ostdeutschen stellen mit Erschrecken fest, dass das neue Deutschland der alten DDR immer ähnlicher wird, wenn die Eliten auf obrigkeitsstaatliche Mittel und Strukturen setzen, weil sie der Probleme nicht mehr Herr werden. Der Klassenfeind, der Rechte, der Populist, der Reaktionär ist vor allem die Gestalt des eigenen Versagens.
(...)
Die Erfahrung der Diktatur, der fehlenden Meinungsfreiheit, der fehlenden Demokratie, der Allgewalt der Propaganda, der Verteufelung und Diskriminierung des politisch Andersdenkenden wird in einer Situation aktiviert, in der die Gegenwart Züge der Vergangenheit annimmt.
Auch die Leserzuschriften sind lesenswert.
Aus meiner Sicht bestanden im Osten Deutschland auch viele Illusionen in Form von Seifenblasen, die an der harten marktwirtschaftlichen Realität zerplatzt sind. Am Liebsten wäre den Menschen wohl ein Staat gewesen, der sich gluckenmäßig sorgt wie eine Mutter. Aber schon der Volksmund weiß, daß der Staat ein (gestrenger) Vater ist.
Wenn man eine Mutter will, dann sollte man in die Kirche gehen. :emil:

Der Widerspruch zeigt sich - neben den wirtschaftlichen Realitäten - wohl am Besten beim Thema Meinungsfreiheit:
Im Osten war klar, daß man Manches nicht sagen durfte, wenn man nicht Besuch von der Stasi bekommen wollte. :auweia:
Im Westen durfte man - der offiziellen Lesart nach - Alles sagen. Wenn man aber bestimmte Meinungen vertrat, wurde man sozial ausgegrenzt. Die Meinungsdiktatur war (und ist) subtiler und damit hatten die Bundesbürger aus den neuen Bundesländern im Leben nicht gerechnet. :maske:
Deine Einschätzung stimmt nicht. Die wirtschaftliche Realität haben die Menschen sehr schnell begriffen, ohne Leistung keinen Lohn. Die starken CDU-Ergebnisse in den 90ern, gerade in Sachsen, zeugen doch von der Annahme des Ökonom. Systems der Bundesrepublik. Was die Menschen aber verwundert hat, ist, dass man seit 2015 mit Wildfremden wesentlich rücksichtsvoller umgeht, als ab 90 mit den eigenen Landsleuten. Damals wurde Anpassung und das Zurückstellen eigener Befindlichkeiten gefordert, hier ist man großzügiger.

Worin sich die Menschen in Mitteldeutschland getäuscht haben, zeigt der sehr gute Artikel in der NZZ. Sie meinten "Wir sind ein Volk" und "Deutschland einig Vaterland" wörtlich. Sie wollten Deutsche sein, wie andere Franzosen, Italiener usw. Wir hätten nie geglaubt, dass es genau das ist, was ein gros der Westdeutschen nicht sein will. Und genau das wurde 1990 im Zuge des hektischen Einheitsprozesses übergangen, ja sogar verheimlicht.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

ar26 hat geschrieben:
Dienstag 4. September 2018, 12:55
Wir hätten nie geglaubt, dass es genau das ist, was ein gros der Westdeutschen nicht sein will. Und genau das wurde 1990 im Zuge des hektischen Einheitsprozesses übergangen, ja sogar verheimlicht.
Übergangen, verheimlicht.... :hmm:

Im Nachhinein wird natürlich manches klarer. Die Aufgabe der DM - ob nun als Voraussetzung der franz. Zustimmung zur Wiedervereinigung oder als Schritt in Richtung "Vereinigte Staaten von Europa" - hätte eigentlich die Alarmglocken schrillen lassen müssen.
Schließlich war die DM das deutsche Identitätsmerkmal - von der "Mannschaft" vielleicht abgesehen. Wurde damals nicht auch gerufen: "Kommt die DM nicht nach hier, gehen wir zu ihr" oder so ähnlich...?

Mit der Aufgabe der eigenen Währung wurde ja noch einmal der Turbo zur "Vereinigung Europas" eingeschaltet. Früher hätte man Wahlergebnisse in GR, in IT, in ES oder PT - ja selbst in F. - achselzuckend zur Kenntnis genommen. Es betraf D. nicht besonders und ob man nun in Brüssel für ein bestimmtes Vorhaben zwei, drei Jahre länger braucht oder es zu Fall kommt, ist den meisten egal.
Heute gibt es sofort Sondersendungen, weil das auch in D. mit erheblichen Auswirkungen verbunden sein kann. Man denke nur an die Wahl Tsipras, seine Volksabstimmung oder im Augenblick an die neue Regierung in IT, die durch eine einseitige Politik der gesamten Eurozone (und damit auch D.) schweren Schaden zufügen kann.

Ähnlich wie die Migrationspolitik ist die "Europa (besser: EU)-Politik" sakrosankt, darf nicht in Frage gestellt werden. Hat in letzter Zeit - nach der Euro-Einführung - mal eine Bestandsaufnahme bzw. Diskussion stattgefunden, ob sich die Mitgliedschaft für D. "rechnet"? :nein:
So etwas wird mit dumm-dreisten Behauptungen (D. ist der größte Profiteur oder Nur gemeinsam sind wir stark) abgebügelt und wer trotzdem eine andere Meinung vertritt wird ausgegrenzt.

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ar26
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von ar26 »

Lieber Caviteño, die Worte übergangen und verheimlicht klingen zwar drastisch, aber eine Standortbestimmung hinsichtlich der Frage der nationalen Identität hatte in Westdeutschland 1990 nicht stattgefunden. Die Grünen (West) lehnten die Wiedervereinigung bekanntlich ab und wurden dafür abgestraft, ihr Denkansatz scheint mir aber aus heutiger Sicht weiter verbreitet zu sein, als damals angenommen. Gab es '90 in Westdeutschland ein Bedürfnis zur Wiederherstellung der Einheit von Staat und Nation oder wäre es auch ohne gegangen? Die Frage hat niemand gestellt. Umgekehrt mag das Bedürfnis bei den Mittel- und Ostdeutschen nicht selten auch materiell determiniert gewesen sein. Aber eben nicht ausschließlich. Das zeigt sich heute.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

ar26 hat geschrieben:
Mittwoch 5. September 2018, 14:44
Lieber Caviteño, die Worte übergangen und verheimlicht klingen zwar drastisch, aber eine Standortbestimmung hinsichtlich der Frage der nationalen Identität hatte in Westdeutschland 1990 nicht stattgefunden. Die Grünen (West) lehnten die Wiedervereinigung bekanntlich ab und wurden dafür abgestraft, ihr Denkansatz scheint mir aber aus heutiger Sicht weiter verbreitet zu sein, als damals angenommen. Gab es '90 in Westdeutschland ein Bedürfnis zur Wiederherstellung der Einheit von Staat und Nation oder wäre es auch ohne gegangen? Die Frage hat niemand gestellt. Umgekehrt mag das Bedürfnis bei den Mittel- und Ostdeutschen nicht selten auch materiell determiniert gewesen sein. Aber eben nicht ausschließlich. Das zeigt sich heute.
1989/1990 war in Westdeutschland den Allermeisten klar, daß man das Glück der Stunde nutzen mußte, um die Wiedervereinigung herbeizuführen. Es war doch längst nicht sicher, ob es im Warschauer Pakt nicht doch zu einem Wiedererstarken der Regime kommt. Gorbatschow verhieß zwar Glasnost und Perestrojka, aber er hätte ja auch vom Militär ausgebremst werden können. Selbst unter Jelzin wäre ein Rückfall noch möglich gewesen ............

Das Motto von Kohl war demzufolge: Wann, wenn nicht jetzt? :klatsch:

Es waren übrigens nicht nur die Grünen, die eine Wiedervereinigung ablehnten, sondern auch Lafontaine und mit ihm viel andere Linke und Salonkommunisten. Und daß diese ganze Bagage ein pathologisch-gestörtes Verhältnis zu Deutschland hat, weiß man nicht erst seitdem BTVP Claudia Roth hinter Plakaten mit der Aufschrift "Deutschland, Du mieses Stück Scheisse!" herrennt.

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ar26
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von ar26 »

Lieber Raphael, gerade weil Du Ökonom bist, kann ich Dich nicht ganz so leicht davonkommen lassen. Eine DDR mit offenen Grenzen ohne Wiedervereinigungsperspektive wäre ein Desaster geworden. Auf die Optionen bezüglich der D-Mark hatte Caviteño schon hingewiesen. Aufgrund der gemeinsamen Staatsbürgerschaft musste hier gehandelt werden um einen drohenden Migrationschaos zu entkommen. Es war aber eben eine Vernunftehe.

Die Grundlagen dieser Vernunftehe waren bekanntlich durch das GG geprägt. Die gesamtdeutsch orientierte Schuhmacher-SPD und die demgegenüber eher regionalistisch aber zugleich strikt antikommunistische Union hatten sich auf das Staatsziel Wiedervereinigung festgelegt. Die Linke erlebte '68 den bereits benannten Paradigmenwechsel und rückte vom diesem Staatsziel ab. Die Union blieb antikommunistisch, hätte aber das Staatsziel auch gerne auf den St. Nimmerleinstag vertagt. Das war '89 nicht mehr möglich. Ergo Vernunftehe oder Paradigmenwechsel bei der Union. Der blieb aus 2 Gründen aus. Zum einen hieß die Vorsitzende noch nicht Merkel, zum anderen boten sich im Osten neue strikt antikommunistisch eingestellte Wähler. Kohl dürfte das nach seiner Privatreise '87 begriffen haben und bekanntlich kam es auch so.

Ich denke, dieser Artikel gibt die Gemengelage erstmal ganz gut wieder. https://www.google.de/amp/s/amp.welt.de ... ierte.html

Mir scheint es jedenfalls so, dass die enthusiastische Reaktion des westdeutschen juste milieu auf die Migrationskrise die Ostdeutschen schmerzlich daran erinnert, dass es keine Liebesheirat war.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

Raphael

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Raphael »

ar26 hat geschrieben:
Mittwoch 5. September 2018, 22:41
Lieber Raphael, gerade weil Du Ökonom bist, kann ich Dich nicht ganz so leicht davonkommen lassen. Eine DDR mit offenen Grenzen ohne Wiedervereinigungsperspektive wäre ein Desaster geworden. Auf die Optionen bezüglich der D-Mark hatte Caviteño schon hingewiesen. Aufgrund der gemeinsamen Staatsbürgerschaft musste hier gehandelt werden um einen drohenden Migrationschaos zu entkommen. Es war aber eben eine Vernunftehe.
Wir sind ja gar nicht so weit auseinander, daher wird nicht ganz klar, wieso Du mir unterstellst, ich wolle Dir davonkommen. :blinker:
Auf Seiten der Konservativen in Deutschland war die Wiedervereinigung mehr als eine Vernunftehe, es war die Erfüllung eines lang ersehnten Wunsches, den man intern nahezu abgeschrieben hatte, weil unerfüllbar. Der Dritte Weltkrieg war in der damaligen Wahrnehmung wahrscheinlicher als eine Wiedervereinigung von Bundesrepublik und DDR. Ich darf an den NATO-Doppelbeschluß und Reagans Außenpolitik der Stärke erinnern, die die 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts bestimmten.
ar26 hat geschrieben:
Mittwoch 5. September 2018, 22:41
Die Grundlagen dieser Vernunftehe waren bekanntlich durch das GG geprägt. Die gesamtdeutsch orientierte Schuhmacher-SPD und die demgegenüber eher regionalistisch aber zugleich strikt antikommunistische Union hatten sich auf das Staatsziel Wiedervereinigung festgelegt. Die Linke erlebte '68 den bereits benannten Paradigmenwechsel und rückte vom diesem Staatsziel ab. Die Union blieb antikommunistisch, hätte aber das Staatsziel auch gerne auf den St. Nimmerleinstag vertagt. Das war '89 nicht mehr möglich. Ergo Vernunftehe oder Paradigmenwechsel bei der Union. Der blieb aus 2 Gründen aus. Zum einen hieß die Vorsitzende noch nicht Merkel, zum anderen boten sich im Osten neue strikt antikommunistisch eingestellte Wähler. Kohl dürfte das nach seiner Privatreise '87 begriffen haben und bekanntlich kam es auch so.

Wie schon gesagt: Bei der CDU war über die Jahrzehnte der Teilung ein pragmatischer Realismus eingekehrt. Selbst Gorbatschows Reformen waren nach damaliger Einschätzung nicht geeignet, den Fall des Eisernen Vorhangs zu bewirken. Und die Solidarnosc in Polen bekam die harte Knute Jaruzelskis zu spüren. Da war noch lange nicht ausgemacht, wie die weitere Entwicklung im Warschauer Pakt laufen würde.
Man hatte auch 1953 (DDR), 1956 (Ungarn) und 1968 (CSSR) im Hinterkopf ...........
ar26 hat geschrieben:
Mittwoch 5. September 2018, 22:41
Ich denke, dieser Artikel gibt die Gemengelage erstmal ganz gut wieder. https://www.google.de/amp/s/amp.welt.de ... ierte.html

Mir scheint es jedenfalls so, dass die enthusiastische Reaktion des westdeutschen juste milieu auf die Migrationskrise die Ostdeutschen schmerzlich daran erinnert, dass es keine Liebesheirat war.
Nun, ich würde schon sagen, daß es am Anfang eine Art Liebesheirat war. :hmm:
Nur wurden - fast wie im richtigen Leben :pfeif: - anschließend beide Parteien enttäuscht:
Die Ostler, weil der Westen nicht so gut war wie angenommen, und die Westler, weil der Osten eine größere ökonomische Katastrophe war als vermutet.

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Juergen
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Juergen »

Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Juergen »

Da vertritt jemand Deutschland im Ausland, der nicht einmal in der Lage ist, in seiner Muttersprache vom Tätigkeitswort „tun“ das Mittelwort in der Leideform richtig zu bilden.

https://www.youtube.com/v/JfpqiArsP-s
Gruß Jürgen

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Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Merkel hat sich entschieden, dass Maaßen gehen muss

Kritik nicht erwünscht, SPD setzt sich durch.

Mal sehen, wie Seehofer - der ihn als Dienstherrn entlassen muß - sich dazu stellt. In weniger als vier Wochen sind die Wahlen in Bayern. Knickt er ein, wird sich das wohl kaum in einem Stimmenplus für die CSU auswirken. Lehnt er ab, riskiert er seine Entlassung. Wie würde sich die CSU dann verhalten?

CIC_Fan

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von CIC_Fan »

erstaunlich wer sich jetzt plötzlich für den Verfassungschutz Chef stark macht ich bin neugierig ob das auch dann der Fall sein wird wenn er mal wieder von der AfD oder Pegida ect spricht ob sich die Herrschaften auch
für ihn stark machen
aber etwas anderes in Österreich würde jeder Beamte des BVT egal ob Chef sofort seinen Hut nehmen müssen wenn er sich öffentlich politisch äußert soweit kommts noch daß jetzt die Weisungsgebundenen Beamten in dem Ressort dem sie unterstehen Politik machen wollen

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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

Seit wann ist die Äußerung über die dem Verfassungsschutz vorliegenden Erkenntnisse zu einem bestimmten Vorfall eine "politische" Äußerung? :D

Maaßen hat gesagt, was dem Verfassungsschutz vorliegt, nicht mehr und nicht weniger. Aber wahrscheinlich paßten diese Erkenntnisse Frau Merkel und den Medien nicht. Lt. Medienberichten soll das Interview von Maaßen auch mit seinem Dienstherrn, Herrn Seehofer, abgestimmt gewesen sein...

Allerdings sollte man schon würdigen, wie es Merkel und den MSM gelungen ist, die Diskussion über die Ermorderung durch zwei "Flüchtlingen" vergessen zu machen und stattdessen die Entlassung eines Behördenleiters in den Vordergrund zu spielen.
Tja: gelernt ist gelernt - das muß man Frau Merkel zugestehen.

Gute Karikatur zur Situation:

https://pbs.twimg.com/media/DnSH4VaWwAAapKZ.jpg

CIC_Fan

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von CIC_Fan »

es geht um die "Äußerung" ein Beamter hat sich nicht öffentlich zu äussern es sei denn er wird von den Vorgesetzten dazu aufgefordert
es ist mir letztens bei einer Dokumentation zu dem Verbrecher Gesindel des "NSU" aufgefallen es ist unmöglich daß der Präsident des Verfassungsschutzes da öffentlich vor sich hin plaudert

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Juergen
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Juergen »

Nun, wer die Lügen Einschätzung des Königs der Kanzlerin zu einer Situation nicht teilt und widerspricht, der muß eben gehen. So einfach ist das.
Gruß Jürgen

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CIC_Fan

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von CIC_Fan »

wenn er öffentlich vor sich hin plaudert natürlich das kommt ihm als hohen Beamten nicht zu er soll und muß seine Erkenntnisse dem Minister übermitteln aber ned damit öffentlich hausieren gehen

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Juergen
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Juergen »

Kommentar bei ntv: https://www.n-tv.de/politik/politik_kom ... 27687.html

Die Kommentatorin erfaßt es insofern schon richtig, als es inzwischen egal ist, was er gesagt hat und ob das, was er gesagt hat, sachlich richtig oder falsch ist. Diese Frage interessiert nie­man­den mehr.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Hubertus
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Hubertus »

Juergen hat geschrieben:
Montag 17. September 2018, 16:32
Kommentar bei ntv: https://www.n-tv.de/politik/politik_kom ... 27687.html

Die Kommentatorin erfaßt es insofern schon richtig, als es inzwischen egal ist, was er gesagt hat und ob das, was er gesagt hat, sachlich richtig oder falsch ist. Diese Frage interessiert nie­man­den mehr.
Richtig. Die Personalie ist v.a. politisch hoch brisant. Indem Merkel (CDU-Mann!) Maaßen fallen läßt und sich gegen den Vorsitzenden der Schwesterpartei und auf die Seite der Sozialdemokraten stellt, demütigt sie nicht nur Seehofer persönlich, sondern demonstriert damit öffentlich etwas, das zur Ur-Angst der CSU gehört: zur Ohnmacht in Berlin verdammt zu sein. Zum politischen Selbstverständnis Münchens gehört(e) stets, in Berlin ein gehöriges Wort mitzureden. Grundlage dieses Anspruchs war stets die starke Machtbasis in Bayern, gewissermaßen die Visitenkarte für erfolgreiches politisches Handeln. Merkels par ordre du mufti durchgedrückte Entscheidung antizipiert gewissermaßen den sich abzeichnenden Macht- und Bedeutungsverlust der CSU.

Die Frage nach dem Grund für Merkels Handeln ist zu stellen. Zunächst könnte man an eine Abrechnung mit Seehofer denken. Da dessen politisches Schicksal mit dem sich anbahnenden miserablen Abschneiden der Christsozialen ohnehin besiegelt sein dürfte, wäre ein solcher Schritt in der gegenwärtigen Hochphase des Wahlkampfes jedoch arg überzogen, käme zur absoluten Unzeit. Ist es ein Signal an die Sozialdemokraten, ein Versuch der Stärkung der "Großen Koalition", bei der insbesondere die SPD in letzter Zeit alles andere als eine gute Figur gemacht hat? Eine dritte Möglichkeit bliebe zu erwägen. Wer Merkels Gesichtsausdruck z.B. während Dr. Alexander Gaulands Rede unlängst im Bundestag zu sehen bekam (im Video z.B. ab 03:30), kommt nicht umhin, sich die Frage nach einer gewissen Amtsmüdigkeit zu stellen. Hat Merkel, von deren "Kanzlerinnendämmerung" nun schon mehrfach die Rede war, schlichtweg resigniert und hofft innerlich auf ein Ende der "GroKo" durch Zerbrechen der derzeitigen Regierung? Vielleicht aber soll der Schritt - das wäre die vierte Möglichkeit - auch im Gegenteil den Eindruck einer starken, unbeirrbaren Politikerin vermitteln, die unbeeindruckt den eingeschlagenen Kurs fortsetzt, koste es, was es wolle. Die "Kanzlerinnendämmerung" dürfte er dennoch nicht aufhalten.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

CIC_Fan hat geschrieben:
Montag 17. September 2018, 12:52
es geht um die "Äußerung" ein Beamter hat sich nicht öffentlich zu äussern es sei denn er wird von den Vorgesetzten dazu aufgefordert
In der Presse wurde berichtet, daß das Interview mit Seehofer abgestimmt war.
Natürlich kann und darf sich ein Beamter öffentlich zu äußern. Das haben neben Maaßen auch der Generalstaatsanwalt des Landes Sachsens und die Polizei gemacht. Schließlich hat die Öffentlichkeit auch ein Recht auf Information. Was soll Maaßen denn sagen, wenn er nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzes gefragt wird? Die Regierungsmeinung wiederholen (und lügen) oder die Wahrheit?

Der Skandal ist doch, daß Merkel offensichtlich über Erkenntnisse verfügen will, die denen der Sicherheitsbehörden entgegengesetzt sind. Warum hat wurde sie bisher nicht aufgefordert, ihre Quellen (welche sollen das sein?) offenzulegen?

Du hättest mit Sicherheit auch nichts gegen eine öffentl. Äußerung, wenn diese "richtig" ist.

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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

@Hubertus

Ich glaube nicht an eine "Amtsmüdigkeit" von Merkel, bin vielmehr der Auffassung, daß sie Kohl (und vielleicht sogar Bismarck) bei der Amtszeit übertreffen will. Das Gerede von Amtsmüdigkeit oder "Merkel muß weg" dürfte mE bei ihr genau das Gegenteil bewirken.
Im übrigen sollte man nicht unterschätzen, daß sie von den MSM "gehalten" wird und ein Nachfolger nicht ansatzweise bereitstehen würde.

ME will sie die CSU schwächen und zwar noch stärker, als dies durch das bisher sich abzeichnende Wahlergebnis (35%) der Fall wäre. Geht es noch ein paar Prozente weiter runter (30%), weil Seehofer mal wieder nur "heiße Luft" produziert hat, käme es Merkel gelegen. In der CSU würden "Köpfe rollen" und die Partei wäre in Berlin kaum zu Aktionen fähig.

Warten wir einmal die Wahl um den Fraktionsvorsitz ab - auch da wird Merkel Kauder durchdrücken und die Fraktion tut, was sie auszeichnet: Sie nickt!

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Juergen
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Juergen »

Fauler Kompromiß – Jeder hat irgendwie sein Gesicht gewahrt und keiner ist zufrieden oder so ähnlich.

Maaßen wird Staatssekretär im Innenministerium

:emil:
Gruß Jürgen

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Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »


CIC_Fan

Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von CIC_Fan »

Wir lösen hier in Österreich solche Fragen immer schon so
schon in der Monarchie und es klappt bestens jüngstes Beispiel
https://orf.at/stories/3023762/

Caviteño
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Re: Das politische System der Bundesrepublik ist in der Krise

Beitrag von Caviteño »

CIC_Fan hat geschrieben:
Mittwoch 19. September 2018, 08:36
Wir lösen hier in Österreich solche Fragen immer schon so
schon in der Monarchie und es klappt bestens jüngstes Beispiel
https://orf.at/stories/3023762/
Es macht einen Unterschied, ob man einen Spitzenbeamten oder einen Politiker "entsorgen" muß. Bei Beamten bestehen häufig Rechtsansprüche, die zu beachten sind. Nur sog. "politische" Beamte können problemlos entlassen werden, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist. Da Seehofer wenige Tage zuvor öffentlich sein Vertrauen zu Maaßen öffentlich bekundet hat, wäre der Ausgang eines Gerichtsverfahrens zumindest ungewiß....

Näheres hier:

Politische Beamte : Entlassung nur mit Grund

So einfach ist es also nicht und die "Vertrauenserklärung" von Seehofer erscheint in einem anderen Licht. Sie wurde nach dem Interview - das im übrigen lt. Presse in Abstimmung mit Seehofer erfolgt sein soll - gegeben. Neue Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden, lagen also nicht vor.
Wenn Maaßen nicht freiwillig zurücktrat, mußte man ihm ein Angebot machen. Ob es nun der Botschafterposten in Tokio gewesen wäre, wie gemunkelt wurde (Frau ist Japanerin, er spricht die Landessprache) oder eine "Beförderung" zum Staatssekretär konnte sich Maaßen aussuchen.

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