zum Weltgebetstag um geistliche Berufe am 4. Sonntag der Osterzeit (B) - 2009 von P. Christoph Kreitmeir OFM
In diesen Tagen geistern Zahlen (siehe unten die offizielle Meldung) durch das kath. Deutschland, die Insider – leider fast nur noch Insider – aufhorchen lasssen: Im Jahr 2009 werden insgesamt für ganz Deutschland, also einem 82-Millionen-Volk nur knapp 100 katholische Priester geweiht. Das ist viel weniger als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, das ist eine Katastrophe für die Seelsorge der Zukunft. Denn … wo die Priester und Seelsorger fehlen, dort wird über kurz oder lang das geistliche Leben der Gläubigen massiv leiden.
Die Anfänge davon erleben wir ja schon landauf landab mit den Zusammenlegungen von Pfarreien, mit der Überlastung der Geistlichen, mit alternative Angeboten, die aber nicht richtig greifen.
Am heutigen Sonntag, wo Jesus als der „Gute Hirte“ uns vor Augen gestellt wird, beten wir auch für gute Priester und Ordensleute und hoffen, dass diese missliche Situation sich vielleicht doch noch ändern wird. Aber die Zeichen stehen eher schlecht, wenn v. a. das geistliche Leben in den kath. Familien erlahmt, wenn Eltern die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn ihr Kind einen geistlichen Beruf – Wunder über Wunder – ergreifen will oder christlich-katholische Gemeinden eher Hemmschuh als Hilfe für Suchende sind.
Das alte Bild des Vergleiches zwischen dem „Guten Hirten und dem bezahlten Knecht“ ist nach wie vor hervorragend und höchst aktuell. Heute gilt leider immer stärker die Devise: was bringt´s mir und ja nicht zu sehr für andere anstrengen …
Und doch haben wir alle eine große Sehnsucht in uns, die Sehnsucht, dass Gott uns Gutes will, dass er uns Zuwendung zeigen will. Das tiefe Bild vom „Guten Hirten“, der Jesus ist, ist da unsere Seelensehnsucht sehr ansprechend. Ein „Guter Hirte“ wird aber auch seine Herde und jedes einzelne ihm anvertraute Geschöpf nicht verhätscheln und verwöhnen, weil wir dadurch leicht lebensuntüchtig und schwach im Glauben werden können. Deshalb muss er auch immer wieder Situationen zulassen, die uns abhärten sollen für den manchmal harten Lebenskampf, um uns danach oft doppelt zu erfreuen.
Vielleicht sind wir im Punkt der geistlichen Berufungen seit Jahrzehnten im reichen Westen in solchen Prüfungssituationen.
Es wird auch Zeiten geben, die uns hart erscheinen und die die Vermutung aufkommen lassen können, dass der „Gute Hirte“ sich nicht um uns kümmert.
Eine Christin (Lina Haug) hat solch eine Situation einmal beschrieben und ich will sie hier wiedergeben. Sicher kann uns das helfen, gerade auch in schweren Zeiten IHM mehr zu vertrauen.
Sie schreibt:
An einem kalten Wintertag reiste ich in den Westerwald. Es stürmte und schneite. Von meinem Fenster aus sah ich eine Schafherde, die im hohen Schnee lag. Keine grüne Aue, kein frisches Wasser, keine Erquickung, kein Hirte in der Nähe. Eis und Schnee, Frost und Kälte, Härte und Einsamkeit, Entbehrung und Verlassenheit, Nacht und Dunkelheit waren ihr Los. Wo war der Hirte der Schafe, der so grausam mit seinen Tieren umging und sie den Unbilden der Witterung mit seinen Härten aussetzte? Er war in seinem Haus! Ich konnte es nicht lassen, ihn aufzusuchen, um ihm meine Empörung über die Not seiner Schafe ans Herz zu legen.
"Haben sie keine Sorge, dass ihre Schafe bei dieser Kälte umkommen und erfrieren?" so fragte ich ihn.
"Umkommen und erfrieren, unmöglich!" gab er mir zur Antwort.
"Sehen sie," dabei zeigte er auf das Thermometer vor dem Fenster, "es sind genau - 16 Grad. Schafe können - 20 Grad ertragen, darum bin ich ohne Sorge. Die Zeit ist noch nicht da, sie hereinzuholen. Wenn es - 18 Grad sind, hole ich sie in den Stall, vorher nicht. Aber glauben sie mir, meine Gedanken sind unaufhörlich bei ihnen. Meinen Schafen gilt meine letzte Sorge am Abend und mein erster Gang am Morgen geht hinaus auf das Feld, um nach ihnen zu sehen. Eng aneinander geschmiegt finde ich sie vor, eins wärmt das andere, eins schützt das andere vor dem Erfrieren."
Dabei strahlten seine Augen; man spürte ihm die Liebe an, die ihn mit seinen Schafen verband. Wie sollte es auch anders sein! Unwillkürlich dachte ich an den guten Hirten, der sein Leben hingegeben hat für seine Schafe, der von seiner Geburt bis zu seinem Sterben am Kreuz großen Mangel erlitten und erduldet hat um unseretwillen. Über den, draußen vor dem Lager, die eisigen 'Lebenswinde' hinweggegangen sind: den die Nacht der Dunkelheit, Hohn, Spott, Geißelung, Angst und Gottverlassenheit umfangen hatten, die weit über - 20 Grad gingen!
Der „Gute Hirte“ ist nicht müßig und faul. Er handelt nicht willkürlich, wohl aber oft unbegreiflich für´s kleine Menschenhirn. Er tut alles genau zu seiner Zeit! Bei ihm gibt es kein Zu-früh und kein Zu-spät. Verzage nicht, wenn er dich auf eine schwere Straße führt. Wenn er dich auf hartgefrorenen Boden stellt und er dich in ein rauhes Klima versetzt. Er bestimmt den Kälte - und Hitzegrad unserer Leidenstiefen, um uns vorzubereiten für die Herrlichkeit.
In allem aber, was dir Anfechtungen, Angst und Schmerzen, Einsamkeit, Kummer und Leid, Not und Sorge, Trübsal und Verlassenheit bereitet, tröstet dich die Gewissheit: Es sind noch keine - 20 Grad!
Und so werden knapp 100 Neupriester im Jahre 2009 auf jeden Fall nicht genügen. Wenn sie aber gute Seelsorger werden, dann können sie soviel sein wie sonst 800. Der Herr, der „Gute Hirt“ will uns anscheinend prüfen, wie weit es bestellt ist, dass die Gemeinde – um im Bild der Schafherde zu bleiben – sich gegenseitig bei eisigen Temperaturen wärmen kann. Amen.