Junias hat geschrieben: ↑Freitag 5. Oktober 2018, 15:18
Ich halte von dem Begriff Abtötung einfach nichts. Jesus hat ihn nicht gebraucht. Jesus spricht von Umkehr, Selbstverleugnung und Wachsamkeit.
"Umkehr, Selbstverleugnung und Wachsamkeit" klingt für mich nach einer sehr brauchbaren Beschreibung zur Erreichung des quasi gleichen Ziels.
Es geht einfach nicht darum, irgendetwas bei sich abzutöten
Doch, und im Römerbrief 8,13 ist es genau so drastisch formuliert: "Durch den Geist die sündigen Taten des Leibes töten". Aber man kann es natürlich auch anders, leichter annehmbar, formulieren: "den alten Menschen" (Eph 4,22), also die weltlichen Begierden "abzulegen", die uns daran hindern, Jesus komplett nachzufolgen und Ihm ähnlich zu werden.
Der Begriff der "Abtötung" mag unangenehm sein und im Bedarfsfall - wenn er in dieser klaren Form daran hindert, inhaltlich positiv aufgenommen zu werden - anders ausgedrückt werden (wie eben durch "Umkehr, Selbstverleugnung und Wachsamkeit"), aber wer es fassen kann, für den sagt "Abtötung" schon das genau Richtige aus.
Dem Begriff Abtötung aber wohnt Gewalt inne. Mit sich selbst gewalttätig umzugehen, geht schlecht vor dem Hintergrund der Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe. Es geht nicht darum, seine Sinne (Gedanken, Emotionen, Gefühle) abzutöten, sondern sie wahrzunehmen, sie zuzulassen, sie zu unterscheiden, sie umzuleiten oder sie aufzulösen, mit dem Ziel, nicht der Sünde Knecht zu sein (vgl. Johannes 8, 34–36) und inneren Frieden zu erlangen (vgl. Johannes 14, 27). Wer auch immer den Begriff eingeführt hat, heute ist er eine Klippe, an der so etwas Befreiendes wie die Einübung von Selbstdistanz schon allein am Begrifflichen zerschellt.
Nicht wenige Begriffe der langen christlichen Tradition sind heute kaum mehr vernünftig zu verwenden. Ich merke es bei Katechesen für Menschen aus anderen (nichtchristlichen, oft persischen) Kulturen. Begriffe wie "Heil", "Gnade", aber auch "Sünde" und "Versuchung" sind in unserem normalen Sprachgebrauch schon weit weg von der christlichen Wortbedeutung, und für Menschen, die gerade erst Deutsch lernen, ist das total verwirrend. Da ist dann durchaus Flexibilität angesagt. Nenn also "Abtötung" wie du magst, aber vergiss nicht, was Lycobates (mit dem ich hier ausnahmsweise übereinstimme) dazu schrieb: Das hat eine wirklich lange Tradition in der Kirche.
Und nein, mit sich selbst gewalttätig umzugehen geht nicht schlecht, sondern ist geradezu notwendig, wenn der Verzicht darauf uns vom Reich Gottes entfernen würde!
Mt 18,9 hat geschrieben:Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Es ist besser für dich, einäugig in das Leben zu gelangen, als mit zwei Augen in das Feuer der Hölle geworfen zu werden.
Der Herr drückt hier genau jene Haltung gegenüber der Versuchung aus, die uns auch - weniger drastisch, aber nicht weniger wichtig - die Abtötung abverlangt. Bezwinge die Versuchung, lass dich nicht von ihr leiten, sondern sei Herr über sie. Abtötung entspricht dem "Wehret den Anfängen" und "Früh übt sich" in Bezug auf das Widerstehen von Versuchungen.