hm...TeDeum hat geschrieben: ↑Montag 17. Januar 2022, 19:00Das Thema kam mir die letzten Wochen immer wieder in den Sinn.
"Menschen sind verschieden". "Kein Mensch tickt wie der andere" usw. ist uns allen bekannt. Irgendwie scheint das in der Kirche hierzulande keiner sehen zu wollen?
lauralarissa schreibt eingangs ja, es gehe um eine "Gottesbeziehung". Und vermutlich auch um eine Beziehung der Gläubigen untereinander. Und eine Beziehung zu diesem und jenem. Man beteuert Jesus sei dein Freund. Und versichert sich mit guten Gefühl - Gott liebt auch dich! Und das in x Gruppierungen.
Mag jetzt despektierlich klingen, ist so nicht gewollt. Diese "Beziehungskiste" ist mittlerweile ziemlich verbreitet in der Kirche. Nicht falsch verstehen, für manche ist dies IHR Zugang. Aus meiner Erfahrung sind das überwiegend Frauen. Alles ok. Das Problem an der Sache ist, dass man halt nur eine bestimmte Klientel damit anspricht.
Ich bin nach dem MBTI Persönlichkeitstest z.B. ein Denker. Schätzungen nach sind das zwischen 30-40% in Deutschland. An einer "Gottesbeziehung" haben wir erstmal kein Interesse. Wir wollen auch nicht "Gemeinschaft erleben". Wir wollen verstehen! Wir wollen lernen! Wir suchen nach Wahrheit, Schönheit, Gerechtigkeit. Nach Logik. Nach Mustern.
Leider wird unsere Minderheit so nicht wahr genommen. Oft sogar bewusst weggelassen, weil man fürchtet, diese Leute seien "Traditionalisten". Ich kann mit diesen "Trennlinien" zwischen Progressiven und Traditionalisten gar nichts anfangen. Für mich verläuft sie eher zwischen den Persönlichkeitsmustern "Denker" und "Fühler". Ich zähle zwar klar zu einer Gruppe, aber gestehe der anderen wohlgemerkt absolut ihren Zugang zu Gott zu.)
Leider gilt das nicht umgekehrt.
Mal ein Beispiel aus der Praxis - ich hatte gemeinsam mit unserem Diakon eine Webseite für unsere Gemeinde erstellt. Dort fand auch eine Rubrik "Glaubensleben" einen Platz, in welchem die Sakramente vorgestellt wurden, auf Fragen von Gläubigen eingegangen wurde. Nichts theologisch in der Tiefe, aber man konnte in einfachen Worten nachlesen, was es eigentlich mit z.B. der Krankensalbung auf sich hatte (was/wie/warum/wann)
Leider verließ uns der Diakon kurz darauf und die "geistliche" Betreuung bekam eine Pastoralassistentin. Deren erste Amtshandlung darin bestand, die Sektion "Glaubensleben" verschwinden zu lassen. Dafür gibts jetzt ganz viele Fotos von Aktionen und Gruppierungen. Liest sich jetzt ein wenig wie die Webseite eines Kleinstadtvereins.
Mich spricht das z.B. überhaupt nicht an. Erzähl mir lieber, warum es einen Gott gibt, was die Kirche über Leben und Tod denkt und wieso wir Menschen so erschaffen wurden, wie wir sind. Um nur einige Fragen eines potenziellen Katechumenen aus dem "Denker"-Lager zu schildern.
Und da herrscht halt (bewusst?) gähnende Leere. Die Leere füllte übrigens bei mir seinerzeit zu einem guten Teil (neben der Literatur) der Kreuzgang, der ganz erheblich zu meiner Konversion vor 10 Jahren beitrug. Das ist einerseits schön, andererseits auch ein Armutszeugnis für die Katholische Kirche in Deutschland.
So lange man sich weiter an diesen "Beziehungskisten" weidet und immer weiter nur ein neues "Event" nach dem anderen für diese Klientel veranstaltet, wird sich an dem Thema Neuevangelisierung in Deutschland nichts ändern. Ein Anfang wäre überhaupt mal zu verstehen (und einzugestehen), dass der Zugang zum Glauben unterschiedlich ist. (das wird zwar wie vieles anderes wieder gern beteuert und einander versichert, aber die Praxis sieht anders aus)
...was Du schreibst, ist schon sehr sehr bedenkenswert...
Mein Vater hat mir einmal so vor ca. dreissig Jahren eine Anekdote aus den 1960er Jahren berichtet, es ging genau um dieses Thema "Gottesbeziehung". Er hatte damals in einer Glaubenskrise den Stadtpfarrer in enem seelsorgerl. Gespräch gefragt: "Können Sie mir sagen, wer Jesus Christus für Sie persönlich ist?" Ich konnte es kaum glauben, wie die Reaktion war: der Pfr. war erbost, so in dem Sinne, wie er es wagen könne dessen kath. Glauben in Frage zu stellen. Aber worum geht es denn bei Mission sonst? Am Glauben, bzw. am Bekenntnis muss "gekratzt" werden dürfen, vlt. sogar müssen, d.h. womöglich brauchen wir sogar die "Fassadenkratzer"...