philipp hat geschrieben: ↑Samstag 3. April 2021, 08:51
Nur damit ich euch nicht falsch verstehe: wir alle haben also schon ein fixes ablaufdatum und einen genauen Lebensweg. Alles steht fest. Trotzdem treffen wir auf diesem gänzlich fixierten Weg manchmal freie Entscheidungen. Zustimmung?
Dein Lebensweg ist fixiert wenn man ihn als Ganzes sehen kann. Genau wie sagen wir mal der Lebensweg von Winston Churchill für uns nun fixiert ist. Wir können nur im Rückblick in die Vergangenheit Dinge "sehen" (und auch dann nicht direkt). Aber Winston ging schon seinen eigenen Lebensweg, traf seine eigenen Entscheidungen, war jedenfalls in Grenzen frei dies oder das zu tun. Der Unterschied zwischen uns und Gott ist, daß Gott komplett außerhalb der Zeit steht und ganze Zeit sieht (und zwar direkt). Es ist zwar nicht richtig, aber die einfachste Analogie zu dem was ein Mensch kann wäre, daß das Universum schon komplett passiert wäre, abgelaufen. Dann könnte auch ein Mensch drauf schaun, was der Philipp so alles gemacht hat in seinem Leben (teilweise frei). Stell dir das Universum wie ein Bild vor, aber entlang einer Achse die Zeit. Meinetwegen wie ein auseinandergenonmmenes Daumenkino, wo Du die Blätter in Folge legst. Wie gesagt, wenn alles passiert wäre, wenn das so komplett vor dir ausgerollt wäre, dann hättest auch Du als Mensch kein Problem damit zu sagen was wann passiert ist. Du zeigst einfach auf die jeweilige Zeit-Stelle. Jetzt stell Dir einen großen glühenden Zeiger vor, einen
Jad, der auf eins der Blätter zeigt. Den Zeiger nennen wir "Jetzt". In Deinem Kopf ist nur worauf der Zeiger zeigt, und gleichfalls für alle Kreaturen (ein Stein erfährt die Kräfte in diesem Bild, ein Tier die Sinneswahrnehmungen, etc.). Gott hat den Zeiger in der Hand und zieht ihn langsam über die Bilder, "liest" so die Welt vor in der Zeit.
Aber wo ist jetzt Deine Freiheit? Nun, wenn wir auf ein Bildchen schauen und einen Stein in der Luft sehen, dann sehen wir ihn in einem späteren Bild auf der Erde aufschlagen.
Das ist immer so. Wir nennen das Schwerkraft. Und weil das immer so ist, können wir selbst innerhalb eines Bildchens (als Menschen) sagen was in einem zukünftigen Bildchen passieren wird - obwohl Gottes "Jetzt Jad" noch garnicht da angekommen ist und die spätere Welt noch nicht für uns real geworden ist. Aber wenn wir in einem Bildchen Philipp beim Arbeitsamt sehen und in einem späteren Bildchen Philipp als Elektroingenieur, dann ist das nicht so. Und nicht nur weil das eine komplizierte Sache ist. Sondern auch, weil Gott irgendwie etwas echte "Schöpfungskraft" in Philipp gelegt hat. Der Grund für Philipp als Elektroingenieur, und nicht Gärtner oder Drogenhändler, ist nicht einfach nur, daß das immer so ist (im Sinne von errechenbarer Konsequenz aus physikalischer Bewegung). Der Grund ist zumindestens teilweise Philipp als Philipp, es ist "Philipp-Ursache" nicht physikalische Gesetzmäßigkeit. Und wenn Du fragst wie Gott dereinst Philipp beurteilen kann, gegeben daß doch alles "statisch" vor Gott liegt, dann ist die Antwort, daß Gott die Summe der "Philipp-Ursachen" anschauen wird. Das "statisch-ewige" Bild des Universums ausgerollt in der Zeit ist eben nicht nur von Gott gemacht (schon alles von Gott gemacht im Sinne der Existenzgebung, ich meine hier die Formgebung). Ein paar Sachen hier und da sind wie sie sind weil die "Philipp-Ursache" das so bestimmt hat. Das Gott das komplett sehen kann, und auch sehen kann was eben nicht wirklich "Philipp-Ursache" ist sondern z.B. deterministische physiologische Prozesse in Philipps Hirn, ist gerade der Grund warum Gott Philipp perfekt beurteilen kann, absolut fair. Gott sieht eben exakt wofür Philipp etwas kann, und was nur die Welt (und auch Philipp als Teil der Welt) in ihrem "automatischem" Lauf ist.
Wenn Du aber fragst, wie Philipp so "mit-schöpft", wie sein Entscheidung irgendwie "außerphysikalisch" in die Welt wirkt, dann kann ich nur sagen:
Es ist mysteriös, aber weder unlogisch noch anti-wissenschaftlich. Denn ich kann z.B. durchaus eine logische und empirisch überprüfbare Aussage machen: "Ein System das einen 'freien' Entscheider, wie z.B. einen Menschen, enthält ist nicht immer und in allen Aspekten deterministisch, auch nicht stochastisch-deterministisch. Die weitere Entwicklung dieses Systems läßt sich nicht komplett aus dem derzeitigen Zustand bestimmten. Und hier sind weder Problem der Stochastik gemeint, die Entwicklung ist auch in einem statistischen Sinne nicht vorhersehbar. Noch sind Probleme des deterministischen Chaos gemeint, das Systems ist auch auf Zeitskalen kürzer als zur Entwicklung von Chaos nötig nicht vorhersehbar. Es ist explizit gemeint, daß die Vorhersage nicht mathematisch geschlossen werden kann anhand des physikalischen Zustands, rein physikalisch 'fehlt' Information um die Systemänderung vollständig zu beschreiben." Nun ist das zugegebenermaßen reine Theorie, es gibt derzeit keinerlei praktische Möglichkeit das zu überprüfen und das wird sich in den nächsten Jahrhunderten vermutlich auch nicht ändern. Insofern könnte man es als eine Art Ausrede betrachten. Aber es ist keine Ausrede, es ist schlicht was ich sagen kann. Es ist sozusagen nicht meine Schuld, daß das Universum "schwierig" ist was Freiheit angeht. Aber es ist eben doch eine Ansage. Es sagt, daß der Physikalismus
technisch-methodisch falsch ist, oder jedenfalls nicht komplett richtig. Es ist die Vorhersage einer prinzipiellen Lücke, die nichts innerhalb der Physik (wie derzeit verstanden) schließen kann.
P.S.: Es gibt auch Alternativen zu meinen Kommentaren zur Physik, etwa
Supervenience. Die letzten beiden Paragraphen meine ich spekulativ, aber das Vorhergehende nicht. Das Gott aus der Ewigkeit Zugang zu aller Zeit hat, halte ich für "notwendig" (kontra Prozeß-Theologie).