Juergen hat geschrieben:LThK; Bd. 7; 3. Aufl. hat geschrieben:Paphnutios, hl. (Fest 11. Sept.), +360; trat nach Sokrates beim Konzil v. Nizäa als Bf. der Thebais auf. Wegen des Verlustes eines Auges in der Verfolgung u. aufgrund seiner streng monast. Lebensführung genoß er dort großes Ansehen; er soll die vor den Weihen geschlossene Ehe der Kleriker für gültig und erlaubt sowie den Beischlaf der Eheleute als legitim und keusch erklärt haben. Diese Darstellung wurde mehrfach tradiert u. als Beweis gg. den Pflicht-Zölibat der alten Kirche vorgebracht; sie ist aber sicher als Legende erkannt worden.
Und welcher Hirsch hat das geschrieben?
Ohne die Argumente zu kennen – außer der Nichterwähnung des Paphnutius bei Athanasius, was du oben mitteiltest – wende ich dagegen folgendes ein:
1. Die Berichte bei Socrates, Sozomenos (welcher sich an Erstgenannten zwar anlehnt, aber keineswegs bloß abkupfert, sondern Socrates auch überprüft und gelegentlich sogar korrigiert) und Rufin sind der Form nach keine „Legenden“, sondern präzise Tatsachenberichte aufgrund vorliegender Sachinformationen.
2. Es gibt keine Hinweise auf eine solche Legende zur Zeit der genannten Kirchenhistoriker. Warum erscheint bei ihnen nur ein knapper Hinweis auf des Paphnutius Bekennertum unter Maximinus Daja und dann der Bericht vom „Nicænum“, bei Rufin und Sozomenus noch das Eintreten für Athanasius auf der tyrischen Synode von 335, aber nichts weiter? Besonders von Socrates könnte man erwarten, daß er wenigstens von den dem Paphnutius zugeschriebenen Wundern bei der Einführung der Person einiges konkret mitteilte, was er jedoch nicht tut.
3. Historische Quellen sind solange als glaubwürdig anzusehen, als nicht im Einzelfall stichhaltige Gründe dagegenstehen. Dies gilt um so mehr bei sonst als zuverlässig bekannten Autoren.
4. Die Legende an sich ist keineswegs als historisch unzuverlässige Quelle anzusehen. Es handelt sich ja um die zur Wahrung des Gedächtnisses aufgeschriebenen Fakten aus den Leben der Heiligen. Der tatsächliche Quellenwert hängt freilich von der Nähe zu den Ereignissen ab. Solche Nähe wäre hier aber jedenfalls gegeben, so daß selbst dann, wenn die Historiker sich auf eine Paphnutius-Legende stützten – wofür ich keine Hinweise sehe, im Gegenteil, siehe oben –, dann wären die Berichte als solche nicht unglaubwürdig.
5. Extrem unglaubwürdig ist dagegen, daß nur hundert Jahre – oder nach Winkelmann nur ein Dreivierteljahrhundert – nach den geschilderten Ereignissen eine Legende über erfundene Personen existiert haben soll.
6. Noch unglaubwürdiger ist, daß nur ein derart kurze Zeitspanne nach den geschilderten Ereignissen eine Legende über Vorgänge bei dem großen Ökumenischen Konzil existiert haben soll, dessen Gedächtnis frisch war und dessen Akten in Constantinopel und anderswo vorlagen.
7. Seriöse Lexika ziehen die Existenz des hl. Paphnutius in keiner Weise irgend in Zweifel: weder die »Catholic Encyclopedia«, noch das »Historisch-Biographische Kirchenlexikon«, noch das »Lexikon des Mittelalters«, noch der »Kleine Pauly« (und dann fraglos auch nicht die RE, die ich jedoch nicht zur Hand habe). Als zweifelhaft wird lediglich der Bericht von der Teilnahme des Paphnutius an der Synode von Tyrus im Jahre 335 angesehen (so LdMa, KlP; Quellen für die Teilnahme: Rufin, hist. eccl. 10,17; Soz., hist. eccl. 2,25). Das LThK (»Lexikon für Theologie und Kirche«) ist in der dritten Auflage schlicht nicht mehr als seriös anzusehen. Freilich war auch die zweite Auflage vielfach schon ungenießbar.